Editorial

Wir befinden uns im Jahr 2008 n.Chr. Ganz Europa nutzt seine römischen Ruinen, um den Kulturtourismus zu fördern. Ganz Europa? Nein! Zwei kleine Dörfer, eines im Baselbiet und eines im Aargau, hören nicht auf, Widerstand zu leisten gegen die Überreste des römischen Reiches. Unbeeindruckt lassen sie altes Gemäuer, Münzen und Scherben im Boden stecken und bauen darüber am liebsten in Ruhe ihre Einfamilienhäuser.

Das Leben ist nicht leicht für die Gemeinde Augst, die ihr Siedlungsgebiet ausdehnen möchte. Denn die Wahrscheinlichkeit, beim Bauen auf Funde aus römischer Zeit zu stossen, ist gross. Bauherren verfluchen den mit so viel Geschichte «kontaminierten» Boden. Ihren Absichten steht das Bestreben der Öffentlichkeit nach Erhalt der römischen Kulturgüter entgegen. Die Archäologie ist fasziniert von den Zeugnissen aus der römischen Stadt Augusta Raurica, denn sie sind in mancher Hinsicht einmalig. Der Kanton Basel-Landschaft wacht als Schirmherr über sie. Das bedeutet eine Gratwanderung für die kantonale Raumplanung. Um den Nachbarschaftskonflikt abzuschwächen, hat sie den Spezialrichtplan Salina-Raurica erarbeitet. Den langen Weg bis zur Landratsvorlage fasst der Beitrag «Die Lebenden gegen die Toten» zusammen.

Die Nähe zwischen den Ruinen und der Besiedlung im Oberdorf wird besonders im römischen Theater spürbar. Der bis in die frühe Neuzeit als Steinbruch genutzte Bau wurde in den letzten Jahren saniert. Dabei wurde ein Teil der unteren Sitzreihen wiederhergestellt. Denn das «neue» Theater soll nicht nur ein Bauwerk der Vergangenheit zeigen, sondern wieder als Theater genutzt werden. Der Artikel «Theaterruine bespielen» zeigt die Sanierungsstrategie auf.

Das Theater gehört zur Minderheit der römischen Bauten, die überhaupt sichtbar sind. Der grösste Teil von Augusta Raurica liegt immer noch im Untergrund verborgen. Auf welcher Schatzkiste Augst und Kaiseraugst sitzen, beschreibt der Artikel «Das Wertvollste sieht man nicht». Mit dem Ausgraben beginnt der Kampf gegen den Verfall der Ruinen. Oft werden die römischen Funde daher dokumentiert und anschliessend wieder überschüttet. So bleiben sie für künftige Generationen erhalten ...

Inhalt

05 WETTBEWERBE
Seebadsanierung Luzern | Leuchtturm Wädenswil | Swiss Mountain Water Award 2008

10 MAGAZIN
Römermuseum Xanten | Schadstoffärmere Holzfeuerungen

16 DAS WERTVOLLSTE SIEHT MAN NICHT
Alex R. Furge
Augusta Raurica: eine Stätte der archäologischen Forschung und der zeitgemässen Kulturvermittlung.

19 THEATERRUINE BESPIELEN
Ines Horisberger-Matter
Umgang mit historischer Bausubstanz und einer modernen Nutzung des römischen Theaters.

22 DIE LEBENDEN GEGEN DIE TOTEN
Hans-Georg Bächtold, Sabine Fischer
Über den Raumplanungskonflikt der Siedlungsentwicklung in Augst und den Erhalt der Funde der Römerstadt.

27 SIA
Miturheberschaft: juristische Folgen | Young Engineers’ Symposium | NPK-Vernehmlassungen

30 PRODUKTE

37 IMPRESSUM

38 VERANSTALTUNGEN

Das Wertvollste sieht man nicht

Im 16. Jahrhundert begann man in Augst im Kanton Basel-Landschaft erstmals, die Römerstadt Augusta Raurica zu erforschen. Das Interesse an den römischen Ruinen und Fundgegenständen wurde in der Romantik wiederbelebt. Bis heute ist die archäologische Forschung das Kerngeschäft der Römerstadt. Doch auch die zeitgemässe Kulturvermittlung gehört zu ihren Aufgaben.

