Die Windkraft Simonsfeld AG zählt zu den größten Windstromproduzenten Österreichs – und hat kürzlich ihren neuen Erweiterungsbau von juri troy architects bezogen. Der Holz-Lehm-Hybridbau überzeugt durch Atmosphäre, Innenraumklima und liebevoll komponierte Details.
Die Windkraft Simonsfeld AG zählt zu den größten Windstromproduzenten Österreichs – und hat kürzlich ihren neuen Erweiterungsbau von juri troy architects bezogen. Der Holz-Lehm-Hybridbau überzeugt durch Atmosphäre, Innenraumklima und liebevoll komponierte Details.
Es hilft nichts. Kaum hat man das Foyer betreten, schaut man zunächst einmal weder auf den eleganten Empfangstresen noch auf die schicken Lounge Chairs vor dem Fenster und schon gar nicht auf die wohlproportionierte Holzkonstruktion, die den gesamten Raum in einer stoischen Ruhe säumt – sondern muss unweigerlich zur Stampflehmwand hinlaufen, Hand ausstrecken, riechen, streicheln, herumrubbeln. »Und beinahe«, erzählt Architekt Juri Troy, »hätten wir die Lehmwand nicht realisieren können, denn es hat sich wochenlang kein einziges Lehmbauunternehmen gefunden, das bereit gewesen wäre, den Erdhaushub vor Ort zu verarbeiten. Das wäre echt ein Malheur gewesen! Umso besser, dass es dann doch noch geklappt hat.«
Zurück zum Anfang. Die Windkraft Simonsfeld AG zählt mit 94 Windkraftanlagen, die sie plant, realisiert und auch selbst betreibt, zu den größten Windstromproduzenten Österreichs. Was 1996 als kleines Garagen- und Bauernhof-Unternehmen begonnen hatte – damals wurden die Betreiber noch von vielen als grüne Spinner belächelt, wie man in der Firmenchronik nachlesen kann – ist heute einer der größten und wichtigsten Arbeitgeber in der Region, eine halbe Autostunde nördlich von Wien. Mit 150 Mitarbeitenden in der Verwaltung und einer jährlichen Ausbeute von über 740 Gigawattstunden an grünem Strom – genug, um damit 185 000 Haushalte zu versorgen – entwickelte sich das einstige Start-up auf diese Weise zu einem ausgewachsenen Unternehmen in diesem Bereich.
Vor den Bestand gesetzt
Der erste Wachstumsschub kam 2014, als das Büro vom Bauernhof im kleinen, beschaulichen Simonsfeld ins etwas größere Ernstbrunn übersiedelte und den österreichischen Architekten Georg Reinberg, seines Zeichens Öko- und Solarpionier, mit der Planung für die neue Firmenzentrale beauftragte. Reinberg setzte damals eine hölzerne Lagerhalle aufs Grundstück, daran angrenzend eine Hightech-Büromaschine für rund 50 Mitarbeitende, mit gläserner Südfassade und konstruktiv inszenierter PV-Anlage auf den Vordächern – eine Art technoides Passivhaus-Wahrzeichen in Stahl und Glas. Dazu passend die offizielle, dafür eigens eingetragene Büroadresse: Energiewendeplatz 1.
Mit dem grünen Trend und dem kontinuierlichen Ausbau an Windkraftanlagen im ganzen Land wuchs der Betrieb stetig an, einige Angestellte mussten sogar schon in eine angemietete Dependance übersiedeln, eine weitere Ausbaustufe am eigenen Grundstück – in direkter Nachbarschaft zum Reinberg-Bau – war daher unausweichlich. In Kooperation mit dem Wiener Consulting-Unternehmen M.O.O.CON, das sich vor allem als Partner für die sogenannte Phase Null versteht, wurde ein einjähriger Findungsprozess initiiert, der 2022 in ein Auswahlverfahren mit anschließendem geladenen, zweistufigen Architekturwettbewerb mündete. Unter den vier teilnehmenden Büros sps architekten, MAGK Architekten, Dietrich Untertrifaller und juri troy architects konnte sich Letzteres als Sieger durchsetzen.
»Eigentlich wurde in der M.O.O.CON-Ausschreibung ganz klar kommuniziert, dass die Aussicht freigehalten und der Zubau neben oder hinter dem bestehenden Gebäude positioniert werden müsse«, erinnert sich Architekt Juri Troy. »Aber das hätte bedeutet, dass man den Neubau versteckt und dass man sich weitere, optionale Ausbaustufen auf diesem Grundstück ein für alle Mal verbaut hätte. Dem haben wir uns widersetzt.« Im Gegensatz zu den drei Konkurrenzentwürfen wagte es Troy, den Neubau direkt vor den Reinberg-Bau zu setzen und der Windkraft Simonsfeld AG auf diese Weise ein völlig neues Gesicht zu geben. Statt Technik, Photovoltaik und abweisender Stahl-Glas-Konstruktion wird man am Grundstück nun von Holz, Loggien und farbigen Outdoor-Möbeln in Empfang genommen.
