Editorial

Siedlungsrand: Naht- oder Schnittstelle ?
Früher wurden die Aussätzigen vor die Ränder der Städte getrieben. Der Stadtrand wurde verteidigt, er sicherte das Innen gegen das Aussen ab, er definierte den rechtlichen Status der Gemeinde und ihrer Bevölkerung. Die Umgrenzung der Siedlung durch eine Mauer – und damit die eindeutige Kennzeichnung des Randes – war einer von vier definitorischen Faktoren einer Stadt. Die Randlage galt als wenig attraktiv, wer etwas auf sich hielt wollte ins Zentrum.

Die Mauern sind längst geschliffen, am Siedlungsrand durchdringen sich Stadt und Land. Die Randlage ist rehabilitiert, ihre Attraktivität steigt – und damit auch die Anforderungen. So faszinierend das fraktale Durcheinander manchen Siedlungsrandes ist, so deutlich zeigt es fehlende Leitbilder und klare Vorgaben für seine Ausgestaltung auf. Dabei ist für den, der von aussen kommt, der Rand das erste, was er von einer Siedlung kennenlernt. Alleine das sollte Grund genug sein, dem Rand besonders viel Aufmerksamkeit zu widmen. Er ist die visuelle Visitenkarte einer Gemeinde. Und wenn es innen immer enger wird, wie in den meisten Regionen, gewinnt der Rand weiter an Bedeutung: dann drängt das Innen weiter ins Aussen und der Rand wächst. Läuft man an den Rändern von Siedlungen entlang, lassen sich städtebauliche Entwicklungsphasen wie Jahresringe ablesen. Hier eine natürliche und historische Grenze, da ein Einfamilienhausgarten aus den 1970ern, dort ein moderner Gewerbebau. Der Rand ist aber nicht nur typologisch hoch interessant. Auf einen anderen Aspekt der Bedeutung von Rändern und Grenzen wies Kevin Lynch bereits in den 1960ern hin: Sie sind essentiell für die menschliche Orientierung, für die Wahrnehmung und Erlebbarkeit der Räume durch den Menschen.

Ist es heute aber immer so klar, wo der Rand ist? Wo ist Innen und wo Aussen? Ist es sinnvoll, klare Grenzen zu definieren und damit eines der charakteristischen Merkmale von Siedlungen – ihre Dynamik – einzuschränken? Oder ist gerade dies offenkundig notwendig – und wie könnte die planerische Umsetzung verankert werden?

Die Frage danach, ob der Siedlungsrand Naht- oder Schnittstelle ist (oder sein kann), berührt sensible Aspekte. Wie auch immer die Antwort lautet: Sie muss in einem breiten Abwägungsverfahren gewonnen werden, der Siedlungsrand ist längst bedeutender Teil der Siedlungskultur. Die differenzierte Auseinandersetzung ist überfällig.
Übrigens: Wir haben eine neue Website (www.anthos.ch) mit einer aktuellen und internationalen Agenda. Und zum runden «50-Jahre-anthos»-Geburtstag 2012 gibt es einen Zeichenwettbewerb!
Sabine Wolf

Inhalt

Sandra Parvu
– Bei La Courneuve. Mögliche Wege

Gudrun Hoppe
– Der Metropolitanraum Zürich als Parklandschaft

Matthias Wehrlin
– Zukunftsweisende Ortsgestaltung

Jean-Daniel Jeanneret
– Die Metropole erobert Wiesen und Weiden

Christian Tack
– Naturraumleitbild Sure

André Schmid
– Öffentliche Anlagen am Rand

Thomas Herrgen
– Stadt – Rand – Grün

Kaspar Hartmann
– Rand und Landschaft

Joachim Kleiner
– Attraktiv, erreichbar, zugänglich

Thomas Gasser
– Siedlungsränder unter der Lupe

Theodor Henzler
– Siedlungsrand und Gartengürtel

Ueli Müller
– Landschaft als Kontinuum

Susanne Prehl
– Das Vokabular neu erfinden: Überlegungen zur Grundstücksgrenze

Das Vokabular neu erfinden: Überlegungen zur Grundstücksgrenze

(SUBTITLE) Ein Interview mit fünf Landschaftsarchitekten über die Bedeutung und den zeitgemässen Umgang mit der Grundstücksgrenze.

