Editorial

Rund 40 % der Schweizer Stromproduktion (25 TWh pro Jahr) stammen derzeit aus Kernkraftwerken.1 Die Energiestrategie des Bundes, deren Details in den nächsten Tagen veröffentlicht werden, sieht vor, im Zuge des Ausstiegs aus der Kernenergie den Grossteil davon bis 2050 durch Strom aus Fotovoltaik- bzw. Windanlagen (10.4 bzw. 4 TWh/a) zu ersetzen.[2] Wenn man sich vergegenwärtigt, dass Wind und Sonne in der Schweiz heute einen Bruchteil dieser Menge beisteuern – Fotovoltaik 0.083 TWh/a, Windturbinen 0.037 TWh/a –, wird das Ausmass dieses Umbaus der Stromversorgung deutlich.[1] Hinzu kommt, dass die Stromproduktion aus Wind und Sonne wetterbedingt und je nach Tages- und Jahreszeit stark schwankt. Je höher der Stromanteil aus diesen Quellen wird, desto stärker macht sich dieser Effekt bemerkbar. Es wird künftig dazu führen, dass zu Zeiten optimaler Leistung die Stromproduktion den -bedarf deutlich übersteigen kann («Schlüsselkomponente für die Energiewende»). Umgekehrt kann in Zeiten schwacher Produktion der Bedarf wesentlich höher sein. Um dieses Ungleichgewicht auszugleichen, müssen Kraftwerke, deren Stromproduktion sich nach Bedarf regeln lässt – in der Schweiz vor allem Wasserkraft-Speicherwerke –, die Produktionslücken füllen. Für den Umgang mit Stromüberschüssen gibt es verschiedene Möglichkeiten. Sie können entweder in Regionen mit momentanem Strombedarf transportiert werden, was aber entsprechende Übertragungskapazitäten erfordert.

Deren Ausbau ist eine weitere Herausforderung bei der Umsetzung der Energiewende. Oder man kann versuchen, den Stromverbrauch zu beeinflussen, was aber ebenfalls aufwendig und nur begrenzt möglich ist (vgl. TEC21 12/2011). Die dritte Option ist die Speicherung des Stroms. Die Schweiz ist mit ihren Pumpspeicherkraftwerken hier in einer relativ komfortablen Situation. Trotz den geplanten Ausbauprojekten – TEC21 wird in einer der kommenden Ausgaben darauf eingehen – wird deren Speicherleistung aber nicht ausreichen. Je nach Standort der Fotovoltaik- oder Windanlage empfehlen sich zudem Speicher, die näher am Ort der Produktion bzw. des Verbrauchs liegen, um weite Transporte zu vermeiden. Forschung und Industrie arbeiten daher an alternativen Speicherlösungen, einer weiteren Schlüsselkomponente für die Energiewende. Viele der dafür infrage kommenden Technologien kennt man schon lange («Eine kurze Geschichte der Energiespeicherung»), entwickelt sie nun aber weiter («Speichertechnologien für das Stromnetz»). Soll die Energiewende in der Schweiz mehr sein als ein hehres Ziel, ist es nun vordringlich, diese Vielzahl an enormen Herausforderungen entschlossen anzugehen.

Claudia Carle


Anmerkungen:
[01] Bundesamt für Energie: Schweizerische Elektrizitätsstatistik 2011. Bern, 2012
[02] Pascal Previdoli: Energiestrategie 2050. Bundesamt für Energie, Mai 2012

Inhalt

05 WETTBEWERBE
Verdichtung Felsenrainstrasse, Zürich

11 MAGAZIN
Areale für die 2000-Watt-Gesellschaft | Der Postbote und sein Palast | Kurzmeldungen

20 SCHLÜSSELKOMPONENTE FÜR DIE ENERGIEWENDE
Stefan Linder
Je höher der Anteil von Wind- und Sonnenenergie an der Strom­versorgung wird, umso wichtiger werden Energiespeicher, um ihre stark schwankende Stromproduktion möglichst vollständig ­nutzen zu können.

