Pläne

Details

Adresse
Energiewendeplatz 1, 2115 Ernstbrunn, Österreich
Architektur
Juri Troy
Bauherrschaft
Windkraft Simonsfeld AG
Kunst am Bau
Caravan Atelier
Maßnahme
Erweiterung, Umbau
Wettbewerb
06/2022
Planung
09/2022
Ausführung
08/2023 - 09/2024
Grundstücksfläche
11.316 m²
Bruttogeschossfläche
3.344 m²
Nutzfläche
3.533 m²
Bebaute Fläche
2.266 m²

Nachhaltigkeit

klimaaktiv Gold 1000/1000 Punkten

Heizwärmebedarf
34 kWh/m²a (Energieausweis)
Energiesysteme
Geothermie, Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, Photovoltaik, Wärmepumpe
Materialwahl
Holzbau, Vermeidung von PVC für Fenster, Türen, Vermeidung von PVC im Innenausbau, Überwiegende Verwendung von Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen, Überwiegende Verwendung von HFKW-freien Dämmstoffen
Zertifizierungen
klima:aktiv

Ausführende Firmen

Holzbau und Teil GU: Strobl Bau - Holzbau GmbH; Tiefbau: Porr Bau GmbH; Baumeister: Schüller Bau GmbH; Lehmbau: pro Lehm Frauwallner GmbH & Co KG; Heizung, Lüftung, Sanitär: GETEC Anlagenbau GmbH; Elektrotechnik: Gottwald GmbH & CO KG; Landschaftsbau: Gartengestaltung Hertl e.U.; Bautischlerei: Pöchacker & Haidegger Gesellschaft m.b.H.; Tischlerei: Tischlerei Schlemmer GmbH; Innenwände: Alois Scheicher GmbH

Preise und Auszeichnungen

klima:aktiv Gold 1000/1000 Punkten
ZV-Bauherr:innenpreis 2025, Nominierung

Publikationen

Presseschau

01. Oktober 2025Wojciech Czaja
db

Erweiterung einer Firmenzentrale in Ernstbrunn (A)

Die Windkraft Simonsfeld AG zählt zu den größten Windstromproduzenten Österreichs – und hat kürzlich ihren neuen Erweiterungsbau von juri troy architects bezogen. Der Holz-Lehm-Hybridbau überzeugt durch Atmosphäre, Innenraumklima und liebevoll komponierte Details.

Die Windkraft Simonsfeld AG zählt zu den größten Windstromproduzenten Österreichs – und hat kürzlich ihren neuen Erweiterungsbau von juri troy architects bezogen. Der Holz-Lehm-Hybridbau überzeugt durch Atmosphäre, Innenraumklima und liebevoll komponierte Details.

Es hilft nichts. Kaum hat man das Foyer betreten, schaut man zunächst einmal weder auf den eleganten Empfangstresen noch auf die schicken Lounge Chairs vor dem Fenster und schon gar nicht auf die wohlproportionierte Holzkonstruktion, die den gesamten Raum in einer stoischen Ruhe säumt – sondern muss unweigerlich zur Stampflehmwand hinlaufen, Hand ausstrecken, riechen, streicheln, herumrubbeln. »Und beinahe«, erzählt Architekt Juri Troy, »hätten wir die Lehmwand nicht realisieren können, denn es hat sich wochenlang kein einziges Lehmbauunternehmen gefunden, das bereit gewesen wäre, den Erdhaushub vor Ort zu verarbeiten. Das wäre echt ein Malheur gewesen! Umso besser, dass es dann doch noch geklappt hat.«

Zurück zum Anfang. Die Windkraft Simonsfeld AG zählt mit 94 Windkraftanlagen, die sie plant, realisiert und auch selbst betreibt, zu den größten Windstromproduzenten Österreichs. Was 1996 als kleines Garagen- und Bauernhof-Unternehmen begonnen hatte – damals wurden die Betreiber noch von vielen als grüne Spinner belächelt, wie man in der Firmenchronik nachlesen kann – ist heute einer der größten und wichtigsten Arbeitgeber in der Region, eine halbe Autostunde nördlich von Wien. Mit 150 Mitarbeitenden in der Verwaltung und einer jährlichen Ausbeute von über 740 Gigawattstunden an grünem Strom – genug, um damit 185 000 Haushalte zu versorgen – entwickelte sich das einstige Start-up auf diese Weise zu einem ausgewachsenen Unternehmen in diesem Bereich.

