20. Februar 2006 - Architekturzentrum Wien
Es dürfte keine leichte Aufgabe gewesen sein, die unterschiedlichen Interessen (von den unmittelbaren Nutzern, über die Bezirksvertretungen bis zu den verschiedensten Bürgergruppen) zu harmonisieren und unter ein gemeinsames Dach zu bringen. Dass dies gelang, ist wohl wesentlich dem Umstand zu verdanken, dass Bauherr (Winfried Kallinger) und Architekt Carl Pruscha von Anfang an einen sehr transparenten und gemeinsamen Planungsweg beschritten, der die unterschiedlichen Nutzerbedürfnisse sehr ernst nahm. Dazu der Architekt: „Erschwerend für die Realisierung war die extrem schmale Tiefe der Grundstücke von nicht einmal 6 m, bei einer Frontlänge von knapp 50 m, die Notwendigkeit der funktionellen und baulichen Einbindung eines neuen Zugangs zum MQ und zum Glacis Beisl, die Abstimmung mit der Bibelgesellschaft für deren neues Forschungszentrum, die baurechtliche und gestalterische Lösung für die Fassade zum MQ, die baurechtlich eine Feuermauer darstellt, die Harmonisierung mit den Schutzzonen – und Denkmalschutzbestimmungen - und die extreme wirtschaftliche Schwierigkeit, den Bau innerhalb vertretbarer wirtschaftlicher Grenzen zu errichten. Dieser Summe von Schwierigkeiten wollte sich kein „normaler“ Bauherr stellen – für Kallco waren die Probleme jedoch Ansporn, an diesem sensiblen Ort ein klares Statement für die architektonische und städtebauliche Verantwortung eines Bauherrn und Bauträgers abzugeben.“
Um die spezielle Grundstückskonfiguration zu bewältigen und die Sockelzone als Durchgangsraum freizuspielen, wurde ein mehrgeschossiger Balken (ein quasi selbsttragendes Brückenbauwerk aus Stahlbeton) über die Baulücke gespannt. Da die Fassade zum Museumsquartier baurechtliche eine Feuermauer ist, mussten Fensteröffnungen so knapp wie möglich bemessen werden. Pruscha entwickelte auf dieser Grundlagen die Idee der dynamischen „Fensterschlitze“, die in zwei Ebenen – eine in Sitzhöhe und eine in Stehhöhe – die Mauer in Längsrichtung scharf durchschneiden. Die Fassade an der Breitegasse ist im Gegenzug dazu in konventionellerer Form durch Fensterbänder geöffnet. Der „rostende“ Corten-Stahl als Außenhaut vermittelt zwischen den Steinfassaden der Museumsgebäude des MQ und den Putzfassaden des Bestandes und verleiht dem Gebäude eine selbstgewisse Eigenidentität. Das Projekt wurde mit dem ZV-Bauherrenpreis 2005 ausgezeichnet. (Text: Gabriele Kaiser)