Editorial

Das Eröffnungsbild in diesem anthos (S. 5) zeigt es: Die Alpen sind ein Mythos, ein Symbolraum. Sie sind Teil der beworbenen «Marke Schweiz» – und mit ihnen kann man auch für allerlei anderes werben. Für die Bewohner der Schweiz sind sie identitätsstiftend. Selbst die grösste Schweizer Stadt, Zürich, sich durch und durch urban gebend, sonnt sich im Lichte der Alpen, und zur emotionalen Erhöhung auch gleich noch in den falschen.

Doch die Schweizer Alpen – Teil des 1200 Kilometer langen Alpenbogens in der Mitte einer der stärksten europäischen Wirtschaftsregionen – sind natürlich auch Realität, Lebens- und Handlungsraum. Und erschreckend real sind ihre Probleme: in den überlasteten Intensivregionen, geprägt vom Massentourismus mit ausgedehnten Infrastrukturen und Angeboten und mit einer hohen kommerziellen Wertschöpfung – sowie in den Entleerungsregionen mit einem flächendeckenden Rückzug von Landwirtschaft und Gewerbe, ohne eine vordergründige kommerzielle Wertschöpfung, aber mit grossen und unersetzlichen natürlichen und kulturellen Werten. Und alle zusammen sehen unter dem Damoklesschwert der Klimaveränderung, die die Alpen besonders hart treffen wird, einer ungewissen Zukunft entgegen.

anthos befasst sich seit langem mit Problemen und Lösungswegen in den Alpen, so auch in diesem Heft. Eine kontrovers geführte Diskussion dreht sich zurzeit um den Bau von grossen, komplexen Ferienresorts, von denen etwa 50 in der Schweiz geplant sind. Sind diese der wirtschaftliche Rettungsanker, wie ihre Protagonisten sagen – oder sind sie nur ein weiterer Schritt der Zerstörung landschaftlicher, kultureller und sozialer, vielleicht sogar ökonomischer Werte? Andererseits entstehen im Rahmen der neuen Parkpolitik des Bundes regionale Naturpärke in den Alpen, vielleicht sogar einige Nationalpärke. Was bewirken diese, und halten sie, was sie versprechen?

Mit vielen baulichen und landschaftsplanerischen Massnahmen zur Stärkung der traditionellen Wirtschaft, der naturnahen Erholung, zum immer notwendiger werdenden Hochwasserschutz, zum Klima- und Ressourcenschutz oder zur grossräumigen, länderübergreifenden ökologischen Vernetzung wird versucht, dem negativen Trend in den sich konträr entwickelnden alpinen Problemregionen entgegenzuwirken. anthos stellt Beispiele von Programmen, Konzepten und Einzelmassnahmen vor.
Bernd Schubert

Inhalt

Matthias Stremlow
– Verkaufte Paradiese – von Schauplätzen und Tatorten

Thomas Bieger und Christian Laesser
– Resorts – ein Erfolgsfaktor auch für die Alpen?

Dominik Siegrist
– Neue Resorts in den Alpen – wenn, dann nachhaltig!

Christine Fehr
- Wo Natur draufsteht, muss Natur drin sein

Adrian Kräuchi
– Partnerschaften als Erfolgsfaktor

Bruno Vanoni
– Die Alpen in den Alpen erhalten

Pascal Amphoux
– Wo Spuren mehr zeigen als Beweise

Köbi Gantenbein
– Fünf Einsichten aus den Alpen

Klaus Michor
– Vom technischen Bauwerk zum attraktiven Kulturlandschaftselement

Wolfgang Pfefferkorn, Serena Rauzi und Anita Wyss
– Klimawandel im Alpenraum: Kühlen Kopf bewahren und vernünftig handeln!

Thomas Scheurer und Aurelia Ullrich
– Lebensräume erhalten – Landschaften gestalten: Ökologische Vernetzung im Alpenraum

– Wettbewerbe und Preise
– Mitteilungen der Hochschulen
– Schlaglichter
– Literatur
– Agenda
– Schweizer Baumschulen
– Produkte und Dienstleistungen
– Markt
– Die Autoren
– Impressum

Neue Resorts in den Alpen – wenn, dann nachhaltig!

