Pläne

Details

Adresse
Obere Augartenstraße 1E, 1020 Wien, Österreich
Bauherrschaft
Wiener Sängerknaben Konzertsaal Betriebs- GmbH
Tragwerksplanung
Wolfgang Lindlbauer
Fotografie
Rupert Steiner
Weitere Konsulent:innen
Bühnentechnik: DI Krenn, DI Palla
GEOL.at-Technische Geologie Niederbacher
Archäologische Betreuung: Wiener Stadtarchäologie, Elfriede Huber
Corporate Design: Penthouse Perfection
Modellbau, Prototypen: Fa.Steingassner, Wien
Planung
2004 - 2012
Ausführung
2010 - 2012
Grundstücksfläche
1.265 m²
Bruttogeschossfläche
3.430 m²
Nutzfläche
2.835 m²
Bebaute Fläche
1.264 m²
Umbauter Raum
10.250 m³
Baukosten
13,0 Mio EUR

Nachhaltigkeit

Kühlung durch Grundwasser, Wärmerückgewinnung, Luftansaugung vom Park

Heizwärmebedarf
35,0 kWh/m²a (Energieausweis)
Energiesysteme
Fernwärme
Materialwahl
Stahl-Glaskonstruktion, Stahlbeton, Überwiegende Verwendung von Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen, Überwiegende Verwendung von HFKW-freien Dämmstoffen, Vermeidung von PVC für Fenster, Türen, Vermeidung von PVC im Innenausbau

Preise und Auszeichnungen

"schorsch"Preis MA19 Bauten 2012

Publikationen

Verlag Anton Pustet 2013

Links

Archfoto

Genereller introtext zu Archfoto der von nextroom geschrieben wird.

Presseschau

07. Dezember 2012Wojciech Czaja
Der Standard

Kollateralstimmbruch

Am Sonntag wird im Augarten der heiß diskutierte Konzertsaal der Wiener Sängerknaben eröffnet. Grund genug, die Planungskompetenz des Wutbürgers infrage zu stellen

Am Sonntag wird im Augarten der heiß diskutierte Konzertsaal der Wiener Sängerknaben eröffnet. Grund genug, die Planungskompetenz des Wutbürgers infrage zu stellen

Die Architektur ist eine Erleuchtung. Zumindest wenn man sie in Lux und Lumen misst. Schon von weitem erstrahlt am abendlichen Himmelszelt ein weißes, gleißendes Strahlen, so ähnlich wie man es aus der Science-Fiction-Schmiede Hollywood kennt, kurz bevor das Luftschiff mit seinen durchsichtigen Besuchern abhebt und in der Tiefe des Universums verschwindet. Es ist dies aber kein Ufo, sondern der neue, längst stadtbekannte und kontroversiell diskutierte Konzertsaal der Wiener Sängerknaben im südlichsten Zipfel des Augartens.

„Ja, das Licht klescht noch ziemlich“, sagt Elke Hesse, Direktorin des sogenannten Muth. Die Abkürzung entstand in Anlehnung an das Grazer Musikhaus Mumuth und steht für Musik und Theater. „Es ist zu kalt und zu hell und passt nicht ins Ambiente. Wir arbeiten daran.“

Bis Sonntagvormittag ist noch Zeit. Dann nämlich wird die Spielstätte der singenden Matrosen nach zwei Jahren Bauzeit feierlich eröffnet. Mit dabei: Franz Welser-Möst und die Wiener Philharmoniker.

Auch die zuständigen Architekten Johannes Kraus und Michael Lawugger vom Wiener Büro Archipel räumen ein, sich bei der Beleuchtung womöglich ein bisschen verkalkuliert zu haben. Noch ist die richtige Lichtstärke nicht gefunden.

Überaus gesucht und gefunden hingegen sei der Konsens, auf diesem schwierigen, engen Grundstück ein Gebäude an der Schnittstelle zwischen Alt und Neu entwickelt zu haben, das sowohl die Förderer und Befürworter des Projekts zufriedenstellt als auch seine zahlreichen Gegner.

„Es gab bei diesem Projekt Versäumnisse auf vielen Seiten, vor allem auf politischer Ebene“, sagt Architekt Kraus. „Die Wogen sind hochgegangen, Bürgerinitiativen wurden gegründet, der Augarten wurde besetzt, und irgendwann einmal war der Punkt erreicht, an dem es nicht mehr möglich war, objektiv und sachlich über die Qualität des Gebäudes und seine Nutzungsmöglichkeiten zu diskutieren. Das finde ich sehr schade.“

In dieser Hinsicht zeigten sich die Architekten weitaus kooperativer und kompromissfreudiger als die zwar selbsternannt liberalen, letztendlich aber konservativ argumentierenden Damen und Herren an der Spitze der beiden Kampftruppen „Josefinisches Erlustigungskomitee“ und „Freunde des Augartens“, die die Sängerknaben als ein paar singende Gschrappen bezeichneten, die von Kaltschnäuzigkeit und Denkmalzerstörung sprachen und die allerlei andere, zum Teil unappetitliche Aktionen starteten, die es nicht wert sind, im Detail erläutert zu werden.

