Editorial

In Frankreich treffen zahlreiche der grossen geographischen Einheiten Europas zusammen. Tiefebenen und Berge, vier Meeresufer, ein vom ozeanischen zum mediterranen reichendes Klima. Die politische Verwaltung Frankreichs ist heute noch stark zentralisiert, lässt die Regionen jedoch zunehmend Platz einnehmen.

Das Land hat eine bedeutende Landschaftsarchitektur-Tradition – der französische Garten – welche seit der Mitte des 20. Jahrhunderts in eine kraftvolle Erneuerungsphase trat. Hier seien Corajoud, Clément, Lassus und Chemetoff genannt, deren Projekte und Theorien auf jene von Denkern wie Roger, Berque oder Le Dantec treffen, die heute noch das Wirken der zeitgenössischen Landschaftsarchitekten beeinflussen.

Das aus den 1960er- und 1970er-Jahren stammende gestalterische Erbe tritt in dieser Ausgabe als gemeinsame Grundlage mehrerer Projekte hervor. Nach etwa 50 Jahren Bestand gehen heute viele der grossen Siedlungen oder sogar ganze Städte ihre Transformation an: Rehabilitation, Umgestaltung oder Neuanbindung. Der Garten über der Pariser Ring­autobahn oder der Garten-Platz am Eingang der Stadt Ivry-sur-Seine zeigen, wie der urbane Raum zugunsten von Fussgängern und besseren Sozialkontakten umgebaut wird. Parks entstehen, um den neuen Bedürfnissen nach Spielmöglichkeiten und Treffpunkten in den Stadtvierteln der 1960 Jahre zu entsprechen, oder um die weiterwachsende Stadt zu vernetzen. Die «Villes nouvelles» (Neuen Städte), aus dem Nichts erschaffene Einheiten dieser Epoche, beeinflussen heute noch die Rolle, die der Landschaft im Städtebau zukommt. Die Ausgabe beschäftigt sich auch mit dem Bereich der Planung: Die in der Schweiz vorgenommene Trennung der Planungs- und Baukompetenzen in der Landschaftsarchitektur ist in Frankreich wenig verbreitet. So werden die Landschaftsatlanten, Mittel zur Bestandsaufnahme, zum Schutz und zur Aufwertung der Landschaften auch zu Instrumenten des Entwurfs. Eng mit der Entwicklung der abendländischen Stadt im 19. Jahrhundert verbunden ist die Geburt der grossen öffentlichen und städtischen Stadtparks; ein Beitrag der Ausgabe untersucht die Entwicklung des 1867 eingeweihten Pariser Parks Buttes-Chaumont.

Unsere Autoren stellen die Frage nach dem Einfluss der französischen Landschaftsarchitekten auf die Gestaltung der Städte und leiten damit das Thema des kommenden anthos-Ausgabe «Landscape urbanism» ein.

Vor vierhundert Jahren wurde Le Nôtre geboren, Fackelträger des französischen Gartens. anthos zeigt eine Momentaufnahme der Profession, wie sie heute von unseren Nachbarn ausgeübt wird. Die Ausgabe ist zugleich eine Einladung, die französische Landschaftsarchitektur auch in situ neu oder wieder zu entdecken.
Emmanuelle Bonnemaison, Cécile Albana Presset

Inhalt

Michel Jaouën
– Künstlerische Raumplanung

Katell Mallédan, Tanguy Auffret-postel
– Landschaft des Städtebaus. Städtebau der Landschaft

Claire Méjean
– Renovierung eines Parks aus dem 19. Jahrhundert

Sandra Parvu
– Landschaftsatlanten und kartografisches Denken

Isabelle Schmit, Damien Billot, Nicolas Plassat
– Ein Garten-Platz als Eingang zur Stadt

