Editorial
Editorial
Politische, soziale und technische Infrastrukturen gehören zu den Grundeinrichtungen eines gut funktionierenden Gemeinwesens. In den reichen Ländern haben wir uns an intakte Infrastrukturen gewöhnt: das Staatswesen und die sozialen Einrichtungen, das Gesundheits- und das Bildungssystem, die Versorgung, der Transport und der Verkehr. Kleine Zwischenfälle verkraften unsere meist mehrfach abgesicherten und komplexen Infrastruktursysteme problemlos. Grössere Pannen wie etwa ein umfassender Stromausfall, können dagegen ganze Lebensbereiche lahmlegen. Denn unterschiedliche Infrastrukturen, die auf den ersten Blick kaum etwas gemeinsam haben, sind eng miteinander verknüpft, ja häufig sogar voneinander abhängig. Störfälle gefährden das politische und soziale Gefüge eines ganzen Staates.
Mit den vielen Facetten komplexer Infrastrukturen ist das Bauliche eng und in mannigfacher Weise verknüpft, stellen doch Hoch- wie Tiefbauten grundlegende Infrastrukturen bereit, damit andere, politisch, sozial und wirtschaftlich wichtige Infrastrukturen funktionieren. Dieses Heft handelt von Infrastrukturen, die einerseits wesentlich den Leistungen der Ingenieure und Architekten zu verdanken sind, andrerseits dem französischen Wortsinn der 'infrastructures' – ursprünglich Fundamente für Bahngeleise – nahestehen und im Umfeld des Verkehrs zum unverzichtbaren Unterbau unserer mobilen Gesellschaft geworden sind: Dazu gehören Bahnen und Bahnhöfe, wie die entstehende Durchmesserlinie in Zürich, eine architektonisch bemerkenswerte Haltestelle am Zürcher Flughafen oder die neue Métro in Lausanne. Sie alle dienen primär dem Verkehr, besitzen aber gleichzeitig eine Wirkungsmacht, welche auch die Architektur und den Städtebau beeinflusst oder gar bedingt. Infrastrukturen sind Auslöser für Bewegungen, sagt Ben van Berkel. Deshalb beginnt seine Entwurfsarbeit oft mit Analysen der Bewegung und Überlegungen zur Erschliessung, und dies nicht nur bei Verkehrsbauten. Aufwendige Infrastrukturen erfordern eine langfristige Planung und sind deshalb dem Wandel der Bedürfnisse, der politischen Auffassungen und Machtverhältnisse ausgesetzt und naturgemäss Gegenstand von Auseinandersetzungen. Zwei Fachleute berichten von ihren unterschiedlichen Visionen zur schweizerischen Verkehrsplanung.
Die in den frühen 1940er Jahren angelegte Sustenpass-strasse ist ein Paradebeispiel für eine am amerikanischen Konzept des Parkway orientierte Alpenstrasse. Ein umsichtig erarbeiteter Richtplan bildet die Grundlage, um dieses 'Gesamtkunstwerk' künftig angemessen zu pflegen und zu erhalten. Doch der Ausbau der Verkehrsinfrastrukturen bringt bekanntlich auch unerwünschte Immissionen mit sich. Dem Lärm etwa rücken wir wiederum mit neuen Strukturen zu Leibe, deren Ästhetik diskutabel ist. Der Fotograf Joël Tettamanti hat sie für uns fotografiert.
Die Redaktion