Als im März 2007 dann auch noch Viennale-Direktor Hans Hurch und Filmarchiv-Leiter Ernst Kieninger ihre Konkurrenzpläne für ein teilweise unterirdisches Filmkulturzentrum vorstellten (Entwurf Delugan Meissl Associated Architects), entfachte ein Kampf, den man getrost als medialen Bürgerkrieg bezeichnen könnte.

Die Aktivisten befetzten sich mit Kommentaren und Gegenkommentaren (der Standard berichtete), sammelten Unterschriften von Otto Normalverbraucher bis Hollywoodstar Tilda Swinton und waren nicht einmal müde, alle Instanzen von Rechnungshof über Volksanwaltschaft bis hin zum Verwaltungsgerichtshof zu durchwandern.

Vergeblich. Am Ende entschied sich der damalige, für den Augarten zuständige Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (VP) zugunsten des verkleinerten und überarbeiteten Konzerthauses für die trällernden Buben.

Geometrische Schleiforgie

Genug der historischen Krokodilstränen, rein in die Architektur. Es hilft kein Rütteln und kein Beschönigen. Von außen ist und bleibt das dekonstruktivistisch angehauchte Ding ein greller, metallischer Fremdkörper in barocker Gesellschaft. Die Gebäudehülle aus Titanzink, die über Dach und Fassade gezogen wurde, will sich mit der Augartenmauer und den alten Dachschindeln des denkmalgeschützten Pförtnerhauses einfach nicht anfreunden.

Auch formal wurde hier nicht gerade ein Kandidat für den nächsten Baukulturpreis geschaffen. Fast scheint es, als hätte Frank Gehry einen Schiffscontainer verschluckt. „Wir hätten den Bau gerne noch etwas flacher gemacht, aber nachdem entschieden wurde, dass wir das Pförtnerhaus erhalten und ins Projekt einbeziehen müssen, war das nicht mehr möglich“, erklärt Johannes Kraus. „Wir haben dann so lange an der Form herumgeschliffen, bis alles gepasst hat.“

Opfer dieser geometrischen Schleiforgie sind auch die Übergänge zwischen Neubau und Altbau, der für das Projekt mühsam trockengelegt und statisch um zwei Kellergeschoße unterfangen werden musste. Das reinste Durcheinander. Doch das Bundesdenkmalamt (BDA) ist mit dem Spagat zwischen den Epochen zufrieden: „Die Architekten sind in intensivem Kontakt mit uns gestanden und haben hier beste Arbeit geleistet“, sagt Friedrich Dahm, Landeskonservator für Wien. „Das realisierte Projekt entspricht punkt- und beistrichgenau den genehmigten Planunterlagen.“ Die Baukosten belaufen sich auf 15 Millionen Euro. Finanziert wurde das Projekt zur Gänze von der POK Pühringer Privatstiftung.

Und dann die große Überraschung. Kaum hat man Kassa, Café und Garderobe hinter sich gelassen, offenbart sich ein Konzertsaal, der hierzulande wahrscheinlich zu den schönsten und gelungensten Aufführungsräumen der letzten Jahrzehnte gezählt werden kann. Geräucherte Eiche am Boden, ein Kokon aus Nussholz mit mal heller und mal dunkler, mit mal ruhiger und mal stark gemaserter Struktur, ein Himmel aus goldlackiertem Streckmetall und die 440 knallroten Ergonomie-Wunderstühle mit ihren rheingold- und walküretauglichen Lumbalstützen in der Rückenlehne verwandeln das Volumen in einen festlich ausgeschmückten Geigenkasten. Ein Genuss.

„Ich bin von diesem Saal begeistert“, erklärt die Konzerthaus-Direktorin Elke Hesse. „Einerseits würde man so einen riesengroßen Saal von außen nie vermuten, andererseits sind Akustik und Ambiente hier drinnen einfach perfekt.“ Die Akustikplanung stammt von Bernd Quiring, der auch schon die neuen Säle im Musikverein und das kurz vor Fertigstellung befindliche Linzer Musiktheater berechnete.

Die ersten Musikproduzenten, die den Saal als Tonstudio nutzen wollen, stehen bereits auf der Liste. Außerdem soll der Saal der Wiener Volksoper, dem Dschungel Wien und dem Konzertveranstalter Jeunesse zur Verfügung gestellt werden. Auch Fremdvermietungen an Festivals und Unternehmen sind geplant.

