Editorial

Um Zeit und Platz zu sparen, werden bekannte Begriffe gern abgekürzt. SBB, öV, GA usw. sind aus der Alltagssprache nicht mehr wegzudenken. Bei fremd­sprachigen Begriffen wie asap, pps oder TQM kennt man möglicherweise nicht die korrekte Bedeutung, weiss aber wohl, was ­damit gemeint ist. Spricht in der Baubranche jemand von GBT, LSVA oder BAV, ist das in der Regel für die Beteiligten ebenfalls verständlich. Wenn aber weitgehend fachfremde Personen mit fachlichen Abkürzungen konfrontiert werden, wird es schwierig.

Am 9. Februar wird über FABI abgestimmt, die Botschaft zur Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur. In direktem Zusammenhang dazu stehen STEP und BIF, im weiteren Sinn
auch NEAT, HGV, ZEB u. Ä. Was sich hinter FABI, STEP und BIF verbirgt und wie sich die Projekte in die bereits laufenden Grossprojekte einordnen lassen, ist nicht leicht zu durchschauen.
Darüber abzustimmen noch schwieriger.

Damit auch Nichtfachleute kompetent abstimmen können, haben wir mit dem Bundesamt für Verkehr (BAV) die derzeitigen Arbeiten und Planungen im Bereich Bahninfrastruktur erörtert. Dort arbeitet man bereits an der Vorlage für 2018, da im Gegensatz zu früheren Bahnprogrammen künftig etappiert vorgegangen werden soll. Neu gilt bei Ausbauprojekten der Grundsatz: Kapazitätssteigerung vor Geschwindigkeits­erhöhung. Zudem sollen die Projekte aus einem einzigen, unbefristeten Fonds finanziert werden.

Daniela Dietsche

Inhalt

08 WETTBEWERBE
Haus und Park werden eins

9 PANORAMA
Inszenierte Haltestellen

11 WETTBEWERBE
Chancengleichheit kontra Verfahrenseffizienz? | Form Fort- und Weiter­bildung

15 VERANSTALTUNGEN

16 WAS HINTER FABI STECKT

16 SCHRITT FÜR SCHRITT
Daniela Dietsche
Welche Projekte beinhaltet FABI, und welche Bahnprogramme gab es bisher?

21 «DIE PROJEKTE NACH 2025 SIND NICHT IN STEIN GEMEISSELT»
Daniela Dietsche
Das Bundesamt für Verkehr analysiert periodisch Bedarf und Angebot – und reagiert.

23 EIN FONDS FÜR ALLES
Daniela Dietsche
Ausbau, Erhalt und Betrieb sollen künftig aus einem Topf bezahlt werden.

25 «VERNETZEN UND VERNETZT BLEIBEN»
Daniela Dietsche
FABI steht den Zielen der Raumplanung nicht im Weg, sagt Bernd Scholl, Professor für Raumentwicklung.

AUSKLANG
27 STELLENINSERATE

37 IMPRESSUM

38 UNVORHERGESEHENES

Schritt für Schritt

Die Nachfrage im Pendler-, Reise- und Güterverkehr steigt seit Jahren. Mit FABI möchte die Bahn Angebot und Infrastruktur anpassen. Am 9. Februar wird über die Botschaft abgestimmt. Das Bahnprogramm folgt auf Bahn 2000, NEAT, HGV und ZEB. Ein Überblick.

Das Eisenbahnnetz in der Schweiz hat viele Aufgaben zu erfüllen: Personenpendelverkehr in die Städte, Pendelverkehr zwischen den Städten, Personen-F ernverkehr und Güterverkehr. Ein Schwerpunkt der Schweizer Verkehrspolitik ist zudem die Verlagerung der Güter im alpenquerenden Transit von der Strasse auf die Schiene. 2012 haben rund 1.2 Millionen Lkw die S chweizer Alpen überquert.[1] Eine Reduktion dieser Lastwagenfahrten auf das gesetzlich vorgesehene Verlagerungsziel – 650 000 Fahrten im Jahr 2018 – ist gemäss Verlagerungsbericht weiterhin nicht zu erreichen.[2]