Eric Goulouzelle
– Gartenpflanzensoziologie als gärtnerischer Ansatz

Charlotte Fauve
– Eine Spielstadt in Bordeaux

Grégoire Chelkoff, Magali Paris
– Gemüsegärten zur Schonung von Strassenrändern

Céline Aubernias, Alice Mahin, Chloé Sanson
– Festival des Hortillonnages

Laure Aubert, Karine Brana
– Weltkulturerbe-Landschaft am Pont du Diable

Loïc Mareschal
– Neugestaltung der Uferpromenade in Saint-Nazaire

Stéphanie Perrochet, Jean-Claude Dubois
– Parc Ouagadougou

Philippe Convercey
– Jardin Serge Gainsbourg

Landschaftsatlanten und kartografisches Denken

Die Erstellung von Departement-Atlanten durch französische Landschaftsplaner seit 1995 wirft ­interessante Überlegungen zur Rolle des Entwurfs im Spannungsdreieck «Karte – Geografie – ­Landschaft» auf.

Ein mit Tusche gezeichnetes Landschaftsbild von ­Leonardo da Vinci, das 1473 in dessen Atelier entstand, entzweit die Kritiker: Einige glauben darin das obere Arno-Tal zu erkennen, andere sind der Ansicht, die Komposition sei der Fantasie des Künstlers entsprungen.

Wie dem auch sei, für den Kunsthistoriker Daniel Arasse war diese Skizze die erste Darstellung einer abendländischen Landschaft. Nicht etwa, weil es sich um eine natürliche Gestaltung handelt – eine Festung und weitere Gebäude scheinen sich nämlich in der zweiten Bildebene zu befinden –, sondern weil die Natur als Ausgangspunkt für die Perspektive dient.[1]

Mehr als 600 Jahre nach dieser bedeutsamen Verschiebung der Sichtweise, zeigen die Departement-Atlanten die Landschaften heute weiterhin von einem ausserhalb der Stadt gelegenen Blickpunkt aus. Da sie dennoch zu der Kategorie «Dokumente des Städtebaus» gehören, spielen sie in Frankreich eine Rolle bei der Entwicklung der öffentlichen Politik im Auftrag des Staates unter der departementalen Treuhandschaft der Territorialgemeinschaft. Das französische Gesetz vom 8. Januar 1993 über den Schutz und die Erschliessung der Landschaften bildete gemeinsam mit den dazugehörenden Rundschreiben den Rahmen, in dem diese Atlanten erarbeitet wurden. Parallel zu diesem gesetzlichen Regelwerk beauftragte das ­französische Umweltministerium den Agraringenieur und promovierten Geografen Yves Luginbühl, der Forschungs­arbeiten zu verschiedenen Landschaftsthemen leitete, mit der Schaffung des methodischen Rahmens für die Umsetzung der Atlanten.[2]

In Frankreich wurde damit im Hinblick auf Gesetzgebung und Methodik Pionierarbeit geleistet, und die französischen Experten – unter ihnen auch Yves Luginbühl – haben mit ihren Erfahrungen einen wertvollen Beitrag zur Europäischen Landschaftskonvention im Jahr 2000 in Florenz geleistet. Dennoch hat trotz der Vereinheitlichung des Rahmenwerks jedes Departement seine eigenen Pflichtenhefte und Praktiken entwickelt, deren Eigenheiten schon im Titel der entsprechenden Dokumente ihren Ausdruck finden.[3]

