Pläne

Details

Adresse
Veitingergasse 71-117, 1130 Wien, Österreich
Architektur
Josef Frank
Bauherrschaft
Stadt Wien
Maßnahme
Neubau
Funktion
Wohnbauten
Ausführung
1930 - 1932

Links

werkbundsiedlung-wien.at
http://www.werkbundsiedlung-wien.at

Presseschau

10. August 2015Gabriele Detterer
Neue Zürcher Zeitung

Neues Leben im «spinnerten Dorf»

(SUBTITLE) Sanierung der Werkbundsiedlung Wien

Welche Bedeutung Städte dem denkmalgeschützten Erbe der Moderne zumessen, zeigt sich an Sorgfalt und Aufwand von Sanierungsmassnahmen. Das zeigt die Restaurierung der Werkbundsiedlung in Wien.

Welche Bedeutung Städte dem denkmalgeschützten Erbe der Moderne zumessen, zeigt sich an Sorgfalt und Aufwand von Sanierungsmassnahmen. Das zeigt die Restaurierung der Werkbundsiedlung in Wien.

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23. Juni 2012Wojciech Czaja
Der Standard

CSI Mauerwerk

Es ist vollbracht: Diese Woche wurden die ersten vier Häuser der Wiener Werkbundsiedlung übergeben. Beinahe eine Sanierung wie aus dem Bilderbuch. Bloß, wo ist das Museum?

Es ist vollbracht: Diese Woche wurden die ersten vier Häuser der Wiener Werkbundsiedlung übergeben. Beinahe eine Sanierung wie aus dem Bilderbuch. Bloß, wo ist das Museum?

„Am Anfang hatten wir eine unglaubliche Ehrfurcht vor dem Projekt“, erinnern sich die beiden Architekten Azita Goodarzi und Martin Praschl vom Wiener Büro P.Good. „Darf man auf ein altes Haus von Gerrit Rietveld oder Josef Hoffmann denn überhaupt mit dem Presslufthammer einschlagen? Muss man die nicht viel eher streicheln?“

Nach rund zehn Monaten sind die massiven Streicheleinheiten beendet. Am Mittwoch luden Wohnbau-Stadtrat Michael Ludwig, Landeskonservator Friedrich Dahm sowie Josef Wiesinger, Geschäftsführer der Wiener Substanzerhaltungs GmbH & Co KG (Wiseg) zur feierlichen Eröffnung in die Wiener Werkbundsiedlung. In brütender Hitze, unter knallig bunten Sonnenschirmen zusammengepfercht, fanden sich Architekten, Journalisten und neugierige Nachbarn ein, um - rechtzeitig zum 80. Jubiläum der 1932 eröffneten Werkbundsiedlung - die Sanierung der ersten vier Häuser zu bestaunen.

„Es sind zwar nur vier Wohnungen, und das ist wahrscheinlich das kleinste Wohnbauprojekt, das ich je eröffnen durfte“, sprach Michael Ludwig ins Mikrofon. „Dennoch ist es einer der historisch bedeutendsten Gebäudekomplexe in unserer Stadt, aber auch weit darüber hinaus.“ Im Gegensatz zu anderen Werkbundsiedlungen in Stuttgart, Zürich, Brünn und Prag befindet sich jene in Wien nach Auskunft von Experten nämlich in einem außerordentlich guten Zustand.

„Natürlich war die bauliche Qualität der Werkbundsiedlung so wie bei fast allen Bauten aus dieser Zeit nicht besonders hoch, und das Projekt war dringend sanierungsbedürftig“, sagt Friedrich Dahm vom Bundesdenkmalamt (BDA) zum STANDARD. „Doch in keiner anderen Siedlung in Europa ist heute noch so ein hoher Anteil an originalen Bauteilen und originalen Materialien erhalten wie hier.“

Der Befund des BDA ergab: Rund 80 Prozent aller Türen und Fenster und der dazugehörigen Tür- und Fensterbeschläge sowie 50 Prozent aller Verputze befanden sich im Originalzustand. Und in einem der vier sanierten Häuser, in der Woinovichgasse 20 von Architekt Gerrit Rietveld, lag sogar noch der 80 Jahre alte Linoleumboden - Druckstellen, Kratzer und historische Rundsiegel-Firmenprägung in der Raummitte inklusive.