Im 16. Jahrhundert begann man in Augst im Kanton Basel-Landschaft erstmals, die Römerstadt Augusta Raurica zu erforschen. Das Interesse an den römischen Ruinen und Fundgegenständen wurde in der Romantik wiederbelebt. Bis heute ist die archäologische Forschung das Kerngeschäft der Römerstadt. Doch auch die zeitgemässe Kulturvermittlung gehört zu ihren Aufgaben. Seit der Zeit der Basler Humanisten im späten 16. Jahrhundert wird Augusta Raurica erforscht. Die ersten Grabungen im Theater mit ihrer pionierhaften Dokumentation gelten als die frühesten wissenschaftlichen Untersuchungen in der Archäologie nördlich der Alpen. Die Monumente der 10 km östlich von Basel am Rhein gelegenen Stadt sind aber grösstenteils im Boden verborgen. Auch wenn die öffentlichen Bauten wie Theater und Tempel in der Frühzeit der Erforschung im Zentrum des frisch geweckten Interesses standen, weisen sie nicht jenen Erhaltungszustand auf, den wir als staunende Mittelmeertouristen gerne bewundern. Einzig das renovierte Theater gilt als das besterhaltene Römertheater nördlich von Italien.

In den letzten 80 Jahren hat sich das Forscherinteresse zwangsläufig von den öffentlichen, oft monumentalen Bauten in Richtung der einfachen Wohn- und Handwerkerquartiere verlagert. Grund dafür war die bauliche Entwicklung in Augst und Kaiseraugst: Notfallmässig gegraben wurde, wo Neubauten geplant waren. Noch ist nicht der ganze antike Stadtperimeter von 107 ha zerstört und modern überbaut. Das neue Archäologiegesetz und das Raumplanungsprojekt «Salina Raurica» werden das auch in Zukunft verhindern. Zumindest auf Baselbieter Boden ist im Bereich der römischen Oberstadt keine weitere Wohnraumerschliessung auf Kosten des archäologischen Erbes vorgesehen.

Bestens erhaltene Römerstadt: Weltkulturerbe?

Was sich von den zentralen antiken Quartieren rings um das moderne Augster «Oberdorf» bis heute noch im Boden erhalten hat, ist in seiner horizontalen und vertikalen Ausdehnung einzigartig: Schichtpakete bis zu 5 m Gesamtmächtigkeit zeugen von einer 400-jährigen Besiedlungsabfolge. Die ausgedehnten, nie modern überbauten Römerstätten in Nordafrika und im Orient sind oberflächlich zwar besser erhalten als Augusta Raurica; mangels Planierung und landwirtschaftlicher Erschliessung sind ihre Baureste kaum mit Humus überdeckt. Was die archäologischen Bodenzeugnisse von Augst aber einmalig macht, sind die lange, kontinuierliche Siedlungsgeschichte und die unzähligen Umbauten, Hausbrände oder Stadterweiterungen. Fast alles, was die 15 000 bis 20 000 Bewohnerinnen und Bewohner in ihrer Stadt liegen gelassen haben, ist heute in einer faszinierenden Stratigrafie Schicht für Schicht abgelagert – genau dort, wo die Gefässe in Bruch gingen, die Münzen verloren gingen oder die Hausmauern eingerissen wurden.

Kerngeschäft archäologische Forschung

Die Nachkommen der Basler Humanisten sorgten seit 1937 dafür, dass kaum mehr ein Haus in Augst erbaut werden konnte, ohne dass zuvor eine archäologische Rettungsgrabung durchgeführt worden wäre. Bis 1935 besorgte dies sporadisch die Historische und Antiquarische Gesellschaft zu Basel, danach viel gezielter die neu gegründete Stiftung Pro Augusta Raurica. Ab 1975 übernahm der Kanton Basel-Landschaft mit einem historischen «Römervertrag» Federführung, Finanzierung und Verantwortung für die römische Stadt. Heute ist «Augusta Raurica» ein Betrieb mit 60 Mitarbeitenden der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion des Kantons Basel-Landschaft.

