Editorial

Nach acht Jahren Bauzeit wird wieder eine Lücke im Nationalstrassennetz geschlossen. Der Abschnitt im Knonaueramt ist die Fortsetzung der im Frühjahr eröffneten Westumfahrung Zürich (vgl. TEC21 17/2009). Politische Diskussionen und Widerstand gegen das Projekt in der Bevölkerung, wie die Volksinitative für ein autofreies Knonaueramt, verzögerten den Baubeginn jahrzehntelang.

Es wurde weiter geplant und eine Variante erarbeitet, die aus Gründen des Landschaftsschutzes und im Interesse der landwirtschaftlichen Bodennutzung einen ursprünglich nicht vorgesehenen Flankentunnel durch den Islisberg vorsah. Das generelle Projekt wurde im November 1995 vom Bundesrat genehmigt, anschliessend optimiert und zwischen 2002 und 2009 gebaut.

Zu den Arbeiten gehörte auch die Fertigstellung des zwischen 1970 und 1975 provisorisch gebauten Teilstücks von der Gemeindegrenze Mettmenstetten–Knonau bis zur Grenze der Kantone Zürich und Zug, das nie in Betrieb genommen wurde.

Die vorliegende TEC21-Ausgabe gibt einen generellen Überblick über die Autobahn durch das Säuliamt. Ergänzend zu den Tiefbauthemen wird die neue Raststätte beim Anschluss Affoltern vorgestellt. Den neuen «Fressbalken» kann man am 7. und 8. November 2009 unter die Lupe nehmen.

Schon vor Jahren genau hingesehen haben die Kantonsarchäologen, um die Spuren unserer Vorfahren zu sichern – mit einem bemerkenswerten Aufwand (vgl. S. 34). Die Beiträge auf den Seiten 22 bis 29 sowie 34 bis 36 sind ein Destillat des Buches «Direkt um Zürich»1, das im Mai 2009 zur Eröffnung der Westumfahrung erschienen ist. Es bietet weitere umfangreiche Informationen zum Bau dieses Infrastrukturprojektes.
Daniela Dietsche

Inhalt

05 WETTBEWERBE
Zwei Hochhäuser für Baden

12 MAGAZIN
Bücher | Das Bild der gestalteten Landschaft | Die offene Stadt | Sternenhimmel online

22 DURCHS SÄULIAMT
Paul Meili
Die neue Autobahn verbindet die Innerschweiz mit dem Raum Zürich: eine Projektübersicht.

24 ISLISBERGTUNNEL
Kurt Boppart, Ueli Letsch
Rund die Hälfte des verbauten Betonvolumens im Islisbergtunnel besteht aus vorfabrizierten Bauteilen.

26 OFFENE STRECKE
Martin Kummer, Markus Graf
Auf rund 8 km verläuft die A4 sichtbar durch das Gelände.

28 JONENTOBEL, RÜTELI, EIGI
Beat Meier, Rudolf Vogt, Harry Fehlmann, Walter Scherrer
Stellvertretend für 19 grössere und kleinere Kunstbauten der A4 werden drei Objekte vorgestellt.

30 AUTO STOPP
Alexander Felix
Die Architektur der Raststätte in Affoltern am Albis wurde massgeblich durch den knappen Platz bestimmt.

34 VORFAHREN
Andreas Mäder
Bevor mit dem Bau der Strasse begonnen wurde, fanden die Archäologen Spuren unserer Vorfahren.

38 SIA
Stellungnahme zur RPG-Revision | Das «Trottoir» ist eröffnet | Erdbebensicheres Bauen | Zurück zur Kreativwerkstatt | Veranstaltung und Vernehmlassung

44 MESSE
An der «Sicherheit 2009» werden über 200 Aussteller erwartet.

45 PRODUKTE

53 IMPRESSUM

54 VERANSTALTUNGEN

Durchs Säuliamt

Die A4 im Knonaueramt verbindet die Innerschweiz direkt mit dem Raum Zürich und dem Flughafen. Ihr Bau wurde im Januar 2002 begonnen, am 13. November 2009 wird die Autobahn in Betrieb genommen.