24 SPEICHERTECHNOLOGIEN FÜR DAS STROMNETZ
Andreas Ulbig
Für die kurz- oder längerfristige Stromspeicherung stehen eine ganze Reihe verschiedener Technologien zur Verfügung, die sich hinsichtlich Standortansprüchen, Kosten, Wirkungsgraden und Entwicklungsreife unterscheiden.

27 EINE KURZE GESCHICHTE DER ENERGIESPEICHERUNG
Norbert Lang
Schon vor Jahrhunderten nutzten die Menschen einfache Energie­speicher. Bis in die heutige Zeit sucht man für bekannte Speicherarten immer wieder neue Anwendungsmöglichkeiten.

31 SIA
Rhetorik statt Powerpoint | Normen strenger als Gesetze? | Kurzmitteilungen | Das Reglement für das Normenwerk

35 MESSEN
Herbstseminar Bau- und Energiemesse

37 FIRMEN | PRODUKTE | FCSI | IWB | Flumroc

45 IMPRESSUM

46 VERANSTALTUNGEN

Speichertechnologien für das Stromnetz

Der Ausbau der Stromerzeugung mit Windturbinen und Fotovoltaik erfordert grössere Speichermöglichkeiten, um die schwankende Stromproduktion mit dem Strombedarf in Einklang zu bringen. Für die kurz- oder längerfristige Speicherung stehen eine ganze Reihe verschiedener Technologien zur Verfügung, die sich hinsichtlich Standortansprüchen, Kosten, Wirkungsgraden und Entwicklungsreife unterscheiden.

Sowohl für die kurzfristige Pufferung von Stromerzeugungs- und Lastspitzen über wenige Minuten bis hin zu mehreren Stunden als auch für die mittel- und längerfristige Zwischenspeicherung von Energie über mehrere Tage bis Monate existieren verschiedene Speichertechnologien. Die Spanne reicht von mechanischen Speichern, in denen Energie in Form von kinetischer oder potenzieller Energie gespeichert wird, über thermische Speicher, in denen Energie mittels thermodynamischer Wärme- und Kälteprozesse in Form von thermischer Energie gespeichert wird, bis hin zu elektrochemischen Speichern, bei denen Energie in Form von chemischen Bindungen gespeichert wird. Ebenso gibt es auch Speichertechnologien, in denen Mischformen realisiert sind. Im Folgenden werden die derzeit relevantesten Technologien für die Speicherung von Strom aus erneuerbaren Quellen vorgestellt.

Mechanische Speicher

Pumpspeicher und Speicherseen: Die mit grossem Abstand am meisten genutzte Speichertechnologien für das Stromnetz (>99 % der weltweit genutzten Speicherkapazität) sind Pumpspeicher und Speicherseen. Pumpspeicher werden normalerweise zur kurzfristigen Energiespeicherung (wenige Minuten bis viele Stunden) verwendet und haben einen Wirkungsgrad von etwa 80–85 %. Speicherseen mit ihrer teilweise riesigen Speicherkapazität können zusätzlich für den mittelfristigen Energieausgleich über mehrere Tage und Wochen und auch als saisonale Speicher über mehrere Monate verwendet werden. Die Schweizer Speicherseen können mit ihrer Speicherkapazität von ca. 9 TWh mehr als 10 % des jährlichen Stromverbrauchs zwischenspeichern (ca. 60 TWh). Das vorhandene, stark von der Geografie abhängige Potenzial für Pumpspeicher und Speicherseen wird in den meisten Ländern bereits zum grösseren Teil genutzt. Das Ausbaupotenzial ist aus diesem Grund sowie durch Umweltauflagen weltweit begrenzt.

