05. Mai 2020 - ORTE architekturnetzwerk niederösterreich
Die Anlage besteht aus drei Bauelementen: Straßenseitig begrenzt ein zweistöckiges Einfahrtsgebäude aus den 1960er-Jahren, früher als Verkaufsraum genutzt, das Grundstück im Nordwesten. Dahinter, direkt am Mühlbach, befindet sich ein zweites, zweigeschossiges Wohngebäude aus den 1920er-Jahren, einschließlich einer ehemaligen Autowerkstatt, die mehrfach erweitert und umgebaut wurde. Dazwischen liegt der ursprünglich betonierte, nicht einsehbare Innenhof, der als Lagerfläche diente.
„2010 suchten wir eine neue Bleibe und fanden dieses Altbau-Ensemble“, erinnert sich das Bauherrenpaar Christine K. und Christian M. Die hohen Räume der Werkstatt, die alten Stahlträger, die großen Holztore sowie die Fabrikfenster und die angedeutete Galerie im Werkstattbereich nahmen die neuen Besitzer besonders für sich ein: „Beeindruckt hat uns die Aussicht vom großen Werkstattfenster auf den vorbeifließenden Mühlbach mit seinen Enten. Wir haben uns gleich verliebt und hatten von Anfang an den Wunsch das Ensemble umzubauen.“ Allerdings war sich das Bauherrenpaar unsicher, ob es tatsächlich gelingen würde die alte Substanz zu erhalten. „Dazu haben wir mit verschiedenen Baufirmen und Architekten gesprochen, die uns alle zum Abriss geraten haben. Bis wir auf Sebastian gestoßen sind. Er hat uns von Anfang an bei unseren Umbauplänen unterstützt.“
Dach und Außenwände der ehemaligen Werkstatt waren in einem sehr schlechten Zustand. In einer ersten Bauphase wurden sie gegen ein neues Dach und Außenwände in Holzriegelbauweise getauscht, wobei die alte Stahlrahmenkonstruktion sichtbar belassen wurde. Die Holzelemente der Wände wurden ökologisch nachhaltig mit Zellulosedämmung ausgeblasen. In Anlehnung an die ehemalige Funktion einer Autowerkstätte wurde der gesamte Gebäudeteil mit einer Metalldeckung umhüllt.
Das bestehende Wohngebäude wurde behutsam saniert und beherbergt nun im Erdgeschoß die Küche, das Badezimmer mit Sauna sowie Nebenräume. Die im Obergeschoss gelegenen Schlafräume werden über eine Galerie im Wohnbereich erschlossen. Für eine natürliche Belichtung des hohen Wohnraums sorgt eine große verglaste Dachöffnung, wodurch der Raum zum besonderen Wohlfühlbereich der gesamten Familie mutierte. „Wir stehen gerne hier. Durch die Dachöffnung können wir die am Bach wachsenden Kastanienbäume zu allen Jahreszeiten sehen oder die das Wohnzimmer überfliegenden Vögel beobachten.“
In den Innenräumen wurde besonderer Wert auf ein zwar industrielles aber dennoch wohnliches Flair gelegt. Pro Zimmer wurde eine Wand als Sichtmauerwerk belassen, der Fußboden aus geölter Eiche verleiht den Räumen wohnliche Wärme. Bestandsdetails wurden von der Bauherrin liebevoll instandgesetzt. Das alte Werkstatttor wurde in seiner ursprünglichen Farbe gestrichen, die Stahlträger mit Aufhängevorrichtungen restauriert und die ehemaligen Werkstattlampen dienen als Beleuchtung über dem Küchenblock.
In einer zweiten Bauphase wurde das Haus an der Hauptstraße in das Konzept miteinbezogen. Es wurde verkleinert, ja bis auf die Mittelmauer abgerissen, um mehr Platz im Innenhof zu schaffen. Es erhielt ein neues, teilweise begrüntes Dach und eine neue Fassade, die Holzlamellen wurden vom Bauherrn selbst montiert. Das Zusammenspiel der Materialien Metall, Beton, Sichtmauerwerk und Holz wird konsequent im begrünten Innenhof fortgesetzt. Eine wasserseitige Terrasse lädt zur Kaffeepause. (Text: Architekt, bearbeitet)
