Editorial

Ende der 1990er-Jahre, als der Urban Sprawl die Siedlungsentwicklung in den USA prägte, die Phase der Desurbanisierung voll in Gang war und Re-Urbanisierung nicht in Sicht, prägte der amerikanische Landschaftsarchitekt Charles Waldheim den Begriff des Landscape Urbanism. Er verband damit die Idee, Landschaft als Ausgangspunkt und ordnende Struktur für räumliche Entwicklungen zu begreifen; als «Grundbaustein des zeitgenössischen Städtebaus». In der Folge entspann sich vor allem in den USA eine lebendige Diskussion über die damit verbundene zentrale Position der Landschaftsarchitektur auf dem Weg zu einer zukunftsfähigen Siedlungsentwicklung.

Die Debatte prägt längst auch Europa und die Schweiz, ins Zentrum gerückt ist das Schlagwort der Nachhaltigkeit. Obgleich der Containerbegriff vielfach in der Erwartung überladen und in der Zielformulierung zu wenig präzise ist, bedeutet er im Kern jedoch unumstösslich: Ein Umdenken – auch jedes einzelnen – ist nötig; nachhaltige Siedlungsentwicklung muss als ­Gesamtraumentwicklung verstanden werden. Dabei geht es um die differenzierte Auseinandersetzung mit Systemen und Strukturen, Nutzungen und Funktionen – vor allem aber um Raumqualitäten.

Die zeitgemässe Übersetzung des Landscape Urbanism wäre entsprechend, die Siedlung künftig nicht nur aus der Landschaft heraus zu denken, sondern an und für sich als Landschaft zu entwickeln, als dynamischen Raum, integrativ per Definition. Dies hiesse auch: Stadtentwicklung als breit abgestützten Prozess zu verstehen. Pluralität zu suchen und Partizipation zu fördern.

Unplanbares zu ermöglichen und informelle Planungen wertzuschätzen. (Stoff)Kreisläufe zu unterstützen, transdisziplinär zu arbeiten, Vernetzung zu stärken und Überlagerungen zuzulassen. Über den eigenen Tellerrand zu schauen. Neue Wege zu gehen. Ökonomische, ökologische, politische, strategische, infrastrukturelle, stadtplanerische und umweltbezogene Aspekte stärker zu berücksichtigen. Und immer geht es dabei auch um Identität, den Ort und den Einbezug des kulturellen Erbes.

Ein so verstandener Landscape Urbanism wäre Instrument und Inhalt zugleich; ein disziplinen- und massstabsübergreifender Generationenauftrag. In dieser Ausgabe tragen wir exemplarische Realisierungen und Ansätze zusammen.
Viel Vergnügen!
Sabine Wolf

Inhalt

Antonio Da Cunha, Sonia Lavadinho
Landschaft, öffentlicher Raum und urbane Qualität

Jessica Bridger
Superkilen

Sabine Wolf
Bishan-Ang Mo Kio

Alexandre Chemetoff
Ile de Nantes oder die Stadt am Werke

Laure Aubert, Damien Butin
Von Ufer zu Ufer

Klaus Overmeyer
Stadtentwicklung selbst gemacht

Nicole Uhrig
Grün als Wirtschaftsmotor?

André Schmid
Neue Stadtparks – ausserhalb der Stadt

Lukas Schweingruber
Glatt. Eine Identität ­abseits der Kernstadt?

Raimund Rodewald
Zwischen Verdichtung und Lebensqualität

Ingo Golz, Matthias Wehrlin
Räumliche Entwicklungsstrategien – Grundlage des freiraumbasierten Städtebaus

Stéphanie Perrochet
Stadtentwicklung Zürich-Manegg

Landschaft, öffentlicher Raum und urbane Qualität

(SUBTITLE) Die Verzauberung der Stadt und der Entwurf menschengerechter Lebensräume

Landschaft wird auch heute noch oft mit einer teilweise realistischen, teilweise mythischen und traumhaften Vorstellung von Natur gleichgesetzt. Die Bedeutung dieses Begriffs hat sich jedoch stetig erweitert und umfasst mittlerweile alle, auch sensibelste Sinneseindrücke, die künstlich geschaffene Räume in uns erzeugen.

In einer Zeit, in der die Stadt überall ist, wandelt sich die Landschaft zur Stadtlandschaft. Bei der Diskussion über landschaftsbezogene Stadträume treffen daher sowohl Überlegungen über die Erneuerung der urbanen Gesellschaft als auch über die städtische Bebauung, ihre Funktionen und Ästhetik aufeinander. Durch eine solche Neudefinition des Begriffs bieten sich zweifellos neue Analyseinstrumente der alltäglichen Umgebung der Stadtbewohner.

