Editorial
Der Verlag spricht
‹Die Neuerfindung der Alpen›. So heisst die Ausstellung, die Pius Freiburghaus, Kurator, und Köbi Gantenbein im Seedamm Kulturzentrum in Pfäffikon einrichten. Die Vernissage mit Reden, Gesang und Alphornmusik findet am 2. März 2008 um 15 Uhr statt. Alle Leserinnen und Leser von Hochparterre sind eingeladen. Zu sehen sind sechs Kapitel vom Gletscherweib auf der Grimsel bis zum Projekt für eine Kunsthalle in St. Moritz. Dazu eine Parade zeitgenössischer junger Kunst aus den Alpen. Eine Morgengabe zur Ausstellung ist die gleichnamige Titelgeschichte in dieser Ausgabe, zu lesen ab Seite 16.
Projekte aus den Alpen stellt Ivo Bösch auch in hochparterre.wettbewerbe vor. Wird das Hotel ‹Kurpark› in Engelberg dereinst wirklich so gebaut, wie es im Wettbewerb vorgesehen ist? Wie wird das werden? Pläne und Texte im hochparterre.wettbewerbe 1/08. Ausserdem:
--› Alterswohnungen in Zürich-Seebach
--› FHNW Basel
--› Hotel im Kurpark in Engelberg
--› Schul-Campus in Brugg-Windisch
--› ‹Lido› in Sarnen
--› Umbau Kurtheater Baden
--› Cinémathèque suisse in Penthaz
--› Wohnsiedlung Aspholz in Zürich
--› Zugang Grossratsgebäude in Chur
Und Alpines schliesslich zum Dritten. Landläufig heisst es ja, dass es im Gebirge subventionierte Bergbauern und sonnengebräunte Kurdirektoren gebe. Wichtig aber sind Industrien nebst Landwirtschaft und Tourismus. Ein Beispiel ist die Karriere von Misapor, einem Dämmbeton, der weit hinten in einem abgelegenen Tal aus Glas und Zement gemischt und in bemerkenswerten Bauten weitherum eingesetzt wird. Hochparterre widmet diesem Material ein Sonderheft und wer Abonnentin oder Abonnent ist, findet es als Beilage zu diesem Heft. Und wer nicht, der möge den Coupon auf Seite 14 ausfüllen oder www.hochparterre.ch wählen. Köbi Gantenbein
Inhalt
06 Funde
09 Stadtwanderer: Wenn ja, warum nicht
11 Jakobsnotizen: Herzog & de Meuron in China
13 Stadt und Spiele: Logos und Kalligrafie
14 Impressum
Titelgeschichte
16 Die Neuerfindung der Alpen
Brennpunkte
24 Lieber selbstständig: Zum Designer geboren
28 Restaurierung Kathedrale Chur: Statt Glanz viel Gloria
32 Neue Billettautomaten: Mehr im Kasten
38 VIP-Lounges der Euro 08: Viel Geld, wenig Geschmack
42 Projekt ‹ViaGialla›: Zeichne Haus, behalte Energie
46 Wettbewerb: Keine invaliden Häuser
48 Neuer Neat-Bahnhof: Visp ist aufgegleist
52 Bundesamt für Kultur: Preis und Ehre
54 Ausbildung: Eine Schule bekennt Farbe
Leute
58 An der Vernissage ‹Arosa. Die Moderne in den Bergen›
Bücher
60 Über Eisenbahnen, Asbest und weisse Elephanten
Siebensachen
62 Geräte für den Kaffee, zum Rollen und zum Filtern
Fin de Chantier
64 Weisser Club, kubische Jugi, scharfkantige Wohnhäuser und Altersheime, poliertes Autohaus, kunstvolle Schulhäuser und vereinte Werkhöfe
An der Barkante
71 Mit der ETH-Professorin Annette Spiro in Zürich
Kino wird Club
Wer ins Kino Wellenberg / Accademy am Hirschenplatz in Zürich tritt, sieht seit Ende 2007 einen neuen Film: Das Kino ist weg, der Raum gehört nun dem Restaurant-Club ‹Vertigo›. Die Bar empfängt die Besucherin mit warmen Tönen; eine geschwungene Decke aus dunklen Holzlamellen erzeugt eine ruhige Atmosphäre. Die Wendeltreppe am Ende des Tresens kündigt aber Turbulenzen an. Und ein Schritt weiter, im ehemaligen Kinosaal, ist es aus mit der Ruhe. Von oben bis unten präsentiert er sich in Weiss; ein Raumschiff mitten im heimeligen Niederdorf. Der Kinosaal ist zwar noch deutlich erkennbar, doch die Perspektive hat sich verändert. Statt nach vorne schaut der Raum zur Mitte. Dort ist Platz für Show und Tanz. Oben dominiert ein weisser Zylinder mit sechs Metern Durchmesser. Darin ist sämtliche Technik für Licht und Ton versteckt. Eine 360-Grad-Projektion erlaubt das Abspielen von Filmen, die Lichtshow taucht den Club in wechselnde Farbtöne. Um den Zylinder dreht sich eine Rampe, auf der die Besucherin die obere Etage erklimmt. Dort legt sie sich in die weissen Lederlandschaften und erholt sich speisend vom schwindelerregenden Aufstieg.hochparterre, Di., 2008.03.11
11. März 2008 Urs Honegger
verknüpfte Bauwerke
‹Vertigo›, Restaurant, Bar und Club
Gewordenes Wahrzeichen