Hecken, Mauern und Zäune, oft blickdicht, abweisend und gestalterisch uninspiriert ausgeführt, sind ein nicht nur in Suburbia auftretendes Phänomen. Vielmehr kann die Tendenz Grundstücksgrenzen klar als solche sichtbar zu machen, immer häufiger beobachtet werden. Abgegrenzt wird sich von den Anderen, von der Gemeinschaft, von der umgebenden Landschaft.
Ist das Ideal von der Grenze als Mittler überhaupt eine zeitgemässe Vision?

anthos hat nachgefragt und fünf ganz unterschiedliche Vertreter der Branche um eine Stellungnahme gebeten. Der Landschaftsarchitekt Lorenz Dexler (LD) ist seit 1999 Geschäftsführer des etablierten Landschaftsarchitekturbüros TOPOTEK 1 aus Berlin. Ebenfalls Landschaftsarchitekt ist der auf Privatgartengestaltung spezialisierte Schweizer Enzo Enea (EE). Benjamin Foerster Baldenius (BFB) ist Architekt und Partner bei raumlabor Berlin und damit Routinier in partizipativen Planungsprozessen. Prof. Jörg Stollmann (JS) ist Professor für «Städtebau & Architektur» an der TU Berlin. Als Vertreter einer jungen Generation von Landschaftsarchitekten stand uns Johanna Irander (JI), Inhaberin von Studio Irander in Stockholm, Rede und Antwort.


anthos: Wie sieht die zeitgemässe Grundstücksgrenze aus? Gibt es die gestalterische Alternative zur Thujahecke oder ist der Sichtschutz im klassischen Sinn unverzichtbar?
LD: Das Thema der Auflösung der Grenze des Gartens ist ja keine neue Entwicklung – es entstand bereits in der Romantik, der Epoche des Englischen Landschaftsgartens. Die amerikanischen Vorstädte des letzten Jahrhunderts, geschaffen als Siedlungen in einer kontinuierlichen Parklandschaft ganz ohne Begrenzungen, sind ein Ergebnis dieser Entwicklung, in deren Tradition wir bis heute stehen.
JI: Grenzen sind auch heute wichtige Gestaltungselemente, insbesondere dann, wenn es um die Unterscheidung von öffentlichem und privatem Raum geht. Jedoch wird gegenwärtig der Raum zwischen Strassen und Privateigentum oft zu einem Grenzraum aufgelöst, der weder Nutzungs- noch Gestaltungsansprüchen gerecht wird.
BFB: Meiner Meinung nach ist die zeitgemässe Abgrenzung des klassisch Privaten nach wie vor die Buchsbaumhecke. Dabei gehöre ich durchaus zu einer Gruppe Visionäre. Wir würden uns freuen, wenn es einen offeneren Umgang mit der Grenze zwischen Privatem und Öffentlichem gäbe. Ein grundlegendes Problem ist dabei aber der Versicherungsschutz und das damit einhergehende Schüren von Angst durch die grossen Versicherer, nicht nur vor Vandalismus, sondern eben auch davor, Verantwortung für die Person zu übernehmen, die sich eventuell auf dem Grundstück befinden könnte.
JS: Jede – auch nur temporäre – Öffnung einer Grenze und das damit verbundene Sicherheitsrisiko (sei es virtuell oder real), muss von der Gemeinschaft getragen werden. Zukunftsweisende Gestaltung, Neudefinition und Multifunktionalität der Abgrenzungen sind unmittelbar an die Unterhalts- und Sicherheitsanforderungen der Betreiber gebunden.

