15. Januar 2024 - Initiative Architektur
Der kompakte viergeschossiger Baukörper besitzt eine Lochfassade mit quadratische Sichtbetonfaschen, die die Fensteröffnungen betonen. Bemerkenswert ist die Gestaltung der Nullfläche aus einem gekämmten Putz, der dazu einlädt betastet und begriffen zu werden. Der Kammzug aus gerundeten Stegen und Nuten bildet eine vertikale Schraffur aus Licht und Schatten. An den horizontalen Schnittstellen, die beim Abziehen mit einem breiten Kamm durch den Maurer im noch feuchten Putz zwangsläufig entstehen, wurde so exakt gearbeitet, dass die Stöße selbst bei genauem Hinsehen kaum auszumachen sind. Im Streiflicht erscheint die Fassade wie ein Teppich, in den Sichtfenster wie Pailletten eingewirkt sind.
Konstruktiv gesehen bildet ein Sockel aus Ortbeton die Basis für das aufgehende Mauerwerk. Dieses besteht aus einer 50 cm starken Wand aus gedämmten Hochlochziegeln. Vor den Verglasungen im Erdgeschoß nehmen stehende Holzlamellen die vertikale Struktur der Kammzüge des Putzes auf. Diese hölzernen Screens bilden den Sichtschutz zu den im Erdgeschoß liegenden Verhandlungssälen.
Nachdem man das Haus betreten und die obligate Sicherheitsschleuse passiert hat, wird man von einem Licht durchfluteten über alle vier Geschoße reichenden Atrium in Empfang genommen. Mit einem einzigen Blick erschließt sich hier die Ordnung des Hauses mit den Räumen für die Rechtsprechung auf der Eingangsebene und den Büros des Gerichtspersonals in den darüberliegenden Geschoßen.
Die an der Fassade ablesbare Reduktion auf wenige Materialien wurde im Innenleben konsequent weitergeführt. In der aufgehenden Wand des über alle Geschoße reichenden Atriums kommt Sichtbeton zum Einsatz, der in den Gangbereichen vor den Verhandlungssälen sandgestrahlt wurde. Ein geschliffener Beton-Estrich in den Erschließungszonen, Holz an den Brüstungen und den Fußböden der Büros bestimmen das puristische Erscheinungsbild.
In der Auseinandersetzung über eine ökologisch sinnvolle Bauweise nimmt das Objekt eine bemerkenswerte Position ein. Der kompakte Baukörper und die Verwendung eines hochdämmenden Ziegels (kein Vollwärmeschutz!) sind konstitutiv für die Erfüllung dieses Ziels, bei der auch die Reduktion von Fensterflächen eine Rolle spielt. Dass es deswegen weder an Tageslicht noch an Frischluft mangelt, dafür sorgt unter anderem das zentrale Atrium, über dessen integrierte Nachtlüftung das Raumklima geregelt und das Gebäude in den Sommermonaten auf natürliche und umweltschonende Weise ohne Einsatz von Energie gekühlt werden kann. Die Energieversorgung erfolgt über den Anschluss an das Nahwärmenetz, wobei die Fotovoltaikanlage am Dach einen Teil der Stromversorgung übernimmt. Roman Höllbacher