Editorial

Zarte Spitze war in St. Gallen der Stoff, aus dem Grossstadtträume wuchsen. Zwischen 1801 – der ­Gründung der ersten mechanischen Baumwoll­spinnerei – und dem ­Ersten Weltkrieg erlebte die Ostschweizer Metropole dank der Textilindustrie einen ungeheuren wirtschaftlichen Aufschwung. Dies klingt bis heute nach, wenn die Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt darüber sinnieren, ­welche Bedeutung St. Gallen hätte, wäre Europa nicht in der «Grande Guerre» versunken.

Doch die Realität war eine andere: Eine einschnei­dende Krise erschütterte die Region. Sie erholte sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg langsam wieder davon. In den Häusern der Stadt spiegelt sich diese wechselhafte Geschichte wider. ­Beeindruckende Villen zeugen vom einstigen Reichtum – die meisten sind im Inventar der Denkmalpflege aufgeführt. Für die historischen Gebäude war die Krise ein Glücksfall, denn wo anderenorts die Boomjahre der Bau­substanz zusetzten, fehlte in St. Gallen das Geld für einschneidende Umbauten.

Drei Beispiele zeigen, mit welchen Konzepten diese geschützten Häuser heute saniert werden können. Die Auswahl der Bauwerke erfolgte im Dialog mit der städtischen Denkmalpflege.

Deren Leiter Niklaus Ledergerber ergänzt die Artikel mit kurzen Kommentaren.

Die Sanierungen sind so verschieden wie die Häuser selbst: die Villa des ehemaligen ­Gemeindebaumeisters, ein Landschlösschen in der Stadt und ein stattliches Mehrfamilienhaus.

Marko Sauer

Inhalt

AKTUELL
07 WETTBEWERBE
«sinergia» – mit vereinten Kräften verwalten

12 PANORAMA
Geschichten ums Wasser | Der Weg zum Zertifikat | Strg   S | Praxisänderung zur ­Einordnung von Bauprojekten

16 VITRINE
Neues aus der Bauindustrie | Weiterbildungsangebote

19 SIA-FORM FORT- UND WEITERBILDUNG
Neue Nachweisverfahren erprobt | Von Bier und Milch zu Wohnen und Kultur

23 VERANSTALTUNGEN

THEMA
26 ST. GALLER VILLEN WACHGEKÜSST

26 «... AND THEN WE INTERPRET THE ARTISTS»
Marko Sauer
Das Haus des Gemeindebaumeisters: wahre Kunst und falsches Holz.

30 JUGENDSTIL TRIFFT ENTERPRISE
Marko Sauer
Ein betont zeit­genössischer Anbau holt ein Landschlösschen in die ­Gegenwart.

34 AUF DEM BODEN BLEIBEN
Marko Sauer
«Villa Seeblick»: ein Balanceakt zwischen Vernunft und Liebe zum Detail.

38 STELLENINSERATE

45 IMPRESSUM

46 UNVORHERGESEHENES

«...and then we interpret the artists»

Die Kunst stand Pate: Ein kunstsinniges Paar erstand das Wohnhaus des ehemaligen Gemeindebaumeisters von St. Gallen, der Architekt steuerte Einbauten im Stile der Minimal Art bei, und Malermeister Capobianco ­vollendete die Renovation mit italienischer Handwerkskunst.

Das Haus barg einige Überraschungen. Über die Jahrzehnte war ein Teil des baukünstlerischen Schmucks hinter dicken Farbschichten und Holzfaserplatten verschwunden. Erst durch Sondierungen vor dem Umbau kamen zwei Schätze zum Vorschein: Niemand konnte sich an die reich verzierte Malerei im Treppenhaus und an die wertvolle, frei geformte Stuckatur mit den Engelsköpfen erinnern. Ganz aus heiterem Himmel kamen diese Entdeckungen zwar nicht, denn das Haus ist im Inventar der schützenswerten Bauten der Stadt aufgeführt, und die Ausgestaltung liess erahnen, dass der damalige Gemeindebaumeister beim Bau seines Wohnhauses 1900 nicht gegeizt hatte. Doch die Ausmasse und die Qualität dieser Handwerkskunst waren herausragend – der Aufschwung, der mit dem Stickereihandel einherging, hatte in diesem Haus eine seiner schönsten Blüten getrieben, bevor der Erste ­Weltkrieg ausbrach und der Handel mit Luxusgütern ein jähes Ende fand.