Die archäologische Forschung ist die wichtigste Tätigkeit. Die Grabungen der letzten Jahrzehnte haben eine gute wissenschaftliche Ausgangslage geschaffen: Alle Grabungsdokumente und Funde sind zentral vor Ort für die Forschung greifbar. Das ist selten, denn die archäologischen Objekte und Dokumentationen von Rom, Pompeji, Pergamon oder Karthago sind unvollständig und häufig weltweit verstreut. Augusta Raurica ist ein Dorado für die hier tätigen Archäologinnen und Archäologen, aber auch für die Universitäten. In den letzten 25 Jahren sind zwei Habilitationsarbeiten, 20 Dissertationen, 30 Lizenziats- und Masterarbeiten und weitere 30 Auftragsarbeiten in und über Augusta Raurica geschrieben worden.

1,6 Millionen Funde - „versteckt“ in Museumsdepots

Diese ideale Basis äussert sich in den Zahlen publizierter Fundgattungen. Bisher sind an keinem anderen Römer-Fundort ähnlich grosse Serien ausgewertet und der Forschung zur Verfügung gestellt worden. Von den rund 25 000 römischen Münzen aus Augst und Kaiseraugst sind die 7500 Altfunde (bis 1972) restauriert, numismatisch bestimmt, ausgewertet und publiziert (1996). Eine viel beachtete Dissertation («Die römischen Gläser aus Augst und Kaiseraugst») über die Glasfunde aus Augusta Raurica umfasst 5100 Katalognummern (1991), eine ebenso oft in der internationalen Forschung zitierte Monografie («Die Amphoren aus Augst und Kaiseraugst») über die 5800 Amphorenfunde aus Augusta Raurica (1987/ 1994) ist gleichermassen zum Standardwerk geworden. Eine ähnlich dominante Rolle spielen die 3000 Fibeln (1979/1994) und die 1500 Schreibgriffel (2009) sowie einige andere Fundgattungen.

Solche Funde und die auf den Ausgrabungen freigelegten archäologischen Strukturen sind die «Beweise» der Archäologen, die ihnen erlauben, mit kriminalistischen Methoden wissenschaftliche «Indizienprozesse» zu führen und auf diese Weise grosse und kleine, persönliche und generelle «Geschichten» zu rekonstruieren. Von den derzeit 1.6 Millionen Funden aus Augusta Raurica sind heute nur 0.01 % ausgestellt. Für Highlights wie Mosaiken, kaiserliche Reiterstatuen und den Silberschatz ist kaum Platz vorhanden. Konzepte für ihre Präsentation sind hingegen längst vorhanden. Die von der Forschung erarbeiteten Erkenntnisse sind von den Bildungs- und Vermittlungsfachleuten in zahlreichen konkreten «Geschichten» zur antiken Kultur in Augusta Raurica aufbereitet worden. Diese stehen bereit und sollen in den nächsten Jahren bzw. Jahrzehnten den Besuchern vorgestellt werden, wenn dereinst in einem neuen Museum den Restauratoren zugeschaut werden kann, die Funddepots besichtigt und Bezüge zwischen Fundort im Gelände und Objekt im Museum hergestellt werden können.

Graben „auf Teufel komm raus“?

