Editorial

Fokus Upgrade Wohnen

Wenn heute bestehender Wohnraum modernisiert wird, geht es meist darum, mehr Platz zu schaffen, Energie zu sparen oder Räume dem veränderten Zeitgeschmack anzupassen. Anspruchsvolle Lösungen für all diese Aufgaben präsentiert Metamorphose auf den folgenden Seiten dieses Hefts. Doch wird uns der Wohnungsbestand künftig nicht vor ganz andere Herausforderungen stellen?

Welche Faktoren werden in den kommenden Jahren den Umbau von Wohnraum bestimmen? Worauf müssen sich Hausbesitzer, städtische Wohnungsgesellschaften und Planer einstellen? Wirft man einen Blick auf die Bevölkerungsentwicklung, so gibt es nur eine Antwort: Die eigentliche Herausforderung für die Immobilienwirtschaft liegt in der alternden Gesellschaft. Es wird darum gehen, ausreichend Wohnraum für Senioren zu schaffen. Untersuchungen des Statistischen Bundesamtes führen immer wieder vor Augen, was uns bis 2050 erwartet: Bereits heute gibt es fast genau so viele 60-Jährige wie Neugeborene, und in fünfzig Jahren wird sich dieses Verhältnis zugunsten der Älteren wohl verdoppelt haben. Die Zahl der über 80-Jährigen wird sich von heute nicht ganz vier Millionen auf zehn Millionen steigern, und damit nahezu verdreifachen.

Die Wohnungswirtschaft erkennt zwar allmählich, dass sich die Zielgruppe am Markt langsam umkehrt, und bis zum Jahr 2050 die über 60-Jährigen doppelt so viele Wohnungen benötigen werden wie die 20- bis 40-Jährigen– der immens steigende Bedarf wird aber durch Neubauten allein nicht zu decken sein. Es wird deshalb vor allem darum gehen, den Bestand altengerecht umzubauen.

Alt und aktiv

Was heißt nun altengerecht? Wie leben ältere Menschen heute? Hier gilt es zunächst einmal zur Kenntnis zu nehmen, dass sich die Lebensstile diversifiziert haben. Alt ist nicht gleich alt. Unser Bild der sockenstrickenden Großmutter, die als „grüne Witwe“ allein in ihrem Häuschen oder der Wohnung aus den 50er Jahren lebt, ist seit langem nicht mehr zeitgemäß. Schon allein deshalb, weil sich der Frauenüberschuss bei den Senioren abbaut. Die Jahrgänge mit kriegsbedingtem Männermangel sterben allmählich, so dass es zukünftig unter den Älteren wieder mehr Männer und Paare geben wird.

Soziologen unterscheiden zwischen vier Lebensstilen. 21 Prozent der Senioren zählen sie zu den Aktiven, die beispielsweise oft reisen, zahlreiche kulturelle Angebote nutzen oder viel Sport treiben; 31 Prozent zu den Familienorientierten, die intensiv mit Kindern und Enkeln vernetzt sind, und 35 Prozent zu den Gemeinschaftsorientierten, die sich etwa in Vereinen oder bei der Kirche engagieren. Lediglich 13 Prozent gelten als Resignierte.

Die Wohnform für die Senioren kann es also nicht geben. Genauso wie von den unterschiedlichen Lebensstilen hängt sie auch von den unterschiedlichen Altersstufen ab. Die Ansprüche, die ältere Menschen an ihr räumliches Umfeld stellen, wandeln sich im Laufe der Jahre. Während Frühruheständler zwischen 55 und 70 Jahren eigentlich nicht viel anders wohnen als Jüngere, spielen für die 70- bis 80-Jährigen erste Anpassungen der Wohnung an die Bedürfnisse des Alters eine Rolle, später dann auch die Möglichkeit des betreuten Wohnens. Erst bei Menschen über 80 Jahren wird dann allmählich ambulante oder stationäre Pflege bis hin zum Hospiz nötig.