Wohnbevölkerung, Arbeitsplatzangebot und individuelle Mobilitätsbedürfnisse nehmen in der Schweiz stetig zu; die Nachfrage im Pendlerverkehr steigt. Die Bahn versucht mit diesen Entwicklungen Schritt zu halten. Das Netz, das zu weiten Teilen aus dem 19. Jahrhundert stammt, ist ausgelastet. Für jeden Angebotsausbau muss es punktuell erweitert werden. Die L ösungsansätze der letzten Jahre waren verschiedene Bahnausbauprogramme (vgl. Abb. S. 18). Das jüngste heisst «Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur» (FA BI) und regelt eben nicht nur den Ausbau, sondern auch die künftige Finanzierung. Am 9. Februar stimmt das Schweizer Stimmvolk über die Vorlage FA BI ab. So weit, so gut, doch was verbirgt sich dahinter? Im Groben geht es darum, Engpässe im Schienennetz zu beseitigen und zusätzliche Kapazitäten zu schaffen. Schon heute ist das Eisenbahnnetz der Schweiz eines der am dichtesten befahrenen der Welt. Heutige Prognosen besagen, dass der Personen- und Güterverkehr bis 2030 gesamtschweizerisch um weitere 60 % ansteigen wird. Ausbauten der Infrastruktur seien deshalb unabdingbar, sagte Philippe Gauderon, Leiter Infrastruktur SBB, beim Trinationalen Bahnkongress in Basel im Mai 2013.

Einzelne Elemente der beiden Grossprojekte Bahn 2000 und Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) wurden aus finanziellen Gründen verschoben und die Mittel dem nachfolgenden Grossprojekt ZEB (Zukünftige Entwicklung der Bahninfrastruktur) zugesprochen.

Die Finanzierung der Projekte ab 2016 kann jedoch nicht mehr aus dem Fonds für die Eisenbahngrossprojekte (FinöV-F onds) erfolgen, da er befristet ist und die daraus finanzierten Projekte nicht beliebig erweitert werden können (vgl. S. 23). Der FinöVFonds soll in den neu geschaffenen Bahninfrastrukturfonds (BIF ) überführt werden. Mit ihm sollen Betrieb, Unterhalt und Ausbau finanziert werden. Gemeinsam mit STE P, also dem Ausbauteil, ergibt sich die Botschaft FABI.

FABI = STEP + BIF

Als Grundlage für den Ausbauteil von FA BI hat das Bundesamt für Verkehr (BAV) eine langfristige Perspektive erarbeitet, basierend auf den Fragen: Was erwarten die Kunden und Kundinnen in Zukunft vom öV-N etz? Welche Verbindungen sind notwendig, um diese Erwartungen zu erfüllen? Und welche Angebote müssen den Verbindungen hinterlegt werden? Zudem flossen die prognostizierte Verkehrsnachfrage und die Forderungen der Raumplanung nach der Siedlungsentwicklung nach innen in die Überlegungen ein. Die L angfristperspektive zeigt, wohin sich das Angebot im Schweizer Bahnverkehr entwickeln soll: Zunächst steht dabei die Kapazitätserhöhung im Vordergrund; kürzere Reisezeiten rangieren nicht an erster Stelle, sollen aber auch nicht verhindert werden. Der Betrachtungshorizont reicht bis mindestens 2050. Angebotsseitig legte das BAV fest, wo eine Taktverdichtung gebraucht wird, wo der S- Bahn-Verkehr gestärkt werden muss und wie die A nschlüsse ins Ausland aussehen sollen.