80 Jahre alte Linoleumböden

Die Handwerker und Denkmalschützer scheuten keinen Aufwand. Mühsam kratzten sie alle noch bestehenden Linoleumoberflächen des über mehrere Häuser verteilten Fleckerlteppichs zusammen, schabten vorsichtig ab, was abzuschaben war, transferierten die Preziosen von einem Haus ins andere und füllten damit hässliche, im Laufe der Zeit entstandene Lücken und Löcher.

„Das war eine ziemlich langwierige Angelegenheit“, sagt Dahm. Nachdem Linoleum ein homogener, fugenloser Holzmehlwerkstoff ist, mussten die unterschiedlichen Fundstücke sorgfältig miteinander verbacken und verschliffen werden. Das Endergebnis (Foto Mitte) ist ein dunkelgraues Etwas mit viel Patina und viel Geschichte, das gewiss nicht jedem gefällt. Doch schon gibt es die ersten Interessenten. Sie wollen just das Haus mit dem alten Linoleumboden und kein anderes.

„Die Arbeiten an den drei Rietveld-Häusern und an dem einen Hoffmann-Haus sind wirklich in die Tiefe gegangen“, meint Susanne Beseler, Restauratorin für Putz und Stein. „Wir hatten hier die Gelegenheit, Materialproben zu entnehmen und im Labor ganz genaue Schichtanalysen unter dem Mikroskop vorzunehmen. Das war wie in einer CSI-Krimiserie. Das passiert dir in diesem Beruf nicht jeden Tag.“

Gerade eine solche Detailtiefe sei dringend nötig, um den Bauten des 20. Jahrhunderts endlich jenen Respekt zu erweisen, den sie verdienen. „Bei Barockgebäuden ist es mittlerweile selbstverständlich, nicht nur das historische Erscheinungsbild zu bewahren, sondern auch die historischen Materialien und die historischen Fertigungsmethoden. Bei der Moderne ist dieses Denken noch wenig verbreitet.“ Mit der Sanierung der Werkbundsiedlung, so Beseler, habe man nun ein Exempel für die kommenden Jahrzehnte statuiert.

Nicht nur bei handwerklichen Belangen, auch in puncto Bauphysik ist die ehemalige Musterwohnsiedlung in Hietzing ein Paradebeispiel für den Umgang mit Bauten der Moderne. 20 Zentimeter dicke Daunenjacken aus Styrodur und Mineralwolle sucht man hier vergeblich. „Das hätte nur die Bausubstanz zerstört“, sagt Architektin Azita Goodarzi. „Stattdessen haben wir bewiesen, dass man mit der Summe vieler kleiner Einzelmaßnahmen thermisch genauso viel erreichen kann.“

Nur nicht zu Tode sanieren

Kellerwände, Fundament und Flachdach wurden traditionell gedämmt, außerdem wurden die Fenster abgedichtet, und eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung wurde eingebaut. Dadurch soll in Zukunft Schimmelbildung vermieden werden. In Summe wurde der Heizwärmebedarf von exorbitant katastrophalen 250 kWh/m2a auf etwa 100 kWh/m2a gesenkt. Goodarzi: „So ein Gebäude wird nie Niedrigenergiehaus-Standard erreichen, aber das ist auch nicht nötig. Man muss nicht jedes Baudenkmal thermisch zu Tode sanieren.“

Die brutalste Baumaßnahme betrifft den Einbau der etwas überambitionierten Absturzsicherungen im Fensterbereich sowie einer aufgedoppelten Glasfassade im Hoffmann-Haus. Als wären Hightech-Ingenieure, bewaffnet mit Thermoschutzglas und Edelstahl, durch das Haus marschiert, tauchen nun hie und da gestalterische Eingriffe auf, die so penetrant den Zeitstempel des herbeigesehnten 22. Jahrhunderts tragen, dass es schon wehtut. Da wurde der Genius Loci mit dem Architektenskalpell malträtiert. Patient tot.

