Editorial

In Kindheitsträumen kommt der Gedanke an Unterhaltsarbeiten gar nicht vor: Wünschen sich doch so manche ein Schloss mit Märchengarten – ohne Bezug zur Pflegerealität. Die Klassiker des Traumgartens, zum Beispiel Rosen- und Sommerblumen, englische Staudenbeete und geschnittene Heckenskulpturen, Springbrunnen und Wasserbecken benötigen aber viel Zeit, Geld und Hingabe für ihr Bestehen.

In den vergangenen Jahren sind nicht nur die schmelzenden Unterhaltsbudgets der öffentlichen Hand und die knapper werdende Zeit des privaten Gartenbesitzers zum Thema geworden, sondern auch die Ansprüche an einen stärker ökologisch orientierten Unterhalt von Gärten und öffentlichen Anlagen. Dieses gestiegene Interesse an einer zielgerichteten und wohlgeplanten Pflege lässt sich nicht nur an der grossen Anzahl der Fachveröffentlichungen zum Thema ablesen, sondern vor allem an der geänderten Arbeitsweise von Landschaftsgärtnern und Stadtgärtnereien.

Die sozialen Funktionen von öffentlichen Parks werden immer wichtiger. Die aus städtebaulichen und raumplanerischen Gründen gewünschte Verdichtung der Städte führt zu neuen Ansprüchen an den urbanen Freiraum. Grössere und stärker genutzte Grünflächen erfordern eine kostengünstige Pflege.

Ihre als «Lebenszykluskosten» bezeichneten Gesamtkosten (Planung, Bau, lebenslanger Unterhalt) von Freiraumgestaltungen sollten zukünftig schon bei der Planung mit berücksichtigt werden; nach der Forschung steht hier nun die angewandte Landschaftsarchitektur stärker in der Pflicht. Auch auf der politischen Ebene muss noch gelernt werden. Während der private Gartenbesitzer die zukünftigen Pflegeansprüche seines Gartens häufig bei der Anlage schon bedenkt, wird diese Frage von den politischen Akteuren und vor allem bei der Formulierung von Wettbewerbsprogrammen noch meist vernachlässigt: gross ist die Versuchung, sich mit einer «Prachtanlage» zu schmücken, ohne die Folgekosten zu bedenken.

anthos macht die zahlreichen Einflüsse, Methoden und Techniken, welche bei der zielgerechten Pflege von Grünanlagen heute berücksichtigt werden müssen, zum Thema. Die Organisation des Grünflächenunterhalts in einer Grossstadt wie Nantes, in der nicht nur ökologische sondern auch soziale Indikatoren zur ständigen Erfolgskontrolle und Anpassung der Pflege genutzt werden, mögliche Reaktionen auf die extreme Belastung innerstädtischer Grünflächen sowie die spezifischen Mittel zur langfristigen Sicherung des Baumbestandes einer Stadt sind besonders für öffentliche Verwaltungen interessant. Auch Spezialthemen werden angesprochen: besondere Pflegeansprüche historischer Gärten, Probleme mit invasiven Neophyten oder Methoden, seltene Tierarten auch im dicht bebauten innerstädtischen Raum zu fördern. Der Beitrag zum Schweizer Nationalpark erinnert uns schliesslich: es war einmal eine Landschaft ohne Unterhalt …
Stéphanie Perrochet

Inhalt

Jacques Soignon
– Grünflächenmanagement in Nantes

Ursula Kellner
– Das öffentliche Grün, ein Pflegefall?

Florian Brack
– GreenCycle® – Lebenszykluskosten von Freiräumen

Martin Geissbühler
– Naturnahe Plätze und Anlagen für Kinder

Thomas Herrgen
– Stresstest für das Ufergrün

Stephan Bernhard
– Für einen vitalen Baumbestand

Nicolas Béguin
– Baumpfleger, Baumberater

Sonja Rindlisbacher, Stéphanie Perrochet
– Arten ohne Grenzen

Sylvie Barbalat, Blaise Mulhauser
– Biodiversität in der Stadt

Andreas Erni
– Umsorgte Dynamik

Steffen Osoegawa
– Unterhalt historischer Gärten

– Wettbewerb: 50 Jahre anthos!
– Schlaglichter
– In memoriam Sylvie Visinand
– VSSG-Mitteilungen
– Forschung und Lehre
– Wettbewerbe und Preise
– Agenda
– Literatur
– Schweizer Baumschulen
– Produkte und Dienstleistungen
– Die Autoren
– Impressum und Vorschau

