Editorial
Giò Ponti beschreibt in «Amate l’Architettura» eine ideale mediterrane Architektur, die häuslich und offen ist für das ganze Leben und verbunden mit der Schönheit der Welt – eine Architektur, die mehr weite Landschaft ist als geschlossener Kristall. Für uns Menschen im Norden mögen die Sätze verträumt wirken, und dennoch erscheinen sie wie der entfernte Widerhall einer durch wirtschaftliche Zwänge verschütteten Seele der Architektur. Es erstaunt nicht, dass solche Worte sehnsüchtig das Thema des Wohnens beschreiben, das eine Brücke schlägt zwischen Architekten-Vorlieben und den Interessen unserer Kunden – man denke an das «Wohnen wie in den Ferien» in Rolf Kellers Siedlung Seldwyla. Ponti hat vor allem für das italienische Grossbürgertum gebaut; er verstand es meisterhaft, Lockerheit und Bequemlichkeit mit Repräsentationsbedürfnis und der Rationalität der modernen Architektur zu verknüpfen. Seine kongeniale Verbindung im Entwurf passt auch auf die Anforderungen an die heutige und hiesige Wohnbauproduktion mitten in der Stadt. Auf eher kleinen Parzellen müssen ausgeklügelte und geräumige Wohnungen für eine oft gut zahlende Kundschaft entworfen werden. Je ausgefeilter die Raumkonstellation, desto grösser das Prestigeversprechen. Auf diese städtischen Nischen passt kein typologisches Deklinieren des Wohnens. Hier ist der Wohnungsbau Spezialitätenmarkt, das italienische Gusto bürgt für die Anschlussfähigkeit an die Peer Group.
Allerdings meinte das italienische Ideal mehr als ein «glückliches Leben» gebettet in gediegene Materialien. Ganz im modernen Sinn sah Ponti das italienische Haus als die Verkörperung des Lebens schlechthin, ja der italienischen Kultur, und deshalb auch nicht veräusserlicht, geschweige denn tauglich als Wertanlage. Vor diesem ideellen Hintergrund gäbe es vieles zu entdecken, das über formale Anleihen hinausgeht: Architekten wie Bauherren – lernt richtig italienisch!