Die neuen Eigentümer traten ein reiches Erbe an und damit verbunden die grosse Herausforderung, mit den erhaltenen und neu entdeckten Elementen einen zusammenhängenden Entwurf zu finden, der ihrem Lebensgefühl entspricht und gleichzeitig die Zeugen einer Epoche bewahrt. Erschwerend kam hinzu, dass jedes der drei repräsentativen Zimmer im Obergeschoss, dem Wohngeschoss der neuen Hausherren, einen eigenen Ausdruck aufweist: Während der Raum im Osten neoklassizistisch erscheint, bietet das zentral gelegene Esszimmer einen Ausflug in die griechische Mythologie. Der Salon hingegen ist wieder mit Elementen des Barocks ausgeschmückt. Der Entwurf für den Umbau folgte deshalb nicht einem durchgehenden Schema, Architekt Mike Masny und die Bauherrschaft suchten individuelle Lösungen im Umgang mit den teilweise nur noch fragmentarisch erhaltenen Zeitzeugen. Einige davon wurden kunstvoll restauriert, andere neu interpretiert und mancher Schatz auch einfach für die Nachwelt gesichert. In Ansätzen erinnerte die Aufgabe an die Sanierung der Villa Patumbah in Zürich (Vgl. TEC21 41–42, 2013), jedoch sind die Räume zum Wohnen und nicht als Museum gedacht – eine durchgängige Atmosphäre steht deshalb über der historisch korrekten Ausformulierung. Für die beiden erwähnten Entdeckungen hatte dies unterschiedliche Folgen: Die Dekormalerei im Treppenhaus verschwand wieder hinter einer Schutzschicht, die Stuckatur hingegen wurde sorgfältig erneuert.

Der Handwerker als Autor

Als Leitmotiv des Umbaus mag ein Kunstwerk dienen, das ab Herbst den Garten der Villa zieren wird. Ein Satz der walisischen Künstlerin Bethan Huws wird dort in Neonbuchstaben erstrahlen: «Artists interpret the ­world and then we interpret the artists.» Das Werk ­leuchtet – in grösserer Ausführung – seit dem Gallusjubiläum von 2012 über der wildromantischen Mühlenenschlucht gleich hinter dem Kloster. Ein Vexierspiel. Und ähnlich diesem dialektischen Sprachspiel mischen und über­lagern sich im Gebäude an der Zwinglistrasse nun die zeitgenössischen und historischen Elemente – wobei nicht immer klar ist, zu welcher Epoche der ­baukünstlerische Schmuck gehören will. Beispielhaft für diese anregende Verwirrung steht die kunstvolle Imitation der Holzmaserung auf allem, was nicht Parkett ist: Türen, Fenster, Täfer und Heizkörperverkleidungen. Die Denkmalpflege schlug diese Malerei als ein übliches Ausdrucksmittel der damaligen Epoche vor. Zu Beginn sehr skeptisch, waren die Eigentümer nach den ersten Mustern begeistert. Sie fanden so viel Ge­fallen daran, dass sie Fläche um Fläche von Maler­meister Antonio Capobianco gestalten liessen, der sich die Kunst der Maserierung während seiner Lehrzeit in der Region Kampanien angeeignet hatte. Und so zieren nun seine Imitationen die Holzflächen vom Sockelgeschoss bis unters Dach. Sind sie ein Ausdruck der Entstehungperiode? Genauso gut könnten sie als kritische Gegenposition zur Forderung der Moderne nach Materialwahrheit gelesen werden. Oder sind die zierlichen Metallriegel der originalen Fenster in ihrem Holzkleid gar ironisch gemeint? Die Lesart bleibt offen, die Interpretation dem Betrachter überlassen. Die Malerei von Capobianco findet ihren Höhepunkt im Turmzimmer, das er rundherum mit einer Eichenmaserung versehen hat. Dort hat er sein Werk auch signiert – es ist ebenso Kunst wie die Bilder, die im Haus hängen.

