Editorial

Editorial

These days there are certain topics that editors, mindful of current trends in house building, should no longer include in their publications. The current issue of AW on the typology of single-family homes is such an example. Indeed, there are many arguments that have been raised recently against this form of habitation, exemplified in the current debate about sustainability and energy efficiency, various reasons of an economic nature and, of course, by simple statistics: In Germany the number of planning permissions granted for owner-occupied houses has dropped by almost 60 per cent since 2006.
In May of last year a group of Austrian architects even launched a campaign at www.wir-planen-keine-einfamilienhaeuser-mehr.at, the very address spelling out their mission: „We no longer design single-family homes.“ Hoping to get at least 1000 supporters for their initiative they were inviting signatories to vote against the building of private houses for just one family; but so far only 16 architects have signed up. And then there are the two sizable stacks of letters which have been piling up on the editor’s desk in recent months, full of examples of single-family homes to be considered for inclusion in our publication. They rather point to the as yet unbroken popularity of the owner-occupied private house among architects as well as their clients. So, we decided to sift the material, do our own research and put together a themed issue on single-family homes – admittedly against the current mainstream. The projects presented in this issue are all by architects whose ingenious designs are in response to, at times, very complex preconditions.

Inhalt

Zum Thema
Was ist so schön am Eigenheim? Über die rationale Unschlagbarkeit einer Wohnform | Winfried Moser

Bauten
Einfamilienhaus in Falkensee | Julia Bergmann und kleyer.koblitz.architekten
Einfamilienhaus in Eschenz | Felix Jerusalem
Einfamilienhaus in Buchs | Keller und Brander Architekten
Einfamilienhaus in Rykkinn | Knut Hjeltnes as sivilarkitekter
Einfamilienhaus in Jegenstorf | Covas Hunkeler Wyss
Einfamilienhaus in Berlin | Helm Westhaus Architekten
Einfamilienhaus in Nürnberg | netzwerkarchitekten
Wohnhaus mit Gästehaus in Grosselfingen | Julia Berkhan Markus Fischer Architekten und Ingenieure
Einfamilienhaus in Ljubljana | bevk peroviç arhitekti
Einfamilienhaus in Darmstadt | Joachim Wendt
Einfamilienhaus in London | Adjaye/Associates
Einfamilienhaus in Wien | thalerthalerarchitekten
Einfamilienhaus in Köln | jäck_molina architekten
Einfamilienhaus in Antwerpen | bulk architecten
Wohnhaus mit Büro in London | Prewett Bizley Architects

Wettbewerbe
Einfamilienhaus in Kronberg (Taunus)
Hausboote auf dem Eilbekkanal in Hamburg

Was ist so schön am Eigenheim?

(SUBTITLE) Über die rationale Unschlagbarkeit einer Wohnform.

In der TV-Werbung einer bekannten Firma wohnt eine glückliche Familie in einem traumhaften Haus. Die Kinder spielen im Garten, der Vater sitzt im Wohnzimmer, und – unter äußerster Strapazierung geschlechtsspezifischer Stereotype – betritt die Mutter mit einer frischen Kanne Tee die Szenerie. Danach sind alle glücklich. In den Reklamesendungen der Bausparkassen dürfen ausgewählte Paare ihre traumhaften Einfamilienhäuser einer staunenden und neidischen Öffentlichkeit präsentieren. Die Lottogesellschaften zeigen uns in ihren Werbespots, in welcher unzufriedenstellenden Wohnsituation sich ein Ehepaar vor einem Lottogewinn befindet und in welch glücklicher danach. Vorher eine verdichtete Wohnform: Der Hinterhof einer Siedlung, ein Minimalbalkon, auf dem gerade einmal der Frühstückstisch Platz findet, Nachbarn, die höllischen Lärm verursachen, blanker Horror. Danach: Villa, Pool, Cocktail, Ruhe, Sonnenbrille. Jedenfalls keine verdichtete Wohnform mehr.