Ferienresorts werden vielerorts zum Allheilmittel für den Alpentourismus verklärt. Leere Gemeindekassen und der kommunale Konkurrenzkampf reichen oftmals als Begründung, sich für ein Resort inmitten freier Landschaft oder gewachsener dörflicher Strukturen einzusetzen. Das ist meist kurzfristig gedacht und selten nachhaltig.

Die neuen Ferienresorts sind in vieler Munde. Aktuell sind in der Schweiz rund fünfzig Projekte in Diskussion, bei geschätzten Gesamtinvestitionen von rund sechs Milliarden Franken. Diese grosse Zahl hängt damit zusammen, dass Ferienresorts zwei Versprechen für kriselnde Ferienorte bergen: Sie bringen Investoren und warme Betten in die Bergtäler. Ob eine grössere Zahl davon tatsächlich gebaut wird, steht allerdings in den Sternen.
Die Planung und Erstellung grosser Ferienresorts wirft eine Reihe grundsätzlicher Probleme auf, die am Selbstverständnis bisheriger Tourismus- und Berggebietsentwicklung rütteln. So stellt sich die Frage, ob derartig gross dimensionierte Tourismusinfrastrukturen überhaupt mit den Grundsätzen einer nachhaltigen Regionalentwicklung vereinbar sind. Die Ausgangslage ist längst nicht mehr die Gleiche wie in den Boomzeiten früherer Jahrzehnte. Damals hatte jedes Tal sein Tourismusprojekt. Heute sind die Alpen vielerorts stark übernutzt, und die Sensibilität für die Verletzlichkeit der Alpenlandschaften in der Bevölkerung ist stark gestiegen.

Können grosse Ferienresorts überhaupt nachhaltig sein?

Grosse Ferienresorts haben einen enormen Ressourcenverbrauch zur Folge. Deren Bau und Betrieb benötigt riesige Flächen und belastet die Landschaft. Als Luxusanlagen besitzen Ferienresorts einen erheblichen Verbrauch an Hausenergie. Da die Gäste oft mit dem Flugzeug anreisen, ist aber auch der Anteil an Transportenergie und damit der Ausstoss an klimaschädigenden Treibhausgasen sehr hoch. Ferienresorts haben zudem unökologische Folgewirkungen wie den Bau neuer Golfplätze, die Vergrösserung von Skigebieten und die Zunahme des Helikoptertourismus. Zu befürchten ist darüber hinaus die zunehmende Dominanz einer Baukultur, die mit der Alpenlandschaft nicht vereinbar ist, wie beispielsweise der geplante Hotelturm auf der Schatzalp in Davos oder die Renaissance eines überkommenen Heimatstils in der neuen Maiensäss-Siedlung Aclas auf dem Heinzenberg.

Auch in soziokultureller Hinsicht sind negative Folgen zu befürchten. Wenn ein neues Resort mehr Betten schafft als eine Gemeinde Einwohner hat, stellt sich die Frage nach der sozialen Tragfähigkeit. Aus dem viel gepriesenen Kulturkontakt kann rasch auch ein Kulturkonflikt zwischen der Bevölkerung, den im Resort Beschäftigten und den Gästen werden. Und das wirtschaftliche Klumpenrisiko ist aufgrund der einseitigen Fixierung auf wenige Investoren hoch. Gleichzeitig gehen die demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten der Bevölkerung deutlich zurück, da die Entscheide nicht mehr im Kanton oder in Bern gefällt werden, sondern in einer Konzernzentrale irgendwo in der Welt.

Grossinvestitionen in einen Tourismus nur für die Reichen und Schönen dieser Welt führen zudem zur Verdrängung von sozial verträglichen und naturnahen Tourismusangeboten. Und was passiert, wenn die Investoren zwischendrin aussteigen und die Grossbauten als Bauruinen in der Landschaft zurückbleiben, wie dies in den 1960er Jahren in Mollens bei Crans-Montana der Fall war?

Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Berggebietsentwicklung

Resort ist nicht gleich Resort. Mit dem REKA-Feriendorf in Urnäsch wurde bewiesen, dass es möglich ist, integrierte Ferienanlagen so zu bauen, dass diese hohen Nachhaltigkeitsstandards genügen. Allerdings besitzt die Anlage nicht 3000, sondern einige hundert Betten und fügt sich harmonisch in die Gemeinde ein. Um solche Modellbeispiele zum Regelfall werden zu lassen, müssen Bund, Kantone und Gemeinden den Investoren klare Rahmenbedingungen setzen. Damit kann dafür gesorgt werden, dass Bau und Betrieb von Ferienresorts nur eine minimale Belastung für Umwelt und Klima darstellen. Die Verhältnismässigkeit bezüglich räumlicher und gesellschaftlicher Strukturen ist zu wahren. Die Projektanten sollen nachweisen müssen, dass ihr Projekt langfristig einen positiven Effekt für die Standortregion hat und dass tatsächlich warme Betten entstehen. Der Schweizer Heimatschutz hat vor einem Jahr entsprechende Vorschläge präsentiert (http://www.heimatschutz.ch/index.php?id=719).

Ein wichtiges Thema ist auch die Standortwahl. Dazu braucht es eine übergeordnete Planung, welche die verschiedenen Ebenen und Akteure miteinander koordiniert. Resorts und andere Grossprojekte sollten in Zukunft in den kantonalen Richtplänen festgelegt werden. Dabei bildet die Anbindung an bestehende touristische Infrastrukturen und Siedlungsgebiete ein wichtiges Kriterium. Auf zusätzliche Einzonungen von Bauland sollte grundsätzlich verzichtet werden. Ebenso darf der Bund keine Ausnahmen von der Lex Koller mehr erlauben, wie er dies im Falle von Andermatt getan hat. Werden tatsächlich neue Ferienresorts erstellt, soll eine architektonisch hochstehende Weiterentwicklung der alpinen Baukultur angestrebt werden. Dies kann nur mit einer professionellen Qualitätssicherung in der Gestaltung erreicht werden, zum Beispiel mit Architekturwettbewerben oder mit Studienaufträgen.

anthos, Fr., 2009.09.11

11. September 2009 Dominik Siegrist

Partnerschaften als Erfolgsfaktor

Die Region «Thunersee-Hohgant» gehört zu den ersten Kandidaten für einen Regionalen Naturpark. 2009 und 2010 wird in den Gemeinden über den Parkvertrag abgestimmt. Das Parkmanagement intensiviert daher seine Aktivitäten im Bereich Kommunikation und Zusammenarbeit.

Die Erfahrungen aus zahlreichen Projekten, insbesondere dem Vorläuferprojekt des Naturparks «Thunersee-Hohgant», regio «Höhenweg-Thunersee», haben gezeigt, dass ein Projekt erst dann die erforderliche breite Akzeptanz findet, wenn konkrete Resultate vorgelegt werden können. Der Naturpark und dessen Nutzen müssen für die Bevölkerung sichtbar sein. Die Präsenz des Naturparks sowie seine aktive Teilnahme am öffentlichen Leben verfolgt zwei wesentliche Ziele: Vermarktungsplattform für regionale Akteure zu sein sowie die Vertrauensbasis zwischen Bevölkerung und Parkmanagement zu stärken und die partnerschaftliche Zusammenarbeit zu fördern.

Während insgesamt 28 «Marktauftritten» im Jahr 2009 haben die Parkgemeinden die Möglichkeit, Standortmarketing zu betreiben, touristische Angebote, Dienstleistungen und lokale Produkte zu präsentieren und zu vermarkten. Jede Gemeinde erhält für ihren Marktauftritt eine vom Naturpark gestaltete «Fahne», welche die jeweilige Gemeinde innerhalb des Parks positioniert und ihre Besonderheiten vermittelt. Die Fahnen werden den Gemeinden anschliessend zur Verfügung gestellt, um die Rückidentifikation in der Bevölkerung mit dem «noch jungen» Naturpark zu stärken.