So bildet sich auch eine bestimmte Art heraus, die Ökologie der urbanen Landschaft zu denken, aber auch Grundzüge eines – vom menschlichen Massstab bestimmten – Urbanismus, der sensibel ist für die Qualität öffentlicher Räume und ihrer Bedeutung.

Die Stadt verstehen, ihre Landschaften lesen, planen

Die urbane Landschaft ist eine soziale Konstruktion, die materielle – biophysische und mineralische – ­Dimensionen mit den immateriellen Dimensionen vereint, die an gesellschaftliche Vorstellungen, ästhetische, affektive und symbolische Werte gekoppelt sind. Die Stadt zu verstehen heisst, diese Dimensionen miteinander verbinden zu können, was bedeutet, ihre visuellen Komponenten, die oft mit den Begriffen Ähnlichkeit, Einfügung und Abfolge assoziiert werden, sowie deren diverse Formen und Funktionen, Gefühle, Kontraste und Farben zu analysieren. Es bedeutet auch, zu beobachten, wie die Stadt von ihren Bewohnern dargestellt und genutzt wird und auch, deren Beziehungen zu den verschiedenen privaten oder öffentlichen Einrichtungen des städtischen Gefüges zu analysieren.

Der landschaftsorientierte Ansatz ist ein Instrument, mit dem sich die urbanen Gebiete unter dem Aspekt möglicher Verbesserungen und Veränderungen von öffentlichen Räumen untersuchen lassen. Er trägt so wesentlich dazu bei, den Prozess der entstehenden Stadt zu steuern und ihre Räume zu qualifizieren.

Der landschaftsorientierte Ansatz und die Qualität öffentlicher Räume oder: die Extimität einbeziehen

Heute besteht die grösste Herausforderung für die Städte in der Schaffung einer urbanen Lebensqualität. Dies gelingt hauptsächlich durch die Gestaltung öffentlicher Räume, Parks und Gärten, oft in Zusammenhang mit grossen öffentlichen Einrichtungen. Der öffentliche Raum ist jedoch weitaus mehr als eine ­visuelle Zierde der Monumentalität öffentlicher Gebäude, übernimmt er doch ebenso die Funktion des Empfangs und der Unterstützung in der alltäglichen Nutzung der Einrichtungen.

Die öffentlichen Gebäude dagegen, ihre Fassaden, Dächer und Baldachine übernehmen in gewisser Weise die osmotische Funktion einer «zweiten Haut», die den Austausch sowohl zwischen innen und aussen als auch die Nutzung – manchmal auch den Missbrauch – durch die Öffentlichkeit ermöglicht. Indem die klassische Spaltung zwischen Intimität und Extimität überwunden wird, durchdringt der öffentliche Raum heute zunehmend den privaten Raum und beansprucht für sich auch die Qualität, durch die öffentliche räumliche Inszenierung nicht nur Schauplatz des gemeinschaftlichen Lebens in der Stadt zu sein, sondern sich zukünftig im Rahmen von Mikro-Szenarien auch selbst in den Fokus zu rücken. Der öffentliche Raum wird also mehr denn je zu einem Sammelbecken der Sehnsüchte der Akteure, zu einem Ort des Ausdrucks ihrer Emotionen, indem er ihnen zahlreiche Möglichkeiten bietet, nach ihrem Gusto am Spektakel des urbanen Lebens teilzuhaben. Sowohl den öffentlichen Behörden als auch den Akteuren der Zivilgesellschaft ist die hohe Bedeutung der Qualität öffentlicher Räume bewusst. Sie misst sich nicht nur am objektiven Kriterium der adäquaten Ausstattung öffentlicher Anlagen, sondern auch an der wahrgenommenen ästhetischen und sinnlich erfahrbaren Qualität.

Hieraus resultiert auch das Bedürfnis der Gesellschaft nach Landschaft in Form einer Sehnsucht nach Bildern, Schönheit und Pluralisierung, nach einer ausdrucksstarken städ­tischen Kulisse und nach Stimmungen, Steinen und Pflanzen, nach Wasser und Licht.

Dieses Bedürfnis entspricht einer aufkommenden vielgestaltigen Nutzung der Stadt, die sowohl besinnlich, spielerisch oder auch festlich ausgeprägt sein kann und die zu einem neuen Ausdruck der Urbanität beiträgt: die Kunst, gemeinsam in einer lesbaren und für alle nutzbaren Stadt zu leben.

