Details

Adresse
Ekvipagemestervej 10, 1438 Kopenhagen, Dänemark
Bauherrschaft
Chastine und A.P. Møller
Maßnahme
Neubau
Planung
2000
Ausführung
2002 - 2004

Publikationen

Presseschau

15. Januar 2005Marc-Christoph Wagner
Neue Zürcher Zeitung

Missklänge vor dem ersten Ton

(SUBTITLE) Henning Larsens neues Opernhaus in Kopenhagen

Das neue Kopenhagener Opernhaus ist das Geschenk eines Privatmannes. Mehr als 500 Millionen Franken hat es gekostet, denn es durfte an nichts fehlen. Doch nun ist der Neubau, der heute mit einer Galavorstellung eingeweiht wird, Ziel heftiger Kritik. Zuletzt hat sich auch der Architekt Henning Larsen von seinem Projekt distanziert.

Das neue Kopenhagener Opernhaus ist das Geschenk eines Privatmannes. Mehr als 500 Millionen Franken hat es gekostet, denn es durfte an nichts fehlen. Doch nun ist der Neubau, der heute mit einer Galavorstellung eingeweiht wird, Ziel heftiger Kritik. Zuletzt hat sich auch der Architekt Henning Larsen von seinem Projekt distanziert.

Dass es Streit geben würde, war allen Beteiligten wohl von Beginn an klar. Jahrelang hatte das Hafengebiet im Herzen Kopenhagens verwahrlost dagelegen. Als man sich zu Beginn der neunziger Jahre daranmachte, dessen südlichen Teil, Kalvebod Brygge, zu entwickeln, entschied man sich für den Bau gewaltiger Firmendomizile, die die Stadt vom Wasser trennten, anstatt sie zu diesem hin zu öffnen. Bis heute ist die Rede von einer verpassten Chance, gar einem städtebaulichen Desaster. Vor diesem Hintergrund musste jedes Gebäude auf Holmen, einem alten, teilweise naturgeschützten Dockgelände inmitten des Kopenhagener Hafens, zu öffentlichen Diskussionen führen. Der Ort hat grosse symbolische Bedeutung. Nicht allein liegt er direkt gegenüber Schloss Amalienborg, dem Sitz der königlichen Familie. Er bildet das Ende einer weit über die Landesgrenzen hinaus bekannten architektonischen Achse, die sich von der Marmorkirche durch die achteckige Rokoko-Palastanlage mit der Reiterstatue Frederik V. im Zentrum hinüber auf die andere Seite des Wassers erstreckt. Gott, König, Vaterland - diese drei Pfeiler dänischen Selbstverständnisses erhielten hier einen städtebaulichen Ausdruck.

Ein einflussreicher Mäzen

Der Bauherr der neuen Oper, der 91-jährige Reeder und Milliardär Mærsk McKinney Møller, war sich der Bedeutung des Ortes von Anfang an bewusst. Nur hier sollte sein 520 Millionen Franken teures Geschenk an den dänischen Staat entstehen. Die Vollendung der Achse sei ein lange gehegter Traum gewesen, gestand Møller in einem Interview mit dem staatlichen Rundfunk. Diesen Traum hat Møller mit Vehemenz verfolgt - zu vehement, wie viele meinen. Nicht allein wurden bei der Genehmigung des Projektes grundlegende demokratische Spielregeln übergangen; nicht nur musste sich der dänische Staat zur Übernahme der Betriebskosten des Hauses verpflichten; auch in architektonischen Fragen hat der Mäzen in einem Grad mitbestimmt, als ob es sich um die Bepflanzung eines abseits gelegenen Schrebergartens handelte. Die Oper sei ein Geschenk, antwortete Møller auf derlei Vorwürfe, kein Gutschein, für den ein jeder bekommen könne, was er wolle.

