Editorial

Wird Planung besser, wenn viele mitreden? Oder sollen das Volk und seine Vertreter nur Rahmenbedingungen vorgeben und das Planen Fachleuten überlassen? Die Antwort hängt davon ab, was mit Planung gemeint ist: Das Entwerfen von Gebäuden und Ingenieurbauwerken soll Sache der Spezialistinnen und Spezialisten sein. Auf übergeordneten Ebenen jedoch, in Stadt-, Orts- und Raumplanung, wo eben die Rahmenbedingungen der baulichen Entwicklung festgelegt werden, müssen möglichst viele mitreden können, wenn das Resultat nachhaltig sein soll. Das fordern die Vereinten Nationen: «Eine der Grundvoraussetzungen für die Erzielung einer nachhaltigen Entwicklung ist die umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit an der Entscheidungsfindung. Darüber hinaus hat sich im spezifischeren umwelt- und entwicklungspolitischen Zusammenhang die Notwendigkeit neuer Formen der Partizipation ergeben. Dazu gehören die Mitwirkung von Einzelpersonen, Gruppen und Organisationen an Umweltverträglichkeitsprüfungen sowie ihre Unterrichtung und ihre Beteiligung an Entscheidungen, insbesondere solchen, die eventuell die Gemeinschaft betreffen, in der sie leben und arbeiten.» So steht es in Kapitel 23.2 der Agenda 21, die die Uno-Konferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio verabschiedet hat.

Partizipation ist umständlich, aber mittel- und langfristig effizient. Durch den Einbezug aller Interessen wird nicht nur Akzeptanz für die Resultate der Planung geschaffen, sondern auch für deren reale Umsetzung. Das Design von mehrheitsfähigen Vorlagen ist jedoch nur der eine, mittelfristige Vorteil von Partizipation. Wenn sie ernsthaft betrieben wird, birgt sie noch eine zweite, langfristige Effizienz: Durch die Konsultation möglichst Vieler werden Erfahrungen aus allen Teilen der Gesellschaft gesammelt und damit Warnungen vor unintendierten Handlungsfolgen, Fehlern, Unachtsamkeiten, Rücksichtslosigkeiten und damit vor Sackgassen der Entwicklung. Darin liegt die eigentliche Effizienz oder eben Nachhaltigkeit von basisdemokratischer Kultur.

So weit die schöne Theorie. In der Praxis ist die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Fachleuten und Laien schwierig. Im Bereich der Orts- und Raumplanung gibt es kaum Verfahren und Werkzeuge, die Laien verständlich sind und ihnen produktive Inputs ermöglichen. Ein Forschungsprojekt der ETH Zürich analysiert deshalb partizipative Planungen und entwickelt dabei tauglichere Instrumente. Lesen Sie dazu die Artikel von Lukas Kueng und Michael Martin. Philippe Cabane legt den Finger auf einen weiteren wunden Punkt: Noch zu selten gewähren Behörden und Experten partizipativen Prozessen effektiven Entscheidungsspielraum. Da helfen auch die besten Werkzeuge nichts.
Ruedi Weidmann

Inhalt

05 WETTBEWERBE
Bürgerspital Solothurn

14 PERSÖNLICH
Interview: «In der Politik sind wir viel wert»

15 MAGAZIN
Minergie steigert den Marktwert | Gestaltungswille und Ordnungswahn | Sensible Fledermausohren

24 PARTIZIPATION ZWISCHEN DIALOG UND KALKÜL
Philippe Cabane
Mitwirkung der Bevölkerung macht Ortsplanung nachhaltiger. Doch nicht jede partizipative Planung wird ihrem Namen gerecht. Ein Überblick über die häufigsten Pannen.

27 PLANEN IM TALKESSEL
Lukas Kueng
Ein Forschungsteam der ETHZ begleitete die Planung im Talkessel von Schwyz, untersuchte deren Methoden und entwickelte neue Werkzeuge, die sich besser für partizipative Prozesse eignen.

31 DREI NEUE WERKZEUGE
Michael Martin
Regeln für einheitliche Pläne, maschineller Modellbau und ein Kartenset zur Prozessmoderation könnten schon bald partizipative Planungen erleichtern.