Die Nationalstrasse A4 im Knonaueramt führt durch den Islisbergtunnel und ist durch 19 weitere grössere und kleinere Kunstbauten geprägt. Die Ausbaugeschwindigkeit beträgt 120 km/h, im Islisbergtunnel 100 km/h. Das Längsgefälle variiert zwischen 0.5 und 2.2 %. Für den Bau wurde die Strasse in zwei Abschnitte gegliedert: Vom Verkehrsdreieck Zürich West (Fildern) bis zur Gemeindegrenze Mettmenstetten–Knonau (rund 12.9 km) und von der Gemeindegrenze Knonau bis zur Kantonsgrenze Zug (rund 2.75 km).

Islisbergtunnel

Der 4.95 km lange Islisbergtunnel (vgl. S. 24) verläuft als Flankentunnel entlang der Grenze zum Kanton Aargau. In den beiden Tunnelröhren sind die Fahrbahnen 7.75 m breit mit beidseitigen Banketten von rund 1 m. Auf eine Standspur wird im Gegensatz zum Üetlibergtunnel verzichtet (TEC21 17/2009). Über der Tunneldecke liegt der Abluftkanal und unter der Fahrbahn ein begeh- und befahrbarer Werkleitungskanal.

Jonentobelbrücke und Stützmauer Lochhof

Die Jonentobelbrücke (Seite 28) schliesst an den Portalbereich Süd des Islisbergtunnels an. Zwei Einzelbrücken tragen die richtungsgetrennte Hochleistungsstrasse über rund 290 m. Sie liegen als Balken auf vier Pfeilern ca. 22 m über dem Bach. Der vom Tiefbauamt des Kantons Zürich durchgeführte Wettbewerb beinhaltete das Brückenprojekt, die Gestaltung des Südportals des Tunnels, die rund 330 m lange Stützmauer Lochhof sowie die Überführung der Jonenstrasse zum Lochhof.

Lochhof bis Anschluss Affoltern am Albis

In der Fortsetzung führt die Strasse in offenen Einschnitten (Seite 26) mit der Überführung Ottenbacherstrasse am östlichen Hang des Isenbergs entlang, wobei die Einpassung in das relativ steile Gelände bei der Projektierung im Vordergrund stand. Im Bereich des grössten Einschnittes stellt die 50 m breite Wildtierüberführung Isenberg die Querverbindung zwischen Wald und offenem Feld her.

Markant und elegant präsentieren sich in diesem Abschnitt die rund 400 m lange Stützmauer Isenberg, eine rückverankerte Pfahlwand, sowie vier gleichartig gestaltete Überführungen von Güterstrassen über die A4. In der Ebene liegt die ökologische Strassenabwasser- Behandlungsanlage. Dann folgen die Bauwerke für den Anschluss Affoltern am Albis.

Anschluss Affoltern am Albis und „My stop Knonaueramt“

Der Anschluss Affoltern ist als Raute gestaltet. Die neu trassierte Staatsstrasse führt über die SBB-Strecke und die Nationalstrasse nach Obfelden/Ottenbach. Parallel zu dieser Überführung liegt die Raststättenbrücke «My Stop Knonaueramt». Die Aus- und Einfahrtsrampen sind auf Brücken geführt, unter denen Parkierungs- und Erschliessungsmöglichkeiten für die Raststättenbesucher geschaffen wurden. (Seite 30)

Anschluss Affoltern am Albis bis Gemeindegrenze Mettmenstetten-Knonau

Die Autobahn führt entlang der Bahn und verläuft nach dem Anschluss Affoltern über eine grosszügige Wildtierunterführung. Bei Dachlissen wird die Güterstrasse auf der Brücke Sunnegg über die A4 geführt. Lärmschutzwände säumen die Nationalstrasse auf weiten Streckenabschnitten. Im Bereich der Kreuzung Bahn/Staatsstrasse wurde die 120 m lange Autobahnüberdeckung Eigi erstellt (Seite 28). Im Einschnitt führt die A4 südwestlich an Mettmenstetten vorbei und durchfährt am Dorfausgang einen markanten Drumlin.