Die Pflegefallwahrscheinlichkeit, bei den Frühruheständlern noch verschwindend gering, schnellt ab 80 Jahren auf 20 Prozent, ab 85 Jahren auf 35 Prozent und ab 90 Jahren auf 67 Prozent. Es lohnt sich daher, wenn erste Umbaumaßnahmen nötig sind und die Handwerker anrücken, über die aktuelle Situation hinauszudenken und die Wohnung oder das Haus gleich so umzurüsten, dass bei einer kommenden stärkeren Pflegebedürftigkeit nicht wieder aufwändige neue Anpassungen nötig sind. Die Hälfte aller Menschen über 85 kann – bei entsprechender Gestaltung der Wohnung und ein wenig Unterstützung im Alltagsleben – noch gut allein in den eigenen vier Wänden zurechtkommen.

Viel zu tun

Um Senioren ein komfortables und lebenswertes Umfeld bieten zu können, muss der Wohnungsbestand frühzeitig angepasst werden. Mit der Frage, wie dies mit vertretbarem Aufwand geschehen kann, beschäftigt sich ein Forschungsbericht, der nun im Fraunhofer IRB Verlag erschienen ist. Vom hochgesteckten Ziel der Barrierefreiheit verabschiedet er sich, da diese nur im Neubau zu verwirklichen ist, und schlägt stattdessen als Schlüsselbegriff für die Bestandsumrüstung „barrierearm“ vor. Auch wenn sich Schwachstellen in vorhandenen Wohnungen nicht hundertprozentig aus dem Weg räumen lassen, bedeutet eine Umgestaltung oft eine entscheidende Verbesserung des Alltagslebens für ältere Menschen.

Welches sind nun die möglichen Barrieren, die es abzubauen gilt? Fragt man Architekten danach, so werden meist Treppen, Türschwellen und zu enge Sanitärräume genannt. Doch neben den offensichtlichen Hindernissen birgt der Gebäudebestand eine ganze Reihe weitaus subtilerer Minderungen an Lebensqualität für die ältere Generation: etwa Balkonbrüstungen, über die man im Sitzen nicht schauen kann, fehlende Parkplätze, ein Mangel an Grünflächen mit Erholungscharakter in Gebäudenähe, eine zu kurz getaktete Treppenhausbeleuchtung, oder Fahrradstellplätze ausschließlich im Keller, die Senioren benachteiligen, die zum Radeln noch rüstig genug, zum Herauftragen des Rads aus dem Keller aber nicht mehr fit genug sind. Ziel des Fraunhofer-Berichts ist, Planer für diese subtilen Diskriminierungen zu sensibilisieren. Die Autoren wollen ein Bewusstsein dafür schaffen, solche Barrieren von vornherein zu vermeiden oder nebenbei zu beseitigen, wenn eine Wohnung, ein Haus oder eine Siedlung heute etwa aus energetischen Gründen modernisiert wird.

Dezente Anpassung

Exemplarisch seien hier ein paar Möglichkeiten genannt, Barrieren für Senioren aus dem Weg zu räumen. Findet man in einer Wohnung etwa eine reine Arbeitsküche ohne Essplatz vor, so ist es sinnvoll, sie zu Lasten anderer Bereiche zu vergrößern. Denn die Küche ist gerade für alte Menschen ein Rückzugsort, der auch für andere Aktivitäten als das Kochen – zum Beispiel zum Basteln und Lesen – genutzt wird. Darüber hinaus ist es für viele ältere Menschen leichter, das Essen am selben Ort zuzubereiten und zu verzehren, anstatt es durch die halbe Wohnung tragen zu müssen. Die Frankfurter Küche hat also ausgedient.

Die Benutzerfreundlichkeit des Bads lässt sich meist verbessern, indem zu breite Sanitärgegenstände durch schmalere ersetzt und diese neu angeordnet werden. Das erhöht die Bewegungsfreiheit oft beträchtlich. Bekannt ist, dass Duschen für ältere Menschen meist unproblematischer zu benutzen sind als Badewannen.

Um den Bezug zur Außenwelt zu erhalten und trotz eventuell eingeschränkter Beweglichkeit den Alltag miterleben zu können, sind großzügige Fenster sinnvoll. Dabei muss allerdings ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Beobachtungsfreiheit und Sichtschutz gefunden werden.