anthos: Welchen Herausforderungen muss sich die Landschaftsarchitektur Ihrer Meinung nach künftig stellen, wenn es um die Ausgestaltung vom Privaten zum Öffentlichen geht?
EE: Jede Gestaltung bleibt eine Herausforderung. Übergänge waren schon immer wichtig, werden uns jetzt aber durch die zunehmende Knappheit der Flächen wieder bewusster gemacht.
JI: Dieser Wandel betrifft unmittelbar den Landschaftsarchitekten, der künftig noch enger mit Architekten zusammenarbeiten wird um den Übergang vom Gebäude zum öffentlichen Raum zu optimieren. Generell gehe ich davon aus, dass sich die Rolle des Landschaftsarchitekten im Planungsprozess erweitern wird. Landschaftsarchitekten werden immer öfter bei der Erstellung von Masterplänen die Rolle des Städtebauers übernehmen.
BFH: Wir arbeiten hart daran Grenzen aufzulösen, aber meiner Meinung nach geht die Tendenz auf jeden Fall in Richtung Paranoia und damit in Richtung Gated Community.
JS: Wenn man von einem Trend sprechen kann, dann ist es bestimmt der, dass der landschaftsarchitektonische Entwurf zunehmend eine städtebauliche und planerisch-strategische Rolle spielen wird, gerade in Bezug auf die Peripherie – seien es Siedlungen, Grosssiedlungen oder Gewerbeparks. Die programmatische und gestalterische Bearbeitung dieser Landschaften erfordert ein neues Vokabular. Was ist das «Städtische» an diesen Siedlungen (und damit muss etwas grundsätzlich anderes gemeint sein als das innerstädtische Urbane)? Wie viel Beteiligung und Zusammenarbeit mit den Nutzern erlaubt der Entwurfsprozess? Kann der Entwurf die Nutzer provozieren und neue Verhältnisse von öffentlich und privat herausfordern?

anthos: Welches zeitgenössische Projekt setzt sich Ihrer Meinung nach richtungweisend mit der Problematik der «Abgrenzung» vom Privaten ins Öffentliche /  Halböffentliche auseinander?
LD: Obwohl es mit dem Siedlungsbau der 60er Jahre in Dänemark oder auch dem Bau des Hansaviertels in Berlin einige Beispiele auch aus der Nachkriegsentwicklung der Freiraumplanung gibt, die ganz bewusst die Grundstücksgrenzen auflösen, scheint mir die spannendere Diskussion der Verbindung von Räumen bzw. der Schaffung von Raumkontinuitäten zur Zeit eher innerhalb der Architektur stattzufinden. Als signifikant für diese Entwicklung könnte das Rolex Learning Center in Lausanne von SANAA genannt werden, welches ganz verblüffende Raumkontinuitäten nach aussen, vor allem aber auch innerhalb des Gebäudes schafft.
JI: Auch das «Haus N» vom japanischen Architekten Sou Fujimoto ist ein Beispiel für eine Entwicklung, bei der Grenzen zwischen Aussen- und Innenraum scheinbar aufgelöst werden. Dabei zeigt das Projekt einen Gestaltungsansatz, bei dem das Gebäude als ein Teil des öffentlichen Raumes verstanden wird, der Freiraum also Teil des Gebäudeensembles wird.
JS: In der Kooperation mit der Wohnungsbaugesellschaft degewo, dem Bezirk Neukölln und dem Senat führen wir an der TU Berlin ein Forschungs- und Entwurfsprojekt durch, welches auf die Neudefinition der Grenzen und Freiflächen in der Gropiusstadt abzielt: Campus Efeuweg – Modell(e) einer neuen Gropiusstadt. Um Vandalismus vorzubeugen sind hier zentrale Bildungs-, Jugend- und Sporteinrichtungen so durch Zäune voneinander getrennt, dass gemeinsame Kooperationen und pädagogische Konzepte verunmöglicht werden. Es geht nicht darum, ob Sichtschutz notwendig ist oder nicht, sondern darum, überschaubare und eine Aneignung ermöglichende Zonen zu definieren – privat, gemeinschaftlich und öffentlich – ohne durch Privatisierung und Vereinnahmung die räumliche Qualität und den Charakter der Siedlung völlig zu zerstören. Dieses Projekt wird in enger Zusammenarbeit mit den Nutzern, Betreibern und Anwohnern durchgeführt. Im Entwurf versuchen wir Mut zu geben, sich für neue Betriebs-, Unterhalts- und Gestaltungsformen einzusetzen. Grundsätzlich schlagen wir ein Betriebsschema vor, das die Zuschaltung der Grundstücke untereinander zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten zulässt. Teil der Strategien sind kleine Gebäude und Nutzräume, welche die Zäune ersetzen und von beiden Seiten zu bespielen sind und somit auch als Durchgangsräume funktionieren können. Die Spanne der Projekte reicht von langfristigen Szenarien bis hin zu kleinen Interventionen, welche schon im nächsten Jahr mit den Nutzern umgesetzt werden können.
BFB: Während eines dreitägigen Workshops haben wir uns eine eingezäunte, private Baubrache im Madrider Stadtteil Lavapies angeeignet, diese in einen öffentlichen japanischen Garten mit Bühne und Teehaus transformiert und damit neue Aneignungs- und Nutzungsmöglichkeiten im öffentlichen Raum eröffnet.
EE: Enea landscape architecture hat sich in einem Gartenprojekt am Bodensee explizit mit dem Thema der Grenze auseinander gesetzt. Gestalterisch fliessen hier Aussenraum und Innenraum ineinander. Weich wogende Pflanzungen mimen die Bewegung des Wassers. Hoch aufstrebende Eschen wurden aufgeastet, um den visuellen Bezug zur Landschaft zuzulassen. Niedrige Hecken fassen das Grundstück, erhalten aber den Sichtbezug zur Umgebung.