Schwungräder: Ein solches Speichersystem wird geladen, indem beim Beschleunigen eines Schwungrades durch einen Elektromotor elektrische Energie in Rotationsenergie umgewandelt wird. Beim Entladen wird das Schwungrad durch den Generator gebremst und kinetische wieder in elektrische Energie zurückgewandelt. Vorteile von Schwungrädern sind die sehr schnelle Zugriffszeit (im Millisekundenbereich), keine Probleme bei einer Tiefenentladung, die bei Batterien zu einer vorschnellen Alterung führt, und der hohe Wirkungsgrad (>97%) beim Einsatz als Kurzzeitspeicher für wenige Minuten. Zudem können sie an nahezu jedem Standort installiert werden. Die Lebensdauer ist mit über 100 000 Speicherzyklen sehr hoch. Der wichtigste technische Nachteil ist, dass bei Speicherzyklen, die länger als ein paar Minuten dauern, die Reibungsverluste durch das Rotorlager sehr schnell ansteigen. Beim 2011 in Stephentown im US-Gliedstaat New York realisierten Projekt (20 MWel, 5 MWh) beträgt der Verlust nach einer Stunde Speicherzeit ca. 50 % (Abb. 1 und 2).

Druckluftspeicher: In einem Druckluftspeicher (Compressed Air Energy Storage [CAES]) wird komprimierte Luft als Speichermedium verwendet. Beim Ladevorgang verdichtet ein elektrischer Kompressor Umgebungsluft auf einen Druck von ca. 50 – 75 bar. Die dabei entstehende Abwärme wird je nach Art des Druckluftspeichers entweder in einem zusätzlichen Wärmespeicher gespeichert oder ungenutzt an die Umgebung abgegeben. Die abgekühlte Druckluft wird in einem grossen unterirdischen Speicher, z. B. einer luftdichten Salzkaverne, eingelagert. Beim Entladevorgang treibt die herausströmende Druckluft eine Turbine an und erzeugt dadurch Strom. Da sich Druckluft beim Entspannen sehr stark abkühlt, muss diese vorher noch erhitzt werden, entweder durch den noch heissen Wärmespeicher, durch das Verbrennen von Erdgas oder durch beides. Weltweit gibt es bisher erst zwei Druckluftspeicher, allerdings sind beide schon jahrzehntelang in Betrieb. Die erste Anlage (321 MWel, 640 MWh) wurde 1978 ohne Wärmespeicher und daher nur mit einem Wirkungsgrad von 40 % in Huntorf in Niedersachsen, Deutschland, erbaut (vgl. TEC21 42-43/2007). Ein zweites Kraftwerk (110 MWel, 2860 MWh) ist seit 1991 im US-Gliedstaat Alabama in Betrieb und besitzt zumindest einen kleinen Wärmespeicher, wodurch die Effizienz auf 54 % ansteigt. Die nächste Generation, sogenannte adiabate Druckluftspeicher, soll deutlich grössere Wärmespeicher besitzen, die das Erhitzen der Druckluft durch Erdgas bei einem normalen Speicherzyklus überflüssig machen. Das Ziel ist es, eine Speichereffizienz von 75 bis 85 % zu erreichen. Diese nimmt bei längerer Speicherdauer (> 1 Tag) allerdings ebenfalls deutlich ab. Die erste Anlage im Industriemassstab (90 MWel, 360 MWh) soll 2013 in Stassfurt in Sachsen-Anhalt, Deutschland, gebaut werden. Geeignete Standorte liegen in Europa vor allem nahe der Nordseeküste, wo es sowohl grosse unterirdische Kavernen als auch viele Windparks gibt.