Für einen barrierearmen Balkon sind ausreichende Größe, problemloser Zugang und ausreichender Sonnenschutz wesentliche Kriterien. Eine Überdachung sorgt dafür, dass man die Balkonmöbel bei Regen nicht in Sicherheit bringen muss.

All diese Anpassungen an die Bedürfnisse älterer Menschen machen eines deutlich: Für die Mieter anderer Generationen bringt eine altengerechte Umrüstung keine Nachteile, sondern sie bewirkt – im Gegenteil – eine Steigerung der Wohnqualität für alle. Nur während die jüngeren Mieter über gewisse Mankos problemlos hinwegsehen können, sind ältere Menschen, die einen Großteil ihrer Zeit in ihrer Wohnung oder dem unmittelbaren Wohnumfeld verbringen, weit mehr von einem gewissen Komfort abhängig. Die Unauffälligkeit der seniorenfreundlichen Maßnahmen ist ganz entscheidend für deren Akzeptanz. In einem Umfeld, das auf den ersten Blick nach Pflegeheim aussieht, möchte niemand gerne leben – weder Jung noch Alt. Während ein Treppenlift etwa sofort zu erkennen gibt, dass er für Gehbehinderte eingebaut wurde, wirkt ein herkömmlicher Aufzug weniger stigmatisierend, da er auch von anderen Bewohnern genutzt wird.

Schneller Umdenken

Noch stehen Wohnungsunternehmen und Privatvermieter den baulichen Umgestaltungen, die ihren Mietern das Älterwerden erleichtern sollen, eher skeptisch gegenüber: Im Gegensatz etwa zu einer energetischen Sanierung ist der ökonomische Nutzen einer barrierereduzierten Wohnung auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Zudem wird das Wort „barrierefrei“ oft mit „rollstuhlgerecht“ gleichgesetzt, was Eigentümer vor den vermeintlich hohen Kosten für diesen aufwändigen Umbau zurückschrecken lässt.

Den Vorteil, den sie aus einer Barrierereduzierung ziehen können, erkennen sie nicht: die unter Umständen lebenslange Bindung von Mietern, die ihre Wohnung zu schätzen wissen, sie pfleglich behandeln und pünktlich ihre Miete zahlen. Wahrscheinlich setzt ein Umdenken erst dann ein, wenn den nicht hergerichteten, seniorenfeindlichen Wohnungen der Leerstand droht.

Für Architekten eröffnet sich mit dem barrierereduzierten Umbau des Gebäudebestands ein neues Betätigungsfeld, vielleicht eine der wichtigsten Bauaufgaben der kommenden Jahre überhaupt. Ihre Kompetenz ist hier auch bitter nötig. Die Lösungen, die auf diesem Gebiet bislang gefunden wurden, sind unter gestalterischen Gesichtspunkten meist alles andere als befriedigend – Ästhetik und altengerechtes Wohnen bilden noch oft einen unnötigen Gegensatz. Anspruchsvolle Konzepte für das barrierearme Umgestalten von Wohnungen zu entwickeln, wird sich wohl als die wahre Herausforderung erweisen.

Claudia Hildner und Christian Schönwetter

Inhalt

Leserbriefe
06 | Meinungen zu Heft 01/2007

Bestandsaufnahme
08-11 | Projekte
12 | Bücher
13 | Termine

Upgrade Wohnen
16-17 | Fokus: Wohnraummodernisierung der Zukunft
18-25 | 01 Die 70er Jahre im Windkanal: Siedlung Heuried, Zürich
26-29 | 02 Erinnerung vorn, Gemeinschaftsleben hinten: Siedlung Kolonie Industrie 1, Zürich
30-33 | 03 Licht, Luft und Wärme: Siedlung „Im Hole”, Bochum
34-39 | 04 Viel Holz an der Hütte: Haus Wolzak, Zutphen, NL
40-45 | 05 Tugend aus der Not: Haus Strotkamp, Münster
46-49 | 06 Mehr Ein etwas anderer Plattenbau: Pfarrhaus, Steinhausen, CH
50-53 | 07 Das Kleine Schwarze: Siedlungshäuschen, Krailling
54-55 | Mehr als nur Aufhübschen: Wohnraummodernisierung im Fernsehen
56-59 | Technik: Schallschutz bei Holzbalkendecken
60-61 | Produkte: Rund um die Bodensanierung