anthos, Di., 2011.09.27

27. September 2011 Susanne Prehl

Öffentliche Anlagen am Rand

(SUBTITLE) Innere und äussere Ränder sind oftmals die öffentlichen Anlagen der Zukunft. Es gilt, diese bereits frühzeitig in eine städtische Entwicklung mit einzubeziehen.

Wenn von Siedlungsrändern die Rede ist, ist auch der Gedanke an die bestehenden, viel zu grossen Bauzonen in den Agglomerationen nicht weit. Laut Bundesamt für Raumentwicklung ARE ergeben sich die Herausforderungen der Raumplanung in erster Linie aus dem Trend weiterer Siedlungsausdehnung hin zu gesichtslosen, schlecht strukturierten Siedlungen. Eine Feststellung, die mittlerweile zum Allgemeinplatz geworden ist. Was nun?

Drang zum Rand

Als Biologe habe ich gelernt, dass Randlagen oft ökologisch interessant und artenreich sind: beispielsweise Säume entlang von Waldrändern, Mangrovengebiete entlang tropischer Küsten oder Wege begleitende Ruderalvegetation. Aus dieser Optik heraus müssten eigentlich die Siedlungsränder aufgefaltet und vervielfältigt werden, ähnlich der Bronchien in unserer Lunge oder der grafischen Darstellung der «Küstenlinie» der Mandelbrot-Menge, um die Vorstädte interessant zu machen. Aber natürlich besteht der Wald nicht nur als Waldrandsaum allein. So beruhen landschaftliche und städtische Qualitäten auch auf Konstanz und Wiedererkennungswert.

Doch es ist eindeutig, dass mit der Steigerung der Mobilität und mit der Errungenschaft des Liberalismus die Randlagen erst richtig attraktiv geworden sind. Jeder will am Rand wohnen und wenn dieser bereits wieder verbaut wurde, geht’s ein Stückchen weiter hinaus. Um diesen Drang nach Randlage zu befriedigen, müssten also weitere Ränder möglichst Vielen zur Verfügung gestellt werden.

Konzepte für mehr Rand

Siedlungsränder gibt’s ja nicht nur im abgelegenen Tösstal oder äussersten Thurgau. Auch die Swiss Re und das Baur au Lac profitiert von einer Randlage und zwar mitten in der Innenstadt am Ufer des Zürichsees. Bereits die Gartenstadtbewegung des ausgehenden 19. Jahrhunderts entwarf Randlinien vergrössernde Siedlungsmuster in den äusseren Bereichen der Städte, damit jeder von den Vorteilen der neu geschaffenen Grüngürtel profitieren konnte. So hat auch Frederick Law Olmsted beim Central Park in New York attraktive Ränder für bürgerliche Wohnlagen geschaffen.

Genauso wie Arturo Soria y Mata, der bei der Idee der Bandstadt neben einer zentralen Verkehrsachse gleich zwei Bänder mit Parkanlagen links und rechts des Siedlungsbandes vorschlug.