Grünflächenmanagement in Nantes

Die französische Metropole Nantes wurde als «Grüne Hauptstadt Europas 2013» ausgezeichnet und kann mit ihren seit Langem eingeleiteten Massnahmen zur Bewahrung der Biodiversität, zur ­Entwicklung des Nahverkehrssystems sowie für den Kampf gegen die globale Klimaerwärmung werben.

Nantes zählt zu den Vorzeigegrossstädten Frankreichs, die sich aktiv für den Ausbau ihrer öffentlichen Grünflächen einsetzen. So ist deren Anteil in den letzten 30 Jahren von 400 Hektaren im Jahre 1977 auf 1050 Hektaren im Jahre 2011 angestiegen. Auf jeden Bewohner kommen so 37 Quadratmeter Grünfläche. Die Anzahl des für die Pflege der Grünflächen zuständigen Personals der Stadt hat in diesem Zeitraum ebenfalls konstant zugenommen, von 311 auf 450 Mitarbeiter. Es war unerlässlich, im Laufe der Zeit auch die Verwaltung an die wachsenden Umweltprobleme und die Entwicklung der gesellschaftlichen Nachfrage anzupassen.

Ökologisches Grünflächenmanagement

Der Ballungsraum Nantes hat das Glück, von etwa zehn Flüssen und Bächen durchzogen zu sein. In den 1980er-Jahren hat die Stadt dies genutzt, um grüne Korridore zu schaffen und städtische Naturräume zu erschliessen. Unter dem Namen «differenzierter (oder optimierter) Grünflächenunterhalt» wurden neue Kriterien für den Unterhalt definiert und seitdem fortlaufend weiterentwickelt. Auch sind sie Gegenstand des Wissensmanagements innerhalb der «Association française des directeurs de jardins» (französische Vereinigung der Gartenamtsleiter). Die bei der Stadt beschäftigten Landschaftsgärtner müssen sich weiterbilden, um das Fachwissen für den Unterhalt der unterschiedlichen Flächenarten zu erwerben. Sie werden so zu echten «Gärtnern der Biodiversität». Vierteljährlich tagen die Referenten für Biodiversität jedes Teams und erarbeiten gemeinsam mit nicht-staatlichen Organisationen wie den Vogelschutzvereinen LPO und «Bretagne vivante» oder dem Naturschutzbund «Groupe Mammalogique Breton» neue Projekte.

Vor einem Jahr wurde zudem der «Conseil nantais de la biodiversité» gegründet, eine Vereinigung der wichtigsten Akteure aus Wissenschaft, nichtstaatlichen Organisationen und Politik, die sich mit Projekten zur Schaffung nachhaltiger Strukturen für Nantes beschäftigen. Verschiedene französische Städte wollen nun mit dem kürzlich entwickelten Gütesiegel Ecojardin, für welches sich alle Städte in Frankreich bewerben können, ein Instrument schaffen, das die von den Städten ergriffenen Umweltmassnahmen kontrolliert und fördert.

Die für die Verleihung des Gütesiegels zu erfüllenden Kriterien liegen über dem vom französischen Staat im Plan ECOPHYTO festgelegten gesetzlichen Rahmen. Dieser sieht vor, dass der Pestizidverbrauch in der französischen Landwirtschaft bis 2017 um die Hälfte reduziert werden soll. Das Gütesiegel Ecojardin soll Städte dagegen dazu bewegen, gänzlich auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu verzichten (dies ist in den meisten unserer öffentlichen Anlagen bereits der Fall). Auch sollen dadurch Anreize für eine strengere Kontrolle von Bodeneinträgen sowie für die Verwertung von Abfällen geschaffen werden.

