Editorial

«Kunst und Natur im Pas de deux» überschreibt Jacqueline Burckhardt ihren Artikel. Leicht abgewandelt könnte das auch Motto dieses Heftes sein. Der Pas de deux, der einer Choreografie folgende Tanz zu zweit, ist natürlich nicht der Normalfall in der Zusammenarbeit zwischen Künstlern und Landschaftsarchitekten. In Wirklichkeit sind die Beziehungen viel differenzierter. Sie reichen vom gemeinsamen Erarbeiten eines Projektes, in das jeder seine Stärken einbringt, über das Einfühlen in eine vorgegebene, vom Einen oder Anderen geschaffene Situation, bis hin zum inhalt- und bezuglosen Aufstellen eines Kunstwerkes in einem öffentlichen Raum oder in einer Landschaft.

Die Frage der Zusammenarbeit stellt sich uns laufend, am Einzelobjekt oder auch grundsätzlich; sie ist Thema in so manchem anthos-Heft. Im vorliegenden Heft gehen wir über diese Fragestellung hinaus. Wir suchen Antworten zur Rolle der Kunst im öffentlichen Raum und in der unbebauten Landschaft generell, in einem Raum, der heute einer zunehmenden Ästhetisierung, Festivalisierung und Kommerzialisierung unterliegt, der vollgestopft ist mit Elaboraten der Werbeindustrie. Welche Inhalte und Werte kann und soll die Kunst hier noch vermitteln, welche Funktionen erfüllen? Angesprochen wird dabei dauerhafte wie auch temporäre Kunst, die traditionelle bildende Kunst, aber auch Aktions- oder Prozesskunst.

Kunst hat eine gesellschaftliche Verantwortung. Sie soll auch provozieren, wie Dorothea Strauss schreibt, zum Denken und zum Diskurs anregen (Artikel Seite 4). Sich über drei im Baum hängende «Kinderleichen zum Frühstück» zu echauffieren, ohne über Schmerz und Grausamkeit und deren Hintergründe nachzudenken, genügt nicht.

Von bemerkenswerter sozialer Relevanz sind die Werke von Thomas Stricker (Artikel W. Fehrer). Statt das Wasserwerk in Düsseldorf mit einem schönen Kunstobjekt zu schmücken, durchbohrt er imaginär die Erde und lässt mit dem budgetierten Geld auf der anderen Seite, in einem kenianischen Dorf, einen Brunnen graben, der Leben spendet. Von Düsseldorf aus kann man dies «besichtigen», und auch das Eröffnungsfest der Dorfbewohner gehört zum Gesamtkunstwerk.

Der «Pas de deux» spielt erstmals auf einer neuen Bühne. Von diesem Heft an wird anthos mit einem neu gestalteten Layout erscheinen. Die Hauptziele dieses Redesigns waren: optisch mehr «Ruhe» und weniger «Dichte», vor allem durch Weglassen der kursiven Schrift für die französische Sprache, das Zusammenfassen der bisher auf zwei Seiten verteilten deutschen und französischen Titel, durch weniger und dafür grössere Bilder, Verlegen der Randspalten nach innen und deren Entlastung von allzu vieler Schrift.

Viel Freude am neuen Heft!
Bernd Schubert

Inhalt

- Editorial

Dorothea Strauss
- Drei Kinderleichen zum Frühstück

Christopher T. Hunziker
- Das Leutschenlicht

Thilo Folkerts
- Wechselspiel

Jacqueline Burckhardt
- Kunst und Natur im Pas de deux

Peter Röllin
- Landschaft als Rückversicherung

Sabine Wolf
- Kulturgut Schrott

Wolfgang Fehrer
- Skulpturale Fragen – zum Werk von Thomas Stricker

Sibylla Walpen, Beatrice Friedli
- BärenPark Bern

Christophe Rentzel, Ursula Bohren Magoni
- zur_seite

Julia Burbulla
- Von der Kunst, einen Raum zu gestalten

Emmanuelle Bonnemaison
- Landschaftspark und Skulpturen-Triennale

Frédéric Bonnemaison
- Spektakel im Garten: neu sehen lernen

Boris Sieverts
- Die Reise als Architektur der Möglichkeiten

Stéphane Collet
- Skulpturen am Ende ihrer Laufbahn

- Wettbewerbe und Preise
- Mitteilungen der VSSG
- Schlaglichter
- Agenda
- Literatur
- Schweizer Baumschulen
- Produkte und Dienstleistungen
- Markt
- Die Autoren
- Impressum

Drei Kinderleichen zum Frühstück

(SUBTITLE) Die polarisierende Kraft von Kunst im öffentlichen Raum.