Erster Ausbauschritt: STEP 202

5Um die Ideen aus der Langfristperspektive zu realisieren, werden Projekte in STE P in zwei Dringlichkeitsstufen eingeteilt. Alle vier bis acht Jahre wird das bestehende Angebot mit den Prognosen für die Zukunft abgeglichen. Ausbauvorschläge werden von der Verwaltung ausgearbeitet und an den Bundesrat weitergereicht. Dieser legt sie dem Parlament zur Prüfung und Freigabe vor. Der erste Schritt enthält Projekte, die bis 2025 umgesetzt werden sollen: Bahnhofsumbauten, da zum Beispiel längere Perrons benötigt werden, um längeren Zugkompositionen Platz zu bieten und die Pendlerströme zu entflechten; neue Überholgleise, Doppelspurausbauten, Entflechtungsbauwerke oder Kreuzungsstellen, die sowohl dem Personen- als auch dem Güterverkehr zugutekommen (Karte S. 19).

Die technische Umsetzung dürfte unproblematisch sein; die erforderlichen Arbeiten unter Betrieb auszuführen ist jedoch anspruchsvoll. Auch Massnahmen zu den Taktverdichtungen gehören zu den Projekten, die dem Bahnprogramm STE P zugeordnet werden. In städtischen Gebieten – etwa zwischen Basel und Liestal – ist der Viertelstundentakt geplant, auf anderen Strecken wie Zürich–Chur, Bern–Luzern oder Biel–Neuenburg der Halbstundentakt. Das Versprechen an die Passagiere: mehr Züge, mehr Platz, höhere Pünktlichkeit und mehr Sicherheit.

Bahn 2000 machte den Anfang

Die Botschaft «Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur » fügt sich in eine lange Reihe von Bundesbeschlüssen zum Bahnbau ein. Einige Programme werden parallel ausgeführt, was es nicht einfacher macht, den Überblick zu behalten. Am 6. 12. 1987 haben die Stimmbürger die Vorlage zu «Bahn 2000» angenommen. Die heute weitgehend abgeschlossenen Vorhaben hatten das Ziel, schnellere und direktere Zugverbindungen in der ganzen Schweiz anbieten zu können. Idee des Projekts war es, einen vorteilhaften Fahrplan zu bestimmen und dann die dazu nötigen Infrastrukturausbauten anzugehen. Der Integrale Taktfahrplan zeichnet sich dadurch aus, dass sich die Züge aus allen Richtungen zur vollen und/oder halben Stunde an den wichtigsten Bahnhöfen treffen, wodurch ein Umsteigen fast ohne Wartezeiten möglich wird. Möglich ist das aber nur, wenn die Fahrt zwischen den Knoten knapp unter 30 oder 60 Minuten dauert. Wo das nicht der Fall war, wurden neue Strecken erstellt oder alte ausgebaut. Das bekannteste Projekt der ersten Etappe war die Neubaustrecke Mattstetten–Rothrist, die 2004 eröffnet wurde. Die Idee zur zweiten Etappe «Bahn 2000» scheiterte jedoch.

Lötschberg, Gotthard und Ceneri

Am 27. 9. 1992 stimmte das Schweizer Stimmvolk dem Bundesbeschluss über den Bau der schweizerischen Eisenbahn-A lpentransversale (NEAT ) zu. Das Grossprojekt soll den Eisenbahntransitverkehr in Nord-S üd- Richtung verbessern, hauptsächlich um den alpenquerenden Schwerverkehr von der Strasse auf die Schiene zu verlagern. Diese Arbeiten laufen bekanntermassen noch. Die Fertigstellung des Gotthard-Basistunnels ist auf 2016 terminiert, die des Ceneri-Basistunnels – klammert man eine mögliche Zeitverzögerung durch den derzeitigen Rekurs aus – auf 2019.

Der Lötschberg-Basistunnel ist seit 2007 in Betrieb, wobei die Fertigstellung der zweiten Röhre aus finanziellen Gründen zurückgestellt wurde. Die fehlende Finanzierung war auch der Grund, warum der Hirzeltunnel zur Anbindung der Ostschweiz fallen gelassen und der Zimmerbergtunnel zwischen Thalwil und Zug zurückgestellt wurden.