Mit einem Besuch beim Square Mabon, einem aus einer ehemaligen Industriebrache neu geschaffenen öffentlichen Garten auf der Ile de Nantes, lässt sich der Begriff der Pflanzensoziologie gut veranschaulichen. Wo vor vierzig Jahren noch der Bau eines Schnell­strassenzubringers geplant war, wurde ein zwölf Hektare grosses Natura-2000-Gelände, das «Petite ­Amazonie», realisiert – nur einen Kilometer vom Botanischen Garten entfernt. Eine weitere Veränderung ist die Haltung von Rindern und Pferden, die auf dem Gelände weiden. Damit will man den Erhalt und die Wiederansiedelung einer spezifischen Graslandflora erreichen. So sollen Brombeeren Rubus sectio Rubus, Ampfer Rumex und Straussgräser Agrostis in Zukunft dem Kammgras Cynosurus cristatus, dem Ruchgras Anthoxanthum odoratum und dem Glatthafer Arrhenatherum elatius weichen.

Das Wirksamkeitsmanagement

Die Ergebnisse im Aufgabenbereich Grünflächenmanagement werden mittlerweile nach den Methoden des Controllings analysiert. Anhand von vorab definierten Indikatoren soll eine Wirksamkeit kontrolliert werden, die weit über die Kriterien für eine wirtschaftliche Rentabilität hinausgeht. Die Anforderungen steigen ständig – vor 35 Jahren bewirtschaftete ein Gärtner durchschnittlich eine Hektare Fläche, mittlerweile ist es dreimal so viel …

Um diesen Arbeitsaufwand bewältigen zu können, haben wir zunächst die Arbeitszeiten erfasst und unsere Aufgaben besser organisiert. Die Performance misst sich allerdings in erster Linie am erreichten Grad der Zufriedenheit. Ein qualitätsorientiertes Management ermöglicht es uns seit fünf Jahren, die Entwicklung unserer Ziele nachzuverfolgen.

Der Stadtrat hat in einem Aktionsplan grundlegende Massnahmen festgelegt, deren Umsetzung in den einzelnen Teams kontrolliert wird. Dabei geht es insbesondere um die Bepflanzung, die allgemeine Sauberkeit, den Zustand der Aussenanlagen, den barrierefreien Zugang und die Benutzerfreundlichkeit der Freiflächenmöblierung. Alle Mitarbeiter werden in die Kontrolle der Einhaltung der Massnahmen einbezogen. Auch wird ihre Wahrnehmung über das Tagesgeschäft hinaus geschärft mit dem Ziel, dass alle ihren Teil an zukünftigen Verbesserungen beitragen sollen.

Mitbestimmung

Bei der Bewirtschaftung öffentlicher Grünanlagen muss es vor allem darum gehen, möglichst viele Nutzungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen und dadurch den Angehörigen aller sozialen Schichten einen Begegnungsort in einem geschützten Raum zu geben. So sind in Nantes die Gemüsegärten entstanden, eine Strategie, die im Jahre 2003 mit der Verleihung des «prix Eurocités» honoriert wurde. Die im Vorhinein zu leistende Abstimmungsarbeit ist intensiv und das über mehrere Jahre laufende Projekt dann sozusagen massgeschneidert. Beispielsweise finden die verschiedenen Aktivitäten im Parc de la Crapaudine oder im Parc Croissant sowohl auf gemeinsamen als auch auf individuellen Parzellen statt: Spiel- oder Sportplätze, Hundebereiche, Lehrparzellen, gemeinsame Kompostsammelstellen, Obstwiesen et cetera. Der öffentliche Raum wird mithin gemeinsam von Amateur- und Stadtgärtnern gepflegt, eine für beide Seiten bereichernde Beziehung. In allen Gärten und kleinen Grünanlagen (von denen es in Nantes etwa Hundert gibt) finden – bei steigenden Besucherzahlen – Veranstaltungen und Events wie Pflanzenbörsen und Jazzkonzerte statt. Die Pflanzenausstellung «Folie des Plantes» zu den Themen Kochen und Garten, die vom 8. bis 9. September 2012 im Parc Grand Blottereau veranstaltet wird, wird ein wichtiger Anziehungspunkt für über 40 000 Pflanzenliebhaber aus dem Nordwesten Frankreichs sein. Dort werden die besten Köche und Pflanzenzüchter für eine gesellige Atmosphäre sorgen. Im Jahre 2014 findet in einem grösseren Massstab die internationale Gartenausstellung «Les Floralies Internationales de La Beaujoire» statt, zu der mehrere hunderttausend Besucher erwartet werden.