Die Verbindung von nah und fern

Eine Stadt mit einer hohen Lebensqualität ist auch eine lesbare Stadt, in der wir uns, wie es auch schon Kevin Lynch in «Das Bild der Stadt» gezeigt hat, orientieren und zurechtfinden können. Das Leben in der modernen Stadt bringt aber auch permanente Zoomeffekte zwischen verschiedenen Massstäben mit sich, die sich aufgrund der Nutzungen überschneiden, aber räumlich nicht zusammenfallen. Die Landschaft wird in diesem bewegten Umfeld zu einer äusserst nützlichen Orientierungshilfe, mit der für den Stadtnutzer sinnvolle Verbindungen zwischen dem hier und dem dort inszeniert werden können. Ein klassisches Beispiel für die Verbindung von nah und fern ist die Me­tro­pole. Sie nimmt Bezug auf die Landschaft, um ihre räumliche und soziale Dimension als zusammenhängende Geschichte zu inszenieren. Der Stadtbewohner kann auf dieser Basis seine eigenen urbanen Geschichten des Alltags verfassen.

Die Städte als Orte des Zusammenlebens müssen sich durchwandern lassen, man muss in ihnen unter bestmöglichen Bedingungen gehen, stehen, sitzen, beobachten, zuhören und reden können. Der Körper, die Sinne und die Mobilität bilden das Fundament eines auf den Menschen ausgerichteten Urbanismus höchster Qualität. Die Möglichkeit für die Stadtbewohner, auf bequeme Weise zu Fuss zu gehen, zu verweilen oder zu radeln ist laut Gehl1 ein wichtiger Aspekt und auch ein Anreiz zur häufigeren Nutzung aktiver Fortbewegungsmittel im alltäglichen Leben.

Der sorgfältige Umgang mit der kleinmassstäblichen Gestaltung steht bei der Schaffung urbaner Qualität im Vordergrund. Projekte sollten, so Gehl, unter Beachtung einer Reihe von Kriterien erarbeitet werden, wie: unbeschränkte Sicht, interessante Ausblicke, Geräuschkulisse, Ausstattung, Präsenz von Pflanzen, die Möglichkeit zu Fuss zu gehen. Diese Kriterien lassen sich in die drei Hauptgruppen Komfort, Schutz und Attraktivität gliedern. Sie genügen allerdings nicht, um qualitativ hochstehende urbane Räume zu gewährleisten. Bei der Schaffung öffentlicher Räume sowie der Planung von städtischen Projekten muss vor allem darauf geachtet werden, dass bei der Benutzung der Wege viele Sinne angesprochen werden. Die «multisensorielle Qualität» bei der Neuerfindung öffentlicher Räume ist eine Synthese: zwischen Fülle und Leere, Pflanzenwelt, Farben, Gerüchen, Bewegungen, Geräuschen und Stille.

Landschaft, urbanes Projekt, Qualität der Stadt

Landschaften sind in dieser Epoche der omnipräsenten Stadt nicht überall durch dieselben Elemente oder Materialien strukturiert. Sie besitzen ihre eigenen Charakteristiken, auch wenn die Hybridisierung der öffentlichen Räume mittlerweile nicht mehr von der Hand zu weisen ist. Michel Corajoud, Alexandre Chemetoff oder auch Michel Desvigne skizzieren ein neuartiges landschaftsorientiertes Denken, das die Schaffung grossräumiger Gebiete favorisiert, oft dort, wo sich Stadt und Nicht-Stadt treffen, zwischen den periurbanen Räumen und dem ländlichen Raum, mit einem auf die Qualität beider Teile und ihrer Grenzen gerichteten Fokus. Die Landschaft, sagt Desvigne, nimmt das Urbane vorweg.[2]

Sie ist die Basis für alle Annäherungen an das Urbane. Die für die Qualität unserer Städte notwendigen Dimensionen sind die 2010 im Umweltschutzgesetz Grenelle 2[3] beschlossenen grünen und blauen Korridore zum Schutz der Artenwanderung. Ebenso wichtig sind aber auch die urbanen Formen (Dichte, Arten öffentlicher Räume), welche eng mit der Lage der Infrastrukturen und Verkehrssysteme gekoppelt sind, welche die Entstehung der Stadt vorbereiten – eine Stadt, die auf die Bedürfnisse ihrer Nutzer eingeht.