Stollen Bäckental

Der tiefste Punkt der A4 liegt südlich von Mettmenstetten. Die Entwässerung erfolgt via den Stollen Bäckental, der auch als Retentionskaverne dient, bis zum weiter südlich gelegenen Vorfluter. Der Stollen wurde in der Molasse mit einer Tunnelbohrmaschine und im Lockermaterial mit einem Pressvortrieb mit Hydroschild aufgefahren.

Überdeckung Rüteli

Die 400 m lange Überdeckung Rüteli (Seite 28) ermöglicht die Rekonstruktion der Hügellandschaft. Der Tagbautunnel ist im Fels fundiert, die Gewölbe wurden konventionell hergestellt und mittels Bentonit abgedichtet. Im Süden bildet eine gebogene, auslaufende Stützmauer die markante nördliche Autobahnabschlusslinie.

Gemeindegrenze Mettmenstetten-Knonau bis Kantonsgrenze Zug

Das seit 1975 praktisch fertig gebaute Teilstück Knonau bis zur Grenze des Kantons Zug musste, wie auch der zugerische Abschnitt der A4, fertiggestellt werden. Hierzu waren in erster Linie der Bau von Lärmschutzwänden, die Ergänzung der Entwässerungsleitungen, die Sanierung bzw. Ergänzung des zementstabilisierten Oberbaus sowie die von der Polizei gewünschte Ausgestaltung des Rastplatzes in Knonau notwendig.

TEC21, Fr., 2009.11.06

06. November 2009 Paul Meili

Islisbergtunnel

Der 4.95 km lange Islisbergtunnel ist Bestandteil der A4 durch das Knonaueramt. Die beiden Tunnelröhren wurden von Norden nach Süden aufgefahren. Die TBM-Vortriebsleistung betrug 20 m, die des Innenausbaus 25 m pro Tag. Die Hälft e des verbauten Betonvolumens besteht aus vorfabrizierten Bauteilen.

Der Islisbergtunnel liegt im Fels der Oberen Süsswassermolasse. Beim Nordportal befindet sich die Oströhre auf 35 m Länge im Lockergestein. Der Vortrieb erfolgte konventionell mittels eines Kalottenvortriebes unter Voraussicherung eines Jettinggewölbes. Die untere Hälfte des Ausbruchquerschnittes wurde mit der Tunnelbohrmaschine (TBM) vorgetrieben. Beim Südportal wurde wegen der geringen Felsüberdeckung und der stark verwitterten Molasse ein Kalottengegenvortrieb mit Rohrschirm auf 36 m erstellt. Der Tunnelvortrieb erfolgte mechanisch mit einer TBM. Beide Röhren wurden, aus logistischen Gründen, nacheinander fallend von den Fildern aus nach Süden vorgetrieben.

Normalprofil

Die beiden Röhren verlaufen parallel in einem Abstand von 25 m. Der Ausbruchdurchmesser der TBM betrug 11.85 m. Der 5-teilige Tübbingring mit Schlussstein ist 30 cm stark und 2 m breit. Die vorfabrizierten Werkleitungskanalelemente wurden unter der Nachläuferkonstruktion parallel zum TBM-Vortrieb versetzt und mit stabilisiertem Ausbruchmaterial hinterfüllt. Die Regenschirmabdichtung besteht aus einer 2 mm starken PVC-Folie und einem aufkaschierten Vlies von 500 g/m2. Das anfallende Bergwasser fliesst durch die Tübbingfugen in die seitlichen Rinnen des Werkleitungskanals und wird alle 75 m in die Bergwasserleitung, die in der Sohle einbetoniert ist, eingeleitet. Das Fahrbahnwasser fliesst in die Schlitzrinne, wird alle 50 m in den Schlitzrinnenschächten siphoniert und in die Sammelleitung eingeleitet, die sich im Werkleitungskanal befindet. Die Leitungen im Werkleitungskanal können alle 75 m durch Spülleitungen im Bankett von der Fahrbahn aus unterhalten werden. Die elektromechanische Versorgung des Fahrraumes und des Abluftkanales erfolgt über Kabelrundschläge alle 50 m aus dem Werkleitungskanal.