Geschichtliche Perspektive

Der Landschaftsatlas als Dokument der Planung ist im Kontext einer über hundertjährigen Entwicklung von Verwaltungsinstrumenten zu sehen.[4] Mit den Anfängen des Tourismus konzentrierten sich die Debatten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf den Schutz historischer Stätten und Denkmäler, die durch Industrieprojekte gefährdet waren. In fast regelmässigen Abständen – 1887, 1906, 1913, 1930 – wurden Gesetze zum Landschaftsschutz verabschiedet, die primär auf die Stärkung der staatlichen Möglichkeiten zur Einschränkung der Rechte von Privatbesitzern abzielten. Diese erste Periode könnte man als Ära der Geländeinventur und -gliederung bezeichnen. Trotz des Bruchs, der mit der Regierung von Vichy eintrat und über die Nachkriegsjahre bestehen blieb, herrscht dieser Ansatz noch immer vor, da es hauptsächlich um die Identifikation des Bestehenden und um dessen Schutz vor starkem Nutzungsdruck bei hohen Grundstückspreisen geht. Erst ab 1960 zeichnete sich die Idee ab, dieses Landschaftserbe in einem zusammenhängenden Ganzen zu erfassen, aus dem sich später der Begriff «Grand paysage» (weite Landschaft) ergab.

Die Entwicklung einer umfassenderen Reflektion über die Stellung der Natur und der Grünflächen im Flächennutzungsplan der Region Paris (PADOG) von 1960 und die Idee des damaligen Bauministers Pierre Sudreau, die Flächen nicht nur zu klassifizieren, sondern in die Entwicklung einer Region mit einzubeziehen, boten das Fundament für eine Geisteshaltung, die 1971 von Robert Poujade, dem Leiter des neuen Umweltministeriums, aufgegriffen wurde: «Man muss zulassen, dass die Landschaft sich massvoll entwickelt, jedoch unter der Kontrolle eines Landschaftsplans, damit ihre Grundzüge sich nicht verändern. Im Vergleich zur früheren Situation, als diese Klassifizierung auf einzelne Gebiete angewendet wurde und zu irgendeiner Landschaftsform erstarrte, geht es bei diesem neuen Vorgehen nicht nur um Veränderung, sondern um das Entwickeln von Ideen.»[5]

Diese Äusserung ist in mehrerlei Hinsicht interessant, da das «Entwickeln von Ideen» uns wieder zu einer Konstante der geografischen Darstellung zurückführt, die, wie Jean-Marc Besse erklärt, sich nicht in einem «Wissens­problem» oder der «Reduktion der äusseren irdischen Welt auf die Interiorität des Wissens» resümieren lässt, sondern auch «Wahrnehmung und Fantasie» umfasst: «Die Kunst der geografischen Darstellung besteht darin, Flächen und Situationen zu definieren, die für die Umsetzung der Ideen geeignet sind.»[6]

Robert Poujades Sichtweise wird auch durch den Ansatz des Landschaftsarchitekten Jacques Sgard ergänzt, der in den 1970er-Jahren auf politischer, planerischer und pädagogischer Ebene zu dieser Debatte beitrug: «Diese Atlanten sind eine interessante Lektüre, um eine Region besser kennenzulernen, aber alle diese Monographien zielen nicht darauf ab, Projekte zu entwickeln. Für mich haben die Atlanten den selben Ansatz: viele interessante Informationen, die ich persönlich jedoch als etwas statisch betrachte … Sicherlich sind sie nützlich, aber sie helfen nicht, eine gestalterische Vision zu entwickeln.»[7] Die Aussagen dieser drei Akteure (ein Politiker, ein Forscher, ein Planer) stimmen in dem Wunsch überein, Landschaftspläne als Werkzeuge zur Wissensvermehrung zu konzipieren und damit auch als Werkzeuge für landschafts­architektonische, politische oder soziale Projekte.

Mit der Methode von Yves Luginbühl folgt auf die Ära der Landschaftspläne eine dritte Periode, die durch die Unterteilung der Werkzeuge gekennzeichnet ist: einerseits die operativen Werkzeuge wie «Landschaftkonventionen», «Landschaftsstudien» und «Landschaftspläne», andererseits die Werkzeuge des Basiswissens, wie «Landschaftsatlanten».[8] Die Atlanten sind zweiteilig und identifizieren im ersten Teil charakteristische Landschaftseinheiten, im zweiten folgt ihre landschaftliche Beschreibung. Für Yves Luginbühl sind die Atlanten als Fortsetzung des französischen Inventurauftrags zu verstehen. Der historische Teil seiner Methode lässt die Nachkriegsjahrzehnte und die Impulse der Politiker und der Projekte ausser Acht, um die Landschaftsarchitektur in die städtebauliche Planung einzubringen.[9]