Vor den Bestand gesetzt

Der erste Wachstumsschub kam 2014, als das Büro vom Bauernhof im kleinen, beschaulichen Simonsfeld ins etwas größere Ernstbrunn übersiedelte und den österreichischen Architekten Georg Reinberg, seines Zeichens Öko- und Solarpionier, mit der Planung für die neue Firmenzentrale beauftragte. Reinberg setzte damals eine hölzerne Lagerhalle aufs Grundstück, daran angrenzend eine Hightech-Büromaschine für rund 50 Mitarbeitende, mit gläserner Südfassade und konstruktiv inszenierter PV-Anlage auf den Vordächern – eine Art technoides Passivhaus-Wahrzeichen in Stahl und Glas. Dazu passend die offizielle, dafür eigens eingetragene Büroadresse: Energiewendeplatz 1.

Mit dem grünen Trend und dem kontinuierlichen Ausbau an Windkraftanlagen im ganzen Land wuchs der Betrieb stetig an, einige Angestellte mussten sogar schon in eine angemietete Dependance übersiedeln, eine weitere Ausbaustufe am eigenen Grundstück – in direkter Nachbarschaft zum Reinberg-Bau – war daher unausweichlich. In Kooperation mit dem Wiener Consulting-Unternehmen M.O.O.CON, das sich vor allem als Partner für die sogenannte Phase Null versteht, wurde ein einjähriger Findungsprozess initiiert, der 2022 in ein Auswahlverfahren mit anschließendem geladenen, zweistufigen Architekturwettbewerb mündete. Unter den vier teilnehmenden Büros sps architekten, MAGK Architekten, Dietrich Untertrifaller und juri troy architects konnte sich Letzteres als Sieger durchsetzen.

»Eigentlich wurde in der M.O.O.CON-Ausschreibung ganz klar kommuniziert, dass die Aussicht freigehalten und der Zubau neben oder hinter dem bestehenden Gebäude positioniert werden müsse«, erinnert sich Architekt Juri Troy. »Aber das hätte bedeutet, dass man den Neubau versteckt und dass man sich weitere, optionale Ausbaustufen auf diesem Grundstück ein für alle Mal verbaut hätte. Dem haben wir uns widersetzt.« Im Gegensatz zu den drei Konkurrenzentwürfen wagte es Troy, den Neubau direkt vor den Reinberg-Bau zu setzen und der Windkraft Simonsfeld AG auf diese Weise ein völlig neues Gesicht zu geben. Statt Technik, Photovoltaik und abweisender Stahl-Glas-Konstruktion wird man am Grundstück nun von Holz, Loggien und farbigen Outdoor-Möbeln in Empfang genommen.

Doch nicht nur das. Mit dem Anbau in u-förmiger Konstellation ist es gelungen, dem Bestandsbau die Sackgasse zu nehmen und das gesamte Büro mitsamt Lobby, Kantine, Teeküchen, Konferenzsaal und sogar teilbarer Veranstaltungshalle zu einem Ring mit zirkulärer, redundanter Erschließung zusammenzufassen. Auf diese Weise steigen die physischen Begegnungen und Kommunikationssituationen im Unternehmen. Und: »Im Bestandsbau hatten bloß 13 Prozent aller Büros Aussicht auf das große, grüne Feld mit den identitätsstiftenden Windrädern am Horizont«, rechnet Juri Troy vor. »Nun sind es 68 Prozent. Das war eines der ausschlaggebenden Argumente für unseren Sieg.«

Bauteilaktivierter Stampflehm

Und hinein ins Haus. Der Zugang befindet sich in einer gedeckten Nische an der Schnittstelle zwischen Alt und Neu, beiderseits Respekt erweisend, beide Bauphasen wertfrei nebeneinanderstellend. Nach einem kleinen Foyer mit ökologischen Kokosmatten als Fußabstreifer, was sonst, befindet man sich im eingangs erwähnten, stimmungsvollen Luxusfoyer. Holzstützen, Holzmöbel, Holzdecken, Sitzlandschaften in warmen Rot- und Rosatönen sowie Terrazzoböden mit Steinen aus einem nahe gelegenen Steinbruch bilden den Vordergrund vor der erdigen, archaischen Stampflehmwand, die die beiden Sanitär- und Erschließungskerne des Neubaus umfasst und bis hinauf ins Obergeschoss reicht.

