Details

Adresse
via Guido Reni, 4 A, 00196 Rom, Italien
Fertigstellung
2009
Eröffnung
2009

Publikationen

Links

maxxi.beniculturali.it
http://www.maxxi.beniculturali.it

Presseschau

22. Mai 2010Gerhard Mumelter
Der Standard

Abschaffung des rechten Winkels

Mit seinen fließenden Formen und der radikalen Absage an die Vertikale stellt Zaha Hadids neues Kunstmuseum in Rom an Kuratoren gewaltige Herausforderungen

Mit seinen fließenden Formen und der radikalen Absage an die Vertikale stellt Zaha Hadids neues Kunstmuseum in Rom an Kuratoren gewaltige Herausforderungen

Längst haben sich Anrainer im römischen Flaminio-Viertel an die Fragen ratloser Passanten gewöhnt. „Il museo? E' qui“, deutet eine vom nahen Markt kommende Hausfrau auf die Fassaden grauer Kasernen in der Via Reni. Dort kann die Gruppe britischer Studenten nur einen ungewohnten Betonkeil orten, der aus dem Dach einer ehemaligen Kaserne ragt. Dass man ein monumentales Museum wie Roms neues Maxxi einfach übersehen kann, gehört zu den irritierenden Aspekten von Zaha Hadids vieldiskutiertem Neubau.

In der vom Tiberufer zu Renzo Pianos Auditorium führenden Straße drücken Passanten an der unauffälligen Adresse 4 A ihren Kopf an einen hohen Gitterzaun, um einen dürftigen Seitenblick auf das neue Architekturwunder der Hauptstadt zu werfen. Der horizontal konzipierte Neubau versteckt sich förmlich in der unspektakulären Umgebung eines aufgelassenen Militärareals. Erst beim Betreten des weiträumigen Freigeländes verrät die geschwungene Fassade den Impetus, mit dem sich der ungewöhnliche Bau gegen jede museale Tradition stemmt.

Auf dünnen Stahlsäulen, die aus weißem Schotter ragen, balanciert unbändige Dynamik, die den Besucher sofort in ihren Bann zwingt. „Tagliatelle“ nennen italienische Medien die drei X-förmig verschlungenen Betonstränge, mit denen die Londoner Architektin unter 273 Teilnehmern im Wettbewerb siegte, den Rom 1998 unter dem Eindruck des eben eröffneten Guggenheim-Museums in Bilbao ausgeschrieben hatte. Von der Warnung ihres Leidensgefährten Renzo Piano, ein öffentlicher Bauauftrag in Rom sei „wie die Durchquerung des Wilden Westens im Planwagen“, ließ sich die gebürtige Irakerin nicht abschrecken.

Hat die Errichtung wichtiger Prachtbauten in der ewigen Stadt nicht von jeher viel Zeit und Aufwand erfordert? So irritierte es kaum jemanden, dass die Bauzeit des ersten Nationalmuseums für zeitgenössische Kunst und Architektur jener des Kolosseums entsprach und die Kosten in zehn Jahren auf 150 Millionen Euro kletterten. Mit der Last des historischen Erbes konnte Hadid locker umgehen: „Ich bin Babylonierin und komme aus einer 5000 Jahre alten Kultur.“ Eher stieß ihr Projekt auf verständnisloses Kopfschütteln: Was soll die traditionsverliebte Hauptstadt, die zu neuer Architektur und Kunst ein gestörtes Verhältnis pflegt, mit einem derart überproportionierten Museum? Seine wahre Dimension gibt der suggestive Bau freilich erst nach und nach preis.

Tritt der Besucher ins imposante Foyer, erliegt er umgehend der Dynamik schwebender Rampen und lichter Schneisen, dem Geflecht schwarzer, mit milchigen Lichtbändern unterlegter Treppen, die sich wie ein schwereloses Skulpturengewirr in die Höhe winden. Ein Zentrum ist in dem Kaleidoskop dissonanter Bewegungen nicht auszumachen. Wer sich den Treppen und Gängen anvertraut, taucht in ein spannendes Wechselspiel von Schwere und Leichtigkeit. Ununterbrochen ergeben sich neue Durchblicke und Perspektiven. Der Besucher lässt sich im Bewegungsstrom von Zada Hadids „verflüssigten Räumen“ förmlich treiben.