Die Spaltung zwischen Erkenntnisprozess und Entwurf hat unter den Landschaftsarchitekten zwei Kernprobleme aufgeworfen. Einerseits entstehen durch die Aufteilung in Einheiten künstliche und zu harte Trennlinien: Manchmal ist zum Beispiel eine Berücksichtigung der Departement-Grenzen erforderlich. Dies macht die Darstellung starr und kann der «wirklichen» Landschaft zuwider laufen, die sich ja in fliessenden Übergängen darstellt.[10] Schon der Begriff Einheit ist für manche Landschaftsarchitekten problematisch, sodass sie ihn durch Bezeichnungen wie «Land» oder «Motiv» ersetzen.[11] Häufig wird durch Landschaftsarchitekten auch der Zweck der Atlanten an sich infrage gestellt. Bertrand Folléa meint zum Beispiel, dass seine Gesprächspartner einen Zusammenhang zwischen Wissen und Handlung erwarten; er meint, dass demnächst departementbezogene Landschaftspläne erstellt werden: «Bisher hält sich der Staat auf zentraler Ebene in dieser Hinsicht noch zurück, aber er wird von seinen eigenen Behörden überholt, da die Landschaftsplaner bereits solche Atlanten vorsehen.»[12]

Zwischenräume

Aus dieser Perspektive betrachtet, liegt die interessanteste Phase zwischen dem Ende der zweiten und dem Beginn der dritten Periode, als die Aufnahme der Landschaft in die Raumplanung stattfand. 1992 erschien der «Atlas des pays et paysages des Yvelines» (Atlas der Landschaften des Departement Yvelines) von Alain Freytet und Alain Mazas. Dieses Werk im A3-Format enthält grosse, handgezeichnete Karten und weist die Besonderheit auf, dass es sowohl die Arbeitsabläufe wie auch die Gedanken zum Ablauf darstellt. Folgt man zum Beispiel auf der Karte «Strukturen der zu meisternden Kontinuitäten» den durch die Wälder und Wasserauffanggebiete gebildeten Grenzlinien, erkennt man die visuelle Logik, welche die Autoren bei ihrer darstellerischen Arbeit zugrunde­legten. Ihre Empfehlungen bezüglich der wiederherzustellenden Kontinuitäten basieren sowohl auf dieser kartografischen Erfassung als auch auf der gefühlten Erfahrung des Geländes bei ausgedehnten Wanderungen. In diesem Sinne kommt in diesem Atlas – um es mit den Worten von Jean-Marc Besse zu sagen – eine «körperliche und visuelle Erfahrung» zum Ausdruck.[13]

Ein zweiter Atlas, «Les grands paysages d’Ile-de-France» (Die Landschaften der Ile-de-France) von Jacques Sgard, bezieht sich in doppeltem Sinne auf einen Zwischenraum: Diese Studie wurde zwar 1996 veröffentlicht, erfolgte jedoch im Auftrag des Instituts für Raumplanung der Ile-de-France IAURIF und unabhängig von der Methode Yves Luginbühls[14]; ausserdem entspricht ihr Arbeitsmassstab dem der Region: Er ist zwischen der lokal geprägten Sicht­weise des Departements und der ganzheitlichen staatlichen Sichtweise angesiedelt. Anstatt den Raum erschöpfend zu erfassen, stellt Jacques Sgard die landschaftlichen Gefüge im Stile jener Renaissance-Porträts dar, bei denen sich die Hände oder das ­Gesicht durch die extrem präzise Arbeitsweise und Detail­treue des Künstlers vom restlichen Gemälde abzu­heben scheinen. Zur Karte der «grossen landschaftlichen Einheiten» sagt er: «Diese Waldbogen von Fontainebleau über Rambouillet fand ich beeindruckend, wie auch die Wälder entlang der Oise. Ich wollte wissen, ob sie tatsächlich der Oise folgen oder ob sie bereits zu einem anderen Gebiet gehören, da es dort Feuchtzonen gibt.»[15]