Es handelt sich beim urbanen Projekt weder um eine Sanierung, noch um eine Rückgewinnung, es geht vielmehr darum, neben der Form auch den Prozess der Erneuerung zu entwerfen. Die Besonderheiten des Ortes, Klarheit, Schönheit und Lesbarkeit der Lebensräume müssen dabei berücksichtigt werden. «Alles, was durch das Projekt an Neuem entsteht, muss unbedingt in die Gesamtheit eingefügt werden.»[4] Bei der Gestaltung intermediärer Räume lässt das Künstliche der Stadt hier der Natur einen reellen Platz. Aber, so Courajoud, «der Landschaftsarchitekt ist nie der alleinige Schöpfer einer Landschaft, er ist nur einer der zahlreichen Faktoren, die an der Gestaltung mitwirken.» Landschaft bedeutet heutzutage eine bestimmte Art und Weise, die Stadt und ihre uns alle betreffenden Verwandlungen zu sehen. Zwischen Darstellung und Neugestaltung liegt die Möglichkeiten des landschaftsorientierten Ansatzes: menschengerechte Städte zu denken, Betrachtungsweisen der urbanen Zukunft zu revidieren und dabei die Singularität der Projektgestalten nicht aus den Augen zu verlieren.


Bibliographie:
Courajoud, M.: Le paysage, c’est l’endroit où le ciel et la
terre se touchent. Arles 2010.
Gehl, J.: Pour des villes à échelle humaine. Montréal 2012.
Masboungi, A. (dir.): Le paysage en préalable, Michel Desvigne,
Grand Prix de l’urbanisme en 2011, Joan Busquets,
Prix spécial. Marseille 2011.


Anmerkungen:
[01] Gehl, 2012.
[02] Desvigne, cité par Masboungi, 2011.
[03] Loi portant engagement national pour l’environnement, Grenelle 2, 2010.
[04] Courajoud, 2010.

anthos, Mo., 2013.06.03

03. Juni 2013 Antonio Da Cunha, Sonia Lavadinho

Superkilen

Noch selten wird in der Landschaftsarchitektur auf Schwarmintelligenz gesetzt, wenn es darum geht, ein neues, identitätsstiftendes Quartier zu gestalten. Der Mitte 2012 eröffnete Landschaftspark in Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen wagt das Experiment breiter öffentlicher Beteiligung und könnte damit zum Vorbild werden.

Hedonismus ist nicht das erste Wort, das einem in den Sinn kommt, wenn man an Partizipation im öffentlichen Raum denkt. Dennoch ist die Idee, dass das Streben nach Vergnügung ein gutes und angemessenes Ziel für ein erfülltes menschliches Dasein ist, Kern des neuen Kopenhagener Parks. In Superkilen wird das Ziel mit Formen und Elementen ausgedrückt, die von jeglicher kultureller Norm abweichen. Stattdessen wird als multikulturelle Collage die Vielfalt der verschiedenen Möglichkeiten des Zeitvertreibs zelebriert – mit Rutschen, Hügeln oder lebhaften Farben. Hier bedeutet Stadtplanung Partizipation an der Seite anderer und die Anerkennung von Unterschiedlichkeit.

Die Struktur der Gestaltung ist einfach: Die lineare Anlage wurde in drei unterschiedliche Bereiche aufgeteilt, jeder mit einem klar definierten, eigenen Charakter und einem offenen Nutzungsprogramm, ermöglicht durch die Einbeziehung besonderer Objekte und einzigartiger landschaftlicher Elemente. Man könnte Superkilen als eine Kollektion klar definierter, einzelner Ideen beschreiben, die in diesem keilförmigen Park, im zentralen Viertel von Nørrebro in Kopenhagen, ihre Verwirklichung finden.

Zeichen, Erinnerungen und Andenken

Das Gewebe unserer Vergangenheit und unserer Herkunft besitzt eine gewaltige Macht. Die Gestalter von Superkilen, die Landschaftsarchitekten von Topotek1, die Architekten von BIG (Bjarke Ingels Group) und die Künstler von Superflex erschufen mit der Auswahl des Stadtmobiliars eine Hymne auf die Unterschiedlichkeit, indem sie die Anwohner in die Auswahl von Objekten aus deren kulturellem Hintergrund miteinbezogen. Ein Thai-Boxring, zum Beispiel, bringt diesen Sport in den Park, als aktive Veranschaulichung einer aussergewöhnlichen Art der Erholung. Das ist Crowdsourcing, und zwar nicht als akkumulierte Mittelmässigkeit, die oft das Resultat einer Gruppenanstrengung ist.