Doch nicht nur das. Mit dem Anbau in u-förmiger Konstellation ist es gelungen, dem Bestandsbau die Sackgasse zu nehmen und das gesamte Büro mitsamt Lobby, Kantine, Teeküchen, Konferenzsaal und sogar teilbarer Veranstaltungshalle zu einem Ring mit zirkulärer, redundanter Erschließung zusammenzufassen. Auf diese Weise steigen die physischen Begegnungen und Kommunikationssituationen im Unternehmen. Und: »Im Bestandsbau hatten bloß 13 Prozent aller Büros Aussicht auf das große, grüne Feld mit den identitätsstiftenden Windrädern am Horizont«, rechnet Juri Troy vor. »Nun sind es 68 Prozent. Das war eines der ausschlaggebenden Argumente für unseren Sieg.«
Bauteilaktivierter Stampflehm
Und hinein ins Haus. Der Zugang befindet sich in einer gedeckten Nische an der Schnittstelle zwischen Alt und Neu, beiderseits Respekt erweisend, beide Bauphasen wertfrei nebeneinanderstellend. Nach einem kleinen Foyer mit ökologischen Kokosmatten als Fußabstreifer, was sonst, befindet man sich im eingangs erwähnten, stimmungsvollen Luxusfoyer. Holzstützen, Holzmöbel, Holzdecken, Sitzlandschaften in warmen Rot- und Rosatönen sowie Terrazzoböden mit Steinen aus einem nahe gelegenen Steinbruch bilden den Vordergrund vor der erdigen, archaischen Stampflehmwand, die die beiden Sanitär- und Erschließungskerne des Neubaus umfasst und bis hinauf ins Obergeschoss reicht.
»Die Stampflehmwand ist ein nicht nur visuelles, sondern auch haustechnisches und bauphysikalisches Schlüsselelement dieses Entwurfs«, erzählt der Architekt. Sie dient als Wärmespeicher, Feuchtigkeitsregulator und vor allem als bauteilaktivierte Masse, denn im Inneren der 20 cm tiefen Stampflehmschicht, die in groben, wellenartigen Schichten den manuellen Produktionsprozess veranschaulicht, befinden sich wasserführende Leitungen, die wiederum an eine Sole-Wärmepumpe und an elf neue Tiefenbohrungen unter dem Haus angeschlossen sind. »Nichts anderes als eine klassische Bauteilaktivierung«, so Troy, »allerdings nicht mit Stahlbeton, sondern aus einem natürlichen Rohstoff zusammengestampft.«
Von Anfang an hatte der Entwurf vorgesehen, für die Lehmschale das Aushubmaterial vor Ort zu verwenden. Allerdings fand sich zwischen Ostösterreich und Vorarlberg lange Zeit kein einziger Spezialist, der bereit gewesen wäre, den lokalen Aushub weiterzuverarbeiten. Manche hätten sogar vorgeschlagen, den Lehm aus Vorarlberg zu beziehen und quer durch die Alpen zu transportieren. In Hinsicht auf graue Energie und Emissionen hätte das den Gedanken der Kreislaufwirtschaft ad absurdum geführt. Das Ursprungskonzept konnte doch noch realisiert werden, und zwar wohlgemerkt mit tatkräftiger Unterstützung lokaler Mitarbeitender. Dies trug dazu bei, dass das Projekt nach dem österreichischen Gütesiegel klimaaktiv zertifiziert wurde und den Maximalwert von 1 000 klimaaktiv-Punkten erreichen konnte – ein neuer Rekordhalter.
Stimmige Einheit
Rund um die beiden Stampflehmkerne wie auch in deren Inneren befindet sich eine Holzkonstruktion mit 24 x 24 cm großen Stützen und Balken sowie mit Wand- und Deckenelementen aus massiven CLT-Platten. Mit einem konstanten Achsmaß von 2,70 m kommt zwischen den vielen ausgeklügelten baulichen Details wie Sitznischen samt drehbaren Tischchen, Stehboards samt Leselampen und geschickt platzierten Zu- und Abluftschlitzen in den Balkenzwischenräumen nicht nur Ruhe und Ordnung ins Gebäude, sondern, mehr noch, ein weiterer Gedanke von Zirkularität: »Eines Tages«, meint Troy, »wird man das Gebäude abtragen und die Bauteile wiederverwenden können. Aus diesem Grund haben wir die Konstruktion so weit wie möglich standardisiert und modularisiert.«
Auch wenn die Architektur aufgrund der seriellen Modularität wie viele Holzbauten heutzutage auf den ersten Blick wie eine segmentierte Bentōbox aussieht, ist das Projekt gegenüber ähnlichen Bauten in puncto Materialität einen großen Schritt voraus. Jury Troy hat den Erweiterungsbau nicht – wie so oft – ideologisch in einem Holz durchdekliniert, sondern die jeweils bestgeeigneten Holzarten wie beim Bau einer Violine oder eines Konzertflügels nach Bedarf miteinander komponiert: Fichte als Konstruktionsholz, Eiche für die bewitterten Terrassenflächen, Lärche für die Fenster, Weißtanne für Fassade, Türen, Möbel und Akustikdecken und schließlich Esche für Parkett, Handläufe und Griffstangen. Das Resultat ist ein sensibel zusammengestelltes Potpourri mit fließenden materiellen und chromatischen Übergängen – von einem Meister der Nachhaltigkeit, der sein Fach bis ins allerkleinste Detail hinein versteht.
Spätestens wenn man am Fenster zum Hof steht oder in den intimen, windgeschützten Garten hinaustritt, wird man dessen gewahr, was für eine schöne, stimmige Einheit hier geschaffen wurde – mit dem Bau von 2014, dem Neubau von 2025 und einem gleichwertigen Nebeneinander unterschiedlicher Ideologien nachhaltigen Bauens. Wie ernst es der Bauherr mit seinem klimasensiblen, ressourcenschonenden Commitment meint, zeigt sich nicht zuletzt im Blutspende-Bus, der regelmäßig bestellt wird, sowie in den täglich frisch gekochten, ausschließlich vegetarischen Menüs in der Kantine. So, und zwar nur so, könnte die Klimawende eines Tages doch noch gelingen.