Serie Fortbildung
62-63 | Masterstudium Altbauinstandsetzung, Karlsruhe

Rubriken
66 | Vorschau, Impressum, Bildnachweis

Bildnachweis

Bildnachweis

Cover: Roger Frei, Zürich
S. 4 (von oben nach unten): Roger Frei, Zürich; Roland Borgmann, Münster; Christian Richters, Münster; Beat Bühler, Zürich; Florian Holzherr, München
S. 8 oben: Gottfried Stoppel, Waiblingen; unten: Thomas Jantscher, Colombier (CH)
S. 9 oben rechts: O.M. Architekten, Braunschweig; die übrigen drei Abbildungen: Klemens Ortmeyer, Braunschweig
S. 10 oben: Constantin Meyer, Köln; rechts: Christian Brückner, Tirschenreuth
S. 11: Bolles Wilson, Münster
S. 18 - 25: 01, 04-09: Roger Frei, Zürich
S. 26 - 29: 01 Giorgio Hoch, Lugano; 02, 05: Miró Messerli / Pfister Schiess Tropeano & Partner Architekten AG
S. 30 - 33: 01, 04, 05: Olaf Mahlstedt, Düsseldorf; 02, 03, 06: Tor5 Architekten, Bochum
S. 34 - 39: 01, 02, 04-06 Christian Richters, Münster; 03, 07: SeArch, Amsterdam
S. 40 - 45: 01-05, 07, 09: Roland Borgmann, Münster; 08, 10: Architekturwerkstatt Münster
S. 46 - 49: 01, 03-05: Beat Bühler, Zürich; 02: BDE Architekten, Winterthur
S. 50 - 53: 01, 03, 06: Florian Holzherr, München; 02,04: Wilfried Dechau, Stuttgart; 05: Peter Haimerl, München
S. 54 oben: RTL2; unten: Christian Schönwetter, Stuttgart
S. 55: Eva Brenner, Düsseldorf
S. 56 - 59: Knauf Gips KG
S. 62: Ursula Nothhelfer
S. 63: 02: Archiv der Staatsbad-Bäderverwaltung, Bad Wildbad, 03, 04: Anette Busse, Tine Göllner
S. 64: Helmut Bucher, Tuttlingen (Sprengung); Fritz Wilhelm, Lörrach
S. 66: Georg Pollich, Königswinter / Südwestdeutsches Archiv für Architektur und Ingenieurbau (saai), Universität Karlsruhe

Aufnahmen, die nicht anders gekennzeichnet sind, sind Werkfotos oder stammen von den Architekten, Bauherren oder aus dem Metamorphose-Archiv.

Metamorphose, Mi., 2008.09.24

24. September 2008

Tugend aus der Not

(SUBTITLE) Gadem Strotkamp, Münster

Was macht man mit einem Häuschen, in dem es keinen Platz für ein Bad und eine Küche gibt – weil es das beim Bau vor mehr als zweihundert Jahren nicht gab? Die architekturwerkstatt Prof. Dr. Mennemann, Heithoff Partner hat den neuen Luxus einfach im Hof abgestellt. Metamorphose befragte Gunnar Pick, den Leiter der Denkmalpflege der Stadt Münster, was er von der Sanierung hält.

Interview mit Gunnar Pick, Leiter der Denkmalpflege der Stadt Münster

Her Pick, Welche Bedeutung hat das „Gadem Strotkamp“ in der Marievengasse als Denkmal für die Stadt Münster?

Das Gadem ist ein Haustyp, der überall in den Nebenstraßen als Behausung der mittleren und unteren Schichten gestanden hat. Davon sind in Münster heute kaum Beispiele übrig, obwohl es nach den Kriegszerstörungen noch viele gab. Gerade diese sehr alltäglichen Gebäude sind dann oftmals abgerissen worden. In vielen dieser Häuschen hatte seit den 1840er und 50er Jahren bis zum 2. Weltkrieg eine Art Verslumung stattgefunden. Den Abriss dieser Elendsviertel haben dann die Nazis mit „Volkshygiene“ begründet. Die Wohnungen der Leute, die ihr Geld als Prostituierte oder als einfache Arbeiter verdient haben, sollten „ausgemerzt“ werden, damit dort neues Wohnen mit „Licht, Luft und Sonne“ entstehen konnte. Es hat auch früher Sanierungspläne für diese Viertel gegeben. Nur haben die Nazis in ihrer Ideologie, mit ihren Schlagworten da eine ganz andere Problematik reingebracht. Nach dem Krieg ist man mit den Gademen nicht besser umgegangen. Auch wenn die Ideologisierung der Baupolitik vorbei war, haftete diesen Häusern noch lange der Makel des Elends an…