»Die Stampflehmwand ist ein nicht nur visuelles, sondern auch haustechnisches und bauphysikalisches Schlüsselelement dieses Entwurfs«, erzählt der Architekt. Sie dient als Wärmespeicher, Feuchtigkeitsregulator und vor allem als bauteilaktivierte Masse, denn im Inneren der 20 cm tiefen Stampflehmschicht, die in groben, wellenartigen Schichten den manuellen Produktionsprozess veranschaulicht, befinden sich wasserführende Leitungen, die wiederum an eine Sole-Wärmepumpe und an elf neue Tiefenbohrungen unter dem Haus angeschlossen sind. »Nichts anderes als eine klassische Bauteilaktivierung«, so Troy, »allerdings nicht mit Stahlbeton, sondern aus einem natürlichen Rohstoff zusammengestampft.«

Von Anfang an hatte der Entwurf vorgesehen, für die Lehmschale das Aushubmaterial vor Ort zu verwenden. Allerdings fand sich zwischen Ostösterreich und Vorarlberg lange Zeit kein einziger Spezialist, der bereit gewesen wäre, den lokalen Aushub weiterzuverarbeiten. Manche hätten sogar vorgeschlagen, den Lehm aus Vorarlberg zu beziehen und quer durch die Alpen zu transportieren. In Hinsicht auf graue Energie und Emissionen hätte das den Gedanken der Kreislaufwirtschaft ad absurdum geführt. Das Ursprungskonzept konnte doch noch realisiert werden, und zwar wohlgemerkt mit tatkräftiger Unterstützung lokaler Mitarbeitender. Dies trug dazu bei, dass das Projekt nach dem österreichischen Gütesiegel klimaaktiv zertifiziert wurde und den Maximalwert von 1 000 klimaaktiv-Punkten erreichen konnte – ein neuer Rekordhalter.

Stimmige Einheit

Rund um die beiden Stampflehmkerne wie auch in deren Inneren befindet sich eine Holzkonstruktion mit 24 x 24 cm großen Stützen und Balken sowie mit Wand- und Deckenelementen aus massiven CLT-Platten. Mit einem konstanten Achsmaß von 2,70 m kommt zwischen den vielen ausgeklügelten baulichen Details wie Sitznischen samt drehbaren Tischchen, Stehboards samt Leselampen und geschickt platzierten Zu- und Abluftschlitzen in den Balkenzwischenräumen nicht nur Ruhe und Ordnung ins Gebäude, sondern, mehr noch, ein weiterer Gedanke von Zirkularität: »Eines Tages«, meint Troy, »wird man das Gebäude abtragen und die Bauteile wiederverwenden können. Aus diesem Grund haben wir die Konstruktion so weit wie möglich standardisiert und modularisiert.«

Auch wenn die Architektur aufgrund der seriellen Modularität wie viele Holzbauten heutzutage auf den ersten Blick wie eine segmentierte Bentōbox aussieht, ist das Projekt gegenüber ähnlichen Bauten in puncto Materialität einen großen Schritt voraus. Jury Troy hat den Erweiterungsbau nicht – wie so oft – ideologisch in einem Holz durchdekliniert, sondern die jeweils bestgeeigneten Holzarten wie beim Bau einer Violine oder eines Konzertflügels nach Bedarf miteinander komponiert: Fichte als Konstruktionsholz, Eiche für die bewitterten Terrassenflächen, Lärche für die Fenster, Weißtanne für Fassade, Türen, Möbel und Akustikdecken und schließlich Esche für Parkett, Handläufe und Griffstangen. Das Resultat ist ein sensibel zusammengestelltes Potpourri mit fließenden materiellen und chromatischen Übergängen – von einem Meister der Nachhaltigkeit, der sein Fach bis ins allerkleinste Detail hinein versteht.