Den Lärm in den Griff bekommen

Weit fortgeschritten ist das Grossprojekt Lärmsanierung der Eisenbahnen. Es richtet sich nach dem Bundesgesetz vom 24. März 2000 (BGLE ). Ziel ist es, bis Ende 2015 netzweit mindestens zwei Drittel der Bevölkerung, die schädlichem oder lästigem Eisenbahnlärm ausgesetzt ist, zu schützen. Dies in erster Priorität durch die S anierung des Rollmaterials und in zweiter Priorität durch bauliche Massnahmen wie den Bau von Lärmschutzwänden oder die Sanierung einzelner Stahlbrücken. Ende September 2013 hat das Parlament den nächsten Schritt beschlossen: Mit weiteren Massnahmen soll der Bahnlärm weiter reduziert werden.

Kernelement ist dabei, dass ab 2020 Lärmgrenzwerte für alle Güterwaggons gelten.

Anschluss ans europäische Netz

Das Bundesgesetz über den Anschluss der Ost- und Westschweiz an das europäische Eisenbahn-H ochleistungsnetz (HGV) vom 18. März 2005 soll dazu beitragen, einen möglichst grossen Anteil des internationalen Strassen- und Luftverkehrs auf die Schiene zu verlagern. Rund 30 Projekte in der Schweiz, in Deutschland und in Frankreich werden derzeit realisiert oder sind bereits abgeschlossen.

Den Bestand maximal ausnutzen

Das BAV überführte die in der zweiten Etappe «Bahn 2000» vorgesehenen Projekte in das Programm «Zukünftige Entwicklung der Bahninfrastruktur» (ZEB). Bund und SBB unterzeichneten die erste Umsetzungsvereinbarung für ZEB am 29. 6. 2011. Mit dem ZEB-Gesetzentwurf bezweckt man, die Kapazitäten für den Personenfern- und den Güterverkehr auszubauen und die Zahl der Vollknoten zu erhöhen. Dazu zählen auch Projekte im Zusammenhang mit dem Ausbau der NEAT- Zufahrten und der Durchmesserlinie Zürich.

Die SBB werden zum Beispiel die Zugfolgezeiten auf verschiedenen Abschnitten der Achse Basel–Chiasso verkürzen, um dadurch die Kapazität im Hinblick auf die Eröffnung des Gotthard- und Ceneri-Basistunnels zu erhöhen. Die Teilprojekte des Grossprojekts ZEB sind in Umsetzung oder in Planung.

Mehr Platz für den Güterverkehr

Beim «4-Meter-K orridor» handelt es sich um eine Güterverkehrsvorlage. Ein Ja zu FA BI ist Voraussetzung für dessen Realisierung. Die SBB sollen im Auftrag des Bundes die Gotthard-A chse ausbauen, damit ab 2020 auch Sattelauflieger, Wechselbehälter und Container mit einer Eckhöhe von vier Metern transportiert werden können. Für den durchgängigen 4-Meter-K orridor von Basel ins Tessin müssen rund 20 Tunnels ausgebaut und diverse Anpassungen an Fahrstrom- und Signalanlagen, Überführungen und Perrons vorgenommen werden. Das grösste Projekt ist der Bözbergtunnel im Kanton Aargau. Als beste Variante erwies sich hier der Neubau eines Doppelspurtunnels. Von dem höheren Lichtraumprofil kann – durch die Nutzung von Doppelstockwagen – auch der Personenverkehr profitieren. Die Vorlage wurde vom Parlament bereits in beiden Räten diskutiert, und die Differenzbereinigung steht kurz vor Abschluss. Die Nachfrage wächst weiter Mit einem Anteil von 17 % der Personenverkehrsleistung und 39 % der Güterverkehrsleistung am gesamten Verkehr belegen die Schweizer Bahnen einen internationalen Spitzenwert bezüglich Modal Split. Das erwartete Bevölkerungswachstum hat eine höhere Nachfrage nach Infrastrukturdienstleistungen zur Folge. Gemäss dem mittleren Referenzszenario des Bundesamtes für Statistik wächst die ständige Wohnbevölkerung der Schweiz bis 2060 auf 8 992 000 Personen. Geht man davon aus, dass die Schweiz ein attraktives Einwanderungsland bleibt, ist nicht auszuschliessen, dass die tatsächliche demografische Entwicklung dem oberen Szenario entspricht – gemäss Bundesamt für Statistik 11.3 Mio. Einwohner. Das Bevölkerungswachstum wird sich vermutlich auf die Ballungsräume konzentrieren.