Das Innengewölbe ist 30 cm stark und wurde in Blocklängen von 12.50 m erstellt. Um den Arbeitsaufwand beim Betonieren der Zwischendecke zu minimieren, wurde selbstverdichtender Beton eingesetzt.

Bauablauf

Die Vortriebsanlage bestand aus dem Bohrkopf, dem Schild und der 160 m langen Nachlaufkonstruktion. Mit max. 6000 t presste sie sich vorwärts. Nach jeweils 2 m Vortrieb wurden die fünf Tübbinge und der Schlussstein im Schutz des Schildes versetzt. Die vorfabrizierten Elemente (Tübbinge und Werkleitungskanalelemente) wurden im Werk des Unternehmers erstellt, mit der Bahn zur Verladeanlage Munimatt transportiert, dort auf Pneufahrzeuge verladen und zur TBM gebracht oder auf dem Installationsplatz gelagert. Gleichzeitig mit den Vortriebsarbeiten wurden hinter der TBM die begeh- und befahrbaren Querverbindungen, die Zentrale Mitte, die Ausstellbuchten und die SOS-Nischen durch Sprengvortrieb oder mechanisch mittels Teilschnittmaschine ausgebrochen. Nach dem Vortrieb der Weströhre wurde die TBM demontiert, zurückgezogen und für den Vortrieb der Oströhre montiert. In der Weströhre wurde währenddessen mit dem Innenausbau begonnen.

Statische Bemessung

Das tragende Gewölbe bildet der 5-teilige Tübbingring mit dem Schlussstein. Die 30 cm starken Tübbinge sind mit ca. 80 kg/m3 bewehrt. Der Tübbingring wurde auf einen Auflockerungsdruck von 200 kN/m2 und einen Quelldruck von 350 kN/m2 bemessen. Im Weiteren wurden die Tübbinge für die verschiedenen Handlings- und Transportfälle sowie auf die maximale Vortriebskraft bemessen.

Die Zwischendecke wurde als einfache, in Querrichtung tragende Decke dimensioniert. Als Einwirkungen sind Nutzlasten, Luftsog der Brandlüftung, Explosion und Druckschläge von Lastwagen berücksichtigt. Die Auflagerung der Zwischen decke auf dem bewehrten Auflagernocken erfolgt über Gleitlager. Um langfristige Gewölbeverformungen ohne Zwängungen aufzunehmen, ist zwischen Innengewölbe und Zwischendecke eine 25 mm starke Knautschzone eingebaut. Um die Luftdichtigkeit zu gewährleisten, wurde bei den Arbeitsfugen (alle 25 m) ein Körperfugenband in die Zwischendeckenfugen einbetoniert. Der Verlauf der Durchbiegung und das Schwindverhalten der Decke wurden messtechnisch überwacht. Die Werkleitungskanalelemente sind 2.50 m lang, die Wandstärke beträgt 25 cm und die Deckenstärke 30 cm. Sie wurden auf den seitlichen Erddruck, die Überschüttung und auf die Verkehrslasten dimensioniert.

Überwachung

Zur Überwachung des Tübbingringes wurden in mehreren Messquerschnitten geodätische Messpunkte installiert und die absolute Verschiebung gemessen. Zur Überwachung des Quelldruckes wurden 6fach-Extensometer in der Sohle eingebaut. Das Innengewölbe und die Zwischendecke werden langfristig mittels geodätischer Vermessung überwacht.

TEC21, Fr., 2009.11.06

06. November 2009 Kurt Boppart, Ueli Letsch

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