Diese Aussage, die weissen Flecken auf der Karte und die Randnotizen verstärken den bildlich vermittelten Eindruck, dass die Hand etwas sucht. Durch diese Geste und die Unentschlossenheit, die sich in seiner Haltung ausdrückt, platziert der Autor seine Arbeit an der Grenze zwischen Wissensdarstellung und Entwurf. Da bald jedes Departement über einen eigenen Landschaftsatlas verfügen wird (von manchen gibt es bereits eine zweite Auflage), wäre es an der Zeit, die Fragestellungen und Darstellungs­methoden wieder in diesem fruchtbaren Zwischenraum anzusiedeln.


Bibliographie:
Barraqué, Bernard: Le paysage et l’administration. Paris 1985.
Besse, Jean-Marc: Face au monde. Atlas, jardins, géoramas. Paris 2003.
Freytet, Alain; Mazas, Alain: Atlas des pays et paysages des Yvelines. Saint Ismier 1992.
Luginbühl, Yves: Pour un paysage du paysage. Économie rurale. Paris 2007, pp. 23–40.
Luginbühl, Yves: Méthode pour des atlas de paysage. Identification et qualification. Paris 1994.
Sgard, Jacques: Les grands paysages d’Ile-de-France. Document d’appui aux démarches d’aménagement. Paris 1995.
Sgard, Jacques. 1994–2011, les limites de la ville encore en question. Numéro thématique des Cahiers de l’IAU IdF. Le paysage, du projet à la réalité. Paris 2011, n. 159, pp. 35–36.
Tricaud, Pierre-Marie: Unités paysagères de la région d’Ile-de-France. Méthodologie, notice d’utilisation de la base de données et atlas. Paris 2010.
Tiberghien, Gilles A.: Finnis Terrae. Imaginaires et imaginations cartographiques. Montrouge 2007.


Anmerkungen:
[01] Dixième émission radiophonique réalisée par l’historien de l’art Daniel Arasse pour France Culture en 2003 «Léonard de Vinci est un peintre chinois». Ces émissions ont été retranscrites dans l’ouvrage: Histoires de peinture. Paris 2006.
[02] Luginbühl, Yves: Méthode pour des atlas de paysage. Identification et qualification. Paris 1994.
[03] Pour citer quelques exemples en région Ile-de-France: Atlas et politique du paysage pour le département des Hauts-de-Seine (1995), Eléments pour une politique du paysage du Val-de-Marne (1997, 2001), Schéma départemental des paysages de l’Essonne (2009), tous les trois conçus par l’agence Folléa Gautier; Etude paysagère du département de Seine-Saint-Denis (1999) réalisée par Jacques Sgard; Etude de préfiguration de l’atlas des paysages de Seine-et-Marne (2002), Atlas des paysages et des projets urbains des Hauts-de-Seine (2014), tous les deux par l’agence Michel Collin.
[04] Pour retracer l’histoire des deux premières périodes, «le temps des inventaires (1887–1960)» et «le temps des plans de paysage (1960–1994)», je m’appuierai principalement sur la recherche que Bernard Barraqué a réalisée pour le ministère de l’Urbanisme, du logement et des transports: Le paysage et l’administration. Paris 1985.
[05] Poujade, Robert: Le ministère de l’impossible. Paris 1975, p. 54 cité par Barraqué, Bernard: op. cit., p. 53.
[06] Besse, Jean-Marc: Face au monde. Atlas, jardins, géoramas. Paris 2003, pp. 9–11.
[07] Entretien avec Jacques Sgard réalisé à son agence à Marly-le-Roi le 24 juin 2011.
[08] Luginbühl, Yves: Théories et démarches du projet de paysage, séminaire de Master 2 formé conjointement par l’Institut de géographie Paris I et l’école de paysage de Versailles.
[09] C’est une période dont par ailleurs Yves Luginbühl connaît très bien l’histoire et ses enjeux. Son article «Pour un paysage du paysage», Economie rurale. Paris 2007 offre un contrepoint intéressant à l’étude de Bernard Barraqué.
[10] Le débat sur la notion de limite dans le paysage est trop riche pour qu’il soit possible d’en rendre pleinement compte dans cet article. Pour une introduction aux problèmes qu’elle pose, voir Tricaud, Pierre-Marie: Unités paysagères de la région d’Ile-de-France. Méthodologie, notice d’utilisation de la base de données et atlas. Paris 2010, p. 11.
[11] Entretien avec Alain Mazas réalisé au Laboratoire architecture anthropologie à Paris le 4 avril 2012.
[12] Entretien avec Bertrand Folléa et Claire Gautier réalisé à leur agence à Montrouge le 2 avril 2012.
[13] Besse, Jean-Marc: op. cit., p 13.
[14] Entretien avec Pierre-Marie Tricaud réalisé à l’IAURIF le 8 octobre 2012.
[15] Entretien avec Jacques Sgard.

