Editorial

Grosse Ereignisse werfen ihre Schatten voraus, heisst es. Bei Internationalen Bauausstellungen IBA gilt das wörtlich: Ihre gebauten Manifestationen gemeinsamer Visionen schreiben sich in den Raum ein, stellen sich der Sonne entgegen und bleiben über das Ereignis hinaus erhalten. Projekte wollen daher gut überdacht, die Protagonisten wohl gewählt sein. Rückblickend gingen wichtige Impulse für Städtebau und Stadtentwicklung, Landschaftsarchitektur und Landschaftsplanung von Gross­ereignissen aus, bei denen sich internationale Experten daran machten, ihre Ideen nicht nur weiterzuentwickeln und mit einem grösseren Publikum zu teilen, sondern auch zu realisieren.

Ein Blick auf die IBA-Geschichte zeigt Traditionen ebenso wie Wandel: im Verständnis der Disziplinen, in ihrem Umgang mit dem Raum, gesellschaftlichen Bedürfnissen und Schwerpunktsetzungen. Im Zuge der Internationalen Bauausstellungen, die in ihrem Ursprungsland Deutschland seit 1901 stattfinden, wurden viel beachtete bauliche Zeugnisse realisiert, oft ganze Viertel wie die Mathildenhöhe in Darmstadt oder das Berliner Hansa­viertel. IBA sind längst gewichtige Instrumente der Stadtentwicklung, bei denen viel Geld zur Verfügung steht und angesichts der hohen öffentlichen Aufmerksamkeit ein Realisierungsdruck, der Umsetzungen auf Pläne folgen lässt.

Lange stand der raumgestaltende Architekt im Vordergrund, in der Stadtentwicklung wurden vorhandene soziale und funktionale Strukturen gestärkt und entwickelt, umfassendere Strategien zur Gesamtraumentwicklung fehlten. Wegweisend und symbolhaft für ein gewandeltes Verständnis und transdisziplinäre, prozessorientierte Ansätze wurde die 1989 bis 1999 als Zukunftsprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen angelegte IBA Emscher Park. Sie erweiterte das disziplinäre Feld und realisierte erfolgreich die Umwandlung einer gesamten, bis anhin von der Schwerindustrie geprägten Region in eine zeitgemässe Wohn-, Kultur- und Freizeitlandschaft mit ökologischem Anspruch.

Die IBA Basel 2020 «Gemeinsam über Grenzen wachsen» möchte noch einen bedeutenden Schritt weiter gehen: Sie ist die erste trinationale IBA. Längst verbindet der gelebte Alltag im Metropolitanraum Basel Wohnen, Arbeiten und Freizeit über drei Landesgrenzen hinweg. Es wird eine der grossen Aufgaben dieser IBA sein, auch die räumlichen Strukturen und institutionellen Verankerungen dafür zu schaffen, Fragen gemeinsamer Identität zu stellen und neue Lesarten des gemeinsamen Raums zu entwickeln – gemeinsam mit der Bevölkerung.

anthos begleitet den Landschaftskongress 2012 als Medienpartner. In der Ausgabe kommen die Referenten des Kongresses zu Wort, und bei aller Unterschiedlichkeit ihrer Ansätze und Visionen wird eines besonders deutlich: Landschaft geht uns alle an!
Sabine Wolf

Inhalt

Angelus Eisinger
- Landschaft ist überall. Oder: ein Kommentar zum «urban age»

Christophe Girot
- Fragen zur Topologie der Landschaft

Françoise-Hélène Jourda
- Der Rhein verbindet

Jürg Sulzer
- Perspektiven einer raumbildenden Stadtumbaukultur in der Agglomeration

Emmanuel Jalbert
- Die Uferpromenade «Berges du Rhône»

Thomas Waltert, Richard Horn, Christian Renner
- Entwicklungsvision 3Land

Thomi Jourdan
- Das Schänzli: Die Landschaft als Ausgangspunkt

Susanne Fischer
- Landschaftspark Wiese – Erfolgsgeschichte und Modell

Thomas Schwarze
- TRUZ: Das Trinationale Umweltzentrum

Gerhard Zickenheiner, Monika Wilke
- Triotop Gut Nonnenholz: Trinationales Umweltzentrum

Geleitwort BSLA

Basel hat Glück. Wenn in siebeneinhalb Jahren die Tore der Internationalen Bauausstellung 2020 aufgehen, werden es viele mitbekommen, aber nicht als Paukenschlag, sondern als Etappe eines langen Weges hin zu mehr Qualität im Städtebau, hin zu mehr grenzüberschreitender Betrachtungsweise, hin zu mehr Sorgfalt im Umgang mit dem Landschaftsraum der Regio Basilensis. Denn die IBA hat längst begonnen, und das ist gut so. Ein Zuckerstock ist zwar auch schön, aber eine lange brennende Flamme kann besser den Weg leuchten. Sie entspricht mehr dem, was Stadt ausmacht, dem Dauernden. Weniger dem dauernden Bestehen, mehr dem dauernden Wandel. Dass die IBA diesen Prozess während zehn Jahren begleitet, sichtbar macht und diskutiert, ist eine Chance, einer breiten Bevölkerung gebaute und ungebaute, spontane und geplante Urbanität näher zu bringen.