„Gebürstetes Niro ist ein Fremdmaterial, das in der Werkbundsielung sonst nicht vorkommt“, erklärt Architekt Martin Praschl das gestalterische Konzept. Dabei hätte es auch bleiben können. „Doch so sind wir nun in der Lage, die beiden Bauphasen 1932 und 2012 deutlich voneinander zu trennen und dem Denkmal auf diese Weise den nötigen Respekt zu erweisen.“

Das sind Luxusproblemchen. In Summe ist der Stadt Wien nämlich - das verrät schon das Lächeln der Denkmalschützer und Konservatoren - ein beeindruckender Sanierungs-Kick-off gelungen. Rund eine Million Euro wurde in der ersten Bauphase investiert. Für die restlichen 44 Werkbund-Häuser der Stadt Wien, die bis 2016 saniert werden sollen, stehen weitere neun Millionen Euro zur Verfügung.

Wer die Presslufthämmer und CSI-Putz-Forensiker in sein Mietobjekt einlädt, muss allerdings mit einer Mieterhöhung von 1,50 Euro auf 6,20 Euro pro Quadratmeter rechnen. Und: Die Bewohner jener 22 Werkbund-Häuser, die sich in Privateigentum befinden, können sich der Sanierungsoffensive nach Absprache anschließen.

Fast vergessen hallt es aus der Vergangenheit: War da nicht mal von einem Werkbund-Museum die Rede? Wollte man das Denkmal der Moderne einst nicht auch einem öffentlichen Publikum zugänglich machen? „Ein Museum hätte keinen Sinn gehabt“, meint Stadtrat Ludwig. „Erstens sind die Häuser klein und eng und für größere Gruppen nicht geeignet, und zweitens wäre das nicht im Sinne des damals projektverantwortlichen Mastermind-Architekten Josef Frank gewesen. Er wollte keine Museumsanlage errichten. Er wollte ein belebtes Wohnviertel.“

Tipp: Ab 6. September wird im Wien-Museum die Ausstellung „Werkbundsiedlung Wien 1932. Ein Manifest des neuen Wohnens“ gezeigt. Zur Ausstellung wird ein Buch erscheinen (Verlag Müry Salzmann).

30. Juli 2011Wojciech Czaja
Der Standard

Revolution im gallischen Dorf

In zwei Wochen beginnt die Sanierung der Wiener Werkbundsiedlung. Architekten und Bewohner wünschen sich ein Museum. Doch die Stadt Wien schweigt.

In zwei Wochen beginnt die Sanierung der Wiener Werkbundsiedlung. Architekten und Bewohner wünschen sich ein Museum. Doch die Stadt Wien schweigt.

Einen Schilling. So viel kostete damals der Eintritt in die Wiener Werkbundsiedlung. Mit der internationalen Bauausstellung, die von Juni bis August 1932 zu besichtigen war, wollte der Werkbund neue, moderne Wohn- und Siedlungsformen für Arbeiter anpreisen, denn nicht alle waren mit den „Volkspalästen“ des Roten Wien glücklich.

Einer, der mit der Wohnbaupolitik der Bundeshauptstadt besonders hart ins Gericht ging, war der projektverantwortliche Architekt und Mastermind Josef Frank: „Das neue Wien macht den Eindruck, als würde hier überhaupt nicht gedacht. Was hier geschieht, sieht aus, als hätte es der Zufall auf die Straße geworfen, und fröhliche Dummheit grinst aus jedem Fensterloch.“ Alternativen mussten her.

Doch die Werkbundsiedlung war nicht die erste ihrer Art. Das große Vorbild war die 1927 in Stuttgart unter der Leitung von Ludwig Mies van der Rohe errichtete Weißenhofsiedlung. Städte wie Brünn, Basel, Zürich, Breslau und Prag waren schon längst nachgezogen, ehe auch Wien sich entschloss, einen derartigen Wohnpark, eine Art „Blaue Lagune“ der Dreißigerjahre, aus der Taufe zu heben.