Daher wird die Nachfrage nach Infrastrukturdienstleistungen vor allem zwischen den Agglomerationen steigen. Zu bedenken ist zudem, dass neue Infrastrukturen wirtschaftliches Wachstum begünstigen; dies führt zu höherer Nachfrage, die ihrerseits zusätzliche Infrastrukturkapazitäten erforderlich macht. Es drängen sich Fragen auf: Wie beeinflussen sich Bahninfrastrukturausbau und Strassenausbau künftig?

Geht der Ausbau immer weiter? Müsste der Verkehr irgendwann gesamthaft plafoniert werden, um das Mobilitätsverhalten zu steuern? Fragen, die an dieser Stelle offen bleiben.


Anmerkungen:
[01] Mit den bisherigen Massnahmen werden pro Jahr 650 000 bis 700 000 Fahrten vermieden: namentlich der NEAT , der Erhebung der LS VA, der Beibehaltung des Nachtfahrverbots für Lkw und einer gezielten Unterstützung des Schienengüterverkehrs bis zur Eröffnung der NEAT.
[02] Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation, Verlagerungsbericht Juli 2011–Juni 2013 vom November 2013.

TEC21, Fr., 2014.01.31

31. Januar 2014 Daniela Dietsche

«Die Projekte nach 2025 sind nicht in Stein gemeisselt»

(SUBTITLE) Welche Aufgaben kommen auf das Bundesamt für Verkehr zu, wenn die Vorlage FABI angenommen wird – und was würde ein Nein bedeuten?

TEC21: Das Bundesamt für Verkehr hat die Botschaft zu Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur (FABI) für den Bundesrat vorbereitet. Nach welchen Kriterien haben Sie die Projekte für den ersten Ausbauschritt ausgewählt, und wo liegen die Unterschiede zu den Vorhaben in ZEB?

Toni Eder: Wir haben analysiert, wo es eine Überlast gibt und wo sich mit der erwarteten Verkehrsentwicklung weitere Engpässe zeigen. In einem nächsten Schritt bewerteten wir die Entwicklungsmodule volks- und betriebswirtschaftlich. Die definitive Auswahl erfolgte dann ergänzt mit den Kriterien: Nutzen in allen Landesteilen und Aufwärtskompatibilität. Dabei war das vorgegebene Budget einzuhalten. Wir haben festgestellt, dass sich die Engpässe derzeit wie ein Bogen durch das schweizerische Mittelland ziehen: die Region Léman, Bern, Zürich, der Raum Basel und St. Gallen.

Obwohl im ersten Ausbauschritt (STE P 25) keine Neubauprojekte wie sehr grosse Tunnel vorgesehen sind, ist der Sprung gegenüber den ZEB-Projekten recht gross, was die Kosten angeht. Bei den ZEB-Projekten ging es darum, das bestehende Netz maximal auszunutzen. Um Probleme in den Agglomerationen und zwischen den Metropolitanräumen zu lösen, reichen kleinere Anpassungen nicht mehr aus. Neu gegenüber den früheren Programmen ist Folgendes: Der erste Ausbauschritt 2025 ist festgelegt, die zukünftige Entwicklung mit der Langfristperspektive ist aufgezeigt, und weitere Projekte sind mit Dringlichkeitsstufen genannt. Diese Projekte sind aber noch nicht in Stein gemeisselt. Nimmt der Verkehr weniger schnell zu als prognostiziert, müssen wir einzelne Projekte später realisieren oder im umgekehrten Fall eventuell auch beschleunigen.

Solche Beispiele gibt es immer wieder.