Verflüssigung von Raum

Ist man jetzt hinten oder vorn? Soll man rechts oder links abbiegen? Wie in Eschers irritierenden Mäandern verflechten sich Oben und Unten, Weite und Enge, schwebende Brücken, sanft ansteigende Rampen, gewölbte Wände und enge Korridore. Eines gibt es in dieser furiosen Choreografie nicht: Stillstand. Nie wurde Heraklits Motto panta rhei konsequenter umgesetzt als hier. „Der Bau soll fließen und seine Umgebung in Schwingung versetzen“, schildert die Architektin ihre Intention, „mein Ziel war die Verflüssigung von Räumen.“ Mit der verhassten „Diktatur des rechten Winkels“ rechnet die kosmopolitische Pritzker-Preisträgerin im römischen Neubau gnadenlos ab. Symbolhaft genug: Das ebenerdige WC mit seinen Stahltoiletten ist der einzige rechtwinklige Raum im 30.000 Quadratmeter umfassenden Museum. Hadid wertet ihre Kreation denn auch „weniger als Objekt oder Bauwerk“, sondern als „urbanen Kunstcampus, in den man eintaucht“. Ein Museum sei schließlich kein Container mehr, keine Schachtel mit Kunstlicht: „Natürliches Tageslicht ist für die Kunst das Beste.“

Mächtiger Schaukasten

Durch das mit Betonlamellen unterlegte Glasdach fließt das Licht üppig in die fünf ineinander verschlungenen Galerien, mit denen Kuratoren ihre liebe Not haben dürften. Keine einzige senkrechte Wand, an der sich ein Bild aufhängen ließe. Kurven, Wölbungen und kraftvolle Linien sperren sich förmlich gegen herkömmliche Ausstellungskonzepte. Schräge Böden und geneigte Wände machen unmissverständlich klar, dass hier Architektur dominiert und Kunst sich anzupassen hat. Das von Hadid und ihrem Partner Patrik Schumacher errichtete Gebäude entpuppt sich als Bau, der Kunst bestenfalls duldet. Dagegen fügte sich die von Sascha Waltz konzipierte Tanzperformance zur Eröffnung harmonisch in die bewegte Dynamik des Museums, in dem grauer Sichtbeton dominiert.

In Rom konnte Hadid „der langen Tradition der Italiener im modernen Betonbau“ vertrauen, wie sie Pier Luigi Nervis naher Palazzetto dello Sport aus dem Olympiajahr 1960 verkörpert. Für die gewölbten Betonwände wurden 14 Meter hohe Schalungselemente angefertigt, besonderes Schalholz aus Skandinavien wurde mit Phenolharzen behandelt. „Beton hat eine raue Qualität, die ich sehr mag“, schwärmt Hadid, „er gibt der Architektur eine vitale, erdige Ausstrahlung.“ Wirkt die massive Hülle aus Sichtbeton von außen fast abweisend, überraschen die Innenräume durch ihre Dimensionen und ihre Helligkeit. Beim Gang durch die drei Ebenen des Hauses finden schwindelfreie Besucher nach der Achterbahn von Kurven, verschlungenen Gängen und Traversen erst am höchsten Punkt ihre Orientierung wieder: In 23 Metern Höhe öffnet sich eine ansteigende Galerie zu einem mächtigen Schaukasten und gibt durch eine nach innen geneigte Glasscheibe den Blick nach draußen frei. Der weiße Kies erinnert an aufgelassene Bahngeleise, die Bäume und die von Hadid entworfenen fließenden Bänke suggerieren ein Bild entrückter Ruhe - ohne Straßen, Autos und den pulsierenden Verkehr der Hauptstadt.