anthos, Fr., 2013.03.01

01. März 2013 Sandra Parvu

Jardin Serge Gainsbourg

Seit 20 Jahren entwirft die Agentur Territoires Landschaften, die den Hintergrund für eine ­Versöhnung zwischen Mensch und Stadt bilden. Sie bieten Orte für das Leben in der Gemeinschaft oder Inseln der Ruhe im urbanen Chaos.

Die Porte des Lilas ist eine von 33 Ausfahrten der Pariser Ringautobahn, dem Gürtel rund um Paris innerhalb der alten Stadtmauern, der die französische Hauptstadt mit ihren Vorstädten verbindet. Im Rahmen eines Vertrags zwischen der Stadt und ihrer Region übertrug Paris im Jahr 2000 der SEMAVIP (Société d‘économie mixte de la Ville de Paris) die Planung und Durchführung eines Bauprojekts zur Über­deckung der Ringautobahn auf der Höhe der Ausfahrt Porte de Lilas. Für die Bewohner der angrenzenden Stadtviertel sollte damit eine verbesserte Wohnqualität geschaffen werden.

2004 legte ein Team aus Stadt- und Landschaftsplanern die Ziele sowie das Programm des Projekts fest: In der zu schaffenden Anlage sollte ein Zirkus gastieren können, der Vorplatz einer Kultureinrichtung und ein Park sollten Platz finden. Die Ausschreibung richtete sich an interdisziplinäre Teams; der Zuschlag ging 2005 an das Büro Territoires. Der 2011 eröffnete Park wird von den Bewohnern des angrenzenden Stadtviertels genutzt und dient als Verbindung zwischen dem historischen Pariser Stadtkern und den Vororten Lilas, Pré Saint Gervais und Bagnolet.

Bauen über der Ringautobahn

Die Pariser Ringautobahn, Périph‘ genannt, hat ihre ganz eigene Geschichte. Sie verdankt ihre Existenz dem Militär und den Ingenieuren. Auf den Überresten der 1844 von Thiers errichteten Stadtbefestigung in den 1960er-Jahren erbaut, umschliesst die Ringautobahn seitdem die französische Hauptstadt und dient der Entlastung der schon damals durch den Autoverkehr überfüllten Innenstadt.

Um die wichtige Rolle der Schnellstrasse in der historischen Entwicklung von Paris zu berücksichtigen, erforderte das Bauen über der Stadtautobahn ein massvolles Vorgehen.