100.000 Besucher kamen damals, um in den grünen Parzellen Ober St. Veits jene „Siedlungshäuser mit Wohnungen kleinster Art“ zu bestaunen, die Frank mit den insgesamt 31 geladenen Architekten aus dem In- und Ausland entwickelt hatte. Unter ihnen etwa Adolf Loos, Oswald Haerdtl, Clemens Holzmeister und Margarete Schütte-Lihotzky sowie die etwas weiter angereisten Kollegen Gerrit Thomas Rietveld und André Lurçat (Foto oben).

Allein, der Erfolg blieb aus. Von den insgesamt 70 Musterhäusern wurden nur 14 verkauft. Die „Wirtschaftlichkeit auf engstem Raum“ stellte sich als leere Worthülse heraus. Dem Mittelstand waren die Wohnungen zu teuer, der Oberschicht waren sie zu klein. Die Gemeinde Wien kaufte daraufhin die restlichen 56 Häuser. Seither gehört die Werkbundsiedlung zum sozialen Wohnbau Wiens.

Und dann nichts. Jahrzehntelang bröckelten die Häuser, die schon bei Fertigstellung durch ihre schlechte Ausführungsqualität aufgefallen waren, vor sich hin. Der Putz blätterte ab, Feuchtigkeit drang in die Fundamente, durch Fenster, Türen und Dächer regnete es hinein. Daran konnte auch die behutsame Sanierung 1983 durch Adolf Krischanitz und Otto Kapfinger nichts ändern. Die Probleme sind nach knapp 30 Jahren die gleichen wie zuvor.

„Man braucht nichts schönzureden“, meint die Wiener Architektin Silja Tillner, die selbst in der Werkbundsiedlung in einem Reihenhaus von Gerrit T. Rietveld lebt (Fotos unten). Die technische Ausführung bei den Bauten der Moderne sei oft sehr schlecht. Aber das ändere nichts an der prinzipiellen Erhaltungswürdigkeit der Werkbundsiedlung.

„Das Projekt war visionär. Es ist eines der wenigen Beispiele für experimentellen und innovativen Wohnbau in Wien und beweist, dass man auch im kleinen Maßstab mitten im Grünen leben kann. Und diese Wünsche sind auch heute noch aktuell. Wir wohnen gerne hier. Wir sind wie ein gallisches Dorf.“

Baukosten zehn Millionen Euro

Jahrelang setzte sich Tillner gemeinsam mit der Denkmalschutzvereinigung docomomo Austria, dem Architekturzentrum Wien und einer ganzen Reihe an Architekten für die längst überfällige Sanierung des einzigartigen Baudenkmals ein. Nun, nachdem die Werkbundsiedlung vom World Monuments Fund in New York 2010 auf die Watchlist der weltweit am meisten gefährdeten Baudenkmäler in Europa gesetzt worden ist, erkennt Wien endlich den Wert des Ensembles und beginnt, die ersten Häuser zu sanieren.

Vier leerstehende Wohnungen, darunter zwei Rietveld-Reihenhäuser, sollen in der ersten Bauphase auf Vordermann gebracht werden. Der Umbau umfasst Trockenlegungsarbeiten, Instandsetzung der Fassade, Erneuerung von Fenstern und Türen, Einbau einer kontrollierten Wohnraumlüftung sowie den Einbau neuer Sanitär-, Heizungs- und Elektroinstallationen. Die Kosten für die Gesamtsanierung der Stadt-Wien-Häuser soll rund zehn Millionen Euro betragen.

Nachdem die Baukosten aus den Mietzinsrücklagen nicht gedeckt werden können, wird die Sanierung zum Großteil aus dem Zentralbudget von Wiener Wohnen finanziert. Zwei Millionen Euro Fördermittel sind für das Projekt vorgesehen. Ende 2010 wurde zu diesem Zweck eigens die Wiener Substanzerhaltungs GmbH. & Co KG (Wiseg) gegründet. Sie wird sich in den nächsten Jahren um die Verwaltung und Sanierung der Werkbundsiedlung kümmern. Am 16. August ist Baubeginn. Zum 80-jährigen Jubiläum im Sommer 2012 sollen die ersten vier Häuser fertig sein.