Spätestens wenn man am Fenster zum Hof steht oder in den intimen, windgeschützten Garten hinaustritt, wird man dessen gewahr, was für eine schöne, stimmige Einheit hier geschaffen wurde – mit dem Bau von 2014, dem Neubau von 2025 und einem gleichwertigen Nebeneinander unterschiedlicher Ideologien nachhaltigen Bauens. Wie ernst es der Bauherr mit seinem klimasensiblen, ressourcenschonenden Commitment meint, zeigt sich nicht zuletzt im Blutspende-Bus, der regelmäßig bestellt wird, sowie in den täglich frisch gekochten, ausschließlich vegetarischen Menüs in der Kantine. So, und zwar nur so, könnte die Klimawende eines Tages doch noch gelingen.



verknüpfte Zeitschriften
db 2025|10 Natürlich

17. Mai 2025Maik Novotny
Der Standard

Wind und Sonne, Licht und Schatten

Der Neubau für einen Windkraftanlagen-Betreiber in Niederösterreich glänzt mit klimagerechter Architektur. Sein Erweiterungsbau auch. Dabei geraten zwei Vorstellungen des ökologischen Bauens in Kollision miteinander.

Der Neubau für einen Windkraftanlagen-Betreiber in Niederösterreich glänzt mit klimagerechter Architektur. Sein Erweiterungsbau auch. Dabei geraten zwei Vorstellungen des ökologischen Bauens in Kollision miteinander.

Zeichnet man die Geschichte der ökologischen Architektur nach, wird man eher nicht zum Lineal greifen, sondern eine schwungvolle Sinuskurve beschreiben. Das klimabewusste Bauen rückte immer wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit, um danach vergessen zu werden. In der fossil befeuerten Fortschrittseuphorie der Nachkriegsjahre war es, abgesehen von Buckminster Fullers futuristischen Biosphärenkuppeln, kaum existent.

Nach den Warnrufen des Club of Rome 1972 und der Ölkrise 1973 tauchte es wieder auf: in Form von Ökodörfern auf dem Land, vor dem Abrissbagger bewahrten Altstädten und technoider Solararchitektur. In der neoliberalen Ära der lustvollen Verschwendung um die Jahrtausendwende mit ihren computergenerierten, mit Beton und Stahl vollgestopften Formspielereien galt die Ökoarchitektur als so deplatziert wie ein Strickpulli auf einer Koksparty-Yacht.

In der Gegenwart mit ihren düsteren Klimaszenarien führt an ihr kein Weg vorbei. Routen in Richtung des rettenden Notausgangs gibt es viele, meistens verlaufen sie parallel, und manchmal kreuzen sie sich. Zum Beispiel auf einer Wiese im Weinviertel. Dort sind ein Bauherr und zwei Architekten in die richtige Richtung unterwegs, trotzdem gibt es Reibungen.

Der Bauherr, der Windkraftanlagenbetreiber Windkraft Simonsfeld, startete 1996 in einem Bauernhof im gleichnamigen Ort und legte bald den Turbogang ein. Als das provisorische Zuhause aus allen Nähten platzte, fand man im nahen Ernstbrunn ein Grundstück und lobte einen Wettbewerb für eine Firmenzentrale aus, den der Wiener Architekt Georg Reinberg gewann. Dieser hat sich seit Mitte der 1980er-Jahre mit linealhafter Geradlinigkeit der Nachhaltigkeit gewidmet, viele seiner Bauten kombinieren großen Verglasungen nach Süden mit massiver Speichermasse im Norden; technische Elemente wie Photovoltaik-Paneele sind integraler Bestandteil der Architektur. Auch sein Bau für Windkraft Simonsfeld, der 2014 fertiggestellt wurde, folgt diesem Prinzip.

Ökologisches Konzept

Nachdem der Bedarf an erneuerbaren Energien schnell anwuchs, war die für rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgelegte Firmenzentrale schon binnen Jahren zu klein. Heute zählt man 140 Mitarbeiter, davon rund 100 in Ernstbrunn. „Früher wurden wir von manchen als grüne Spinner belächelt, heute sind wir der größte Arbeitgeber in der Region“, sagt Alexander Hochauer, Finanzvorstand von Windkraft Simonsfeld. „Das ökologische Selbstverständnis prägt das Konzept für den Erweiterungsbau und den Umgang mit unseren Mitarbeitern.“ Diese wurden in den Ideenfindungsprozess für den Neubau einbezogen.