36 SIA
SIA sagt Nein zu BoeB-Revision | OTIA-Preis 2009 | Mädchen und Technik | SIA-Fachverein A&K | Wettbewerbe: sinnvolle Berechnungen?

41 FIRMEN

43 PRODUKTE

53 IMPRESSUM

54 VERANSTALTUNGEN

Partizipation zwischen Dialog und Kalkül

1992 unterzeichneten 179 Nationen die Agenda 21 und anerkannten damit Partizipation als wichtigen Faktor für eine nachhaltige Entwicklung. Demnach können wirklich nachhaltige Massnahmen nur unter Beteiligung aller Betroffenen entwickelt werden. Seither werden auch in der Schweiz in der Raumund Ortsplanung und im Städtebau vermehrt Mitwirkungsprozesse organisiert. Doch wie weit werden die Bürgerinnen und Bürger tatsächlich eingebunden? Die off ene Kommunikationskultur, die für eine partizipative Planung nötig ist, entwickelt sich nur langsam.

Partizipation in der Planung kann als aktives Einbinden von Individuen und Organisationen in den Prozess der Willensbildung und Entscheidungsfi ndung verstanden werden. Speziell in der schweizerischen Referendumsdemokratie gehen Planungsvorhaben immer mit schwierigen Verhandlungen und Entscheidungsprozessen einher. Vorlagen für Zonenänderungen, Bebauungspläne oder Verkehrsinfrastrukturvorhaben sind Aufgabe der Planungsämter und werden in Form von Kredit- oder Gesetzesvorlagen dem Parlament unterbreitet. Den Parlamentariern und Parlamentarierinnen bleibt – etwas verkürzt ausgedrückt –, mit einem Ja oder Nein zu reagieren. Es liegt deshalb auf der Hand, dass erfolgreich planende Behörden kaum mehr im Stillen operieren und so ein Nein durch das Parlament riskieren. Vielmehr ist jedes Erarbeiten von Planungsvorlagen ein differenziertes politisches Kalkül, das die unterschiedlichen Interessen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auf eine mehrheitsfähige Vorlage hin strukturiert.

Vier Formen von Partizipation

In der heutigen Planungspraxis lassen sich vier Stufen der Partizipation unterscheiden: Information, Mitwirkung, Mitbestimmung und Selbstbestimmung. Selbstbestimmung bleibt auf die «vier Wände» des privaten Landeigentums beschränkt. Mitbestimmung ist im politischen System der Schweiz vor allem mit dem fakultativen oder dem obligatorischen Referendum möglich, also in der Form des Vetos. Mitwirkung und Information schliesslich werden inzwischen schon breit praktiziert. Die Planungsträger haben erkannt, dass sie mit Information nicht nur einem Bedürfnis der Betroffenen nachkommen, sondern auch politische Risiken vermindern. Werden die Betroffenen mit Planungsresultaten nicht einfach konfrontiert, sondern sorgfältig darüber informiert, können Missverständnisse und Ängste aus dem Weg geräumt und so das politische Risiko erheblich reduziert werden. Mitwirkungsprozesse gehen darüber hinaus. Sie haben den grossen Vorteil, dass die Meinungen, Vorstellungen und Wünsche in einem Dialog zwischen Betroffenen und Planenden schon in einer frühen Phase in ein Vorhaben eingebunden werden können. Entsprechend existiert eine ganze Palette von Instrumenten, die im Rahmen solcher Dialogprozesse angewandt werden. Dazu gehören etwa der runde Tisch, Echoräume, Begleitgruppen oder Workshop-Verfahren.