Ergänzungen im Stil der Minimal Art

Strukturell bedurfte es keiner grossen Interventionen, denn der Grundriss bietet auch für heutige Verhältnisse grosszügigen und repräsentativen Raum. Der tiefste Eingriff erfolgte in Küche und Badezimmer. Sie sind mit Chromstahl und Marmor schlicht gehalten, die Keramikplatten in der Küche sind original und teilweise aus dem Bestand der unteren Wohnung im Erdgeschoss ergänzt. Diese wurde ebenfalls renoviert – weniger aufwendig als im Obergeschoss, aber im gleichen Geist. Die Zimmer im Dachgeschoss werden vorläufig noch als Gästezimmer genutzt, die Installationen sind jedoch so weit vorbereitet, dass daraus ohne weitere Eingriffe in die Haustechnik eine separate Wohnung entstehen kann.

Drei Einbauten ergänzen die Räume im Obergeschoss: im Wohnzimmer das neue Cheminée aus ­Messing von Metallbauer Tobias Leggnenhager, ein frei stehender Schrank im Salon, der als Bibliothek dient, und der ebenfalls im Raum stehende schwarze Schrank in der Umkleide. Allen gemein ist die redu­zierte, kubische Formensprache; gleichsam eine Reverenz an die Minimal Art der 1960er-Jahre. Den markantesten Eingriff bildet der mystische dunkle Block, in dem die Kleider verschwinden und an dessen kurzen Enden schwarz schimmerndes Glas als Spiegel dient. Un­weigerlich erinnert dieser Einbau an den extra­terrestrischen Monolithen in Stanley Kubricks Film «2001: A Space Odyssey». Die Absicht war, die Wände frei zu halten und damit das Zimmer in seiner ganzen Gestalt zu zeigen. Die Decke mit der bereits erwähnten, frei­händig gestalteten Stuckatur scheint über dem ­Möbel zu schweben, was hervorragend zu den dargestellten Engelsköpfen passt, doch der verbleibende Raum wirkt etwas gestaucht und eng.

Das grüne Kleid des Hauses

Der Garten wird nicht nur durch das Kunstwerk von Bethan Huws verändert, das dereinst vor einer mit Efeu dicht bewachsenen Wand erstrahlen wird. Ähnlich wie beim Haus war auch im Garten die einstige Gestaltung nur noch im Ansatz zu erkennen. Ein neues Bepflanzungskonzept wird die Verbindung zwischen Haus und Garten in ein neues Gleichgewicht bringen – das sich an der ursprünglichen Intention orientiert. Der Landschaftsarchitekt Roman Häne beschreibt in seinem Konzept, dass wie in der Zeit um 1900 herum einheimische Wald- und Feldgehölze das «Gerüst des Gartens» bilden sollen, während wertvolle Exoten in Hausnähe, dekorative Blätter oder Blüten und Raritäten den Garten schmücken. Denn anstatt das Gebäude durch weite Flächen zur Geltung zu bringen, wie es heute oft üblich ist, sieht der Plan vor, das Haus in ein grünes Beet aus Schmuckpflanzen zu setzen, das sich dem südlich gelegenen Abhang entlang zieht.

Hinter dem Haus bleibt hangseitig der befestigte Zugang bestehen, daneben wird im Herbst ein Pavillon erstellt. Das Architekturbüro Keller Hubacher aus Herisau wird auf einer Betonplatte, die gleichsam über dem Gelände zu schweben scheint, eine Stahlstruktur errichten. Das Bauwerk berührt den Boden nur an ­wenigen Punkten – das Wurzelwerk einer stattlichen Linde, die ebenfalls unter Schutz steht, lässt nur eine geringe Belastung des Bodens zu.

Das Leben als Kunst

Eine der wichtigsten Forderungen des Jugendstils war, dass «Kunst und Leben» verschmelzen und die künstlerische Gestaltung den Alltag durchdringt. Eine entscheidende Rolle spielte dabei die Arts-and-Crafts- Bewegung, die Kunst und Handwerk vereinigt. Die Villa an der Zwinglistrasse ist ein beredtes Beispiel dieser Epoche. Die neuen Bewohner haben nicht nur formal an diese Tradition angeknüpft. Mit ihrem Sinn für ausdrucksstarke Kunst und hochwertiges Handwerk haben sie eine beinahe ausgestorbene ­Haltung in ­dieses Jahrhundert transportiert.

TEC21, Fr., 2014.08.29

29. August 2014 Marko Sauer

Jugendstil trifft Enterprise

Ein moderner Anbau ergänzt das Haus im Stil eines Landschlösschens aus dem Jahr 1902. In dessen alter Hülle steckt viel Technik und Innovation.