Møller selbst hatte sich für den bekannten dänischen Architekten Henning Larsen entschieden. Eine Ausschreibung für das Projekt hatte es nie gegeben. Mit Larsen, hiess es zur Begründung, habe man bei anderen Projekten stets gute Erfahrungen gesammelt. Bei ausländischen Architekten hingegen sei es unsicher, ob diese die strengen Zeit- und Kostenanforderungen einhalten könnten. Nach vier Jahren, so Møllers Vorgabe, musste das Opernhaus fertig stehen. An manchen Bauabschnitten wurde bereits gearbeitet, während andere noch projektiert wurden.

Dass es zwischen dem Bauherrn und dem Architekten zum Zerwürfnis kam, lag jedoch nicht am Zeitdruck allein. Larsens ursprünglicher Entwurf für das Opernhaus sah eine Glasfront zum Wasser hin vor: Von innen sollte sich dem Besucher eine ganz neue Perspektive auf den Hafen und die Innenstadt eröffnen. Passanten draussen sollten am Geschehen drinnen teilhaben und einen ungehinderten Blick auf das mit feinstem Ahornholz verkleidete Foyer werfen können. Der Bauherr allerdings widersetzte sich diesen und anderen Vorstellungen des Architekten diametral. Mit der Begründung, die Besucher sollten sich von äusseren Blicken frei bewegen können, forderte Møller eine nahezu geschlossene Fassade.

Er hätte die weitere Bauausführung hingeworfen, sagte Larsen in einem Fernsehinterview zu Beginn der Woche, wenn dies nicht die Entlassung von über hundert Mitarbeitern oder gar den finanziellen Ruin seines Unternehmens bedeutet hätte. Über den Fassadenkompromiss, der an die Brücke eines grossen Containerschiffes erinnert, sei er betrübt. Dem Vorwurf aber, der Bau habe insgesamt eine zu grosse Dimension, müsse er nachdrücklich widersprechen. Immerhin sei die Oper vom Königspalast und von der Marmorkirche durch das Wasser räumlich getrennt.

Ein Hauch von Luzern

Mit dieser Meinung aber steht der dänische Stararchitekt ziemlich allein auf weiter Flur. Kritiker liessen verlauten, der Königspalast wirke nun im Vergleich zur Oper wie eine Miniatur aus Legoland. Von der Marmorkirche her gesehen, erscheine Frederik V. wie ein Mann, der seinem Gefängnis entfliehe. Und auch dem Bau selbst fehle es an Konsequenz. Das über 32 Meter auskragende Schwebedach, deutlich inspiriert von Jean Nouvels Kultur- und Kongresszentrum in Luzern, drücke das Gebäude nach unten, anstatt ihm die angestrebte Leichtigkeit zu verleihen. Die vulgäre Rundung der Glasfront finde an keiner anderen Stelle des Gebäudes bzw. in dessen Umgebung eine Entsprechung. Kurz und knapp urteilte die Tageszeitung «Politiken»: «Das Opernhaus ist eine Missgeburt. Seine übergeordnete Formsprache ist Machwerk. Im Stadtbild ist es anmassend. Und sein wesentliches Charakteristikum, das Dach, ist unoriginal.»

So heftig die Kritik an der äusseren Erscheinung des Neubaus auch sein mag, zeigt man sich doch von dessen innerer Gestaltung überzeugt. Die Akustik in dem rund 1500 Besucher fassenden, hufeisenförmigen Saal wird vom musikalischen Leiter des Hauses, Michael Schønwandt, als einzigartig bezeichnet. Die insgesamt sechs untereinander austauschbaren Bühnen böten künstlerische Möglichkeiten, wie man sie bisher nicht gekannt habe. Im Foyer fangen insbesondere vier Bronzereliefs Per Kirkebys sowie drei Lichtskulpturen Olafur Eliassons das Augenmerk des Besuchers. Vor diesem Hintergrund entbehrt es nicht der Ironie: Bei der Ausformung ihrer Werke hatten beide Künstler offenbar völlig freie Hand.