Die Anzahl der Besucher von Parks und öffentlichen Gärten ist ein entscheidendes Qualitätsmerkmal für die geleistete Arbeit der Stadt. So ist beispielsweise die Attraktivität unseres Botanischen Gartens durch die vermehrt dort angebotenen Veranstaltungen enorm gewachsen. Mit etwa 1,5 Millionen Menschen im Jahre 2011 ist die Zahl der Besucher im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent angestiegen. Die Aufrechterhaltung eines Teams aus zurzeit vierzig Mitarbeitern für die Bewirtschaftung und Bewachung der öffentlichen Parks, die das ganze Jahr im Einsatz sind, ist ausserdem ein Garant für ein gut funktionierendes Grünflächenmanagement. Dank dieses Mitarbeiterstabs kann die Sicherheit in unseren öffentlichen Grünanlagen gewährleistet werden. Dies erklärt weitgehend die hohen Besucherzahlen. Diese Organisation kann ein sehr wichtiges Element sein, durch welches sich die Nutzung der Anlagen von Stadt zu Stadt unterscheidet.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Bewirtschaftung von öffentlichen Grünanlagen heutzutage den Einsatz einer Vielzahl von Fachleuten erfordert. Unser Organigramm wurde daher entsprechend erweitert, und weitere Berufe wurden integriert: Landschaftsgärtner, Soziologen, Ökologen, Animateure, Controller, Qualitätsfachleute, Eventmanager, Personalsachbearbeiter. Mit diesem gesammelten Fachwissen ist es uns möglich, besser auf die Anforderungen der Öffentlichkeit zu reagieren und Werkzeuge zu schaffen, um den sozialen Zusammenhalt und die Umweltqualität zu verbessern. Die Kontrollindikatoren sind sicherlich mittlerweile zahlreicher geworden. Sie dürfen aber nicht als Zwang empfunden werden und müssen genug Freiraum lassen für Eigeninitiative, eine unerlässliche Bedingung für eine Weiterentwicklung all dieser Berufe, die für diejenigen, die sie ausüben, gleichzeitig Passion ist …

anthos, Do., 2012.02.23

23. Februar 2012 Jacques Soignon

Arten ohne Grenzen

Immer mehr Pflanzenarten breiten sich weit über ihre Ursprungsgebiete aus. Konkurrenzstarke Neophyten können dabei grosse Probleme in ihrer neuen Heimat schaffen. Gezielte Bekämpfungsmassnahmen sind heute unabdingbar.

Seit vielen tausend Jahren kultiviert der Mensch Pflanzen. Viele Obst- und Getreidearten wurden aus dem mediterranen Raum und Westasien zu uns gebracht, sie gelten als Archäophyten. Pflanzen, die nach der Ankunft von Kolumbus in Amerika (1492) bei uns eingeführt wurden, werden als Neophyten bezeichnet. In der Schweiz sind dies über 350 Arten.

Ab wann ein Neophyt als problematisch angesehen werden muss, ist eine nicht einfach zu beantwortende Frage, zumal deren Einfluss auf die Umwelt dynamischen Prozessen unterliegt. Neophyten haben in den hiesigen Ökosystemen keine natürlichen Feinde, und sie können beispielsweise durch die Klimaveränderung begünstigt werden. Je früher das invasive Verhalten entdeckt wird, desto eher besteht die Chance, dass mit Bekämpfungsmassnahmen die Bestände noch kontrolliert werden können.

Mittels eines Kriterien-Schlüssels für das Schadenspotenzial in den Bereichen Biodiversität (Verdrängung seltener Arten, Hybridisierung), Gesundheit und /oder Ökonomie werden die Neophyten beurteilt. Problematische Arten wurden in der «Schwarzen Liste» sowie der «Watch-List» zusammengestellt. Die Listen und Kriterienschlüssel durchlaufen im Moment eine umfassende Revision, sie werden im Frühjahr 2012 neu auf www.infoflora.ch zu finden sein. Neu wird es auch eine Warnliste[1] geben, die Pflanzen beinhaltet, welche im Ausland bereits Probleme verursachen, jedoch in der Schweiz noch kaum verbreitet sind.