Auch wenn ländlich geprägte Gebiete aus Ressourcen schonenden Gründen erhalten bleiben müssen, sollten künftig neben einer baulichen Verdichtung des bestehenden Siedlungsraums auch Ränder und Löcher, die den Siedlungsteppich auflockern, gepflegt oder neu geschaffen werden. So können Ränder in einem städtischen Transformationsprozess neu tragende Funktionen des öffentlichen städtischen Lebens übernehmen. Beispiele solcher umgewidmeter Gebiete im Grossraum Zürich sind: das Seeufer, die Flächen entlang des grossen Gleisfelds im Westen der Stadt, die Ufer der Limmat ab dem Platzspitz flussabwärts, die Ufer der Sihl und der Glatt, der Einschluss des Gewerbegebiets Binz in einer ehemaligen Lehmgrube, die Waldränder am Üetli- und Zürichberg, aber auch Zwischengebiete wie die Stettbacher Wiese zwischen Schwamendingen und Dübendorf, die durch den Aushub des S-Bahn erst in der heutigen Form entstanden ist. Diesen Gebieten ist gemeinsam, dass sie bis vor kurzem oder in vergangener Zeit weitab vom städtischen Geschehen lagen, bis die sich ausweitende Stadt sie sich einverleibte.

Freier Rand für alle

Gerade weil diese Ränder so attraktiv sind, sollte die Gesellschaft ein lebhaftes Interesse zeigen, sie allgemein zugänglich zu machen und möglichst nicht zu privatisieren. Dies ist ein altes Thema an allen wichtigen Gewässern der Schweiz, und das raumplanerische Postulat, solche Ufer öffentlich zugänglich zu machen, wurde bis heute nicht eingelöst. Vielleicht sollten nun vorausschauend unbeachtete Ränder in den Agglomerationen und im periurbanen Raum durch planerische Massnahmen gesichert werden. Die bereits realisierten landschaftsarchitektonischen Interventionen entlang der Limmat wie das Lettenareal und die Wipkingeranlage oder der Opfikerpark an der Glatt sind nur der Anfang. Es sollte weitergehen: Auf der Waid am Käferberg, beim Schlierener Berg, an den Rändern des Üetlibergs im Reppischtal, an den Hängen der Lägern im Furttal...

Leider haben es gerade die Landgemeinden oft versäumt, diesen Gebieten Beachtung zu schenken und überlassen attraktive Parzellen bis direkt an den Waldrand privaten Besitzern. Ist dies bereits geschehen, so müsste es möglich sein, den angrenzenden Wald als Parkwald auszuscheiden, wie dies die Stadt Zürich an den Hängen des Zürichbergs ansatzweise praktiziert. Umgekehrt haben es die Städte mit ihren industriellen Konversionsflächen meist versäumt, die neu entstandenen Öffnungen innerhalb des Stadtkörpers auch als neue attraktive Randlagen zu sehen. Der Zürcher Gleisbogen und der Pfingstweidpark in Zürich West gehören zu den wenigen Freiräumen, die bei der kooperativen Verwertung der Grundstücke übrig blieben. Genauso hat Berlin die einmalige Chance versäumt, den ehemaligen Mauerstreifen als Park auszuscheiden, der mitten durch die Stadt hätte führen können. Der reichlich genutzte und beliebte Mauerpark von Gustav Lange an der Bernauerstrasse ist leider nur Zeugnis einer verpassten Chance.

Unter diesen Vorzeichen müsste die «Nordküste» Zürichs in Affoltern und Seebach planerisch entschiedener in die Hände genommen werden. Es genügt nicht, nur Quartierpläne zu schaffen, Bauzonen zu revidieren und Siedlungstrenngürtel zu sichern, weil sonst weiter Einfamilienhäuser und Wohnblocks unvermittelt und ohne gesellschaftlichen Gewinn an Kulturland oder Wald grenzen werden.

Städte und Gemeinden müssen über ihre Grenzen hinaus weiter denken, damit ihre Ränder in einer übergeordneten Optik als die neuen öffentlichen Flächen der Zukunft gestaltet werden können. Dort sind auch konkrete landschaftsarchitektonische Antworten gefragt.

anthos, Di., 2011.09.27

27. September 2011 André Schmid

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