24. Oktober 2001Marc-Christoph Wagner
Neue Zürcher Zeitung

Ein Danaergeschenk?

Streit über den Opern-Neubau in Kopenhagen

Streit über den Opern-Neubau in Kopenhagen

Dass die Oper der dänischen Hauptstadt einen Neubau braucht, ist unbestritten. Das seit gut einem Jahr vorliegende Projekt jedoch ist Gegenstand heftiger Kritik. Zu monumental sei es und eine der grössten Fehldispositionen Kopenhagens.

Eigentlich müssten sich die Dänen glücklich schätzen. Nicht nur haben sie ein königliches Schauspielhaus, das seinem Namen alle Ehre macht. Immer wieder betätigt sich Ihre Majestät, Königin Margrethe II., ebenso aktiv wie erfolgreich als Kostüm- und Bühnenbildnerin. Das altehrwürdige Haus am Kongens Nytorv erfreut sich zudem grösster Beliebtheit. Theater-, Opern- und Ballettvorstellungen sind regelmässig ausverkauft. Und weil dies so ist, sind sich alle Beteiligten seit Jahren bewusst, dass es eines neuen Gebäudes bedarf. Damit aber nicht genug. Weil die Einigkeit an diesem Punkt aufhörte, der übliche Streit über die Finanzierung begann und das Projekt in allgemeiner Erstarrung zu enden schien, fasste sich der Milliardär Mærsk Mc-Kinney Møller, ein Freund der Königin, vor gut einem Jahr ein Herz und schenkte seinem Land ein Opernhaus für 1,5 Milliarden Kronen (etwa 300 Millionen Franken). Der dänische Staat müsste lediglich die laufenden Kosten übernehmen, er könnte das eingesparte Geld für die Errichtung eines neuen Schauspielhauses verwenden. Und für das Publikum bestand die Aussicht, bei künftig drei Spielstätten eine Karte zu ergattern. Schliesslich würde der Hafen im Zentrum Kopenhagens endlich diejenigen Gebäude erhalten, die ihm bisher fehlten. Hier nämlich herrscht, was im für Architektur und Design bekannten Dänemark überrascht, gähnende Leere. Wie gesagt: Eigentlich müssten sich die Dänen glücklich schätzen.


Symbolischer Ort

Stattdessen wird gestritten, stehen der Mäzen und die Verfechter des Projekts in der Kritik. Zum einen hat es eine Ausschreibung für den Opern-Neubau nie gegeben. Als privater Bauherr hat sich Mc-Kinney Møller auf den bekannten Architekten Henning Larsen festgelegt, was, obwohl formell legal, gegen das Demokratieverständnis vieler Dänen verstösst und als ebenso elitärer wie selbstherrlicher Habitus empfunden wird. Schwerer jedoch wiegt ein zweiter Punkt. Der Neubau soll auf Holmen, einem alten, teilweise naturgeschützten Dockgelände direkt gegenüber von Schloss Amalienborg, dem Sitz der Königsfamilie, entstehen. Ein Ort von immenser symbolischer Bedeutung: Von der Marmorkirche führt eine Achse durch den achteckigen Königspalast mit dem Reiterstandbild Frederik V. im Zentrum über das Wasser zum geplanten Opernbau. Gott, König, Vaterland - dieser Dreiklang dänischer Identität fand in der Rokoko-Anlage um Schloss Amalienborg seine architektonische Entsprechung. Bereits im Frühjahr warnte die Tageszeitung «Politiken» davor, an diesem empfindlichen Ort ein grosses Gebäude zu errichten.