„Es ist erfreulich, dass die Stadt Wien jetzt einen ersten Schritt setzt und damit anfängt, die Werkbundsiedlung peu à peu zu sanieren“, erklärt Norbert Mayr, Präsident von docomomo Austria, im Gespräch mit dem STANDARD. „Doch bevor die Baustelle startet, möchten wir im Gespräch mit Wohnbaustadtrat Michael Ludwig die Möglichkeiten eines Museums ausloten. In zwei der insgesamt noch 64 erhaltenen Häuser wollen wir ein Werkbund-Museum errichten. Die jetzige Mini-Ausstellung im ehemaligen Trafohäuschen wird der Anlage einfach nicht gerecht.“

Wie schon in der Weißenhofsiedlung in Stuttgart soll ein Haus eine informative Ausstellung zum Projekt beherbergen, während das andere Haus originalgetreu und mitsamt Möblierung die Besucher in die Atmosphäre des damaligen Wohnens einlullen soll. „Es geht hier nicht um Musealisierung, sondern darum, das Baudenkmal öffentlich zugänglich zu machen und die Bevölkerung adäquat zu informieren“, sagt Mayr. „Der Zeitpunkt ist perfekt. Die Gebäude gehören der Stadt Wien, und einige davon stehen derzeit leer.“

„Museum? Kein Kommentar.“

Vor vier Wochen schickte docomomo eine Petition an Wohnbaustadtrat Michael Ludwig. 340 Unterschriften gibt es bisher. Doch ansonsten ist es still um das ersehnte Museum. Im Wien Museum, wo man für September 2012 anlässlich des 80-jährigen Jubiläums bereits an einer Ausstellung über die Wiener Werkbundsiedlung arbeitet, will man von diesem Vorschlag noch nichts gehört haben. „Wir werden die Werkbundsiedlung in die Ausstellung natürlich mit einbeziehen“, sagt der zuständige Architekturkurator Andreas Nierhaus. „Aber von einem eigenen Museum in der Werkbundsiedlung weiß ich nichts.“

Der Bauträger Wiseg wiederum sowie das Wiener Architekturbüro P.Good, das im Zuge eines Wettbewerbs den Zuschlag für die Sanierung erhalten hat, ist zur Verschwiegenheit verpflichtet. „Wir dürfen zum jetzigen Zeitpunkt nichts sagen. Bitte wenden Sie sich an das Büro des Wohnbaustadtrats.“ Doch auch dort ist nichts in Erfahrung zu bringen. Lediglich Dietmar Steiner, Direktor des Architekturzentrum Wien, erklärt auf Anfrage des STANDARD: „Selbstverständlich soll zumindest eines der renovierten Häuser öffentlich zugänglich bleiben und als Informationszentrum zur Werkbundsiedlung und zur Wiener Moderne betrieben werden.“

Ob das der Fall sein wird, bleibt fraglich. In einem Brief an docomomo deutet Michael Ludwig bereits seine Entscheidung an: „Der (...) Businessplan sieht die Vermietung aller Häuser vor. Vor allem die immensen Kosten der Sanierung lassen ein Leerstehen eines Objektes, somit den Ausfall möglicher Mietzinse, nicht zu.“ Mitte August wird eine Pressekonferenz einberufen. Dann wird man erfahren, ob die Architektur der Moderne in Wien museumswürdig ist oder nicht.

18. August 2009Tobias Müller
Der Standard

„Adolf Loos würde sich erschießen“

Die Werkbundsiedlung in Wien-Hietzing, entworfen als Musterbeispiel fürs Wohnen im Einfamilienhaus, muss dringend saniert werden. Dabei sollen Veränderungen rückgebaut werden - sehr zum Ärger der Bewohner.

Die Werkbundsiedlung in Wien-Hietzing, entworfen als Musterbeispiel fürs Wohnen im Einfamilienhaus, muss dringend saniert werden. Dabei sollen Veränderungen rückgebaut werden - sehr zum Ärger der Bewohner.