Es könnte aber auch ganz anders sein. Vorher: Ein missmutig dreinschauender Mann, der Rasen mäht und dauernd Fliegen von seinem schweißgetränkten Gesicht verscheucht, eine entnervte Frau, die in der prallen Sommerhitze Gießkannen schleppt, um ihre Pflanzen zu gießen. Gemeinsame Einsamkeit. Und danach: Geselliges Beisammensein mit den Nachbarn in einer wunderschönen Holzbausiedlung. Man sitzt auf der Gemeinschaftsterrasse, trinkt ein Glas Wein und sieht dem vom Facility Management beauftragten Gärtner dabei zu, wie er sich abmüht. Aber dieses Bild wird uns von der Werbung nicht offeriert, und das ist sowohl Ausdruck als auch Mitgrund für den nachhaltig hohen Status einer der beliebtesten und gleichzeitig schwierigsten Wohnformen unserer Gesellschaft. Die Rede ist vom freistehenden Einfamilienhaus.

Auch wenn es der hohe Status und Verbreitungsgrad dieses Bautyps nicht vermuten lassen: Das freistehende Einfamilienhaus ist weder eine historische Konstante noch bloßer Ausdruck individueller Geschmacksentscheidungen. Vielmehr ist es eine Wohnform, die sich im Rahmen ganz spezifischer historischer Prozesse entwickelt hat. Ihre Entstehung steht in engem Zusammenhang mit der Suburbanisierung, der Entwicklung und dem Aufstieg der Vorstädte. Diese wurden im England des 17.Jahrhunderts mit Prostitution und Rotlichtmilieu assoziiert und noch im Sprachgebrauch des beginnenden 19. Jahrhunderts war die Vorstadt ein Synonym für die schlechten Manieren und die Engstirnigkeit ihrer Bewohner. Niemand wollte freiwillig dorthin.

Mit der industriellen Revolution und insbesondere mit der Entwicklung der Transporttechnik ändert sich das, plötzlich werden die Vorstädte für die Mittelschichten interessant. Das Phänomen Einfamilienhaus, wie wir es heute kennen, entsteht auf dieser Basis. Zu seiner vollen Entfaltung kommt es durch die Entwicklung der modernen Dienstleistungs- und Informationsökonomie, in der die Dezentralisierung der Gesellschaft zu einer Devaluation der Innenstädte und einer intensiven Suburbanisierung führt, also zur Entstehung jenes räumlich unterdeterminierten und damit schwer beschreibbaren Mischgebiets am Rande der urbanen Zentren, das in das vorherrschende Stadt-Land-Schema schwer einzuordnen ist. Die räumliche Trennung zwischen Arbeiten und Wohnen wird vollzogen und mit der Erweiterung der alten, verdichteten und der Entstehung neuer, aufs Wohnen spezialisierter Siedlungsstrukturen geht der Aufstieg des Einfamilienhauses einher. Und dass dieser zu Ende ist, ist kaum anzunehmen, wird doch für das Informationszeitalter eine zunehmende Ortsunabhängigkeit von Arbeit und Freizeit erwartet. Das bedeutet auch, dass das Eigenheim viel Raum benötigt - viel mehr Raum, als wir in der Geschichte jemals fürs Wohnen verbraucht haben. Hier liegt seine größte Schwierigkeit, denn diese Tatsache macht das freistehende Einfamilienhaus ökonomisch, ökologisch und individuell so ressourcenintensiv. Nicht zuletzt durch seinen hohen Platzverbrauch generiert das Eigenheim Individualverkehr und verursacht hohe Energiekosten – problematische Eigenschaften, in Zeiten des Klimawandels.