Hier wurde kein Gruppendenken umgesetzt, vielmehr sind Gruppendinge entstanden. Das grundlegende Konzept der Partizipation, mitsamt Versammlungen der Gemeinde und verschiedensten Bemühungen zur Öffentlichkeitsarbeit, erlaubte hier der Bevölkerung, Stadtmöbel und Objekte vorzuschlagen, die ihre Heimatländer oder ihre Herkunft repräsentieren. Die Gestalter fungierten als Kuratoren dieser Vorschläge, fügten eigene hinzu und liessen die meisten der Objekte in Dänemark herstellen, als eine Art der Übersetzung. Die Objekte repräsentieren die Freude am kulturellen Gedächtnis, an Dingen, die verloren waren und wiedergefunden wurden. Der Park ist ein Lobgesang und eine Anerkennung des Unterschieds.

Die Auswahl der Stadtmöbel ist, als Manifestation von Kultur, so mannigfaltig wie die Einwohner. Der Kontrast von verschiedensten Persönlichkeiten und Identitäten, hier zusammengemischt, bringt etwas komplett Neues nach Nørrebro. Das Projekt ist aber auch ein allgemeiner Beitrag zur Idee von Kulturvermittlung und Partizipation.
Schon die Wettbewerbsausschreibung für die Parkgestaltung war sich der Herausforderungen des Standorts bewusst: eine Nachbarschaft am Rande der Gesellschaft, wirtschaftlich entrechtet, mit Armutsproblemen und einer für Kopenhagen sehr hohen Kriminalitätsrate belastet. Ein Park kann komplexe soziale Probleme nicht lösen, aber er kann eine Gegend aufwerten. Er kann Dinge, die bis dahin unbemerkt geblieben sind, sichtbar machen und einfache Freuden dorthin bringen, wo einst nur ein Streifen Niemandsland war.

Superkilen ist mittlerweile ein Schauspiel in der Tradition der englischen Landschaftsgärten des 19. Jahrhunderts, wo «Follies» und eine sorgfältige Choreografie eine Naturversion mit Dramatik inszenierten. In diesem Fall dramatisiert Superkilen das Stadtbild.

Auch das Aussehen der Landschaft selbst ist faszinierend: Sie ist so präsent und verführerisch wie die Aussenhaut des neuesten Architekturwunders, aber sie ist voll funktionsfähig und einladend.

Ihre gewundenen Ebenen, die in drei Teile mit drei beherrschenden Farben – Rot, Schwarz und Grün – aufgeteilt sind, beinhalten keine Vorgaben, was man dort tun oder wie man sich verhalten soll. Stattdessen sind die Räume jeder Interpretation zugänglich, offen für die Erfindung neuer Spiele, offen auch dafür, sie auf neue Art und Weise zu benutzen. Landschaft ist sowohl Reflektion als auch Hintergrund von Kultur, und in Superkilen wurde diese als überbordende Fülle von Zeichen und Symbolen in einem einzigen – und einzigartigen – Raum zusammengefügt.

Die Teilnahme am öffentlichen Leben

Wir hinterfragen nicht oft die elementare Zusammensetzung der Orte, in denen wir uns befinden, wir akzeptieren öffentliche Räume einfach als gegeben. Selten sind sie eine so buchstäblich ablesbare Übersetzung von anderen Orten. Superkilens Reiz liegt in der spielerischen Fähigkeit, überall her stammen zu können, und doch nur in diesem spezifischen Kontext möglich zu sein – als Ergebnis der aktiven Teilnahme der Benutzer an seiner Gestaltung; global und doch ortsgebunden.

Eine Version des Parks könnte überall geschaffen werden, entwickelt aus denselben Methoden und Regeln, und doch wäre jede Version, durch die jeweilige Mitwirkung, von Natur aus verschieden. Die Landschaftsarchitektur von Superkilen passt in ihre urbane Umgebung und wurde gebaut, um deren Urbanität zu unterstreichen.

Nørrebros schwierige Lage – eine demographische Insel heterogener Minderheiten in einem homogenen Land – schuf eine neue Denkweise darüber, wie der öffentliche Raum zu einem partizipativen Element der Stadtkultur werden kann. Superkilen ist ein Prototyp für eine neue Art der Einbindung von Nutzern im öffentlichen Raum, für kulturelles Teilen und für die Ästhetik von Parks im 21. Jahrhundert.

anthos, Mo., 2013.06.03

03. Juni 2013 Jessica Bridger

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