Diese in jeder Hinsicht geglückte Qualität wäre auch fürs übrige Gebäude wünschenswert gewesen. Hätten sich die Architekten in den letzten Jahren auf ihre Kernkompetenz konzentrieren können, anstatt an der Front gegen ein aufgescheuchtes Wutbürgertum zu kämpfen, würde der Konzertsaal der Wiener Sängerknaben heute anders aussehen. Können tun sie's ja. Das haben sie im Saal eindrücklich bewiesen.

Mitspracherecht und Bürgerbeteiligung sind wichtige Grundpfeiler von Demokratie. Doch es kommt darauf an, wie man von diesem Recht Gebrauch macht. Im konkreten Fall gibt es keine Gewinner, sondern nur Verlierer. Und das Projekt wurde durchs Dreinreden nicht besser, sondern schlechter.

Im Februar 2013 erscheint im Verlag Anton Pustet das von den Architekten herausgegebene Buch „Konzertsaal der Wiener Sängerknaben“ mit Fotografien von Rupert Steiner. EUR 28,-

Eröffnungskonzert mit den Wiener Sängerknaben, den Philharmonikern und Dirigent Franz Welser-Möst am Sonntag, dem 9. Dezember, um 11 Uhr. Ab 15 Uhr ist Tag der offenen Tür.

07. Dezember 2012Christian Kühn
Spectrum

Gegen die Wand

Ein schöner Saal, keine Frage. Aber wieso sieht das neue Musiktheater der Wiener Sängerknaben von außen aus wie ein Schiffsunglück?

Ein schöner Saal, keine Frage. Aber wieso sieht das neue Musiktheater der Wiener Sängerknaben von außen aus wie ein Schiffsunglück?

Man muss den Sängerknaben gratulieren. Ihr Traum ist wahr geworden: Am 9. Dezember eröffnen sie ein eigenes Musiktheater im Augarten, nur ein paar Gehminuten von ihrem Stammsitz, dem gleichnamigen Schloss, entfernt. Das neue Haus heißt „MuTh“, was für Musik und Theater steht, aber auch für „Mut zum Neuen“, den man bisher kaum mit den Sängerknaben verbunden hat.

Das ist kein Zufall. Die Sängerknaben haben sich in den letzten Jahren entwickelt, im Schulangebot und auch musikalisch. Das neue Haus, das vor allem junge Menschen für Musik begeistern soll, ist ein Botschafter für diese Modernisierung. Wer den Aufführungssaal betritt, findet eine Atmosphäre vor, die mit dem klassischen, irgendwo zwischen Mozartkugeln und Lipizzanern angesiedelten Image der Sängerknaben denkbar wenig zu tun hat. Der gut proportionierte, sehr intim wirkende Zuschauerraum fasst knapp über 400 Besucher. Er ist asymmetrisch aufgebaut, mit einem breit gelagerten Parterre und einer Galerie, die ein wenig an den Konzertsaal der Berliner Philharmonie von Hans Scharoun erinnert. Herzstück des Saals ist eine zwölf mal neun Meter große Bühne mit versenkbarem Orchestergraben, die den Raum sowohl für Konzerte als auch für Musiktheater und Theateraufführungen verwendbar macht.

Eine Täfelung aus kräftig gemasertem Nussholz zieht sich über die gefaltete Oberfläche von Wänden und Decken und vermittelt das Gefühl, im Bauch eines geheimnisvollen Musikinstruments zu sitzen. Tatsächlich haben Material und Faltungen ihre Gründe nicht nur in der architektonischen Idee eines dynamischen Raums, dem die Holzmaserung noch zusätzlich Tempo macht, sondern auch in akustischen Überlegungen. Im vorderen Teil der Decke verschwindet die Technik hinter einem Streckmetallgewebe aus goldgelb eloxiertem Aluminium, das den oberen Raumabschluss leicht und fast durchlässig wirken lässt. Seine akustische Bewährungsprobe hat der Raum in den ersten Tests zur vollen Zufriedenheit bestanden.

Ein guter Saal, keine Frage. Auch die Erschließungsräume, die ihn umgeben, sind hell und großzügig, und die Verbindungstreppen zur Galerie bieten attraktive Durchblicke und Ausblicke aus dem Gebäude.

Vom äußeren Erscheinungsbild des Hauses war bisher nicht die Rede. Mit gutem Grund. Denn so gelungen das Innere des MuTh in vielen Bereichen ist, sein Äußeres stürzt den Betrachter, der sich ihm von der U-Bahnstation Taborstraße nähert, in größte Verwirrung. Ist hier ein U-Boot von einem Tsunami angeschwemmt und von innen so fest gegen die Mauer des Augartens gedrückt worden, dass seine Stahlnähte aufgeplatzt sind? Oder hat sich der Boden unter einer Lagerhalle gesenkt, die dadurch schräg gegen das barocke Häuschen gefallen ist, das die Ecke des Augartens an dieser Stelle markiert?

