Editorial
Die Geschichte der Architektur der Stadt handle – neben gieriger Land- und Bauverwertung – auch von Erhaltung, Umnutzung und respektvoller Wiederverwertung, hat Vittorio Magnago Lampugnani, Professor für Städtebau an der ETH Zürich, vor einigen Jahren zum Thema Transformation erklärt. «So sind neue Städte überwiegend auf den Fundamenten von alten Städten errichtet worden, werden innerhalb ihrer sorgfältig definierten Grenzen modifiziert und modernisiert.» Von solchen Modifikationen berichtet dieses Heft.
«Umbauen» ist ein Thema, das wie kaum ein anderes die Aufgaben umschreibt, die uns und unsere Bauwirtschaft schon heute und künftig noch intensiver beschäftigen werden. Rund ein Drittel aller Gebäude in den Schweizer Städten sind vor 1945 entstanden – der grösste Teil von ihnen harrt einer Sanierung, einer Anpassung an veränderte Lebensgewohnheiten und Wohnbedürfnisse. Neue Anforderungen bezüglich Raumverhältnissen, Grösse, Belichtung und Komfort, aber auch in Bezug auf energetische und haustechnische Belange verlangen ein Nachrüsten der bestehenden Bausubstanz, damit sie die nächsten fünfzig Jahre überdauert. Dies gilt freilich nur in eingeschränktem Masse für denkmalgeschützte Bauten. Das Erhalten eines Gebäudes bedeutet häufig dessen Transformation. Selbst eine Rückführung auf vormalige Zustände oder ursprüngliche Strukturen impliziert immer eine Veränderung, ein Umbauen. Dabei dienen Transformationen gleichermassen der Erhaltung des Gebauten wie der Befriedigung neuer Bedürfnisse, die sich über den Lebenszyklus eines Gebäudes verändern. Eine ehemalige Tuchfabrik kann zur Kunsthochschule werden, ein Teil eines Schiessstands zur Jugendmusikschule, ein barockes Zehntenhaus zum Hotel oder ein Lagerschuppen zum Theaterhaus. Oft muss der Wandel von Nutzen und Funktionen allerdings nicht so radikal sein. Auch die Anpassung einer 80-jährigen Reihenhaussiedlung, eines Stadthauses aus der Gründerzeit oder eines 40-jährigen Wohnhochhauses an seither gewandelte Ansprüche löst eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit der gewachsenen Substanz aus und baut, damit sie gelingt, auf einem langen baugeschichtlichen Gedächtnis auf. Deshalb steht die architektonische Leistung beim Bauen im und am Bestand derjenigen des Neuentwurfs «auf der grünen Wiese» in keiner Art nach; im Gegenteil: Die Weiterentwicklung des Gebäudebestands erfordert ein umfassendes Verständnis für die Geschichte und das Potential eines Ortes und eines Bauwerks. Dies zeigt der einleitende Essay von Jürgen Tietz zur Bedeutung des Umbauens nachdrücklich auf. Wir zeigen eine Reihe gelungener Umbauten, auf verschiedenen Massstabsebenen, in unterschiedlichen Kontexten und mit vielfältigen Ansprüchen an Um-Nutzung und Neudefinition von Gebäuden quer durch die Schweiz – ein Plädoyer für den Umbau.
Die Redaktion