Schon vor Baubeginn machte die Jugendherberge in Scuol aufgrund der Ausstellung ‹Werdende Wahrzeichen› von sich reden. Jetzt ist sie ein gewordenes Wahrzeichen, das sich in die Perlenkette der Schweizer Jugendherbergen einreiht (Beilage zu HP 3/05). Die Herberge in Scuol ist die erste gänzlich neu erstellte ‹Jugi› seit Jahren. Die vier Engadiner Architekten, die sich für das Projekt in der ARGE Sursass zusammenschlossen, bauten Engadiner Architektur frei von Kitsch und Anbiederung. Das Dach des Monolithen ist leicht geneigt, die vier Wände sind jeweils leicht geknickt. Die Fenster der 45 Zimmer haben tiefe Leibungen und sitzen in unregelmässigen Abständen in der Fassade. Übereck-Fenster und grosse Gläser kennzeichnen die Gemeinschaftsräume, schmale Schlitze bieten Ausblick aus den Korridoren. Der Grundriss bringt an den Tag, wie das Haus aufgebaut ist: Im Zentrum steht der Kern mit Treppe, Lift und gemeinschaftlichen Sanitärräumen, darum herum sind, leicht aus der Orthogonalen abgedreht und in gebührendem Abstand zueinander, vier Zimmerblöcke angeordnet. Darin gibt es Zweier- und Viererzimmer mit eigener Dusche und Sechserzimmer, die die Gemeinschaftsanlagen benutzen. Obschon sich die Jugendherberge an ein eher junges Publikum richtet, wollten die Architekten keine coole Stimmung erzeugen: «Wir sind in den Bergen und das soll man auch spüren», sagen sie. Das ist ihnen gelungen, auch wenn – oder weil – das knappe Budget den Ausbau auf wenige Materialien beschränkte; Beton, Holz und Putz bestimmen das Bild. Das Schmuckstück des Hauses ist die ganz in Holz ausgekleidete Stüva mit grossem Eckfenster. Allein der Hartnäckigkeit der Architekten ist es übrigens zu verdanken, dass auf den Zimmerböden Holz und nicht der jugi-standardmässige Linoleum liegt. Eigentlich dürfte es diese Jugendherberge gar nicht geben. Gemäss der dreistufigen Netzwerkstrategie ist Scuol ein B-Standort – zwar national bekannt, aber nicht zwingender Ort für eine Jugendherberge. Weil das Unterengadin bislang ein weisser Fleck auf der Karte war, haben die Jugendherbergen den Pfad der Tugend verlassen. 2001 schloss die Schweizerische Stiftung für Sozialtourismus einen Baurechtsvertrag mit dem Bauernverband Unterengadin ab, der auf dem Grundstück früher seinen Viehmarkt abgehalten hatte. Doch dann zogen düstere Wolken über dem Projekt auf: In Scuol sollte ein Hotel ‹Cube› (HP 4/06) errichtet werden. Das wäre das Aus für die ‹Jugi› gewesen, denn für zwei Hotels mit ähnlichem Publikum gibt es keinen Platz. Erst als sich dieses Projekt zerschlagen hatte, nahmen die Jugendherbergen ihr Vorhaben wieder auf. Im April 2005 sicherten die Bergbahnen (einer der ‹Cube›-Promotoren) und die Gemeinde die Finanzierung zu und im selben Jahr fand der Studienauftrag statt. Die Bauzeit betrug gerade mal ein halbes Jahr.hochparterre, Di., 2008.03.11
11. März 2008 Werner Huber
verknüpfte Bauwerke
Jugendherberge
Blickfeld der alten Römer
Weil der Kanton Zürich die Werkhöfe von Uster und Pfäffikon an einem Ort konzentrieren wollte, entschloss er sich, denjenigen in Pfäffikon zu erweitern. Das Areal liegt zwischen Bahnlinie und Strasse am südöstlichen Rand des Orts. Jenseits der Bahn ragt die Ruine des römischen Kastells empor und blickt über die Moorlandschaft, die sich bis zum nahen Ufer des Pfäffikersees erstreckt. Ein z-förmiger Anbau aus Werkhalle, Dienstgebäude und Salzsilo ergänzt die bestehende Halle und schafft zwei Höfe: den Vorplatz an der Hauptstrasse und den abgeschirmten Werkhof. Die Neubauten sind in Holz konstruiert und mit Lärchenschindeln verkleidet. Diese Haut unterstreicht die Plastizität der Baukörper und vermittelt zwischen den landwirtschaftlichen Bauten und den Wohn- und Gewerbebauten. Mit den Jahren wird die hölzerne Fassade verwittern und sich den Natursteinmauern des Kastells annähern. Im Kontrast dazu bestehen die Deckenuntersichten und die grossen Tore aus transluzentem Fiberglas, das nachts leuchtet. Ein gelungener Zweckbau, den das Architekturforum Zürcher Oberland 2007 mit dem Baupreis Zürcher Oberland ausgezeichnet hat.hochparterre, Di., 2008.03.11
11. März 2008 Werner Huber
verknüpfte Bauwerke
Werkhof Irgenhusen - Erweiterung