Es ist schon starker Tobak. Da geht man seinen gewohnten Weg entlang, schaut wie jeden Morgen mir nichts, dir nichts in die Baumwipfel des ältesten Baumes seiner Stadt und entdeckt dort plötzlich drei Kinder, die sich anscheinend gemeinsam erhängt haben. – Nein: Die Szene ereignet sich nicht in «CSI New York» nachts im Fernsehen zwischen 21 und 22 Uhr, bei Chips und Bier auf dem Sofa, sondern ganz wirklich und hundsgemein auf dem Weg zum Bäcker. Und dies auch nicht in Amerika, wo doch sowieso alles viel schlimmer ist, nein, in Mailand.

So geschehen vor rund fünf Jahren auf der zentralen Piazza XXIV Maggio unweit des Lokalviertels Navigli. Glücklicherweise waren es keine wirklichen Kinder, sondern drei lebensgrosse Kinderfiguren aus Wachs, die der italienische Künstler Maurizio Cattelan auf Einladung der Stiftung Nicola Trussardi dort installiert hatte. Allerdings sollte Cattelans Arbeit nur drei Tage lang hängen (im wahren Wortsinn). – Sie löste eine so hitzige Debatte aus, dass ein 42-jähriger Mailänder Bürger schliesslich auf den Baum stieg und die Figuren «befreite». Er selbst stürzte dabei sieben Meter in die Tiefe und verletzte sich. Ironie des Schicksals, aus einer Metapher für Schmerz und Grausamkeit wurde wirkliches Leid. Die Kommentare kamen von rechts und links und fielen entsprechend polemisch aus. Der «Vandale» wurde von der kunst- und kulturaffinen Szene verteufelt, andere lobten seinen beherzten Einsatz. Der Mailänder Bürgermeister reagierte gelassen und kommentierte, dass Cattelans Kinderfiguren Ausdruck einer antikonformistischen Kultur seien, die zur Debatte anrege.

Das Projekt von Maurizio Cattelan, das ursprünglich auf die kurze Dauer von einem Monat angelegt war, ist ein Lehrstück für die Debatte über Kunst im öffentlichen Raum. Es zeigt, dass es vor allem Aggressionen und Konflikte sind, die kontroverse und somit aber auch sehr fruchtbare Diskussionen auslösen. Und wenn auch die meisten Projekte – vor allem jene, die auf längere Zeit ausgerichtet sind – nur selten so inhaltlich quälend zugespitzt sind, ist das Thema doch fast immer ein Garant für Streit. Oder, positiv gesprochen, für eine öffentliche Auseinandersetzung mit der Frage: Was verträgt der öffentliche Raum?

Diskussionen darüber, was Kunst alles darf oder auch nicht, welche Qualitätskriterien von Gegenwartskunst nachvollziehbar sind und wem der öffentliche Raum nun eigentlich gehört, können in diesem scheinbar ungeschützten Freiraum unverhohlen stattfinden. Dabei weiss natürlich jeder, dass es diesen «freien» Raum in den Städten gar nicht gibt, denn unsere «Public Private Partnership-Gesellschaft» überhäuft uns mit riesigen Douglas-Werbungen, sexistischen H&M-Tête-à-têtes, Banken-Megapostern und vielem mehr. Doch hier müssen alle stillhalten, denn dies dient ja dem so genannten Wohle unserer Gesellschaft, sprich: damit kann vieles bezahlt werden. Und einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Oder auch: Die Hand, die einen füttert, beisst man nicht. Was liegt da näher, als sich unverblümt auf die Kunst zu stürzen, denn diese, so scheint man sich sicher zu sein, steigert nicht einmal das Bruttosozialprodukt, sondern kostet nur. Endlich kann man seiner aufgestauten Wut hinsichtlich der Vereinnahmung des öffentlichen Raumes Luft machen. Die Ohnmacht, die man angesichts eines voll durchorganisierten und oft fremdbestimmten Lebens erfährt, weicht einem heroischen Kämpfergeist für eine vermeintlich freie Welt.