Zur Prävention gilt es, auf die Verwendung von Pflanzen aus diesen Listen zu verzichten. Die Bekämpfung von Beständen der Probleme verursachenden Arten gestaltet sich wesentlich schwieriger. Die Kosten können extrem hoch sein, und es stellt sich die Frage der Verhältnismässigkeit. Daher sieht auch der Gesetzgeber keine genau definierten Massnahmen vor. Prioritäten und geeignete Eingriffe müssen jeweils situationsbezogen entschieden werden. Verschiedene Institutionen bieten Kurse für Praktiker an, die Kenntnisse zur Bekämpfung invasiver Neophyten vermitteln.

Eine wichtige Gesetzesgrundlage ist die Freisetzungsverordnung (FrSV 2008, SR 814.911), welche elf Pflanzenarten aufführt, mit denen der direkte Umgang verboten ist. Sie dürfen weder verkauft, transportiert noch gepflanzt werden. Sofern diese Pflanzen spontan wachsen, besteht keine unmittelbare Bekämpfungspflicht.

Es ist die Aufgabe der Kantone, erforderliche und sinnvolle Massnahmen zur Bekämpfung dieser Arten anzuordnen. Einzig für Ambrosia artemisiifolia besteht eine schweizweite Melde- und Bekämpfungspflicht nach der Pflanzenschutzverordnung. Für die Umsetzung der Massnahmen sind oft die Gemeinden zuständig. Wer in welchem Fall die Kosten für die Bekämpfung übernimmt, ist nicht einheitlich geregelt.

Aufgaben der Kantone

Die Kantone stehen vor einer grossen Herausforderung. Im Kanton Zug zum Beispiel verschafften sich die verschiedenen Ämter und Fachstellen gemeinsam einen Überblick über die Problemlage und die konkreten Gefahren im Kantonsgebiet. Der Umsetzungsplan[2] führt nun zehn Pflanzenarten auf, die prioritär behandelt werden sollen. Je nach Gebiet (zum Beispiel Landwirtschaft, Naturschutz, Gewässer, Wald, Infrastruktur-Verkehr, Deponien) wurden Handlungsvarianten wie «bekämpfen», «stabilisieren» oder «keine Massnahmen» festgelegt. So müssen beispielsweise in Naturschutzgebieten alle zehn Arten bekämpft werden, während sich im Siedlungsgebiet vorerst die Bekämpfungsprioritäten auf wenige Arten beschränken.

Neophytenkonzept Werdhölzli

Im Gebiet Werdhölzli an der Limmat (Zürich) sind grosse Bestände des Japanischen Staudenknöterich vorhanden, aber auch Armenische Brombeere und Kirschlorbeer. Anlass für die Erarbeitung einer Bekämpfungs­strategie waren geplante Baumassnahmen (Auensteg, Anlage von Tümpeln)[3]. Das Büro planikum GmbH, Landschaftsarchitektur und Umweltplanung, erstellte 2009 das differenzierte Neophytenkonzept Werdhölzli[4]. Die Bekämpfungsvorschläge erfolgen auf der Grundlage der Neophytenstrategie des Kantons Zürich (Massnahmenplan 2009–2013)[5]. Der erste Schritt zur Erarbeitung des örtlichen Bekämpfungskonzepts war eine genaue Kartierung der Fundorte der oben genannten Pflanzen im Werdhölzli (dreimalige Begehung von Februar bis Mai 2009). Anschliessend erfolgte eine detaillierte Abwägung des Gefährdungspotenzials der verschiedenen Arten in Bezug auf die ästhetische und ökologische Qualität der Landschaft und die formulierten Nutzungsziele. Ein besonderes Augenmerk wurde dabei auf die von den geplanten Baumassnahmen betroffenen Flächen gerichtet. Die befallenen Flächen sind zum Teil Eigentum der öffentlichen Hand, zum Teil in Privatbesitz (hier zurzeit keine Massnahmen), die gesamte Fläche gilt rechtlich als Wald, weswegen eine chemische Bekämpfung ausgeschlossen ist. Das Konzept definiert präzise Ziele und Massnahmen, die von einer Verhinderung der Ausbreitung (vegetative Ausdehnung, Verschleppung durch Pflanzenteile oder Verbreitung durch Sämlinge) bis zu einer vollständigen Beseitigung der Neophyten in Teilbereichen abgestuft sind. Die Bilanz der Bekämpfungsmassnahmen steht noch aus (Sektion Bau beim Amt für Wasser und Abfall, Stefano Pellandini).