„Es musste dem höchsten ökologischen Standard der Zeit entsprechen. Das bedeutet auch ein anderes Erscheinungsbild als vorher. Damals sollte der technologische Fortschritt symbolisiert werden, heute wollen wir erdige und verortbare Materialien, die sich in die Landschaft integrieren. Daher konnte es für uns nur ein Holzbau sein.“ Das wurde es auch. Eine freundliche Arbeitswelt aus Fichte, Weißtanne und viel Tageslicht. Im Frühjahr wurde der Neubau mit großem Volksfest eröffnet.

Man könnte sagen: Der Bauherr geht mit der Zeit. Denn die Wegweiser zur klimagerechten Architektur deuten heute nicht in Richtung solar befeuerten technologischen Fortschritts, sondern in Richtung CO2 -Minimierung. Dementsprechend wurden 2022 zum Wettbewerb vier Teams geladen, die sich vor allem durch Holzbau-Expertise auszeichnen. Gewinner Juri Troy, geboren in Bregenz und heute mit Büro in Wien, hat ein umfangreiches, an Vorarlberger Qualitäts- und Entwurfsstandards geschultes Œuvre vorzuweisen und hält eine Stiftungsprofessur für Holzbau an der TU Wien inne.
Windrad Panorama

Sein zweigeschoßiger Zubau erfüllt substanziell alle Wünsche der Bauherren. Im Inneren zwei massive Kerne aus Stampflehm für Sanitär- und Serverräume, 590 Kubikmeter Holz, Tiefensonden, Photovoltaik. Der Terrazzoboden im Erdgeschoß wurde mit Material aus dem nahen Steinbruch bestückt: kurze Transportwege, regionale Wertschöpfung. Die konstruktive Holzbaulogik bestimmt auch den Rhythmus der Fassade des Zubaus, der südlich an den bestehenden Bau anschließt und mit diesem eine Art Vierkanthof mit begrüntem Inneren bildet.

Die neuen Büros blicken rundum in die Felder und auf die Windkraftanlagen der ersten Generation, die sich bis heute auf den Hügeln drehen. „Die Gegend ist in der Tat sehr windig, daher war es mir wichtig, einen geschützten Hof anzubieten“, sagt Troy.

Auch die Position mit dem besten Panoramablick – erster Stock, Südseite, Aussichtsbalkon – besetzt nicht das Vorstandsbüro, sondern ein großer Raum für die wichtigen informellen Begegnungen der Mitarbeiter. Eine Kantine ist ebenfalls im Programm, das Menü ist rein vegan, ein deutliches Statement im niederösterreichischen Wurstsemmel-Schweinsbraten-Umfeld.

Nachhaltigkeitskompetenz

Die Kompetenz in Sachen Nachhaltigkeit ist jetzt schon evident: Der Energieverbrauch wurde bis ins Jahr 2040 vorab simuliert, der Neubau weist bereits in der Errichtungsphase eine positive CO₂-Bilanz auf und wurde mit maximalen 1000 Punkten nach dem Klimaaktiv-Gold-Standard zertifiziert.

Alles bestens also? Nicht ganz, denn eine Person ist nicht zufrieden mit der Bilanz: Georg Reinberg, Architekt des ersten Baus von 2014. Er war weder als Teilnehmer noch als Juror zum Wettbewerb für den Zubau geladen, und dass jener sich ausgerechnet auf der verglasten Südseite andockt, ihn in eine Vierkanthof-Form hineinzwingt und damit dessen Grundidee der Ausrichtung nach dem Sonnenlauf konterkariert, schmerzt ihn.

DER STANDARD trifft ihn in seinem Wiener Büro, er hat es noch nicht übers Herz gebracht, sich den Neubau anzuschauen. „Man hat sich mit meinem Gebäude inhaltlich nicht auseinandergesetzt. Es ist, würde es gar nicht existieren.“ Er sieht hier eine Kollision zweier grundverschiedener Ansätze: „Die Vorarlberger verfolgen traditionelle Architektur und verstecken die Technik, ich gehe offensiv mit der Technik um und will mit ihr die Architektur weiterbringen.“

Das Weiterbauen des Bestehenden gehört heute zum Pflichtprogramm der Nachhaltigkeit. Dass zwischen Bestand und Weiterbauen gerade zehn Jahre liegen, ist dabei eine Ausnahme. Dass es dabei zu Reibungsverlusten kommt, ist nicht überraschend. Kollisionen können auch passieren, wenn sich alle in die richtige Richtung bewegen.