Archäologinnen und Archäologen werden immer wieder gefragt, wo weitergegraben würde und was man als Nächstes freilegen wolle. Seit mindestens einer Generation hat in der Forschung diesbezüglich ein Umdenken stattgefunden: Man ist sich heute bewusst, dass archäologische Objekte im Boden besser gegen Korrosion und Zerfall konserviert sind als im besteingerichteten Museum, und musste erkennen, dass jede Ausgrabungs- und Dokumentationsmethode verbesserungsfähig ist. Deshalb wird angestrebt, dass das, was 2000 Jahre überdauert hat, der Allgemeinheit für künftige Generationen zu bewahren sei und nicht kurzfristigen Interessen geopfert werden sollte. Es kommt auch günstiger, denn «kaufen ist billiger als graben» (Votum im basellandschaftlichen Parlament), und so hat der Kanton für knapp 20 Mio. Fr. das zu schützende Römerstadtgebiet in der Bauzone erworben und damit Notgrabungskosten von rund 200 Mio. Fr. verhindert.

Für den grundlegenden nachhaltigen Kulturgüterschutz bietet das Baselbieter Raumplanungsprojekt Salina Raurica nun die rechtsverbindliche Grundlage. Anders als in Kaiseraugst (Kt. Aargau), wo bereits zu viel durch die moderne Bautätigkeit zerstört ist, wird in Augst in Zukunft nur noch in zwei Fällen gegraben: zu Forschungszwecken und bei Zusatznutzungen innerhalb des schon bestehenden Bauperimeters. Seit 1999 werden jährlich Schul- und Publikumsgrabungen in Augusta Raurica angeboten. Unter professioneller Leitung können Interessierte aller Altersklassen an einer Ausgrabung mitwirken. Eines der Ziele dieser Grabungskurse ist es, den Unterschied zwischen reiner Schatzgräberei und seriöser Ausgrabung zu zeigen.

Naherholungsgebiet, Freilichtmuseum und Open-Air-Bühne

Die Verantwortlichen von Augusta Raurica haben drei Besuchergruppen definiert, denen ihr Bemühen für ein attraktives Angebot gilt: Schulen mit ihrem Bildungsauftrag, Familien mit Kindern und deren Bedürfnis nach Freizeitbeschäftigung und Unterhaltung sowie Einzelpersonen, das heisst: Erwachsene ohne Kinder, aber mit Zeit und zahlreichen Interessen. Mit jährlich 1400 Schulklassen ist die Römerstadt «das beliebteste Klassenzimmer der Region», wie es der Baselbieter Kulturdirektor Urs Wüthrich ausdrückte. Grund für diesen Erfolg sind sicher die didaktisch gut erschlossenen Anlagen im Gelände, das beliebte Römerhaus und die Workshops für Schulklassen.

Leider wurde die Anbindung an den öffentlichen Verkehr vernachlässigt und muss verbessert werden. Touristisch hat Augusta Raurica ein grosses Potenzial, denn kein Ort im Kanton Basel-Landschaft ist im Ausland so bekannt wie die römische Stadt bei Augst. Die Attraktivität von Augusta Raurica als Naherholungsgebiet wird in den nächsten Jahren – mit der Bespielung des Theaters und der Umsetzung von Salina Raurica – noch wachsen: Je mehr Arbeitsplätze und Wohnungen im Planungsraum entstehen, desto knapper werden Grünflächen. Die alte Römerstadt könnte sich dann – dank dem Schutz vor weiterer Überbauung – wie eine grüne Lunge präsentieren: als attraktiv vernetzter Kultur- und Naturraum für die Bevölkerung.

[Alex R. Furger, Archäologe Dr. phil., Direktor von Augusta Raurica]

TEC21, Mo., 2008.10.27

27. Oktober 2008

Theaterruine bespielen

Das römische Theater lag einst im Herzen der antiken Stadt Augusta Raurica. Die jüngste Sanierung dauerte von 1992 bis 2007. Dabei sollten der vertraute Ruinencharakter des Theaters bewahrt und die archäologischen Befunde langfristig konserviert werden. Um das Bauwerk fachgerecht zu sanieren, war die Wahl der Materialien und der Techniken zentral. Damit im Theater wieder Veranstaltungen stattfinden können, wurden die Sitzstufen im unteren und mittleren Rang partiell wiederhergestellt.