Stadt Neuenburg

In der Stadt Neuenburg geht die Bekämpfung der invasiven Neophyten auf eine Initiative der Stadtgärtnerei zurück. Im Jahr 2003 wurde bei den routinemässigen Unterhaltsarbeiten das Bestehen zahlreicher Bestände des Japanischen Staudenknöterichs in den Steinschüttungen am Seeufer festgestellt. Die in der Folge gegründete Arbeitsgruppe GRINE[6] testete an einer Versuchsfläche verschiedene Bekämpfungsmassnahmen[7]. Gleichzeitig wurde das Thema «ökologisch oder gesundheitlich gefährliche Neophyten» von der Stadt umfassend zum Thema gemacht. In den folgenden Jahren wurden eine Bestandskartierung durchgeführt, die Mitarbeiter weitergebildet, die im Bereich Landschaft arbeitenden Unternehmen informiert und Beiträge zur Weiterbildung auf Kantonsebene geleistet. Auch für das breite Publikum wurden die vorhandenen Informationen aufbereitet und zugänglich gemacht (Anschreiben und Beratung). Heute wird von der Stadtverwaltung Neuenburg in jeder Baubewilligung darauf hingewiesen, dass Arten der «Schwarzen Liste» nicht gepflanzt werden dürfen. Je nach Gefährlichkeitsgrad und Ausbreitungsmechanismen der Pflanzen wurden entsprechende Behandlungsprotokolle festgelegt.

Ausblick

Die Bekämpfung von invasiven, gebietsfremden Pflanzen bereitet Kopfzerbrechen. In Zukunft werden Planung und Unterhalt von pflegearmen, ästhetisch attraktiven und ökologisch wertvollen Grünflächen einer Gratwanderung gleichen. Durch die Problempflanzen können beispielsweise vermeintlich pflegearme Ruderalstandorte zu dauerhaft pflegebedürftigen Flächen werden. Auch die «Sofortbegrünung mit Einheitsmischung» ist keine Lösung – gerade diese Arten könnten leicht zu neuen Problempflanzen werden. Wir sind aufgefordert, bei der Pflanzenverwendung wachsam zu sein, manch Altbewährtes muss über Bord geworfen werden. Als Anregung kann die Ersatzpflanzenliste von Andreas Gigon (2007) dienen. Mit dem Motto Vielfalt zu fördern, werden Landschaftsarchitekten auch in Zukunft gut fahren.


Weitere Informationen:
Praxishilfe_Neophyten_Web_v1_100319.pdf
Praxishilfe Kanton Luzern (fast identisch mit der des Kt. ZH): www.umwelt-luzern.ch/praxishilfe_neophyten.pdf
www.neobiota.ch
www.kvu.ch/d_kvu_arbeitsgruppen.cfm?gruppe=AGI&pid=138
[01] Telefon Sybilla Rometsch SKEW 13.12.2011.
[02] Weisung Kanton Zug, 2011.
[03] Schälchli et al.: Limmat Auenpark Werdhölzli – Aufwertung und Hochwasserschutz. 2005.
[04] Das Neophytenkonzept Werdhölzli (2009) wurde im Auftrag des Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL) der
Baudirektion des Kantons Zürich erarbeitet.
[05] Die Neophytenstrategie des Kantons Zürich kann in ihrer überarbeiteten Form von März 2011 als pdf von der Seite
www.awel.zh.ch heruntergeladen werden.
[06] Groupe de travail pour les espèces invasives (Neuchâtel) GRINE.
[07] www.ne.ch/neophytes.

anthos, Do., 2012.02.23

23. Februar 2012 Sonja Rindlisbacher, Stéphanie Perrochet

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