David Gastrau steht in der Küche und fingert auf seinem Tablet herum. Nach einigen Taps und Swipes geht das Licht über dem Esstisch an. Er hätte auch einen der zierlichen neuen Porzellanschalter betätigen können, doch mit Begeisterung führt er alle Gimmicks vor, die das Haus zu bieten hat. Kameras überwachen Haus und Garten, alle Räume verfügen über Sensoren, die Bewegungen, Temperatur und Licht registrieren. Man kann von jedem Punkt der Welt darauf zugreifen – so weit das Internet reicht. Und wenn die Bewohner keine Zeit haben, einen Blick auf das Geschehen zu werfen, übernimmt dies das intelligente System der Haustechnik. Gastrau ist Architekt und stammt ursprünglich aus Los Angeles, wo er einige Jahre bei Frank Gehry gearbeitet hat. Auch wenn er nun seit über 20 Jahren zusammen mit seiner Büropartnerin Monika Fürer in Gossau SG tätig ist: Das Temperament ist ihm geblieben, die grosszügige Geste, die Freude an der Technologie. Dies zeigt sich in dieser Sanierung, die modernste Technik in einem historischen Gewand präsentiert und dem verträumten Landschlösschen einen trockenen Anbau in Sichtbeton an die Seite stellt.

Das Haus auf dem St. Galler Rosenberg war über lange Jahre in tiefen Schlaf versunken. Im Garten wucherte Gestrüpp, Wasser drang ein und setzte der Substanz ebenso zu wie die Ameisen, Holzwürmer und Marder, die das Haus bewohnten. Der Unterhalt war über 70 Jahre lang liegen geblieben – die Liste der ­anstehenden Arbeiten entsprechend lang. Auf der anderen Seite befand sich der Innenausbau noch weitgehend im Urzustand: mit eleganten Jugendstilformen verzierte Türen, originale Fenster sowie das ursprüngliche Parkett unter Linoleum und Teppichen.

Im Endausbau zeigt sich die Struktur der Villa nahezu unverändert. Lediglich eine einzige Wand musste weichen, um Platz für die grosse Küche mit den ­Cortenstahlfronten zu schaffen. Doch während der Bauphase reichte der Raum vom Erdgeschoss bis unters Dach – die Decken und Wände mussten umfassend ­saniert werden. Dieser tiefe Eingriff bot Gelegenheit, moderne Technik einzubauen und die Oberflächen wieder mit ihrem Gewand zu verkleiden, denn die Architekten wollten den Ausdruck des Gebäudes nicht nur von aus­sen wahren, sondern auch im Innern so viel wie möglich vom Charme des Hauses erhalten. Da die Heizung auf eine Wärmepumpe mit Erdsonde umgebaut wurde, sind die Fussböden nun mit einem Unterlagsboden mit Bodenheizung ausgeführt. Die neue Komfortlüftung ist diskret in die Einbauschränke integriert.

In den meisten Räumen befand sich ein Boden aus Douglasie, in Wohn- und Esszimmer kam ein ­Nussbaumparkett hervor, das ausgebaut und für die Treppenabsätze wieder verwendet wurde. Einzige ­Abweichung der stilgerechten Sanierung: Um einen ­einheitlichen Eindruck zwischen der Villa und ihrem Anbau herzustellen, ist im gesamten Stockwerk ein ­neues Parkett verlegt. Zwar entspricht der kleinteilige ­Bodenbelag aus Nussbaumholz nicht dem ursprünglichen Stil des Hauses, dafür passt er sich an die unterschiedlichen Raumgrössen und Architektursprachen von Bestand und Anbau an.

Ein weiteres prägnantes Element des Gebäudes sind die abge­rundeten Zierrahmen der Türen. Auch sie wurden renoviert und wo nötig ergänzt. Lediglich die Fenster konnten nicht erhalten werden. Ihr Ersatz wurde jedoch in der gleichen Aufteilung erstellt (vgl. Schnitt S. 32). Auch in den Bädern passen die neuen Oberflächen zur Erstellungszeit: Neue Jugendstil-Keramikplatten und Zementfliesen zieren Böden und Wände.