Erfolgreiche Kommunikation

Allen diesen Formen von Mitwirkung ist gemeinsam, dass sie von einer erfolgreichen Kommunikation zwischen zahlreichen Beteiligten abhängig sind, die unterschiedliche berufl iche und kulturelle Hintergründe haben und verschiedene Sprachen oder Fachsprachen sprechen. So schön sich das Zauberwort Dialog bei Politikern und politisch agierenden Planern anhört, so zentral ist die Frage, ob es sich bei dem, was in solchen Mitwirkungsverfahren angestrebt und tatsächlich exerziert wird, wirklich um einen offenen Dialog zwischen den Planungsträgern und der Bevölkerung handelt. Denn aus der Sicht von Politik, Behörde und Wirtschaft sind Mitwirkungsprozesse anstrengend, kompliziert und kostspielig. Sie werden häufig als einschränkend empfunden, weil «der grosse Wurf» oder eine rasche «Lösung» nur mehr schwer möglich sind. Wirkliche Innovation traut man solchen Prozessen nicht zu, oder man erachtet den Aufwand dafür als zu hoch. Darum verdient längst nicht alles, was Kommunikation genannt wird, diese Bezeichnung wirklich. Mancher runde Tisch entpuppt sich bei genauer Nachfrage als Informationsveranstaltung.

Wer darf mitwirken?

Werden Mitwirkungsprozesse vorbereitet, steht am Anfang immer die Frage: Wer soll zu welchem Zeitpunkt mit welchen Kompetenzen mitwirken? An diesem kritischen Punkt wird die Grundsatzentscheidung darüber gefällt, ob die Mitwirkung ernsthaft auf eine nachhaltige Entwicklung des Raums orientiert sein soll – und möglicherweise unerwartete Resultate und Lösungsansätze zeitigen darf – oder ob sie nur instrumentalisiert wird, um einen gewünschten politischen Entscheid sicherer zu erreichen. Prozesse der zweiten Art kommen leider noch allzu häufi g vor. Sie schöpfen das Potenzial der Mitwirkung nicht aus und riskieren gar, politisches Vertrauen zu verspielen. Wenn sich beteiligte Interessengruppen instrumentalisiert vorkommen, droht solche nur ungenügend partizipative Planungskultur die Politik- und Planungsverdrossenheit eher noch zu fördern als abzubauen und kann sich gar als politischer Bumerang für eine Planung herausstellen. Nachfolgend soll anhand von Beispielen auf gezeigt werden, wo typische Verzerrungen der Kommunikation bei Mitwirkungsprozessen stattfi nden können.

Visualisierung

Ohne Visualisierungen geht heute gar nichts mehr. Längst hat die Welt der computergenerierten realistischen Darstellungen den Plan ersetzt. Mit Hilfe von farbigen Renderings, dynamischen Panoramen und animierten Flügen durch den Raum soll den Betroffenen auf einfache Art und Weise ein Vorhaben verständlich gemacht werden. Immer aufwendigere und realistischere Visualisierungen begleiten heute Planungsprozesse – und suggerieren leider häufi g ein völlig falsches Bild der künftigen Realität. Als Beispiel sei ein simpler Trick erwähnt, den inzwischen schon die Studierenden kennen: Wirkt ein Stadtplatz zu klein, hilft eine Darstellung im Weitwinkelmodus. Im Teleobjektivmodus lässt sich umgekehrt mehr Dichte suggerieren. Damit Visualisierungen als Hilfsmittel für Mitwirkungsprozesse mit Laien anerkannt werden können, brauchte es im Prinzip Regeln, die das Verzerren von Darstellungen begrenzen.

Auswahl der Mitwirkenden

Dass niemals die gesamte Bevölkerung mitwirken kann, ist klar. Jedem Mitwirkungsprozess geht deshalb die Entscheidung voraus, wer sich wann beteiligen darf. Nach welche Kriterien wird diese Auswahl getroffen? Hier wird häufig der politische Aspekt den sachlichen Kriterien vorangestellt. So setzen sich in der Regel – immerhin – Gruppen durch, die auf politischer Ebene eine Gefahr für ein Vorhaben darstellen könnten. Dagegen haben es nichtorganisierte Interessen äusserst schwer, in partizipativen Verfahren berücksichtigt zu werden, und bleiben auf der Strecke, sofern ihre Anliegen nicht wenigstens anwaltschaftlich vertreten werden. Für die Organisatoren von wirklich breit abgestützten Mitwirkungsprozessen ist der Einbezug von nichtorganisierten Interessen, Erfahrungen und Know-how eine schwierige Aufgabe, für die oft zu wenig Ressourcen bereitgestellt werden.