An heißen Tagen badet die Sprechstundenhilfe Franziska Ehrenreich gerne im Pool ihres Hauses in Hietzing. Abends grillt sie auf ihrer Terrasse. Seit die beiden Kinder ausgezogen sind, haben sie und ihr Mann Wolfgang die ganzen 56 Quadratmeter Wohnfläche für sich. 250 Euro Miete zahlen sie dafür pro Monat.

Doch das Idyll droht zu verfallen: Die Terrasse senkt sich ab, wenn es regnet, rinnt Wasser durch die Dachluken. Wegen der schlechten Isolierung zahlt Frau Ehrenreich fast mehr für die Heizung als für die Miete. Doch reparieren darf sie ihr Schmuckstück nicht. Das darf nur das Denkmalamt. Frau Ehrenreich wohnt in der Werkbundsiedlung in Hietzing, die 1932 erbaut wurde und unter Denkmalschutz steht.

Im Herbst wird das Amt mit Untersuchungen an zwei leerstehenden Häusern beginnen, um die Kosten einer Generalsanierung zu errechnen. Für Friedrich Dahm, Landeskonservator von Wien, ist die Siedlung ein „Weltdenkmal“, das unbedingt erhalten werden muss. Ziel der Sanierung wird es sein, den Zustand von 1932 möglichst genau wiederherzustellen. Griller und Swimmingpools gab es damals keine.

1932 wurde die Siedlung als Ausstellung des Österreichischen Werkbundes gebaut, zu dem sich Künstler, Industrielle und Handwerker zusammengeschlossen hatten. Die 70 Häuser wurden von den wichtigsten Architekten der Zeit als Modelle für das Wohnen der Zukunft entworfen: Adolf Loos, Margarethe Schütte-Lihotzky, Thomas Rietfeld, Josef Frank oder Clemens Holzmeister machten mit. 100.000 Menschen besuchten 1932 die Ausstellung. Heute besichtigen immer noch zwei Busladungen pro Woche die Werkbundsiedlung.

Gartenstadt statt Volkspalast

Der Architekt Josef Frank organisierte die Ausschreibung und gab das Motto vor: Mit dem geringsten Aufwand sollte die größte Wirkung erzielt werden. Frank lehnte die Gemeindebauten des roten Wien als „kleinbürgerlich“ ab. Er wollte eine „Gartenstadt“ statt „Volkspalästen“. Arbeiter, Handwerker oder kleine Gewerbetreibende sollten wohnen können wie bisher nur die Reichen: im Einfamilienhaus mit Garten.

Die Häuser sind zwischen 50 und 110 Quadratmeter groß. Von außen wirken manche wie zu kleine Modelle. Trotzdem lebten und leben hier Familien mit mehreren Kindern. Möglich macht das eine optimale Raumnutzung, die Landeskonservator Dahm noch heute ins Schwärmen bringt. „Schauen Sie sich zum Beispiel das Looshaus an. Da passt einfach alles, das ist perfekt.“

Die Sanierung der Siedlung wird schwieriger als bei anderen Denkmälern. Im Stephansdom wohnt niemand, der eine Grillstation angemauert hat. Friedrich Dahm setzt auf das Gespräch mit den Bewohnern. Er will ihnen zeigen, wie die Häuser einmal waren, und erklären, was sich die Architekten dabei gedacht haben. Statt alte Fenster auszutauschen, will er sie reparieren, sichtbare Veränderungen will er prüfen und dabei mit den Mietern einen Kompromiss finden.

Verhandlungsgeschick wird er vor allem bei den Arbeiten an seinem Lieblingshaus in der Siedlung brauchen - dem Haus, das Adolf Loos seinerzeit entworfen hat. Dort wohnt seit vierzig Jahren Margot Hruby. „Adolf Loos würde sich erschießen, wenn er hören würde, dass wir nichts verändern dürfen“, sagt sie. „Seine Idee war, Häuser zum Leben zu bauen. Häuser, in denen sich die Bewohner wohlfühlen. Wenn sich die Bewohner nicht um die Siedlung kümmern würden, gäbe es sie schon längst nicht mehr. Wir sind das Herz dieser Häuser.“

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