Das römische Theater von Augst gilt als kulturhistorisches Monument von nationaler Bedeutung. Mit den Verpflichtungskrediten zur Sicherung und Erhaltung dieses antiken Bauwerks kam der Kanton Basel-Landschaft Anforderungen zum Schutz von Kulturgütern nach, die Unesco und Icomos (International Council of monuments and sites) in einem internationalen Übereinkommen formulierten. Der Auftrag beinhaltete neben der baulichen Sicherung die Forderung nach einer verbesserten Nutzbarkeit des Theaters. Die im April 1992 begonnenen Sanierungsarbeiten konnten im Januar 2007 abgeschlossen werden. Das Hochbauamt des Kantons Basel-Landschaft hatte die Federführung des Projektes. Die Betriebsform der Bauhütte ermöglichte es, archäologische und bautechnische Probleme koordiniert zu bearbeiten. Das Team wurde in seinen Entscheidungen durch vierteljährliche Treffen mit Konsulenten der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege unterstützt.

Materialien und Techniken

Bereits zu Beginn der jüngsten Sanierungskampagne waren infolge der mehr als 100 Jahre dauernden Restaurierungstätigkeit beachtliche Teile der sichtbaren Mauerschalen meist unter Verwendung alter Kalksteinquäderchen geflickt oder ersetzt. Im Hinblick auf die optische Einheitlichkeit der Mauerpartien wurde diese durch frühere Arbeiten gesetzte Prämisse akzeptiert und für die Arbeiten am antiken Mauerwerk vorwiegend Naturstein eingesetzt. Der erhaltene antike Mauerkern wurde durch eine moderne «Ummantelung» gegen Witterungs- und Umwelteinflüsse geschützt. Die Lagerflächen der in den sanierten Mauerschalen verbauten Handquäderchen aus Comblanchien-Kalkstein sind gesägt, wodurch die Bearbeitungsspuren langfristig als neuzeitlich erkennbar bleiben, während die gebrochenen Frontflächen sich ins Bild der antiken Mauerschalen einfügen.

In Anbetracht der spezifischen Schadensbilder wurde der Wahl der Bindemittel und der darin enthaltenen Alkalien spezielle Aufmerksamkeit geschenkt. Der einzusetzende Mörtel sollte «weicher» sein als die verwendeten Bausteine, zudem dampfdiffusionsoffen, salzarm, geschmeidig in der Verarbeitung, und er sollte sich farblich dem bestehenden Mauerwerk anpassen. Es wurde schliesslich sogenannter «verlängerter» Mörtel auf Kalkbasis verwendet, dem, um die Festigkeit zu erhöhen und die Abbindezeit zu verkürzen, geringe Mengen an Zement zugesetzt wurden. Zunächst wurde entsprechend dem damaligen Forschungsstand ein Trasszement mit niedrigem wasserlöslichem Alkaliengehalt verwendet, ab 2004 boten die sogenannten NA-Zemente, die aufgrund ihrer ausgesuchten Materialkomponenten einen sehr niedrigen wirksamen Alkaliengehalt aufweisen, eine bessere Alternative. Infolge von Frostsprengung oder durch Stauchdruck auf die Mauerschalen entstandene Klüfte wurden mit einem auf der Basis von natürlichem hydraulischem Kalk entwickelten Vergussmörtel gefüllt. Gegen eindringendes Oberflächenwasser wurde über dem antiken Mauerkern eine dampfdiffusionsoffene Isolationsschicht aufgetragen. Die darüber angebrachte, ruinenhaft erscheinende Übermauerung bildet eine moderne Verschleissschicht. An statisch kritischen Stellen verstärken Glasfaser- oder Titananker die Verbindung zwischen altem und neuem Mauerwerk. Die Köpfe der nur leicht vorgespannten Anker wurden nach der Dokumentation ihrer Lage übermauert. Die Sanierung der antiken Mauerschalen erwies sich als aufwendig und kostenintensiv. Die Entfernung des im Rahmen von früheren Restaurierungsmassnahmen grossflächig zur Verfugung applizierten Portlandzementmörtels war in den meisten Fällen zeitraubend. Je nach Erhaltungszustand mussten danach die durch den Frost in kleinste Stücke gesprengten Handquader zusammengeklebt werden. Die arbeitsintensive Feinsanierung an den einzelnen Schalenquäderchen wurde nicht primär aus Gründen der Optik vorgenommen, es ging vielmehr darum, durch eine möglichst geschlossene, aber dennoch diffusionsfähige Mauerfront weiteren Frost- und Vegetationsschäden vorzubeugen.