Gegenstand der Mitwirkung Von zentraler Bedeutung ist die Abgrenzung des Bereichs, in dem die Betroffenen mitwirken dürfen. Hier setzt die Politik in aller Regel der Planung eine klare Grenze: Mitwirkung da, wo es nicht wirklich weh tut. Strategische Entscheidungen werden leider oft noch immer unter Ausschluss der Öffentlichkeit getroffen, und die wichtigen Entwicklungslinien werden schon vor der Mitwirkungsphase vorgespurt. Typische inhaltliche Ausrichtungen von Mitwirkungsprozessen betreffen dann etwa noch die Ausstattung des öffentlichen Raums mit Mobiliar für Spiel, Sport und Erholung, nicht aber strategische Grundentscheide wie die Verkehrsführung, die bauliche Dichte oder die Nutzungsverteilung in einem Quartier.

Informationsmanagement

Welche Informationen zu welchem Zeitpunkt an welchen Kreis von Betroffenen gehen dürfen, ist die kritische Frage für die Steuerung sämtlicher Mitwirkungsprozesse. Eine ungeschickte Informationspolitik kann zur Polarisierung der Positionen führen und einen Prozess blockieren. Oft leiden partizipative Planungsverfahren daran, dass beim Verteilen der nötigen Informationen eher auf die (wahlstrategischen) Interessen der verantwortlichen Politiker Rücksicht genommen wird als auf die Bedürfnisse des laufenden Planungsprozesses. Im Kontext von Wahlen sind Politikerinnen und Politiker geneigt, sich mit Informationen zurückzuhalten, um politischen Gegnern möglichst wenig Futter zu liefern. Dabei werden auch Informationen zurückgestellt, die der Vertrauensbildung und einem offenen Dialog zwischen Planenden und Betroffenen dienen würden.

Einsicht gefragt!

Diese kurz angeschnittenen Punkte zeigen auf, dass Partizipation nicht a priori Nachhaltigkeit generiert. Partizipation ist sowohl durch das politische Streben nach einfacher Mehrheitsbildung als auch durch den Glauben an eine bedürfnisgerechtere und nachhaltigere Planung geprägt. In diesem Spannungsverhältnis bewegen sich Planungsprozesse mit Mitwirkungsverfahren. Sollen sie wirklich partizipativ sein, bedarf es einiger entsprechender Regelungen betreffend der verwendeten Techniken und der Informationspolitik. Vor allem aber braucht es die Einsicht, dass die Ergebnisse mit Einbindung der Betroffenen weit besser sein können als ohne. Wird Mitwirkung dagegen nur von kurzfristigem, politischem Kalkül gelenkt, wird es schwierig sein, nachhaltige Ergebnisse zu erzielen.

[Philippe Cabane, freischaffender Soziologe und Urbanist, Vorstandsmitglied Stadtteilsekretariat Kleinbasel]

TEC21, Do., 2009.01.15

15. Januar 2009

Planen im Talkessel

Der Talkessel von Schwyz hat Nachhaltigkeitsdefi zite, wie sie für Agglomerationsgebiete typisch sind, und erwartet weitere Belastungen durch den Bau von A4 und Neat. Kanton und Gemeinden wollen dies als Chance für eine städtebauliche Transformation nutzen. Sie erarbeiten gemeinsam den Masterplan Rigi - Mythen. Ein Forschungsprojekt der ETH Zürich hat die Planung begleitet. Es untersucht die angewandten Methoden und entwickelt selber neue. Ziel ist, die Kommunikation zwischen den Fachleuten und mit der Bevölkerung zu verbessern.

Das Forschungsprojekt «Werkzeuge urbaner Morphogenese» unter der Leitung von Marc Angélil am Institut für Städtebau der ETH Zürich hat sich im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms «Nachhaltige Siedlungs- und Infrastrukturentwicklung» mit der räumlichen Entwicklung von Agglomerationsgebieten beschäftigt (vgl. Kasten). Weil diese Gebiete grosse Nachhaltigkeitsdefi zite aufweisen, wurden die Mechanismen und Prozesse untersucht, die für die strukturelle und morphologische Entwicklung peripherer Regionen von Bedeutung sind. Das Forschungsprojekt richtete das Interesse auf das planerische und städtebauliche Handeln: Welche Werkzeuge stehen zur Verfügung, um die räumliche Entwicklung der gebauten Umwelt nachhaltiger zu gestalten? Im Rahmen einer Fallstudie ergab sich eine Zusammenarbeit mit dem Amt für Raumentwicklung des Kantons Schwyz. Am Beispiel eines konkreten Planungsprozesses im Talkessel von Schwyz konnten städtebauliche Werkzeuge entwickelt und getestet werden.