Elektrochemische Speicher

Batterien: Es existieren zahlreiche Batterietechnologien, die für die Zwischenspeicherung von Strom aus Wind- und PV-Anlagen geeignet sind. Unterschieden wird zwischen Batteriesystemen mit internem Energiespeicher, wie die bekannten Lithium-Ionen-Batterien, und solchen mit externem Speicher, sogenannten Flussbatterien wie z. B. Redox-Flow-Batterien. Bei letzteren wird die Elektrolytflüssigkeit, das eigentliche Energiespeichermedium, zwischen zum Teil hausgrossen Tanks und dem Energiekonverter hin- und hergepumpt. Als Elektrodenmaterialien werden u.a. Zink oder Vanadium eingesetzt. Der Gesamtwirkungsgrad von Flussbatterien kann bis zu 75 % betragen. Weltweit sind zahlreiche Flussbatterien, meistens Vanadium-Redox-(VR)-Batteriezellen, im Einsatz. Die beiden grössten VR-Batteriesysteme werden in Japan (4 MW, 6 MWh), als Energiepuffer für einen Windpark, und im US-Gliedstaat Kalifornien (0.6 MW, 3.6 MWh), zur Reduktion der teuren Spitzenlast einer Industrieanlage, verwendet. Die Vorteile von modernen Batterietechnologien mit internem Energiespeicher, wie Lithium-Ionen und anderen, liegen in den hohen Wirkungsgraden (>80 – 85 %), in der sehr schnellen Reaktionszeit im Millisekundenbereich und damit im flexiblen Einsatz in Netzanwendungen. Die Energiespeicherkapazität aller Arten von Batteriesystemen ist aber klein im Vergleich zu Druckluft- und Pumpspeichern. Der grösste Nachteil sind die immer noch sehr hohen Investitionskosten von Batterien im Vergleich zu Pumpspeichern. In den letzten zwei Jahren sind die Batteriepreise allerdings deutlich gesunken. Die grösste Lithium-Ionen-Batterie der Schweiz (1 MWel, 500 kWh), ein Kooperationsprojekt der Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ) und von ABB Schweiz, ist seit Frühjahr 2012 in Dietikon ZH im Einsatz (vgl. Titelbild). Zeitgleich wächst schweizweit die Zahl an «Plug-in»-Elektro-/Elektrohybrid-Autos, die direkt am Stromnetz aufgeladen werden können. Die aggregierte Batteriekapazität von Elektroautoflotten ist neben stationären Batteriesystemen eine weitere für den Netzbetrieb interessante Speicherquelle.

Wasserstoffelektrolyse: Bei der Elektrolyse wird Wasser (H2O) durch Gleichstrom in Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) zerlegt. Der grosse Vorteil von Wasserstoff ist seine hohe Energiedichte. Daher können durch Elektrolyse sehr grosse Strommengen in chemische Energieträger umgewandelt werden, wodurch sie neben Speicherseen eine der wenigen technischen Optionen ist, mit der die saisonalen Produktionsschwankungen von erneuerbaren Energiequellen effektiv ausgeglichen werden können. Der Gesamtwirkungsgrad liegt allerdings im besten Fall – bei Elektrolyse und anschliessender Stromerzeugung in einer Brennstoffzelle oder einem Gaskombikraftwerk – bei nur 40 – 45 %. Ausserdem ist die grossmassstäbliche Speicherung von Wasserstoff technisch nicht ganz einfach und somit teuer. Eine mögliche Zwischenlösung wäre die Beimischung zum Erdgas: Ein Wasserstoff-Anteil von 5 – 10 % im Erdgasnetz ist technisch möglich.

Methanisierung von Wasserstoff: Um langfristig grosse Strommengen chemisch zwischenspeichern zu können, ist ein weiterer Prozessschritt denkbar: die Methanisierung von Wasserstoff zu Methan (CH4) (Abb. 5). Dies hat den Vorteil, dass das bestehende Erdgasnetz inklusive grosser, unterirdischer Gasspeicherkavernen problemlos genutzt werden kann, denn Methan ist der Hauptbestandteil von Erdgas. Die problematische Wasserstoffspeicherung wäre damit elegant umgangen. Der Gesamtwirkungsgrad sinkt gegenüber der einfachen Wasserstoffelektrolyse allerdings auch im besten Fall (grosstechnische Umsetzung mit bestem technischen Wirkungsgrad) auf ca. 30–40 %. Da in vielen Ländern die Potenziale von Pumpspeichern und Speicherseen begrenzt sind, haben Wasserstoffelektrolyse und Methanisierung – oft als «Power-to-Gas» bezeichnet – als Speicherprozesse grosses Potenzial. In Deutschland beträgt die Speicherkapazität von Pumpspeichern zum Beispiel nur ca. 0.04 TWh. Die Speicherkapazität des Erdgasnetzes und der Erdgasspeicher ist mit ca. 200 TWh mehrere Grössenordnungen höher und beträgt ungefähr ein Drittel des jährlichen Stromverbrauchs (ca. 550 TWh). Die saisonale Zwischenspeicherung von PV-Strom aus dem Sommer- in das Winterhalbjahr erscheint so technisch machbar. Eine erste Testanlage (25 kWel) wird seit 2009 am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) in Stuttgart betrieben. Das CO2 für den Prozess wird aus der Luft entnommen. In einer zehnmal grösseren industriellen Testanlage soll ab Ende 2012 das CO2 direkt aus industriellen Prozessen gewonnen werden.

