Editorial
Editorial
«Gerade weil es so unmodern erscheint, ist das Medium Ausstellung top-aktuell», sagt der Kurator Claude Lichtenstein in der Diskussion über die Kunst und Schwierigkeit, Architektur auszustellen. Wir führten das Gespräch vor dem Hintergrund der finanziellen Schräglage, in die das Schweizerische Architekturmuseum (S AM) in Basel geraten ist. Francesca Ferguson, seit 2006 Direktorin des Museums, konnte zwar die Besucherzahlen markant erhöhen, trotzdem gelang es ihr bis anhin noch nicht, die von ihr gepriesene hohe Dichte an Baukultur in der Schweiz anzuzapfen. Ihr Netzwerkgedanke stösst in der föderalistisch und zuweilen auch partikularistisch organisierten Schweiz auf verhaltene Skepsis. Von einem Museum ganz anderer Grössenordnung handelt der Beitrag über David Chipperfields «ergänzende Wiederherstellung» des Neuen Museums in Berlin. Gerade dieses Konzept eines situativen und abwägenden Vorgehens, das die an Brüchen reiche Geschichte des Gebäudes nicht negiert, stiess bei den Anhängern der reinen Rekonstruktion auf erbitterten Widerstand. Mehrmals wurden Unterschriften für Petitionen gesammelt, um Druck auf den britischen Architekten auszuüben, doch nach den Tagen der Offenen Tür im März dieses Jahres sind die Kritiker verstummt. Zu offensichtlich ist das Einfühlungsvermögen des Architekten spürbar, der sich elf Jahre lang intensiv mit dem Museum beschäftigte und – gerade in Berlin – Wege aufzeigt, wie eine Instandsetzung in denkmalpflegerisch angemessener und architektonisch überzeugender Art realisiert werden kann.
Zwei weitere Beiträge in diesem thematisch weit gefächerten Heft befassen sich mit neuen Überbauungen, die mit verschiedenen architektonischen Strategien auf den in der Schweiz oft anzutreffenden Kontext verstädterter Dörfer reagieren. Pablo Horváth bildet in St. Moritz diese latente Spannung unmittelbar an den unterschiedlich gestalteten Fassaden der Überbauung «Chalavus» ab. In Albisrieden, jenem bis ins 20. Jahrhundert landwirtschaftlich geprägten und erst 1934 in die Stadt Zürich eingemeindeten Dorf am Nordhang des Uetlibergs, verkörpert die Überbauung A-Park von Baumann Roserens Architekten einen zeitgemässen Umgang mit dem Städtischen, der nicht mehr viel gemein hat mit der genossenschaftlichen Betulichkeit, die das Stadtquartier noch immer prägt.
Ganz und gar städtisch sind auch mehr als 50 Jahre nach ihrer Erstellung drei Grosssiedlungen von Fernand Pouillon, die Aita Flury in Algier besuchte. In ihrer Reportage begegnet sie einer Architektur, die über die Jahrzehnte würdevoll gealtert ist und dank ihrer formalen, räumlichen und baulichen Robustheit noch immer als beliebter Wohnraum funktioniert. In unserem sechsten Beitrag erzählen wir schliesslich die Geschichte des Architekten und Erfinders Josef Furrer (1910–1976), dessen raffinierte Blechkonstruktion «Fural-Dach» gerade wieder neu entdeckt wird.
Die Redaktion