Der Ruf wurde nicht gehört. 35 000 Quadratmeter, so ein Entwurf, der im Laufe des Sommers bekannt wurde, solle das Gebäude umfassen, eine Höhe von bis zu 50 Metern erreichen. Damit nicht genug. Um die Oper herum solle noch einmal etwa die gleiche Fläche bebaut werden. Drei Wohnblocks mit je sechs Etagen seien geplant, dazu Geschäfte, Restaurants, Parkplätze. Für all dies müsse ein Teil des Hafens aufgeschüttet werden. Ein Sturm der Entrüstung war die Folge. Zu monumental, hielten Kritiker dem Architekten Larsen und seinem Auftraggeber entgegen. Das Geschenk solle durch den Wohn- und Geschäftskomplex - zumindest teilweise - finanziert werden. Vor allem aber sei die Proportion im Verhältnis zu Schloss Amalienborg verfehlt. Der königliche Palast stehe im Schatten des Neubaus. «Oper auf Abwegen», donnerte der Chefredaktor der Fachzeitschrift «Arkitekten», Kim Dirckinck-Holmfeld, und erklärte den Entwurf zu einem Fehler von majestätischer Dimension. Der «Larsen'sche Mastodont» sei eine der grössten Fehldispositionen in der Geschichte Kopenhagens. Noch weiter ging der Architekt Godtfred Louis-Jensen. Er stellte Strafanzeige gegen den Mäzen und initiierte eine Bürgerkampagne unter dem Motto «Rettet den Hafen, versetzt die Oper». Der Plan, so der Tenor, sei ein Angriff auf das kulturelle Erbe Dänemarks. Ein Geschenk, welches an Bedingungen geknüpft sei, hätte die Regierung nicht annehmen dürfen.

Der Bauherr und seine Fürsprecher blieben hart. Der Ort sei geeignet, der Architekt einer der besten, den das Land habe. Man solle die Oper nicht zum Einsturz bringen, bevor sie überhaupt stehe, flehte Kopenhagens Bürgermeister Jens Kramer Mikkelsen. Jeder Bürger habe die Möglichkeit, Einwände bis zum 1. Oktober zu formulieren. Im Anschluss werde über eine Baugenehmigung beraten und entschieden. Der Bauherr selbst stellte fest, die Oper werde wie geplant gebaut - oder gar nicht. Eine Verlegung komme nicht in Frage. Umso überraschender kam Ende August die Mitteilung, dass man anstatt der ursprünglich geplanten 1800 Zuschauerplätze nun mit 20 Prozent weniger operiere. Mit der öffentlichen Kritik an den Bauplänen habe dies allerdings nichts zu tun. Entscheidend sei die Akustik. Ausserdem sollten alle Besucher das Geschehen auf der Bühne problemlos verfolgen können.


Wikinger und «Akademierat»

Unterdessen scheint das Schicksal des Opern-Neubaus offener denn je. Mehrere hundert Beschwerden gegen das Projekt haben die Kopenhagener Kommune bis zum Ablauf der Frist erreicht. Auf dem Baugelände selbst wurden Fischerboote aus der Wikingerzeit gefunden, die von historischem Interesse sind. Andererseits hat der «Akademierat», der die Regierung in architektonischen Angelegenheiten berät, seine Unterstützung - «trotz der Placierung» - signalisiert. Aus der Verwaltung der dänischen Hauptstadt ist zu hören, dass man über alle Fragen zügig entscheiden wolle. Schliesslich hat der Bauherr kürzlich ein neues Modell im Massstab 1:200 präsentiert, in dem der höchste Punkt des Gebäudes nur noch 41 Meter über dem Wasserspiegel liegt. Um dennoch alle notwendigen Funktionen unter einem Dach zu integrieren, wolle man tiefer in die Erde gehen. Von einem endgültigen Entwurf sei man noch entfernt, Details könnten weiterhin verändert werden. An der Eröffnung der neuen Oper am 1. April 2005 halte man jedoch fest. Dass Ihre Majestät dann aus der königlichen Loge eine ihrer eigenen Kreationen betrachten könnte, ist alles andere als undenkbar.

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