Dass Kunst polarisiert, ist eine ihrer Stärken. Kunst kann vereinen, genauso wie sie Unvereinbarkeiten nicht etwa schafft, sondern vielmehr sichtbar macht. Sie legt den Finger auf die Wunde und bringt Unausgesprochenes und Konfliktgeladenes ans Licht. Weiter hilft da nur eine gezielt lancierte und begleitete Vermittlungs-, Diskussions- und Streitkultur, und diese unterscheidet sich stark danach, ob sie im geschlossenen oder im öffentlichen Raum stattfindet.

Eine Institution bietet Schutz und, im übertragenen Sinn, einen geheiligten Ort. Sie schafft einen Rahmen für die Konventionen unterschiedlicher Absprachen zwischen dem Kunstwerk und seinen Betrachtern und Betrachterinnen. Wer über die Schwelle einer Kunstinstitution tritt, weiss in aller Regel auch, warum. Wer sich entscheidet, dort hinzugehen, kennt die Spielregeln und akzeptiert sie. Und nur noch selten lösen institutionelle Ausstellungen so heftige Reaktionen aus wie im letzten Jahr der Hungerstreik eines Südtiroler Politikers wegen dem gekreuzigten Frosch von Martin Kippenberger.

Der öffentliche Raum hingegen bildet – vor allem was diese Absprachen betrifft – einen geradezu «gesetzesfreien » Raum. Hier darf selbst in bürgerlichen Kreisen noch ungezähmt gezetert, gewütet und sogar zerstört werden, ohne dass dies grössere Konsequenzen mit sich ziehen würde. Denn wenn man auch sonst so vieles im öffentlichen Raum akzeptieren muss, kann man im Zusammenhang mit Kunst endlich ehrlich seine Meinung sagen. Und diese ist, wen wundert’s, rebellisch. Das heisst erst einmal dagegen.

Doch es braucht nicht immer gleich drei Kinderleichen. – Ob man nun an den Kubus des amerikanischen Künstlers Sol LeWitt denkt, der in einer nicht enden wollenden Odyssee an diversen Orten in der Schweiz abgewiesen wurde, ob an die Pavillonskulptur von Max Bill in Zürich, für deren Realisierung erst weltweit kompetente Stimmen gesammelt werden mussten, oder an das humorvolle Brunnenobjekt von Roman Signer in St. Gallen, das lange Zeit ein Hassobjekt war: Wird Kunst im öffentlichen Raum platziert, geraten die Gemüter in Bewegung.

Und diese aufbrausenden Bürgerstimmen ängstigen Politikerinnen und Politiker, denn Kunst ausserhalb der Institutionen berührt die Achillessehne einer Stadtverwaltung: Sie lässt sich nicht auf eindeutige Kausalzusammenhänge herunterbrechen und auch nicht so leicht nach volkswirtschaftlichen Kriterien erklären. Kunst bedeutet für viele immer noch Luxus einer Elite, die es sich nach landläufiger Meinung leisten kann, einen individuellen Geschmack vor die Bedürfnisse des so genannten Gemeinwohls zu stellen.

Das bedeutet also, dass die Diskussion um Kunst im öffentlichen Raum die einmalige Chance bietet, tatsächlich – also unverblümt! – ins Gespräch zu kommen. Das Ausbrechen von Ängsten, Aggressionen und Antipathien schafft die Möglichkeit, nicht nur Neues kennen zu lernen, sondern auch, sich selbst neu zu entdecken. Klischees und Grauzonen können überprüft und festgefahrene Haltungen aufgegeben werden. Die aus einer solchen Diskussion entstehenden Konflikte haben das Potenzial, eine aufmerksame Gesellschaft zu fördern, individuelle Haltungen gelten zu lassen, um damit einen besonderen Gemeinschaftssinn zu unterstützen, einen, der sich dadurch auszeichnet, vor möglichen Kontroversen nicht zurückzuschrecken. Städte tun gut daran, wenn sie solche Spannungen nicht nur aushalten, sondern sogar mittragen, indem sie ganz gezielt diese Prozesse selbstbewusst, doch nicht elitär befürworten und unterstützen.