T. E.: Ja, die veränderte Einstellung der Verkehrsteilnehmer zum öffentlichen Verkehr und die Situation auf den Strassen in der Region Léman hatten beispielsweise grossen Einfluss auf die Planung. Die Verkehrsentwicklung unterscheidet sich deutlich von den Prognosen von vor 15 Jahren. Viele steigen auf öffentliche Verkehrsmittel um. Das führte aber dazu, dass Umplanungen notwendig wurden. Bei der Neubaustrecke zwischen Rupperswil und Gruemet im Aargau ist hingegen noch Zeit, um die Linienführung zu definieren. Deshalb haben wir das Geld, das für den Tunnel vorgesehen war, aus ZEB herausgenommen. Dieser Betrag soll im Rahmen von FA BI im Raum Lausanne eingesetzt werden. Dort wird derzeit die Modernisierung und Vergrösserung des Bahnhofs Lausanne geplant. Der Ausbau soll 2017 beginnen und bis 2025 abgeschlossen sein. Zudem ist ein viertes Gleis zwischen Lausanne und Renens im Kanton Waadt vorgesehen.

Die NEAT-Zulaufstrecken in der Schweiz sind noch nicht ausgebaut. Ist dafür Geld vorgesehen?

T. E.: Mit dem 2. Volksbeschluss 1998 wurde die NEAT redimensioniert und der Ausbau der Zulaufstrecken zurückgestellt. Mit den Basistunnels ist aber der Anfang gemacht. In ZEB sind mehrere hundert Millionen Franken enthalten, um den ursprünglichen Zielen einen Schritt näher zu kommen, z. B. die Kapazitätssteigerung Güterverkehr Basel–Gotthard-Nord, Gotthard-S üd–Chiasso. Dabei geht es um eine Zugfolgeverdichtung.

Diese Projekte zusammen mit den Massnahmen im Projekt «4-Meter-K orridor» sollen die NEAT leistungsfähiger machen. Wesentliche Verbesserungen auf der Nord-S üd-A chse sind deshalb in STE P 25 nicht mehr vorgesehen, wobei natürlich bei Ausbauten in den Räumen Basel, Aargau, Tessin auch die Nord-S üd-A chse profitiert.

Neben den konkreten Projekten gibt es in STEP 25 den Punkt «Planungsmittel für den nächsten Ausbauschritt». Was verbirgt sich dahinter?

T. E.: Das Vorgehen, dass Planungsmittel für einen noch festzulegenden Ausbauschritt gesprochen werden, erachte ich für einen kontinuierlichen Planungs- und Bauprozess als sehr zielführend. Heute beginnen die Arbeiten an der Vorlage für das Jahr 2018 und dem darin enthaltenen Ausbauschritt bis 2030 – ein Ja zu FA BI am 9. Februar vorausgesetzt.

Damit wir nach einer Zustimmung des Parlaments bis zum Baubeginn nicht zu viel Zeit verlieren, steht uns für die Planung der im Ausbauschritt 2030 vorgesehenen Projekte Geld zur Verfügung. Im entsprechenden Gesetz zu FA BI hat das Parlament bereits definiert, dass die Strecken Aarau–Zürich– Winterthur mit dem Brüttenertunnel, die Strecke Zürich–Zug–Luzern mit dem Zimmerbergtunnel und dem Tiefbahnhof und der Vollausbau des Lötschberg- Basistunnels projektiert werden sollen.

Das sind einige grosse Brocken zwischen 2025 und 2030 ...

T. E.: … das Gesetz wurde entsprechend formuliert. Dort heisst es «voraussichtlich bis 2030. Je nach Entwicklung …» Wir wurden vom Parlament auch gefragt, ob die Bauindustrie überhaupt in der Lage sei, so viel zu bauen. Die Ausgaben für Neubauten entsprechen den heutigen Ausgaben zum Bau der NEAT . Das kann die Bauwirtschaft. Aber klar ist, der Nutzen steht im Mittelpunkt, es ist kein Programm zur Stützung der Bauwirtschaft, sondern ein öV-Entwicklungsprogramm. Allerdings ist ein gewisser Vorteil solcher Programme für Planungsbüros und Bauunternehmer nicht zu leugnen. Sie können in der Planung schon früh sehen, welche Massnahmen vorgesehen sind, und entsprechend reagieren.