Thermische Speicher

Elektrothermische Speicher: Eine noch sehr neue Idee ist die Nutzung von elektrothermischen Speichern. Hierbei werden zwei Wärmespeicher, zum Beispiel grosse Wassertanks, miteinander verbunden. In der Ladephase wird in einem Kraft-Wärme-Prozess durch eine Wärmepumpe künstlich ein Temperaturunterschied zwischen den beiden Wärmespeichern erzeugt. In der Entladephase wird im umgedrehten Wärme-Kraft-Prozess durch das Temperaturgefälle zwischen den Wärmespeichern mechanische Kraft und schliesslich elektrischer Strom produziert. Der grosse Vorteil gegenüber anderen grosstechnischen Speichern ist, dass elektrothermische Speicher an fast jedem beliebigen Standort gebaut werden können. Bisher existieren solche Speichersysteme nur in Form von technischen Konzepten und Patenten. Erste Prototypentwicklungen finden zurzeit u.a. bei ABB Schweiz statt. Als Ziel werden Gesamtwirkungsgrade von 50 – 75 % angestrebt.


Anmerkungen:
[01] Internationale Energieagentur (IEA): Energy Technology Perspectives 2012. Paris, 2012
[02] M. Sterner, C. Pape: Towards 100 %: Integration of RE, simulation, scenarios and storage by linking power and gas grids. Vortrag EREF, Brussels, 9.2.2011

TEC21, Fr., 2012.09.14

14. September 2012 Andreas Ulbig

Eine kurze Geschichte der Energiespeicherung

Die Suche nach wirtschaftlichen Speichermöglichkeiten für elektrische Energie ist aufgrund der angestrebten Energiewende hochaktuell. Ein Blick auf die historischen Wurzeln zeigt, wie die Menschen schon vor Jahrhunderten einfache Energiespeicher zu nutzen verstanden. In der Folge fand man für bekannte Speicherarten immer wieder neue Anwendungsmöglichkeiten.

Ein Apfel am Baum, ein Buch auf dem Regal oder eine Blumenvase auf dem Tisch sind, physikalisch betrachtet, Massen, die das Potenzial besitzen, herunterzufallen; durch ihre Lage verkörpern sie potenzielle Energie. Ein senkrecht in die Höhe geworfener Ball besitzt am Umkehrpunkt ebenfalls potenzielle Energie. Im Fallen verwandelt sich diese in Bewegungsenergie (physikalisch: kinetische Energie). Beim Aufprall des Balls am Boden wird diese in Formänderungsenergie umgewandelt. Das elastische Material speichert kurzzeitig den grössten Teil der Energie und lässt den Ball wieder hochspringen. So verwandelt sich diese wiederum in kinetische und schliesslich in potenzielle Energie, und der Zyklus beginnt erneut. Der Ball springt jedes Mal weniger hoch, bis er schliesslich am Boden zur Ruhe kommt. Das rührt daher, dass der Luftwiderstand den Ball bremst und bei jedem Aufprall ein Teil der Energie in Wärme verwandelt wird, die verloren geht. Dieses Beispiel zeigt, dass bei Energieumwandlungen immer Verluste auftreten. Der Wirkungsgrad einer Umwandlung ist daher stets kleiner als 100 %. Neben den erwähnten mechanischen Energieformen gibt es auch elektrische, chemische und thermische Energie sowie Kernenergie.