Kanton Schwyz sucht neue Wege

Der Kanton Schwyz möchte Transparenz, Information und Aufklärung zu einem festen Bestandteil der Planung machen. In der Richtplanergänzung für die Region Rigi - Mythen sollte die Sensibilisierung der Bevölkerung für Gründe, Herausforderungen und Möglichkeiten der räumlichen Entwicklung eine zentrale Rolle spielen. Ein öffentlicher Dialog über städtebauliche Entwicklung ist gerade in Gebieten am Rand der Metropolitanregion Zürich dringend nötig.

Die Region Rigi - Mythen umfasst das Gebiet zwischen Arth-Goldau am Zugersee und Brunnen am Urnersee mit dem Talkessel von Schwyz im Zentrum. Es kann als typisches Beispiel für die Probleme von Siedlungs- und Landschaftsräumen peripherer Regionen betrachtet werden: Zunahme der Wohnbevölkerung über die vergangenen Jahrzehnte, Zersiedelung der Landschaft, Infrastrukturengpässe im individuellen und öffentlichen Verkehr, weitgehend fehlende öffentliche Einrichtungen und zunehmende Bedrohung der Siedlungsgebiete durch Naturgefahren stellen Planung und Städtebau vor zahlreiche Herausforderungen.

Als Hauptprobleme werden in Schwyz der gegenwärtige Bau der Autobahn A4 durch das Knonauer Amt und die neue Eisenbahn-Alpentransversale (Neat) diskutiert. Die A4 wird vermutlich den Siedlungsdruck auf den Talkessel durch die verbesserte Anbindung an das Zentrum Zürich verstärken, was zu einer Intensivierung der geschilderten Probleme führen könnte. Nach der voraussichtlichen Eröffnung des Gotthard-Basistunnels im Jahr 2017 muss mit einer massiven Zunahme des Güterverkehrs durch den Talkessel gerechnet werden, was eine erhöhte Belastung für Umwelt und Bevölkerung und zahlreiche Nebeneffekte mit sich bringt. Die Kapazitätsansprüche der Transitachse könnten beispielsweise den regionalen Schienenverkehr verdrängen. Es muss auch damit gerechnet werden, dass durch den Ausbau der Neat-Zulaufstrecken verschiedene Grossbaustellen von teilweise jahrzehntelanger Dauer den Raum belasten werden. Es ist klar, dass solche auf nationaler und internationaler Ebene verankerte Infrastrukturvorhaben die planerischen Möglichkeiten der betroffenen Gemeinden übersteigen. Weil der kantonale Richtplan ein zu allgemeines und die Zonenpläne der Gemeinden zu spezifi sche Instrumente sind, um die genannten Herausforderungen anzugehen, wurde unter der Leitung des kantonalen Amts für Raumentwicklung und unter Einbezug aller betroffenen Gemeinden eine regionale Ergänzung des kantonalen Richtplanes für die Region Rigi - Mythen erarbeitet. Die Grundlage für diesen die Gemeindegrenzen überschreitenden Planungsprozess bildete ein sorgfältiges Aufklärungsund Informationskonzept. Es beschrieb die Entwicklung nicht primär als Bedrohung, sondern als Chance für eine städtebauliche Transformation des Talkessels.

Partizipation und eine öffentliche Ausstellung

Herzstück der Richtplanergänzung ist ein integratives städtebauliches Konzept für den Talkessel, in dem die Bereiche Siedlungsentwicklung, Infrastruktur, Landschaft und öffentlicher Raum in einen städtebaulichen «Masterplan Rigi - Mythen» integriert wurden. Im Unterschied zu anderen Richtplanungen wurde dabei bewusst die projekthafte Annäherung an den Raum gesucht. In regelmässigen Zusammenkünften zwischen dem Amt für Raumentwicklung, Gemeindevertretern und externen Fachplanern wurde ein räumlich flexibles und zeitlich offenes urbanes Richtprojekt erarbeitet. In mehreren Schritten gelang es, die Anliegen von zahlreichen Beteiligten und Betroffenen zu präzisieren und zu integrieren. In einer intensiven redaktionellen Begleitung wurden die Informationen und Gedanken laufend gesammelt, aufbereitet und visualisiert. Dadurch konnten unerwartete Synergien zwischen vermeintlich widersprüchlichen Anliegen erkannt und gefördert werden.