Marktwirtschaftliche, soziale und technologische Prozesse bilden das Fundament für die Entwicklung des Eigenheims, doch seine kulturelle Bedeutung als dominante Wohnform der Gegenwart wird erst vor seinem ideengeschichtlichen Hintergrund verstehbar – einer Geschichte der kulturellen und politischen Semantik des Einfamilienhauses, deren Wandel von zahlreichen Theoretikern, Politikern, Wirtschaftstreibenden, Stadtplanern und Architekten mitgestaltet wurde. Sie erstreckt sich von den sozial-utopischen und bürgerlichen Sozialreformern des 19. Jahrhunderts über die Architekten der Gartenstädte bis hin zu den konservativen Politikern der Nachkriegszeit und den Marketing-Fachleuten der Finanz- und Baubranchen. Sie alle haben das Eigenheim zu dem gemacht, was es heute ist.

»Das Eigenheim ist eine krisenfeste und wertbeständige Kapitalanlage und Alterssicherung. Das Eigenheim kostet Geld, Mühe und Geduld – wie alles, was Wert im Leben hat. Aber wer diesen Preis zahlt, tut das nicht für eine Mietwohnung, die er durch Kündigung verlieren kann, und für einen fremden Hauseigentümer, sondern für sich selbst und seine Angehörigen. Das Eigenheim verstärkt das Interesse und damit auch das Verständnis der Einzelnen für die Belange der Gemeinschaft. Das Streben nach eigenem Grund und Boden ist von elementarer Kraft und tief in der menschlichen Natur verwurzelt, zumal bei denen, die Mangel und Entbehrungen kennen und zu unterscheiden gelernt haben zwischen wichtigen und weniger wichtigen Dingen. Wir sind durch die Schule der Not gegangen. Daraus erklärt es sich, dass der Heimstättengedanke heute stärker ist denn je und Leistungen zu vollbringen vermag wie kaum eine andere Idee.«

Dieses Zitat stammt aus der Werbebroschüre einer deutschen Bausparkasse des Jahres 1967 und umreißt vortrefflich die Eigenheimideologie, wie sie zu dieser Zeit vorherrscht und bei vielen – vielleicht den meisten – Häuslebauern auch noch heute wirksam ist. Es charakterisiert das eigene Heim als Symbol für bürgerliche Werte wie Kapitalanlage, Vorsorge, Mühsal und Askese als Mittel zur Befreiung von der Abhängigkeit gegenüber dem fremden Hauseigentümer und individuelle Selbstverwirklichung. Bodeneigentum als natürlicher Trieb, Sesshaftigkeit als Durchbruch zu den wahren Werten des Lebens, rationale und irrationale, modernitätsfeindliche Motive werden in einem suggestiven Bild von Echtheit und Bodenständigkeit verdichtet, das vor dem Hintergrund der Unsicherheiten eines wechselnden Berufslebens als Hafen der Sicherheit und Ruhe – eben als »Heim« – erscheinen muss.

Eine weitere Dimension dieses ideellen – und ideologischen – Konstrukts ist die Tatsache, dass das Eigenheim sich hervorragend als Ausdruck der eigenen Persönlichkeit und als Statussymbol eignet, das – je nach sozialer Position und Lebensstil – frei gestalt-, herzeig- und skalierbar ist und dessen Spektrum vom Geranienexzess am Balkon über den Erker des Fertigteilhauses – der eine Reminiszenz an das Schloss ist – bis hin zu der vom Architekten geplanten Villa reicht. Mit einem Haus kann man sich öffentlich ausdrücken, besser als mit einer Wohnung, in der man zumeist hinter einer kollektiven Fassade verborgen ist. Das Haus bezieht seinen Wert als Statussymbol aber nicht nur aus seiner Gestaltbarkeit, sondern im Verborgenen auch aus der Tatsache, dass es Platz verbraucht. Je mehr Platz es verbraucht, umso höher der Status. Das ist so, weil Grundstücke rare Güter sind und damit eine höhere Statuswirkung haben als andere materielle Güter, die inflationär reproduziert werden können. Aber dieser versteckte Zusammenhang ist selbstredend weder Teil der offiziellen Ideologie noch der individuellen Begründungen.