Schönheitssinn und Fortschrittsglauben

Bei der Innenausstattung legten die Architekten gros­sen Wert auf Originale. Statt die Leuchten für das Haus einfach aus dem Katalog zu bestellen, gingen die Bauherren auf Beutezug im Internet: Zahlreiche Bauhausklassiker gingen ihnen ins Netz, ebenso drei Leuchten von Peter Behrens, die jetzt über dem Küchentisch hängen. Doch was antik ist, muss bei Gastrau nicht automatisch auch alt sein: Hinter dem historischen Mattglas leuchten LED-Lampen und verströmen mit ihrem engen Farbspektrum das Licht einer Bahnhofshalle. Den Einwand lässt der Hausherr nicht gelten: «Come on, wir leben im 21. Jahrhundert!» Wieder blitzt diese erfrischende Mischung aus kultiviertem Schönheitssinn und pragmatischem Fortschrittsglauben auf.

Das Haus wurde ursprünglich in einem Zweischalenmauerwerk mit zwei Schichten Backsteinen von 12 cm Stärke errichtet – für seine Zeit eine aussergewöhnliche Konstruktion und für die energetische Sanierung des Gebäudes ein Glücksfall. Der 8 cm breite Zwischenraum ist nun mit Dämmmaterial gefüllt, das durch Öffnungen in der äusseren Schale eingeblasen wurde. Doch dies ist nur ein Teil der neuen Dämmung. Da das Haus im Inventar der schützenswerten Bauten aufgeführt ist, kam eine Verkleidung von aussen nicht infrage. Gemäss einer ersten Studie sollten die Wände von innen gedämmt werden, wodurch viele Details ­hinter Gipskartonplatten verschwunden wären. Die weitere Recherche führte die Architekten zu Aerogel – einem Dämmstoff, der ursprünglich von der NASA für den Einsatz im Weltall entwickelt wurde und nun Anwendung in der Baubranche findet. Die Eigenschaften des Materials sind erstaunlich: es ist wasserab­weisend und zugleich dampfdiffusionsoffen, bei einer Wärmeleitfähigkeit von rund 0.018 W/mK. Mit einem 3 cm starken Dämmputz auf einer Matte aus Aerogel zeigen sich die Fassaden nun in ihrem ursprünglichen Ausdruck. Zusammen mit der Füllung im Hohlraum sinkt der Wärmedurchgangskoeffizient der Aussenwände von 1.1 auf 0.26 W/m2K.

Das Dachgeschoss wurde mit einer Innendämmung mit 14 Zentimetern ausgebaut; einerseits verhinderte der Sichtriegel im turmartigen Aufbau den Einsatz des Dämmputzes, andererseits wechselt die Konstruktion auf ein massives Mauerwerk von 25 cm Stärke. Hier verbessert sich der Wert von 1.4 W/m2K auf 0.21 W/m2K. Der Dachstuhl wurde erneuert, das Dach neu eingedeckt und ebenfalls gedämmt. Der Koeffizient sank von 3.0 auf 0.18 W/m2K.

Dialog der Kulturen

Um mehr Platz zu schaffen, erweitert ein zweigeschossiger Anbau die Villa, ergänzt um eine Einstellhalle mit Platz für neun Autos – die Vermietung der Parkplätze finanziert einen Teil des Umbaus. Das obere Geschoss des Anbaus befindet sich bündig mit dem Hochparterre und enthält ein Wohnzimmer mit grossem Panorama­fenster und Aussicht über die Stadt. Im unteren Geschoss ist das Atelier von Gastrau untergebracht, das an das Kellergeschoss anschliesst. Eine Schalung aus OSB-Platten verleiht dem eingefärbten Sichtbeton gegen aussen Struktur, die kubische Form knickt im Obergeschoss leicht aus der Achse und kragt über den Sockel aus: Ein bisschen Gehry durfte es dann doch noch sein. Die metallenen Fensterläden verzierten die Architekten mit einem Motiv aus der Stickereiwelt: Kreuze und Kreise in unterschiedlicher Grösse interpretieren die Muster von Jacquard-Lochkarten. Gegen die Renovation wurde Rekurs eingelegt. Am Ende befasste sich der Sachverständigenrat der Stadt, ein Gremium aus externen Fachleuten, mit dem Bauvorhaben. Bei ihren Berufskollegen fanden die Architekten Verständnis für den betont zeitgemässen Anbau: Die Bewilligung wurde erteilt. Und so steht nun am Rosenberg eine gewagte – und zu grossen Teilen gelungene – Fusion zweier Baukulturen.

TEC21, Fr., 2014.08.29

29. August 2014 Marko Sauer

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