Gewichtsspeicher

Eine seit langem gebräuchliche Form der Speicherung mechanischer Energie sind Gewichtsspeicher, für die es entsprechend viele Anwendungsbeispiele gibt, so etwa die Treibgewichte von Turm- oder Wanduhren. Je nach Länge des Tragseils vermögen die Gewichte ein Uhrwerk über Tage oder Wochen in Gang zu halten. Auch Pfahlrammen sind Mechanismen, die potenzielle Energie nutzen: Eine fallende Masse rammt Pfähle in den Untergrund. Bei handbetätigten Eisenbahnweichen fixieren Gewichte am Umstellhebel die Weichenstellung. Schliessgewichte an Drosselklappen (Abb. 1) verhindern bei Wasserkraftwerken Schäden, die bei Rohrbrüchen entstehen würden. Neben Gewichten aus fester Materie können auch Flüssigkeiten potenzielle Energie speichern. Die bedeutendste Anwendung sind Speicherkraftwerke (vgl. S. 20).

Federspeicher

Elastische Werkstoffe können Energie speichern. Ein frühgeschichtliches Beispiel sind Pfeilbogen. Die Sehnenspannung deformiert einen schlanken Holzstab elastisch, wodurch er Pfeile zu schleudern vermag. Eine breite Anwendung haben metallische Federn gefunden.1 Dank dieser Erfindung konnten Zeitmesser sukzessive auf Taschen- und Armbandformat verkleinert werden. Auch bei mechanischen Spielzeugen spielen Federmotoren eine wichtige Rolle. Federn werden ebenso im Fahrzeugbau (als Blatt-, Schrauben- oder Torsionsfedern) verwendet. Aufgrund ihrer kurzzeitigen Energiespeicherung werden Fahrbahnstösse nur in abgeschwächter Form auf das Fahrzeug übertragen. Eine weitere Anwendung finden Federn in elektrischen Schaltern (Abb. 2). Beim Öffnen des Schalters wird die Kraft anfänglich durch eine Feder aufgenommen. Dank ihrer Speicherwirkung schnappt das Trennmesser schlagartig aus dem Klemmkontakt heraus, wodurch der Trennlichtbogen rasch erlischt.

Schwungräder

Ebenfalls in der Frühzeit hatte man erkannt, dass mit einer Schwungscheibe ausgerüstete Handspindeln oder Töpferscheiben eine gleichmässigere Produktqualität ergeben.[1] Später hat man auch die Eimerwinden von Sodbrunnen mit einem Schwungrad ausgerüstet, um beim Wasserschöpfen – damals eine Frauenarbeit – den Kraftaufwand auszugleichen. Ferner sei an die Tretmechanik von Schleifsteinen oder Nähmaschinen erinnert, die ebenfalls ein Schwungrad aufwies. Zur Harmonisierung der Drehbewegung benötigen auch Dampfmaschinen, Kolbenkompressoren oder Verbrennungsmotoren ein Schwungrad. Ebenso das Drehpendel (die Unruh) einer mechanischen Uhr. All diesen Mechanismen gemeinsam ist die Verwendung von Schwungrädern zur (oft nur kurzzeitigen) Energiespeicherung.

1950 stellte die Maschinenfabrik Oerlikon den Gyrobus vor, einen mit einem Schwungradspeicher ausgerüsteten Elektrobus.[2] An Haltestellen wurde der Speicher elektrisch aufgeladen, wonach der Bus ohne Kontaktleitung eine Strecke von einigen Kilometern zurücklegen konnte. Das unter Flur in Chassismitte (Abb. 4) angeordnete Schwungrad aus Stahl wies einen Durchmesser von 1.6 m und eine Masse von 1700 kg auf. Obschon rund zwanzig Busse sowie einige Grubenlokomotiven nach diesem Prinzip gebaut worden sind, konnte sich diese Technologie nicht durchsetzen. Neuere hochfeste Verbundwerkstoffe, wie mit Kevlar- oder Kohlefasern armierte Kunstharze, versprechen leichtere und viel rascher drehende Schwungräder. Darauf beruhende Speicher sind seit letztem Jahr im weltweit ersten Schwungradspeicher-Kraftwerk in Stephentown (USA) im Einsatz (vgl. Artikel S. 24).