Architekturwettbewerb

Dank dem Konzept, den untersten Sitzstufenbereich aufzufüllen, wird die jüngste Bauphase des Theaters in ihrer ursprünglichen Form deutlicher lesbar. Die Rekonstruktion des Sitzstufenbereiches an der Oberfläche dieser Auffüllung bildete das Hauptthema eines 1997 unter drei Büros durchgeführten Architekturwettbewerbes, den das Büro ArchiCo, Basel, gewann. Der definitive Entscheid zur Ausgestaltung des prominent erscheinenden, reversiblen Sitzstufeneinbaus und die Festlegung der technischen und ästhetischen Details erfolgten in Abstimmung mit den Konsulenten der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege. Die moderne Konstruktion aus Drahtschotterkörben nähert sich in Massen und Farbe den antiken Sitzstufenquadern aus Sandstein an und bietet eine gute Grundlage für die moderne Nutzung. Die Zahl der verfügbaren Sitzplätze wurde durch eine nur teilweise Rekonstruktion des zweiten Rangs auf maximal 2000 begrenzt, womit Rücksicht auf die Anwohner genommen wurde. Die Drahtseilabsperrung als Absturzsicherung innerhalb des Sitzstufenbereiches orientiert sich an der Gestaltung der Drahtschotterkörbe, wobei im Mauerbereich eine «Geländerfunktion» oft durch ein einfaches Hochziehen von Mauerschalen erreicht werden konnte.

Die Besucher werden seit einer Umgestaltung des nordwestlichen Theatervorfeldes entlang der antiken Zugangsachsen über eine Stahlbrücke in den nördlichen Hauptzugang geführt.

Konzessionen an die Nutzung

Die Farben der verschiedenen Bodenbeläge im römischen Theater sind archäologisch indiziert. Stellvertretend für die im ehemaligen Aussenbereich verlegten Sandsteinplatten wurde eine mit einer Kunstharzdispersion verfestigte rote Splittschicht auf eine Trägerschicht aus Magerbeton aufgebracht, die Mörtelböden im ehemaligen Innenbereich wurden durch beige eingefärbten Magerbeton imitiert. Die Dimension des Bühnenbodens wurde im Hinblick auf eine zukünftige Nutzung festgelegt, da von archäologischer Seite keine Angaben zur Grösse der antiken Bühne vorliegen. Die eingebaute Konstruktion aus Eichenbrettern hebt sich bewusst von den übrigen in Stein ausgeführten Bereichen ab. Um das Theater in das umgebende Gelände einzubetten, wurden die Wege mit Schotterrasenbelägen versehen. Durch den Einbau von streifenartigen Betonrampen in der Mitte einiger Wege wurden behindertengerechte Zugänge zum oberen Umgang, zur Orchestra und zur Kioskplattform geschaffen.

[Ines Horisberger-Matter, eidg. dipl. Ausgrabungstechnikerin, 2002–2007 technische Leitung der Theatersanierung]

Literatur:
Jahresberichte aus Augst und Kaiseraugst 12 ff ., 1991 ff.
Grabungsdokumentation 1992–2007 der Theatersanierung (Archiv Ausgrabungen Augst / Kaiseraugst)
Augusta Raurica, Sanierung szenisches Theater Augst. Broschüre, herausgegeben anlässlich der Übergabe am 9. Mai 2007 (Liestal 2007)

TEC21, Mo., 2008.10.27

27. Oktober 2008

4 | 3 | 2 | 1