15. Mai 2025Franziska Leeb
Spectrum

Ökologisch bauen? Das geht heute ganz anders als vor zehn Jahren

Nur ein Jahrzehnt liegt dazwischen, aber das sind Welten in der Ästhetik des ökologischen Bauens: Im niederösterreichi­schen Ernstbrunn hat Architekt Juri Troy den Firmensitz eines Windkraftunternehmens erweitert.

Nur ein Jahrzehnt liegt dazwischen, aber das sind Welten in der Ästhetik des ökologischen Bauens: Im niederösterreichi­schen Ernstbrunn hat Architekt Juri Troy den Firmensitz eines Windkraftunternehmens erweitert.

Die Eröffnungsfeier war ein Volksfest – sogar für die Architektur, obwohl der niederösterreichische Landtagspräsident es sich nicht nehmen ließ, volksnah zu witzeln, dass er sich im Gegensatz zu seinem Vorarlberger Amtskollegen keinen Architekten leisten kön­ne. Die Ortsbevölkerung strömte aber nicht nur heran, um im Festzelt zu launigen Sprüchen, Blasmusik und Freibier lustig zu sein. Mit großem Interesse nahm sie an den Hausführungen teil, und der Vortragssaal war voll, als Architekt Juri Troy am späteren Nachmittag seine konzeptuellen Überlegungen für die Erweiterung des Firmensitzes des Energieunternehmens Windkraft Simonsfeld erläuterte.

Ohne in abgehobenen Architektenjargon zu verfallen, sprach der gebürtige Vorarlberger, der bereits mehrfach in Niederösterreich gewirkt hat, über den Boden als wichtigste Ressource, die Möglichkeiten und Grenzen von Materialien, über Funktionalität, Präzision und Stim­mung. Aufmerksam hörten die Leute zu, fragten nach, und am Ende fühlten wohl alle, dass man sich Architektur nicht nicht leisten darf, und was unter Baukultur zu verstehen ist.

Vorzeigehaus in puncto Nachhaltigkeit

Im Jahr 1998 als erster österreichischer Betreiber mit zwei Windrädern gestartet, hatte das Unternehmen erst 2014 ein „richtiges“ Firmengebäude bezogen. Den Standort am Ortsrand von Ernstbrunn konnte man mit der bislang unerfüllten Hoffnung argumentieren, dass im benachbarten Bahnhof der 1988 eingestellte Personenverkehr nach Wien wiederaufgenom­men werde. Geplant von Architekt Georg Reinberg, einem Pionier des ökologischen Bauens, spiegelte das Haus mit seiner gläsernen Solarfassade das Geschäftsfeld – erneuerbare Ener­gie – ebenso wider wie seinen Status als Vorzeigehaus in puncto Nachhaltigkeit.

Keine zehn Jahre später machte das rasante Wachstum des Unternehmens dringend eine Verdreifachung der Bürofläche notwendig, und auch die Erwartungshaltung an das Gebäude hatte sich verändert. Die Technik musste man nun nicht mehr vor sich hertragen: Deutlich mehr als 50 Prozent der über 1400 österreichischen Windkraftanlagen stehen in Nieder­österreich, Windkraft Simonsfeld ist einer der großen Produzenten. Nun war es wichtiger, sich als attraktiver Arbeitsplatz zu positionieren.

Wie schon beim Erstling setzten die Windproduzenten auf professionelle Projektentwicklung durch die Beratungsfirma M.O.O.CON und luden vier Architekturbüros zu einem Generalplanerwettbewerb. Reinberg war nicht darunter. Auch wenn man offensichtlich neue Wege gehen wollte, so sollte seine prägnante Solarfassade unverstellt bleiben. Erweiterungsflächen sah die Wettbewerbsauslobung vor allem an der Rückseite des jungen Bestandes vor. Genau dieser Vorgabe widersetzte sich Juri Troy als Einziger – und reüssierte.
Bereits in der Errichtungsphase klimapositiv