Lassen sich die geplanten Vorhaben auf dem bestehenden, dichten Netz überhaupt umsetzen, ohne den Verkehr zum Erliegen zu bringen?

T. E.: Die SBB schenken diesem Punkt besondere Beachtung und haben intern neue Strukturen für diese Planung geschaffen. Nehmen wir die Strecke Bern–Lausanne. Aufgrund der Umbauarbeiten am Bahnhof Lausanne sind Langsamfahrstellen nötig. Geplant ist auch ein Ausbau im Raum Holligen für die S- Bahn Bern, was ebenfalls eine Langsamfahrstelle zur Folge hätte. Die Zeiträume müssen exakt aufeinander abgestimmt und weitere Baustellen, auch Unterhaltsarbeiten auf der Strecke, vermieden werden. In aussergewöhnlichen Fällen kann es zu Sperrungen kommen; das verändert den Fahrplan, oder er wird weniger verlässlich. Um das System auf hohem Niveau halten zu können, darf es jedoch keinen Unterhaltsstau geben. Diesen Aufwand unterschätzt man von aussen.

Das Bewusstsein für die Fragen der Raumplanung hat in der Bevölkerung stark zugenommen. Inwiefern haben Sie als BAV diese Fragen berücksichtigt?

T. E.: Die Stärke der Schweiz sind die Zentren mit ihren Subzentren wie Burgdorf oder Wil. Diese muss man in das Gesamtnetz gut einbinden. Aufgrund der Analyse des bestehenden Netzes und der Anforderungen in der Zukunft war klar, dass die Kapazitäten zu erhöhen sind, nicht die Geschwindigkeit. Wir schaffen gute Verbindungen, aber keine Verbindungen, wie wir sie von U- Bahnen oder einer Metro kennen. Wir möchten mit dem Viertelstundentakt in den grossen Agglomerationen, dem Halbstundentakt etwas weiter ausserhalb und einem Grundnetz im Umland die heutige Siedlungsstruktur behalten und die Raumplanung unterstützen. Damit uns das in Zukunft nicht nur qualitativ gelingt, wird jedes neue Angebot auf seine räumliche Wirkung hin untersucht. Ein zusätzliches Tool ist für den Ausbauschritt 2030 vorgesehen. Damit kann man auf Karten zeigen, wie gut die Massnahme die Raumplanungsziele unterstützt.

Zurzeit deutet vieles auf eine Annahme der Vorlage hin. Könnte sich die Ablehnung der Erhöhung der Autobahnvignettengebühr auf FABI auswirken?

T. E.: Ob sich das «Nein» tatsächlich auf das Abstimmungsverhalten auswirkt, kann ich nicht beurteilen. Wird die FA BI- Vorlage hingegen abgelehnt, müsste man völlig neu priorisieren. Wir hätten kein Geld mehr für zusätzliche Ausbauten und könnten lediglich die Projekte im Programm ZEB umsetzen. Die andere Seite ist die Finanzierung des Unterhalts, die nicht mehr gewährleistet wäre. Zudem gibt es kantonale Folgeprojekte, die auch nicht umgesetzt werden könnten. Ich möchte zu bedenken geben, dass wir von einem Mobilitätssystem reden. Die Bahn hat in gewissen Bereichen ihre Vorteile und die Strasse in anderen. Es braucht beides, und es geht nicht darum, das eine gegen das andere auszuspielen, sondern beide weiterzuentwickeln. In den Agglomerationen ist der öffentliche Verkehr sehr wirkungsvoll. Die Taktverdichtungen beziehen sich auf Gegenden, wo man sich sinnvoll mit dem öffentlichen Verkehr fortbewegen kann. In ländlichen Gebieten stellen wir eine Grunderschliessung sicher, es ist nicht sinnvoll, in jedes Dorf eine Bahnlinie zu bauen.

TEC21, Fr., 2014.01.31

31. Januar 2014 Daniela Dietsche

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