Um zu verstehen, welche Kräfte hier am Werk waren, muss man weit in die Geschichte des Projekts zurückgehen. Im Jahr 2000 wird der Augarten unter Denkmalschutz gestellt. 2002 beschließt der Wiener Gemeinderat, für die Südostecke des Augartens anstelle der bestehenden Flächenwidmung, die einen viergeschoßigen Schulbau erlaubt hätte, eine Bebauung auf 30% der Fläche mit niedriger Bauhöhe zuzulassen. Das ist vom historischen Bestand her durchaus legitim, befanden sich hier doch bis in die 1970er-Jahre die ehemaligen Gesindehöfe des Palais. Als voraussichtlicher Nutzer sieht sich das in den erhaltenen, straßenseitigen Gesindetrakten untergebrachte Filmarchiv Austria. Ungefähr gleichzeitig melden die Sängerknaben Bedarf für eine neue Spielstätte an. Ab 2004 haben sie dafür auch einen Mäzen, die Pühringer Privatstiftung POK. Ein erster Entwurf für einen unterirdischen Saal vor dem Palais erweist sich als zu teuer. 2005 beauftragt die POK die Architekten Johannes Kraus und Michael Lawugger (archipel) mit dem Konzept eines Kulturforums auf einem ungenutzten Areal annähernd auf der Achse des Palais. Das Projekt, eine Art Landschaftsrelief, das an bestehende Erdwälle anschließt, soll als kulturelle Infrastruktur mit großzügigem Vorbereich gemeinsam von den Sängerknaben und dem Filmarchiv genutzt werden.

Im Februar 2006 diskutieren die beteiligten Institutionen unter Ausschluss der Öffentlichkeit zwei von archipel ausgearbeitete Alternativen: eine Weiterentwicklung des Kulturforums im Park und eine Variante am Augartenspitz, die den Saal in einen schmalen Streifen an der Parkmauer zwängt. Das Denkmalamt lehnt kategorisch jeden Neubau in der Tiefe des Parks ab. Dafür wird den Sängerknaben explizit zugesagt, am Augartenspitz ein Gesindehaus und die Mauer durch den Neubau ersetzen zu dürfen.

Als die Pläne der Öffentlichkeit vorgestellt werden, melden sich Bürgerinitiativen zu Wort, die unter dem Slogan „Der Augarten darf kein Baugarten werden“ alle Pläne verhindern wollen. Zu einem ersten Erfolg verhilft ihnen das Denkmalamt, das seine Zusage für das Schleifen von Gesindehaus und Mauer zurückzieht. Die Bürgerinitiative hofft, das Projekt damit buchstäblich an die Wand gefahren zu haben.

Doch archipel planen weiter. Das Barockhaus wird integriert, der Neubau hinter der Mauer versteckt. Der großzügige Eingang geht verloren, die Besucher müssen nun seitlich die Augartenmauer entlang, dann rechts durch ein Tor und betreten das MuTh durch einen Nebeneingang. Die von Anfang an problematischen Aspekte des Bauplatzes – zu niedrige Bauhöhe und fehlendes Vorfeld – machen sich noch deutlicher bemerkbar. Die Bauskulptur bäumt sich verzweifelt hinter der Mauer auf, und für die Fassade zum Augarten und die Integration des Gesindehauses bleibt den Architekten nur noch die Option „Augen zu und durch“.

Architekturkritik greift hier zu kurz. Die Schwächen dieses Hauses sind Schwächen einer Kultur, die sich zwanghaft ans Alte klammert und das Neue nur als notwendiges Übel akzeptieren kann. Dass es anders geht, haben etwa Next Enterprise mit ihrem Wolkenturm in Grafenegg bewiesen, der zur musikalischen Attraktion ersten Ranges geworden ist. Dort war es allerdings auch Teil der Wettbewerbsaufgabe für die Architekten, den besten Standort im Park zu finden.

Dem MuTh und seinem schönen Saal wünsche ich viel Erfolg. Aber ein echtes „Happy End“ dieser Geschichte hätte anders ausgesehen: ein Kulturforum im Park mit einem gestalteten grünen Vorfeld für Feste und Filmvorführungen, ein Kinderspielplatz am Augartenspitz und dazwischen ein öffentlicher Durchgang in den Park, den es – nicht zuletzt durch den Widerstand der Sängerknaben, ihren Park zu öffnen – nach wie vor an dieser Stelle nicht gibt.

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