Editorial
Heimisches Holz verspricht beim Bauen bessere Gefühle – nicht ganz anders als frisches Gemüse vom Markt. Doch während der Holzbau boomt, darbt die Waldwirtschaft, und holzverarbeitende Betriebe finden ihr Auskommen nur mit Innovationen, die oft auf altes Wissen zurückgreifen. Vielleicht wäre es ökonomisch sinnvoller und im Sinn des Naturschutzes sogar richtig, das Holz am Boden liegen und den Wald in Ruhe zu lassen – und stattdessen finnische Fichten zu importieren? Die Schweiz, ein Biosphärenpark mit Holzhäusern aus nordischem Nadelholz? Diese Fiktion ignoriert Fragen regionaler Wirtschaftskreisläufe ebenso wie den Schutz vor Naturgefahren. Und sie impliziert eine Sicht auf den Wald als etwa ausserhalb der Gesellschaft stehendes: als wilde und unschuldige Natur, Rückzugsort der Seele – und ökonomischer Nonvaleur. Als Projektionsraum für Träume, romantische Weltflucht oder im Dunkeln lauernde Gefahr. Aus dem Dualismus von natürlichem Wald und produktiver Stadt erklären sich manche Tabus, die den Wald in der Schweiz umgeben: Sie entzünden sich etwa an den Debatten um die «Waldstadt Bremer» vor den Toren Berns: Obwohl durch die Autobahn von biologischen Zusammenhängen abgeschnitten, bleibt das Bauen im Wald undenkbar – als wäre der Wald nicht Teil einer von Menschen geformten Landschaft.
Solche Widersprüche und Denkblockaden wollen wir mit diesem Heft kritisch beleuchten. Wir schauen für einmal in umgekehrter Richtung, vom Wald her zum Holz und zum Haus. Wir bewegen uns auf den Spuren der Holzwirtschaft, aktualisieren altes Holzbauwissen beim Holzschlag und berichten über Laubholz als innovatives Baumaterial. Die in diesem Heft vorgestellten Bauten tragen alle etwas vom Wald in sich; sei es durch den Architekten, der jeden verbauten Baum einzeln kennt oder durch den Unternehmer, der neue Produkte aus Holz entwickelt. Oder aber als Symbol: Für den kommunalen Werkhof, wo mit der Verwendung seltenen Eibenholzes auf dessen verkannten Wert aufmerksam gemacht wird oder die Jugendherberge, die jungen Touristen das Potenzial der heimischen Holzindustrie verdeutlicht.