Obwohl Hadids Neubau scheinbar alle Dogmen der Moderne unterläuft und die Geometrie Lügen straft, erfolgt die von der Architektin proklamierte „Auflösung der Erstarrung“ mit eleganter Zurückhaltung. Im raffinierten Spiel aus Stahlbeton, Glas und Metall erscheint die Welt nicht als Zustand, sondern als Bewegung.

Hadid hat auf das schmale, L-förmige Grundstück keinen Kunstspeicher gesetzt, sondern ein neues Raumerlebnis aus sich überlagernden Ebenen, deren Galerie sie als „Suiten“ definiert. Auf deren erste Bewährungsprobe darf man gespannt sein. Ein halbes Jahr nach seiner Fertigstellung sollen am kommenden Wochenende vier Großausstellungen die Kunsttauglichkeit des neuen Museums testen: 90 Werke aus der ständigen Sammlung der Maxxi-Stiftung, zwei Retrospektiven des Künstlers Gino De Dominicis und des Architekten Luigi Moretti und die Video-Installation Mesopotamische Erzählungen des Türken Kutlug Ataman. Dann wird sich erweisen, ob Kunst in der Lage ist, sich in Zaha Hadids dominierender Architektur zu emanzipieren.

Mit der Last des historischen römischen Erbes konnte Zaha Hadid locker umgehen: ,Ich bin Babylonierin und komme aus einer fünftausend Jahre alten Kultur.'

23. Dezember 2009Gerhard Mumelter
Der Standard

Ein urbaner Campus für moderne Kunst

Zaha Hadids spektakuläres Museum für Moderne Kunst des 21. Jahrhunderts - kurz MAXXI - in Rom

Zaha Hadids spektakuläres Museum für Moderne Kunst des 21. Jahrhunderts - kurz MAXXI - in Rom

Als bescheiden können ihre Ansprüche nicht gelten. Sie will „die Diktatur des rechten Winkels durch die Diagonale ablösen, Räume verflüssigen und Proportionen verschieben“. Heraklits Motto „Panta rhei“ („Alles fließt“) hat die irakisch-britische Architektin Zaha Hadid auf einem ehemaligen Kasernengelände im römischen Stadtteil Flaminio auf geniale Weise umgesetzt und der Stadt zu einem Nationalmuseum für die Kunst des 21. Jahrhunderts verholfen. Das Museo Nazionale Delle Arti del XXI Secolo nennt man in Kurzform MAXXI.

„Meine Gebäude sollen fließen und Schwingungen nach außen übertragen“, versichert die Architektin. In ihrem spektakulären Neubau fließt alles ineinander: schwebende Treppen, verflochtene Galerien, schräge Rampen, lichte Schneisen. Die bewegten Konfigurationen vermitteln eine Dynamik, die sich unmittelbar auf den Besucher überträgt. Herausforderungen liebt die Pritzker-Preisträgerin.

Vergeblich hatte ihr Kollege Renzo Piano, dessen Musiktheater nur wenige Minuten entfernt liegt, Hadid gewarnt: „In Rom zu bauen ist wie die Durchquerung des Wilden Westens im Planwagen.“ Die Bauzeit des neuen Museums entsprach in der Tat jener des Kolosseums. Aber auch dem Zeitlupentempo kann Hadid Positives abgewinnen: „So konnte ich öfter nach Rom zurückkehren, wo ich als Kind einige Jahre gelebt habe.“

Zehn Jahre nach der Ausschreibung des internationalen Wettbewerbs ist der 150-Millionen-Bau fertiggestellt. Auf fast 30.000 Quadratmetern beherbergt das neuartige Museum fünf Galerien ohne rechtwinklige Schauräume und lotrechte Museumswände, deren Bewegungslinien für Kuratoren eine echte Herausforderung darstellen.