Kunst im öffentlichen Raum ist nicht mehr bloss Denkmal oder Monument, sondern ihre Erscheinungsformen reichen von einem Brunnenobjekt, einem Spraybild auf der Häuserwand über eine Unterschriftensammlung für eine «kunstfreie Innenstadt» bis hin zu einem Hörstück auf dem iPod: Kunst im öffentlichen Raum reagiert auf die zunehmende Ästhetisierung unseres Alltags, auf das versatzstückartige Puzzle unserer Existenz und auf unsere medialisierte Welt. Aus dieser Welt speist sie sich und wirkt ihrerseits auf sie zurück: Unwiderruflich schreibt sich die Kunst in einen gesellschaftlichen Diskurs ein. Solche Prozesse brauchen Moderation, Kunst im öffentlichen Raum braucht Moderation, denn sie entsteht aus komplexen Zusammenhängen, die besprochen werden wollen.

Den «Vandalen» aus Mailand könnte man zusammen mit dem Künstler, dem Bürgermeister und den Initianten dazu einladen, ein Gespräch zu führen, vielleicht sogar noch nicht einmal öffentlich. Das Gespräch könnte moderiert, aufgezeichnet, gemeinsam redigiert und der Tageszeitung beigelegt oder aber als Wurfsendung an alle Haushalte verschickt werden, zum Beispiel. Es gibt viele verschiedene Formen der Moderation, die unterstützen können, dass wir im Gespräch bleiben.

anthos, Do., 2009.02.26

26. Februar 2009 Dorothea Strauss

Kunst und Natur im Pas de deux

Die Kunst im Freien entsteht bei Katja Schenker nach dem vielfältigen Sich-Einstimmen auf den Standort und im Wechselspiel zwischen dem Körpereinsatz und den Kräften der Natur. Immer sind auch Zeit und Zufall willkommene Mitgestalter der Arbeit.

Katja Schenker, diesen Namen verbindet man schnell mit Performance-Kunst und Arbeiten unter freiem Himmel, und wer komplexe Vorgänge kompakt formuliert, sagt schlicht, die Künstlerin geht ortsspezifisch und nach dem Prinzip von Sichten – Erforschen – Arbeitkreieren vor. Das Verständnis und die Reflexion über die vielfachen kontextuellen Eigenheiten des Standorts ihrer Intervention bilden bei ihr die Voraussetzungen, dass sich die Einfälle einstellen können.

Manchmal konsultiert sie Wissenschaftler wie etwa im Jahr 2006 für ihr Projekt «1588 étages» in einer Wohnsiedlung in Rheinfelden. Dort hinterfragte sie das System der gestapelten Einfamilienhäuser (Pile-Up-System), das der Architekt Hans Zwimpfer als Lösung gegen die wuchernde Zersiedelung entwickelt hat, und wollte wissen, wie viele Wohneinheiten übereinander aufgetürmt werden müssten, bis es zum Grundbruch kommt. Die Berechnungen einer Geologin ergaben, dass der Bruch bei einem Gewicht von 1589 Etagen zustande käme, und die Vorstellung dieses Szenariums setzte Schenker in ihrer Arbeit vor Ort um.

Die Zeit mitdenken

Ihre Werke entstehen meist im Wechselspiel zwischen einem beharrlichen, wenn nicht gar leidenschaftlichen Körpereinsatz und den Kräften der Natur. Bewusst legt sie die Arbeiten im Freien so an, dass sie sich verändern können, und rechnet auch mit dem Zufall als dem Mitgestalter, der sich nicht steuern lässt. Das Prozessuale in den wechselnden Erscheinungen ist Teil des Konzepts und wird deutlich thematisiert. Die Verwandlungen entsprechen dem natürlichen Lauf der Dinge, die sich weitgehend selbst organisieren oder auflösen. Kunst und Natur sind bei Schenker nie getrennt voneinander zu sehen.