Um nur minimal in die vorhandene Substanz einzugreifen, schloss er den Neubau an zwei Punkten beiderseits der Solarfassade an den Bestand an. Somit entstand ein Vierkanter, der nicht in Alt und Neu unterscheidet, sondern eine zusammenhängende Arbeitswelt um einen begrünten Hof bildet. Reinbergs gebogene und geneigte Solarfassade und die dahinter liegende zweigeschoßige Halle korrespondieren gut mit dem neuen Hof und bilden mit ihm eine großzügig-luftige Begegnungszone für die hundertköpfige Belegschaft und Gäste, um die sich das ganze Gebäude entwickelt. An der Rückseite bleibt eine potenzielle Erweiterungsfläche für einen weiteren Büro-Vierkanter erhalten und damit der Standort auf längere Zeit gesichert. „Hätten wir jetzt schon alles nach hinten gelegt, würde das Gebäude stets verkehrt herum funktionieren“, erläutert Jury Troy die Entscheidung.

Schon der Bestand war ein Plus-Energiehaus gewesen, nun lautete das ehrgeizige Ziel, nicht nur im Betrieb mehr Energie zu produzieren als zu verbrauchen, sondern bereits in der Errichtungsphase klimapositiv zu bilanzieren. Der Zubau besteht im Wesentlichen aus nachwachsenden Rohstoffen, die Bodenplatte ist aus Recyclingbeton. Architekt Georg Marterer hatte die örtliche Bauaufsicht inne. Um das Baustellengeschehen bestmöglich im Auge zu behalten, bezog er sogar eine Wohnung vor Ort. Ob die Bestandteile des vorhandenen Energiesystems, Schächte oder Wegebaumaterialien: „Wir haben so gut wie alles wiederverwendet, wo schon einmal Energie hineingeflossen ist“, erklärt er.

Kerne aus Stampflehm

Der Holzbau ist nach einem ablesbaren stringenten Prinzip so pur wie möglich angelegt. Alle Knoten sind als reine Holzverbindungen ausgeführt, wodurch große Mengen an stählernen Verbindungsmitteln eingespart werden konnten. Bei einer stützenfreien Spannweite von über acht Metern und Zwischenwänden, die auf dem fertigen Fußboden stehen, sind Raumkonfigurationen in Zukunft leicht veränderbar.

Einen Gegenpol zur fragil wirkenden Holzkonstruktion bilden im straßenseitigen Südtrakt zwei Kerne aus Stampflehm. Sie sorgen für die Aussteifung, beinhalten alle Erschließungs- und Versorgungsstränge sowie die Bauteilaktivierung zum Heizen und Kühlen und tragen maßgeblich zur Regulierung des Raumklimas in den direkt daran angelagerten stark frequentierten Bereichen bei. Das Material stammt aus dem Aushub und hat die Baustelle nie verlassen. Den Zuschlag zur Erhöhung der Druckfestigkeit holte man aus einem nahen Kalkbruch und setzte ihn auch gleich im Terrazzoboden ein.

Wie ein Schatzkästchen mit unterschiedlichen Laden bergen die Lehmkerne als Kontrast zur farblich zurückhaltenden Bürolandschaft abwechslungsreich ausgestattete Räume. Als besondere Preziosen überraschen die kleinen, in den Farben der Weinviertler Landschaft ausgepolsterten Rückzugsräume. Die Künstlerin Viviana Schimmenti hat sie aus unterschiedlich strukturierten, mit Pflanzenextrakten gefärbten Stoffen gestaltet und holt so das Kolorit der Weinviertler Landschaft – ein­mal die Farben des Himmels, einmal jene der blühenden Felder – in das Bürogebäude.

Viel menschliche Energie floss in das durchdachte Konzept, fein aufeinander abgestimmte Details und handwerkliche Qualität. Überraschend harmonisch gelang wohl auch deshalb die Fusion gegensätzlicher Raumkonzepte zweier Architektengenerationen. Die Themen Ökologie und Nachhaltigkeit sind omnipräsent, werden aber gestalterisch nicht überhöht. Man traut der Struktur zu, noch in Jahrzehnten – auch für andere Zwecke – nützlich zu sein. Vielleicht kommen dann irgendwann doch noch Gebäudenutzer in den Genuss eines reaktivierten Bahnanschlusses.

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