Landschaft kann helfen. Sie hat etwas Föderatives. Jeder findet sich darin wieder. Sie kennt keine Grenzen ausser ihre eigenen. Ein Landschaftskongress ermöglicht es der IBA, den Raum, auf den sie sich bezieht, zu erfahren, ihn in Beziehungen zu setzen, den ästhetischen Blick schweifen zu lassen, Perspektiven einzunehmen und zu erörtern. Der Bund Schweizer Landschaftsarchitekten und Landschaftsarchitektinnen BSLA nutzt die IBA, um einmal mehr darauf hinzuweisen, dass sich das «B» in IBA auch auf die Landschaft bezieht. Sie ist nicht das weisse Blatt, auf dem urbane Entwicklung entworfen wird, sie ist nicht der Sandkasten, in dem Architekten und Stadtplaner ihre Förmchen stürzen, sie ist nicht das Spielfeld, auf welchem Tourismus-Manager und Freizeitaktivitäten-Anbieter sich austoben können und sie ist nicht das Schutzreservat alles Bedrohten.

Landschaft ist, wenn wir draussen die Augen aufmachen und das Gesamtbild dessen sehen, was all dies menschliche Tun in einer geographisch-naturräumlichen Situation erzeugt. Und hierzu hat der Mensch eine Beziehung. Er ordnet der Landschaft Qualitäten zu oder spricht sie ihr ab, findet sie schön oder weniger schön. Landschaftsarchitekten sind nicht so vermessen – auch wenn mancher Architekt und mancher Raumplaner immer wieder schweissgebadet mit diesem Albtraum aufwacht –, 100 Prozent des Territoriums ihre kreativen Entwürfe überstülpen zu wollen. Aber es liegt ihnen daran, dass, wer sich mit der Entwicklung der gebauten Umwelt beschäftigt, in ihren Kategorien und Zusammenhängen denkt: Landschaft denkt.

Die IBA ist dafür eine hervorragende Versuchsanordnung. Der BSLA hat Glück.

anthos, Mo., 2012.11.26

26. November 2012 Pascal Gysin

Geleitwort IBA Basel 2020

In der trinationalen Agglomeration Basel wachsen die geschichtsträchtigen Teile dreier europäischer Staaten entlang des Rheinknies kontinuierlich zu einem gemeinsamen Lebens- und Alltagsraum zusammen. In diesem vielsprachigen Gebiet erhebt die IBA Basel 2020 – die weltweit erste wirklich Internationale Bauausstellung – den Anspruch, eine trinationale Metropolitanregion Wirklichkeit werden zu lassen. Mit knapp 50 ausgewählten Projekten zeigt die IBA Basel, welche Kräfte die grenzübergreifende Kooperation in der Entwicklung von Stadt und Land freisetzen kann, für rund eine Million Menschen und in einem Zeitraum von nur zehn Jahren. Die IBA Basel arbeitet in ihren Architektur-, Landschafts- und Mobilitätsprojekten eng mit verschiedenen Partnern zusammen: «Gemeinsam über Grenzen wachsen – Au delà des frontières, ensemble».

In den Landschaftsräumen der trinationalen Stadtregion Basel sieht die IBA Basel 2020 grosse Entwicklungspotenziale und wesentliche Pfeiler der Identität in diesem Raum. Es geht darum, den Grünflächen des grenzüberschreitenden Ballungsraums Basel einen neuen Sinn zu geben, wohl wissend, dass der Begriff «Landschaft» in jedem einzelnen Land unterschiedlich definiert wird. Landschaften unterscheiden sich sowohl in ihrer Ausdehnung und Nutzung als auch in ihrem Aussehen. Das Rheintal, die Erhebungen der Vogesen, der Schwarzwald und das Juragebirge, die Wiese und die Birs, all diese Landschaftsräume prägen das Bild der offenen, grünen Region Basel. Die aktuelle Herausforderung besteht darin, diese Räume gesamthaft und nachhaltig weiterzuentwickeln.

Die IBA Basel 2020 arbeitet an einem Konzept der «Beziehungslandschaft», in der sich das optimale Zusammenspiel von bebauter und offener Fläche widerspiegelt. In dieser gesamthaft betrachteten Region sind die Landschaften, definiert als Ergebnis des kulturellen Einwirkens des Menschen auf seinen Lebensraum, Schnittstellen und dienen dem Austausch zwischen Stadt und Land. Die offenen Räume sind durch eine angemessene Erschliessung dauerhaft zu gewährleisten.

Mit dem Landschaftskongress 2012 will die IBA Basel 2020 in Zusammenarbeit mit dem BSLA zu einer dynamischeren Betrachtung von Siedlung und Landschaft beitragen. Mit rund einem Dutzend Projekten fördert die IBA Basel die positive Rückkehr der Natur in die Stadt, auch durch eine bessere Wahrnehmung der unterschiedlichen Landschaftstypen in und ausserhalb der Stadt. Dies nicht zuletzt aus der Überzeugung ­heraus, dass die Landschaft eines der herausragenden Qualitätsmerkmale der Stadt des 21. Jahrhunderts sein wird. Sie umzusetzen erfordert einen starken politischen Willen und die Parität von öffentlichen und privaten Investitionen. Landschaft ist überall und vielfältig. 

anthos, Mo., 2012.11.26

26. November 2012 Martin Jann

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