Die technisch aufwändige Konstruktion aus Stahlbeton, Glas und Metall versagt sich herkömmlicher Raumwahrnehmungen. Einen der flachen Kasernenbauten des Areals hat Zaha Hadid in ihr Projekt integriert. Als „urbanen Campus“ versteht die 59-jährige Architektin das MAXXI. Doch womit soll die enorme Ausstellungsfläche gefüllt werden? Rom verfügt über keine nennenswerte Sammlung zeitgenössischer Kunst. Die mit der Führung des Museums beauftragte Stiftung hat in den letzten Jahren gerade mal 300 Werke italienischer und internationaler Künstler erworben, die im Frühjahr 2010 in der ersten Ausstellung, Spazio (Raum), gezeigt werden sollen.

Zur Eröffnung Mitte November begnügte man sich mit einer von der deutschen Star-Choreografin Sasha Waltz konzipierten Performance von 30 Tänzern. Drei Tage lang strömten tausende neugieriger Besucher ins neue Museum, stiegen über die elegante schwarze Marmortreppe nach oben, wo das zweite Stockwerk wie ein verglaster Kontrollraum vorragt.

Eine Ausstellung vermisste eigentlich niemand - Hadids bewegtes Szenarium genügte für nachhaltige Eindrücke. Dann wurde der Neubau wieder für ein halbes Jahr geschlossen. Im Mai 2010 ist eine Retrospektive des vor elf Jahren gestorbenen Künstlers Gino De Dominicis geplant. Den Einwand, das MAXXI sei für eine Stadt ohne relevante Kunstszene wie Rom eine Nummer zu groß, weist Stiftungspräsident Pio Baldi zurück: „Das ist nicht nur ein Ausstellungsgebäude, sondern ein Ort kultureller Erneuerung, an dem Tendenzen und Ausdrucksformen aufeinandertreffen, ein Labor für künstlerische Experimente, eine Produktionsstätte für ästhetische Inhalte“.

Dass die als Kunst am Bau preisgekrönte Laser-Installation des Künstlers Maurizio Mochetti nicht realisiert wird, spricht nicht für Baldis These. Auch dass mit Anna Mattirolo (Kunst) und Margherita Guccione (Architektur) zwei leitende Beamtinnen des Kulturministeriums zu den Direktorinnen des neuen Museums gekürt wurden, ruft Skeptiker auf den Plan. Da scheint die Aussicht tröstlich, dass Zaha Hadids MAXXI auch ohne Ausstellungen zahlreiche Besucher anziehen wird.

21. November 2009Gabriele Detterer
Neue Zürcher Zeitung

Ein Haus wie eine Schlange

(SUBTITLE) MAXXI – das neue Nationalmuseum der Künste des 21. Jahrhunderts von Zaha Hadid in Rom

Nach einer Dekade des Planens und des Bauens konnte in Roms Flaminio-Viertel das von Zaha Hadid entworfene Nationalmuseum der Künste des 21. Jahrhunderts vollendet werden. Entstanden ist ein hochkomplexer Museumsbau.

Nach einer Dekade des Planens und des Bauens konnte in Roms Flaminio-Viertel das von Zaha Hadid entworfene Nationalmuseum der Künste des 21. Jahrhunderts vollendet werden. Entstanden ist ein hochkomplexer Museumsbau.

Hinweis: Leider können Sie den vollständigen Artikel nicht in nextroom lesen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, diesen im „Neue Zürcher Zeitung“ Archiv abzurufen. Vollständigen Artikel anssehen

15. November 2009Paul Kreiner
Die Presse

Rom rafft sich auf

Zaha Hadids"MAXXI", das „Nationalmuseum für die Kunst des 21. Jahrhunderts“, könnte die Versöhnung darstellen zwischen Rom und der Moderne. Kritisiert hat den gewaltigen Bau noch niemand.

Zaha Hadids"MAXXI", das „Nationalmuseum für die Kunst des 21. Jahrhunderts“, könnte die Versöhnung darstellen zwischen Rom und der Moderne. Kritisiert hat den gewaltigen Bau noch niemand.

Hinweis: Leider können Sie den vollständigen Artikel nicht in nextroom lesen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, diesen im „Die Presse“ Archiv abzurufen. Vollständigen Artikel anssehen

9 | 8 | 7 | 5 | 6 | 4 | 3 | 2 | 1