Druckluftspeicher

Gasförmige Stoffe sind kompressibel und besitzen bei Überdruck eine gewisse Elastizität. Deshalb sind komprimierte Luft oder andere Gase zur Speicherung von Energie geeignet. In der Vergangenheit benutzten die Leuchtgasfabriken voluminöse, stählerne Behälter, sogenannte Gasometer, als Druckspeicher. Bei Hochspannungsschaltern öffnet Druckluft oder Druckgas die Kontakte und löscht gleichzeitig den Lichtbogen. Mit komprimierter Luft funktionieren auch Luftspeicherkraftwerke, von denen bis heute erst zwei grössere realisiert worden sind (vgl. Artikel S. 24).[3] Zurzeit sind Neuanläufe für die Nutzung dieser Technologie in Planung.

Kondensatoren

In der Vorzeit hatten die Griechen entdeckt, dass mit einem Lappen geriebener Bernstein kleine Funken erzeugt. Die altgriechische Bezeichnung für Bernstein ist Elektron. Das verhalf einem bedeutenden Techniksektor zum Namen. Im 18. Jahrhundert, als die Beschäftigung mit Elektrizität noch weitgehend eine Spielerei war, experimentierten viele Forscher mit Reibungselektrizität. 1745 entdeckten der Deutsche Ewald Georg von Kleist und der Niederländer Pieter van Musschenbroek gleichzeitig, dass «Leidener Flaschen», das sind Glasgefässe, die innen und aussen mit einer Metallfolie belegt sind (Abb. 3), elektrische Ladungen speichern können. Dies waren die ersten Kondensatoren.[4] Experimentell hat man erkannt, dass sich die speicherbare Ladungsmenge (Kapazität) proportional zur belegten Metallfläche und umgekehrt proportional zur Dicke des Glases verhält. Zur Vergrösserung der Kapazität wurden mehrere Leidener Flaschen parallel geschaltet. Die Metallbeläge bezeichnet man als Elektroden, das isolierende Glas als Dielektrikum. Wenn ein elektrischer Strom einen Kondensator auflädt, wird eine Elektrode positiv, die andere negativ geladen.

Dazwischen bildet sich ein Spannungspotenzial, das sich erst entlädt, wenn die Elektroden kurzgeschlossen werden. Kondensatoren sind wichtige Bauteile in elektrischen Anlagen und elektronischen Geräten. Eine typische Anwendung findet man im fotografischen Blitzgerät. Die Batterie lädt einen Kondensator auf. Beim Zünden der Blitzlampe entlädt er sich innert Tausendstelsekunden und liefert dabei pro Zeiteinheit eine höhere Energie, als es die Batterie vermöchte. Eine analoge Anwendung findet sich bei Zündanlagen von Automotoren. In der Hochspannungstechnik dienen Kondensatoren unter anderem als Spannungswandler, als Blitzschutz sowie als Stabilisatoren bei Stromübertragungen auf grosse Distanz.

Kondensatoren sind die einzigen Speicher, die elektrische Energie direkt, das heisst ohne Umwandlung, speichern können. Zur Langzeitspeicherung grosser Energiemengen sind sie jedoch nicht geeignet.