Zu all diesen sozialen, ökonomischen und ideologischen Grundlagen kommen noch weitere – zutiefst menschliche – Faktoren, die stark mit dem eigenen Haus verbunden sind. Ein wichtiger Bereich ist die »eigene Erfahrung«. Sowohl in der Vorstellung als auch in der Realität von Menschen, die ein Haus bauen ist die »eigene Erfahrung« – das heißt hier: etwas mit den eigenen Händen zu schaffen – eine außerordentlich wichtige Komponente der Bindung an ihr Haus. Das Eigenheim ist auch ein Ort der Privatheit und Selbstbestimmung, an dem man nicht nur seine eigenen Erfahrungen sammeln, sondern auch seine eigenen Fehler machen dürfen will. Diese treten in großer Zahl auf und sind unvermeidlich, aber das ist egal, denn der Aufwand, den der Bau und die Instandhaltung eines Hauses bedeutet, führt dazu, dass man zu diesem Objekt eine starke affektive Bindung entwickelt. Es ist nicht nur Arbeit, die hier investiert wird, es sind Affekte. Das – und nicht mangelnde materielle Möglichkeiten – ist wohl eine Erklärung für die Tatsache, dass die Planung von Eigenheimen nur selten bei Architekten in Auftrag gegeben wird.

Erst durch all das Gesagte wird verständlich, warum das Eigenheim eine so starke Anziehungskraft auf die Menschen ausübt und warum sich diese Wohnform so ungebrochen als rational unschlagbar erweist. Doch der französische Soziologe Pierre Bourdieu sieht darin auch eine Gefahr für den Einzelnen. Zwar verspricht das Eigenheim sozialen Aufstieg durch die Aneignung kultureller Symbole, doch kann das Streben nach dem äußerlichen Schein des Aufstiegs sehr leicht zum Fall führen. Oft wird die durch das Eigenheim erhoffte Stabilität bei unvorhergesehenen Veränderungen wie erzwungenem Ortswechsel, Entlassung, Trennung oder Scheidung zum Verhängnis. Außerdem erweisen sich viele Häuser im Fall des Verkaufs nicht als die erwartete Kapitalanlage. Im Gegensatz zur bürgerlichen Hoffnung auf Emanzipation durch Hausbesitz besteht vor allem für die unteren Einkommensschichten die Gefahr, dass ein eigenheimzentrierter Lebensstil, der sich auf Haus und Familie konzentriert, den Rückzug aus dem öffentlichen Leben, aus dem politischen Engagement im Staat und aus der Zivilgesellschaft zufolge haben kann.

Bei aller Kritik sind aber auch Anzeichen eines Kurswechsels bemerkbar. Die Bauparzellen werden zunehmend kleiner und auch die Architektur reagiert mit Platz sparenderen, energieeffizienteren und flexibleren Lösungen auf Zeichen einer Zeit, in der freier Raum immer knapper wird und in der sich Teile der Bevölkerung zunehmend der ökonomischen, ökologischen, raumplanerischen und letztlich auch individuellen Problematik eines unbegrenzten Wachstums des Eigenheimmarktes bewusst werden. Die Pluralisierung der Lebensstile und der tief greifende soziale Wandel der Gesellschaft haben es notwendig gemacht, das wohnungspolitische Ziel des „Eigenheims für alle“ in Hinblick auf eine flexible Anpassung der Wohnformen an veränderte gesellschaftliche – und sich stetig verändernde individuelle – Rahmenbedingungen ganz neu zu bewerten.