Die Teilnahme der Gemeindevertreter an den Marktauftritten soll eine wichtige Brücke zur Bevölkerung schlagen: Als lokale politische Akteure können sie den Naturpark auf positive Weise kommunizieren und als regionales Förderinstrument verankern.

Noch vorhandene Ängste in der Bevölkerung sollen im Rahmen dieser Auftritte im direkten Gespräch mit dem Parkmanagement abgebaut werden. Zwar ist die Akzeptanz für den Naturpark generell hoch, jedoch wird der Begriff «Naturpark» von einigen Kreisen nach wie vor mit Verboten, Einschränkungen und neuen Schutzbestimmungen gleichgesetzt.

Neues Raumverständnis fördern

Der Naturpark führt drei Planungsregionen und 21 Gemeinden (inklusive Torgemeinden) zu einem neuen, raumwirksamen Akteur zusammen. Der dadurch entstandene Perimeter erfordert ein neues Raumverständnis, welches sowohl in der Bevölkerung verankert als auch in der Landschaft erlebbar gemacht werden muss. Ein Instrument zur inneren Bewusstseinsstärkung sind die im letzen Jahr geschaffenen «Kennenlernrouten», welche durch die verschiedenen Landschaftstypen im Park führen und den Naturpark abseits der bekannten Wanderrouten entdecken lassen mit dem Ziel, die neue regionale Identität zu stärken und zu verankern.

Des Weiteren brauchen die Naturpärke einen starken visuellen Auftritt. Die Anforderungen an die Signaletik sind vielfältig und hoch. Sie soll einen modernen Auftritt sicherstellen, ein professionelles Image vermitteln, multifunktional anwendbar sein, subtil und landschaftlich integriert in Erscheinung treten. Zentrale Informationsstandorte und touristische Ausgangspunkte, die in der Raumstrategie des Parks festgehalten sind, werden mit wichtigen, raum- und ortsrelevanten Informationen für die Gäste versehen, basierend auf dem Corporate Design des Naturparks. Die «Berner Parks» streben die gemeinsame Umsetzung der Signaletik an, um mit dem gemeinsamen und einheitlichen Auftritt die Position in der Parklandschaft zu stärken.

In Zusammenarbeit mit einer Grafikerin wurde im Rahmen der Schutz- und Besucherlenkung Moorlandschaft Lombachalp, welche in der Parkgemeinde Habkern liegt, ein Pilotprojekt umgesetzt, an welchem der visuelle Auftritt des Naturparks erstmals getestet wurde. Gestützt auf die positiven Rückmeldungen von Bund, Kanton und Gästen wird die Signaletik nun schrittweise umgesetzt.

Neupositionierung in der Tourismuslandschaft

Die Zusammenarbeit mit Schweiz Tourismus unter dem Label «Naturreisen» bietet touristischen Akteuren im Parkgebiet die Möglichkeit, Angebote des sanften Tourismus auf nationaler und internationaler Ebene zu vermarkten. Erste Angebote wurden Ende 2008 lanciert und auf der Homepage aufgeschaltet. Neben der Platzierung der Angebote im Internet spielen vor allem auch die weiteren Vermarktungskanäle (Printmedien) eine wichtige Rolle, um den Bekanntheitsgrad des Naturparks schweizweit zu steigern.

Ein wichtiges Schlüsselprojekt, welches sich in der Projektierungsphase befindet, ist der Aufbau eines Karstzentrums unter der Trägerschaft des Naturparks, der SISKA und den Beatushöhlen. Mit dem Karstzentrum soll ein Schulungs- und Forschungsstandort mit internationaler Ausstrahlung angesiedelt werden, welches zur Positionierung und Stärkung des Standorts sowie zur Wertschöpfungssteigerung in der Region beitragen soll.

anthos, Fr., 2009.09.11

11. September 2009 Adrian Kräuchi

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