15. März 2007 Jan Rinke

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Mehr als nur Aufhübschen

(SUBTITLE) Wohnraummodernisierung als Fernsehphänomen

Die großen Privatsender schicken immer mehr Magazine über den Äther, in denen Eigenheime auf Vordermann gebracht werden. Wir haben bei den Dreharbeiten von „Zuhause im Glück“ hinter die Kulissen geschaut. Gibt es als Architekt etwas von der populären Umbau-Sendung zu lernen? Leistet das Format einen Beitrag zur Baukultur?

Sage noch einmal jemand, die Deutschen interessierten sich nicht fürs Wohnen! Betrachtet man die deutsche Fernsehlandschaft, so wimmelt es von Sendungen, in denen Familien sich ihr Haus neu gestalten lassen. „Einsatz in vier Wänden“, „Wohnen nach Wunsch“, „SOS Style and Home“ – zählt man die Sendezeit all dieser Magazine zusammen, so kommt man schon mal auf 13 Stunden in einer Woche. 13 Stunden Wohnen! 13 Stunden ohne Fußball, Krimi oder Soap. 780 Minuten, die vermutlich ordentliche Einschaltquoten erzielen, sonst bekäme man sie auf Privatsendern nicht zu sehen. Über dieses offensichtlich starke Interesse an Fragen des Wohnens und Einrichtens sollten sich Architekten zunächst einmal freuen.

Die Spielregeln sind immer ähnlich. Das Renovierungsteam vom Fernsehen rückt bei einer Familie an und modernisiert deren vier Wände – kostenlos und innerhalb einer Woche. Die Bewohner bekommen für diese Zeit einen Aufenthalt im Hotel spendiert und erfahren nicht, was genau zuhause geschieht. Am Ende der Woche kehren sie zurück und lassen sich vom völlig umgekrempelten Interieur überraschen…

15. März 2007 Christian Schönwetter

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Verkannte Perlen

(SUBTITLE) Zementwerk Geisingen

Liebe Holcim AG,

musst Du Dein Zementwerk in Geisingen nach der Schließung wirklich dem Boden gleichmachen? Siehst Du tatsächlich keine andere Möglichkeit, mit den wertvollen Industriebauten umzugehen? Die Architektur auf dem Werksgelände, das Du von der Breisgauer Cement GmbH übernommen hast, war nach der Fertigstellung 1971 durch Barbara und Fritz Wilhelm mehrfach mit Preisen ausgezeichnet worden. Die Silos des Zementwerks, von der A 81 auf der Fahrt in Richtung Bodensee gut sichtbar, sind längst zu einer Landmarke geworden, seit 2001 stehen sie als wegweisendes Beispiel für Industriebau in Baden-Württemberg unter Denkmalschutz. Und Du lässt sie einfach wegsprengen.

Nun gut, irgendwie hast Du es geschafft, dem Denkmalamt glaubhaft vorzurechnen, dass es eine wirtschaftliche Zumutung sei, das Gebäudeensemble als Ganzes zu erhalten. Und Du hast die Bauten vor dem Abriss dokumentieren lassen. Aber hast Du ernsthaft nach einer Alternative Ausschau gehalten? Wie sieht es mit einer Umnutzung aus? Noch ist etwa die elegante, aus sechs Einzelsilos zusammengefügte Verladeanlage nicht gefallen. Warum bleibt sie nicht als Solitär erhalten? Sie könnte auf die Vergangenheit des Ortes verweisen und der neuen Gewerbeansiedlung, die dem aufgelassenen Zementwerk folgen soll, einen unverwechselbaren Charakter geben…

15. März 2007

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