16. März 2008 - Architekturzentrum Wien
Der geräumige Vorplatz an der Nordostseite wird über eine zweifach geknickte Rampe erschlossen, deren „umständlicher“ Verlauf zur aktiveren Wahrnehmung des schönen Gartenraums auffordert. Darin mag eine Lehre von Josef Frank – „Das Haus als Weg und Platz“ anklingen, doch wer in dieser Wegführung eine japanische Geste zu erkennen meint, wird im Inneren des Gebäudes auf weitere Zeichen fernöstlicher Baukultur stoßen. Keine herkömmlichen Zwischenwände gliedern das stützenfreie und sehr tiefe Volumen der Ordination, es gibt keine langen Gänge, keine gepolsterten Türen, keinen muffigen Warteraum mit den üblichen Stößen abgegriffener Zeitschriften. Als wären die Funktionen nur locker hingestreut, wird das Raumprogramm mit Präzision und ohne jeden Schematismus bewältigt. Über die dem nordöstlichen Vorplatz zugewandten Seite erstreckt sich entlang der baumnah gefalteten Glasfassade der offene Empfangs- und Wartebereich, in der Mittelzone ist zwischen Untersuchungsraum und WC-Boxen die Anmeldung situiert, zum südwestlichen Garten hin wurden die Arbeitsräume des Arztes angelegt. Zwischen all diesen Funktionsbereichen gibt es kaum harte Raumkanten, sondern paraventartige textile und/oder transluzente Elemente, weich und beweglich, lichtdurchlässig und dennoch begrenzend. Dazu die Holzvertäfelung, der subtile wie lapidare Umgang mit Materialien, die Lichtdurchdringung und Reflexion „von allen Seiten“, das kontemplative Spiel zwischen Raumtiefe und Garten zu beiden Seiten. Dieser Facettenreichtum und diese Wohnlichkeit mögen für eine Arztpraxis außergewöhnlich sein; auch jedem privaten Wohnhaus würden sie zur Ehre gereichen. (Text: Gabriele Kaiser)