Elektrochemische Speicher (Batterien)

Als der italienische Anatom Luigi Galvani um 1790 Frösche sezierte, stellte er fest, dass die Froschbeine beim Berühren mit dem Skalpell zuckten. Er glaubte, einer Art tierischer Elektrizität auf der Spur zu sein. Sein Landsmann Alessandro Volta führte die Zuckungen auf das elektrochemische Spannungspotenzial zwischen den unterschiedlichen Metallen der Unterlage und des Seziermessers zurück, das die Froschnerven aktivierte.[5] Mangels exakter Messgeräte prüfte Volta mit der Zunge die Intensität des Spannungspotenzials verschiedener Metallpaarungen. So bestimmte er die elektrochemische Spannungsreihe und entdeckte das Grundprinzip der elektrischen Batterie. Aus abwechslungsweise geschichteten Zink- und Silberscheiben und mit Kochsalzlösung angefeuchteten Pappscheiben dazwischen baute er im Jahre 1800 die Volta’sche Säule (Abb. 5). Das war das erste Funktionsmuster einer Batterie.[6] Später schufen andere Forscher weitere Batteriearten, mit Kupfer / Zink oder Platin / Zink als Elektroden und verdünnter Schwefelsäure als Elektrolyt. Vor der Erfindung der Dynamomaschine lieferten Batterien die Energie für die elektrische Telegrafie. Einen grossen Fortschritt brachte der durch den Franzosen Gaston Planté 1859 erfundene Bleiakkumulator, der wiederaufladbar war. Als Autobatterie ist er noch heute gebräuchlich.

Um 1900 entstand die erste Trockenbatterie mit Grafit-Zink-Elektroden und einer salmiakhaltigen Paste als Elektrolyt. Bis heute verwendet man solche Zellen in Taschenlampen und elektrischen Kleingeräten. 1975 begann das Brown-Boveri-Forschungslabor in Heidelberg mit der Entwicklung einer Hochenergiebatterie für Elektroautomobile.[7] Als Elektrodenmaterial dienten Natrium und Schwefel, getrennt durch eine poröse Keramikplatte. Damit die beiden Stoffe flüssig blieben, war eine Betriebstemperatur von 300 °C nötig. Die in kleinen Stückzahlen produzierte Batterie wog inklusive Abschirmung 265 kg. Ihre Kapazität betrug mit 180 Ah rund das Vierfache einer gleich schweren Bleibatterie. Zusammen mit BMW und VW wurden mehrere Elektroautos gebaut und der Öffentlichkeit vorgestellt. Der VW «CitySTROMer», ein auf Elektroantrieb umgebauter und mit einer BBC-Batterie bestückter VW Jetta, gewann 1987 den Grand Prix für Elektroautos auf dem Flugplatz Interlaken.[8] Es kam jedoch nie zur Serienproduktion. Für Elektroautos war die Zeit noch nicht reif. Die hohe Temperatur in der Hochenergiebatterie dürfte zudem viele Interessenten abgeschreckt haben (zu modernen Batteriekonzepten vgl. S. 24).


Anmerkungen:
[01] Gulia, Nurbej V.: Der «Energiekonserve» auf der Spur. Thun / Frankfurt a. M., 1989
[02] Lang, Norbert: Die Elektrogyro-Lokomotive des Gonzenbergwerks. Sargans, 1994
[03] Zaugg, Paul: Luftspeicher-Kraftwerke. Technik, Geschichte, Realisierungsstand. Schweizer Ingenieur und Architekt Nr. 29, 19. Juli 1990
[04] Imhof, Alfred: 235 Jahre elektrische Kondensatoren. Bulletin SEV/ VSE 23 /1980
[05] Fraunberger, Fritz: Elektrizität im Barock. / Vom Frosch zum Dynamo. Köln, o. J.
[06] Lang, Norbert: Alessandro Volta und die Suche nach speicherbarer Energie. Geschäftsbericht der Motor-Columbus AG Baden, 2002
[07] Ledjeff, Konstantin: Energie für Elektroautos. Karlsruhe, 1993
[08] Hug, Martin: Leiser Sieg mit BBC-Hochenergiebatterie. BBC-Hauszeitung 9/1987

TEC21, Fr., 2012.09.14

14. September 2012 Norbert Lang

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