Das zeigte auch ein Gartenprojekt auf der Insel Ufenau im Zürichsee, das sie für die Dauer des Sommers 2002 für das Seedamm Kulturzentrum Pfäffikon realisierte. Hier, in der vielgliedrigen Landschaft mit einer langen Kulturgeschichte, wo römische Spuren erhalten sind, Pilger einst Station machten und Zwinglis Freund Ulrich von Hutten im Exil an Syphilis starb, legte Schenker als Hauptmotiv zwei begehbare Pflanzen-Labyrinthe an. Jedes bestand aus zwei ineinander verschlungenen Spiralen mit einem Durchmesser von 32 Metern. Perfekt gliederten sie sich in einen sanften Abhang ein und schienen den alten Genius loci wecken zu wollen. Sie evozierten die Welt der Mythologien und christliche Symbole. Auf Bildern aus einem Heissluftballon schien es gar, als hätten Ausserirdische die Ufenau mit der Zeichnung zweier Brüste gebrandmarkt. Dabei hatte Schenker gepflügt, gesät und gepflanzt, hatte Getreide, Gemüse, Kräuter, Blumen und Stauden nach Dichte, Höhe, Farbe und Duft fein komponiert und dabei einkalkuliert, wie sich alles auch stimmungsmässig mit jedem Schritt und im Laufe der Wochen wandeln würde. Die Spiralpfade waren von mannshohen Wicken und Bohnen dicht gesäumt und gingen in der Mitte in ein platzartiges rundes Beet mit niedrigem Sommerflor über.

Als Katja Schenker am 1. August 2002 mit der Performance «rasen» vor Ort auftrat, einen grossen Heliumballon an einem hundert Meter langen Seil um den Leib geschnürt, fegten stürmische Böen übers Land. Im wilden Tanz mit und gegen die Windstösse erkämpfte sie sich den Weg durch die Labyrinthe, immer wieder abgetrieben vom herumwirbelnden Ballon.

Landschaft entwerfen

Im Jahr 2005 gestaltete sie erneut eine kleine Landschaft, diesmal für den Hof des Bundesamtes für Landestopographie in Wabern. Inspirationsquelle für diese Arbeit war Jorge Luis Borge’s Kurzgeschichte «Von der Strenge der Wissenschaft», die von einem fiktiven Reich handelt, in dem die Kunst des Kartographierens bis zur ultimativen Perfektion entwickelt war, sodass eine Karte im Massstab 1:1 punktgenau das ganze Reich erfasste und paradoxerweise gänzlich überdeckte. Jedoch verwitterte die Karte allmählich, und nachfolgende Generationen fanden nur noch wenige Überreste von ihr vor. Schenker übergoss in Wabern das Terrain mit Asphalt und pflanzte darin Buchsbäume und diverse Stauden ein. Seither wird die Asphaltkruste vom Pflanzenwuchs durchstossen, bröckelt ab, und da und dort macht sich ein Moosteppich breit.

Den Ort betonen

Asphalt ist auch das Material, das Schenker 2007 für ihre Arbeit «bleu du ciel» in der Ausstellung «Art en plein air» in Môtiers verwendete. Hier, im jurassischen Val-de-Travers, wurde während Jahrhunderten Asphalt abgebaut. Noch heute zeugen unterirdische Stollen davon. Schenker liess ein abgestuftes, kegelförmiges Loch graben und kleidete es mit Asphalt aus. An seiner Öffnung hat es einen Durchmesser von zehn Metern, es verjüngt sich drei Meter tief in die Erde hinein. Das Loch setzt ein vertikales Zeichen in diesem langen Tal, das seit den Römern eine Durchgangsachse ist, und noch heute kann man in diese Arbeit abtauchen, nur noch den Himmel sehen und an J.-J. Rousseau denken, der in Môtiers einen Zufluchtsort gefunden hatte. Im Sommer wird es heiss da unten, der weiche Asphalt riecht scharf, und es ist, als wäre man dem Erdinnern schon sehr nahe gekommen. Auch dieses Loch überlässt die Künstlerin wieder der Natur, die es von sich aus nach eigenen Gesetzen umformen wird.

anthos, Do., 2009.02.26

26. Februar 2009 Jacqueline Burckhardt

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