Architektur + Wettbewerbe, Fr., 2008.09.19

19. September 2008 Winfried Moser-Nussgruber

Einfamilienhaus in Nürnberg

Im Herbst 2005 beschlossen ein Paar mit drei Kindern die zu klein gewordene Altbauwohnung im Zentrum Nürnbergs aufzugeben und am Stadtrand ein eigenes maßgeschneidertes Haus zu bauen. Als selbstständiger Tragwerksplaner wählte Alexander Hentschel den für einen Privatbauherren ungewöhnlichen Weg einen Wettbewerb in Form einer Mehrfachbeauftragung auszuloben. Aus dem Kreis der Architekten, mit denen er innerhalb seiner Projekte immer wieder zu tun hatte, wurden fünf Büros angefragt und genaue Vorstellungen in punkto Funktionalität und Kosten formuliert. Nach zwei Monaten lagen dem Bauherren fünf unterschiedliche Vorentwürfe vor. Ausgewählt wurde der Vorschlag des Büros netzwerkarchitekten aus Darmstadt.

Das Grundstück liegt an der Grenze der dörflichen von Einfamilienhäusern geprägten Struktur zu einem angrenzenden Park. Durch seine besondere Lage ist das etwa 580 Quadratmeter große, asymmetrisch geschnittene Grundstück, an drei Seiten von öffentlichen Wegen umgeben, die stark von Spaziergängern, Joggern und Radfahrern frequentiert sind. Die Lage war Ausgangspunkt für die Hauskonzeption: Das Gebäude besetzt die maximal bebaubare Fläche auf dem Grundstück durch einen zweigeschossigen Baukörper mit drei eingeschnittenen Höfen. Ein gepflasterter Eingangshof, ein Hof mit einem Wasserbecken und ein zentraler Wohnhof mit Falttoren zonieren den Grundriss und erzeugen Intimität zu den umgebenden öffentlichen Spazierwegen. Durch die Höfe entstehen einzelne Gebäudeflügel die den unterschiedlichen Wohnfunktionen zugeordnet sind. Im Erdgeschoss gruppieren sich der Koch- und Essbereich, das Arbeitszimmer und der Wohnraum um den zentralen Wohnhof; notwendige Nebenräume des nicht unterkellerten Hauses wurden als »Puffer« an die Außenseiten des Gebäudes gerückt. Im Obergeschoss befinden sich der Elternbereich mit Bad, die Kinderzimmer und der Gästebereich mit dem Kinderbad.

Das Haus ist als Massivbau mit Porenbetonsteinen mit einer Wandstärke von 30 Zentimetern ausgeführt und mit einem glatten Putz versehen. Die Stahlbetonflachdecken mit integrierten Beleuchtungselementen und deckenbündigen Führungsschienen für die Schiebetürelemente sind weiß lackiert. Im Bereich der großen Öffnung zum Innenhof fangen Stahlstützen die Lasten aus dem Obergeschoss ab. Die Außenseiten der Höfe sind weiß gestrichen; hinter dem Rankgerüst sind die Flächen schwarz angelegt um weniger verschmutzungsanfällig gegen die Rankpflanzen zu sein und einen starken Kontrast zum hellen Lärchenholz zu erzeugen. Dunkel pigmentierter geschliffener Estrich im Erdgeschoss und ein Stabholzparkett aus Eiche im Obergeschoss stehen im Kontrast zu den weißen und teilweise farbigen Wandoberflächen und Einbauten. Die durchgehend verlegte Fußbodenheizung wird durch eine mit Holzpellets betriebene Zentralheizung versorgt. Die Fenster sitzen zu den Innenhöfen flächenbündig mit der Putzebene. Nach außen durchdringen schmale Sichtschlitze die begrünte Struktur und schließen bündig mit der Rankstruktur ab. Zum Innenhof sind raumhohe Schiebeelemente eingebaut, deren oberer und unterer Rahmenanteil hinter der Deckenplatte und dem Bodenaufbau verborgen sind.