Nachdem diese regelmässigen Inputs konsolidiert worden waren, ging der Entwurf auf unkonventionelle Weise an die Öffentlichkeit. Unter dem Titel «Von der Talschaft zur attraktiven Voralpenstadt» eröffnete eine öffentliche Ausstellung im Forum für Schweizer Geschichte in Schwyz das Vernehmlassungsverfahren. Die Ausstellung vermittelte nicht nur Inhalte, sondern war als Plattform für den Austausch von Informationen und Ideen zwischen Politik, Behörden, Fachleuten und Bevölkerung angelegt. Ein Überblick über die historische Entwicklung der Region bildete die Grundlage für ein Verständnis der heutigen städtebaulichen Strukturen (Morphologie). Auf Video aufgezeichnete Stellungnahmen unterschiedlicher Akteure – vom Schulkind bis zum erfahrenen Raumplaner – dienten der Vermittlung der thematischen Vielfalt und der Komplexität planerischer und städtebaulicher Phänomene. Der «Raum» stand im Zentrum der Ausstellung: Auf weisse Modelle wurden unterschiedliche Entwicklungsszenarien, planerische Massnahmen und städtebauliche Eingriffe projiziert und so die Zusammenhänge von Siedlungs-, Infrastruktur- und Landschaftsentwicklung aufgezeigt. Mögliche Synergien, die heutige und künftige Dynamiken für die bewusste Transformation des Raums nutzen, wurden anschaulich dargestellt und erklärt. Vorträge, Diskussionsforen und Fragerunden mit den verantwortlichen Politikern und Planungsfachleuten rundeten das Angebot ab.

Die Ausstellung zog ein grosses Publikum an. Vielen wurde klar, dass die Entwicklungsdynamik ein Umdenken erfordert. Es wurde deutlich, dass sich die Schwyzerinnen und Schwyzer heute im regionalen Massstab bewegen, sei es auf dem Arbeitsweg oder in der Freizeit. So konnte vermittelt werden, dass Fragen der räumlichen Entwicklung jede und jeden etwas angehen und alle bewusst oder unbewusst Ansprüche an den Raum formulieren. Die Selbstwahrnehmung als Landregion muss einem neuen Leitbild weichen, das den Talkessel und seine spezifi schen Qualitäten in einem metropolitanen Gesamtzusammenhang begreift. Anstatt auf ein schnelles «Durchdrücken» des Richtplanentwurfs zu setzen und Einsprachefristen möglichst unbemerkt verstreichen zu lassen, wählte der Kanton damit ein auf Verständnis ausgerichtetes Vorgehen. Gerade weil langfristige und vernetzte Strategien meist nicht so einfach zu erklären sind wie kurzfristige und reaktive Massnahmen, mussten den Betroffenen auch die Hintergründe und Überlegungen zu den vorgeschlagenen Vorgehensweisen dargelegt werden.

Anschauliche Werkzeuge

Kantonale Richtpläne sind zwar darauf ausgelegt, überkommunale Planungsprozesse zu koordinieren und zu steuern. Doch bleiben die Massnahmen in Form und Inhalt oft sehr abstrakt. Die Erfahrungen in Schwyz haben gezeigt, dass als Ergänzung zu den institutionalisierten Verfahren Wege gefunden werden müssen, wie räumliche Entwicklungen und die Auswirkungen planerischer und städtebaulicher Strategien auch für Laien veranschaulicht werden können. Zu diesem Zweck hat die Forschungsgruppe Instrumente und Methoden entwickelt und im Lauf der Planung in Schwyz testen können (vgl. dazu den folgenden Artikel).

TEC21, Do., 2009.01.15

15. Januar 2009 Lukas Kueng

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