Diesem Umstand wurde auf verschiedenen Ebenen Rechnung getragen: Die Anlage sollte in ihrer Mitte einen offenen Teil enthalten, in dem sowohl die einzelnen Funktionen sowie auch die Bepflanzung Platz finden. Diese unverbaute Fläche ist wichtig für den Pariser Stadtraum. Die Abgeordneten aus Paris und den Vororten hatten für das Projekt einen Freiraum mit viel Luft zum Atmen zwischen Himmel und Erde vor Augen.

Der Entwurf einer Aussichtsplattform, einer Art Balkon mit Sicht auf die Ringautobahn, macht aus den rund 300 000 täglich darunter hindurch fahrenden Fahrzeugen ein Schauspiel. Die Skepsis der Abgeordneten wich bald den erstaunten Blicken der Bauarbeiter und später der Faszination der Spaziergänger angesichts dieses permanenten Stroms von Fahrzeugen. Die Aussicht auf die Ebene von Saint Denis verbindet den Jardin Serge Gainsbourg nicht nur mit der Stadtautobahn, sondern auch mit dem Pariser Grossraum.

Die Natur in der Stadt

Die Beteiligung von Landschaftsarchitekten an Stadtplanungsprojekten ist mittlerweile selbstverständlich geworden.

Unsere Arbeit trägt seit Langem dazu bei, das Verhältnis zwischen der Siedlung und ihrer Umgebung, zwischen Stadt und Natur, wiederherzustellen. Heute wird eher über die Art und Weise debattiert, wie man das Lebendige wieder in die Stadt bringen kann.

An der Porte de Lilas haben wir mit unserer Arbeit gezeigt, wie sich die Natur in die Stadt zurückholen lässt.

Die Ringautobahn eignet sich gut, um die Artenvielfalt zu fördern: Neben ihrer Funktion als Schnell­strasse ist sie auch ein Korridor, durch den der Wind Wildsaatgut transportiert. Wir haben daher auch die angewehten Wildpflanzen im Park gepflanzt. Diese autonomen und sehr widerstandfähigen Arten haben eine hohe Ausbreitungskapazität (ohne Risiko einer biologischen Invasion) und damit die notwendige Eigenschaften für die Ansiedlung in einem Park mit schwierigen Wachstumsbedingungen – trocken, heiss, windig.
Die Instandhaltung des Parks reduziert sich auf die Pflege der Pflanzen und der intensiv genutzten Teile wie Wege und Spielflächen.

Das Ziel des Projekts ist es, sich die Natur natürlich entfalten zu lassen, um hier ihre eigene Landschaft herauszubilden.
Wir haben ökologische Prozesse in Gang gesetzt, um die üblichen Probleme – Pflanzenkrankheiten, Invasion exotischer Pflanzenarten, Schädlinge – zu vermeiden. Der Boden wurde nicht chemisch behandelt, und wir verwenden nur biologische, zertifizierte Pflanzenschutzmittel. Die Vereine und Einzelpersonen, welche die Gemeinschaftsgärten nutzen, haben die «Charte Main Verte» der Stadt Paris unterzeichnet. Hierin verpflichten sie sich, die neuen Grünflächen nach ökologischen Grundsätzen zu bewirtschaften.

Die Anwohner

Für die ersten Entwürfe des Projekts war es entscheidend, das Leben und die täglichen Wege der Anwohner zu verstehen. Die barrierefreie Nutzung des Parks wurde als wichtiges Ziel verstanden, nicht als Einschränkung. Die «Ficelle», ein langer, schlangenlinienförmiger Weg durch den Garten, ist zum wichtigsten Massstab für das Gefälle der Wege geworden.

Die zwischen Pré Saint Gervais und Paris über der Ebene von Saint Denis thronenden alten Felsen finden heute ihre Entsprechung in diesem mäandernden Weg und seinen Stützmauern. Die Verbindung zwischen Paris und seinen Vororten hat heute wieder eine gewisse Selbstverständlichkeit gewonnen und ist nicht mehr nur der Logik der Autofahrer verpflichtet.

anthos, Fr., 2013.03.01

01. März 2013 Philippe Convercey

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