Architektur + Wettbewerbe, Fr., 2008.09.19

19. September 2008

Wohnhaus mit Gästehaus in Grosselfingen

Die Aufgabe der Architekten bestand darin, ein kostengünstiges Haus für zwei Personen auf einem kleinen, preisgünstigen Grundstück zu entwerfen. Das Gebäude sollte trotz seiner kleinen Größe hell, offen und großzügig sein, Raum für Gäste bieten und über einen kleinen intimen Garten verfügen. Im Falle eines Weiterverkaufs sollte es für eine Familie mit 1-2 Kindern umgenutzt werden können. Ein hochwertiges, funktionales Design sollte mit einfachen Mitteln erreicht, auf übermäßige Technik verzichtet werden. Die Oberflächen sollten so einfach und schlicht wie möglich gestaltet werden.

Entwickelt wurde ein schlichter, länglicher Baukörper, der das Grundstück optimal ausnutzt. Um den Außenraum besser zu gliedern und das Grundstück von der Straße abzuschotten, wurde der Gästebereich aus dem Gesamtvolumen des Baukörpers herausgenommen und ein separates Gästehaus geschaffen. Im Gebäudeinneren wurde die lange Grundfläche mit wenigen Elementen zoniert. Zwei Elemente gliedern den Baukörper: Die Treppe und zwei Sanitär- und Technikblöcke, die wie Wandschränke gestaltet und im Innern farblich abgesetzt sind. Sie bergen im Obergeschoss das Badezimmer, im Erdgeschoss die Gästetoilette und den Garderobenbereich. Alle Funktionen, darunter Therme, Hausanschlüsse und Sanitärelemente sind in diesen Nischen eingebaut.

Unterschieden werden öffentliche Bereiche, wie Küche, Wohn- und Essraum, und private Bereiche, wie Schlafzimmer und Bad. Erstere sind offen und großzügig gestaltet und wachsen zu einem einzigen Raum zusammen. Letztere sind auf ein Minimum an Raumgröße reduziert und bieten den Bewohnern Rückzugsmöglichkeit und Geborgenheit. Badezimmer und Schlafzimmer sind durch einen Flur verbunden, der gleichzeitig als Ankleide dient. Wandschränke ersetzen in diesem Bereich die Wände. Türen verschließen nur die privaten Bereiche. Das Haus wird als dreidimensionaler Körper begriffen, als bewohnbare Skulptur. Die Bereiche, in denen sich die Bewohner bewegen, entwickeln sich nicht nur in der Horizontalen sondern auch in der Vertikalen. Verknüpft sind sie einerseits durch Wanddurchbrüche in der Waagerechten (wie die Durchreiche vom Eingangsbereich zur Küche und das Schaufenster im Kleiderschrank von Ankleide zum Luftraum) und andererseits durch zwei Lufträume in der Senkrechten. Diese Öffnungen – mal groß, mal klein – verbinden die einzelnen Bereiche und schaffen großzügige Raumsituationen. So ist der Bereich, den man optisch erfasst größer, als der Raum, in dem man sich gerade aufhält.

Ein Dachüberstand über Eingangsbereich und Terrasse und große Glasflächen zur Gartenseite lassen Innen- und Außenraum ineinander greifen. Ein überdimensionaler Vorhang an der Vorderkante des Dachüberstandes dient als Sicht- und Sonnenschutz und schafft eine Zwischenzone, einen intimen Außenbereich, eine Veranda. Zieht man den Vorhang zu, verändert man den Baukörper grundlegend und erhält einen geschlossenen Kubus. Das Haus kann durch diesen Vorhang regelrecht bespielt werden, es wird selbst zum Teil eines Spektakels. Je nach Lust und Laune der Bewohner, aber auch in Abhängigkeit von Witterung und Tageszeit kann die äußere Hülle, aber auch der Innenraum umgestaltet werden. Wärme, Licht und Sicht werden reguliert, der Wind und die Bewohner bringen Bewegung ins Spiel, die Terrasse wird zur Bühne.

Architektur + Wettbewerbe, Fr., 2008.09.19

19. September 2008

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