Pläne

Details

Adresse
Loisium Allee 2, 3550 Langenlois, Österreich
Mitarbeit Architektur
Christian Wassmann (PL), Garrick Ambrose, Rodolfo Dias, Peter Englaender, Johan van Lierop, Chris McVoy, Ernest Ng, Olaf Schmidt, Brett Snyder, Irene Vogt, Andreas Laimer, Bernd Leopold
Bauherrschaft
Loisium Hotelbetriebs GmbH & Co. KG
Tragwerksplanung
Retter & Partner
Planung
2001 - 2004
Ausführung
2004 - 2005

Preise und Auszeichnungen

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Archfoto

Genereller introtext zu Archfoto der von nextroom geschrieben wird.

Presseschau

04. August 2018Maik Novotny
Der Standard

Wermut im Weinglas

Steven Holls Loisium in Langenlois gilt zu Recht als architektonisches Meisterwerk. Doch der Ort rückt der Weinwelt immer näher. Ist die einzigartige Lage in den Reben durch Zersiedelung gefährdet?

Steven Holls Loisium in Langenlois gilt zu Recht als architektonisches Meisterwerk. Doch der Ort rückt der Weinwelt immer näher. Ist die einzigartige Lage in den Reben durch Zersiedelung gefährdet?

E s war ein so seltenes Ereignis, dass man es auch eine Singularität nennen konnte: Fachwelt, Laien und Besucher waren sich einmal einig, dass man es mit einem besonderen und großartigen Stück Architektur zu tun hatte. Vielleicht sogar ein Wunder, auf jeden Fall eine glückliche Fügung. Zwei lokale Weinbauernfamilien hatten den amerikanischen Architekten Steven Holl in die kleine Gemeinde Langenlois gelockt, und was Holl dort skizzierte und dann von 2003 bis 2005 mit seinen hiesigen Partnern Franz Sam und Irene Ott-Reinisch baute, war gleichzeitig ungewohnt wie ein gelandetes Raumschiff und tief im Ort verwurzelt. Eine Komposition aus Architektur und Weinbau in drei Teilen, „under, in and over the ground“. Unter der Erde die Gewölbe der Weinkeller, in der Erde die Weinerlebniswelt als leicht verbeulter und zerschnittener Metallwürfel, und über der Erde das Hotel, dessen 82 Zimmer exakt über der Oberkante der Weinreben auskragen und in die sanfte Hügellandschaft des Kamptals blicken.

Heute ist das Loisium nicht nur ein überregionaler Besuchermagnet, es hat Langenlois auch einen kulturellen Schub versetzt – und spült nebenbei reichlich Gewerbesteuer in die Gemeindekasse. Fährt man heute durch den Ort, glaubt man gern, dass die Langenloiser glückliche Menschen sind. Eine für Weinbaugemeinden typische Grundzufriedenheit weht durch die Gassen, und selbst der sonst in Niederösterreichs Einfamilienhausgebieten grassierende grellfarbige Baumarktbarock ist hier kaum vertreten.

Doch jetzt kommt das Glück von Langenlois wie ein langsamer Bumerang zum Loisium zurück. Schon kurz nach dessen Eröffnung wurde ein Wohngebiet westlich des Hotels in die Weinberge gebaut. Wer heute aus den Hotelzimmern im Norden und Westen schaut, sieht zwar immer noch sanfte Hügel – aber auch viergeschoßige Wohnblöcke in Orange, Weiß und Grau, nur wenige Rebenreihen entfernt. Langenlois ist eine begehrte Wohnlage, ein Viertel der Erwerbstätigen pendelt ins nahe Krems. Während Krems praktisch kein neues Bauland ausweist, gibt Langenlois dem Druck nach. 2017 wurde das Gebiet Lange Sonne Nord umgewidmet: Viereinhalb Hektar Weinberg werden bebaut, einen Steinwurf vom Loisium entfernt. Für die Bebauung wurde ein Gutachterverfahren mit vier Büros ausgelobt, das Ergebnis wurde Ende Juni bekanntgegeben.

Drastischer Brief

Noch vor dem Ende des Verfahrens flatterte den Auslobern ein Brief von Erich Raith, Professor für Städtebau an der TU Wien, ins Haus. Die Worte waren mehr als deutlich. „Es ist für mich völlig unverständlich, wie man eine Verbauung der Lange Sonne Nord in Langenlois ernsthaft ins Auge fassen kann. Die beeindruckend stimmige Dramaturgie der Raumsequenz würde durch jede weitere Bebauung, die sich zwischen den Hotelbau und die anschließende offene Weinlandschaft schiebt, nachhaltig zerstört werden“, so Raith. „Es entsteht der Eindruck: Kaum gibt es in Niederösterreich ein zeitgemäßes Weltklasseprojekt, wird es von den Banalitäten einer alltäglichen Planungs- und Baupraxis eingeholt und in weiterer Konsequenz zerstört.“

In Langenlois sorgte der Brief für Irritation – und eine Einladung zur Ortsbeschau und Diskussion. Man tauschte unterschiedliche Positionen aus, die am Schluss unterschiedlich blieben. „Es war uns bewusst, dass die Bebauung zu Diskussionen führen würde“, sagt der für Raumordnung zuständige Gemeinderat Stefan Nastl (VP) zum STANDARD . „Deswegen haben wir Geld in die Hand genommen und mit Unterstützung des Landes Niederösterreich und Experten ein Gutachterverfahren gestartet.“ Man habe es sich nicht leichtgemacht, aber Langenlois sei eine Zuzugsgemeinde mit starkem Siedlungsdruck, die Baulandreserven seien begrenzt – und die viereinhalb Hektar als „letztmalige Erweiterung“ zu verstehen.

„Es war sicher ein Fehler, die Wohnblöcke so nahe ans Loisium zu lassen“, räumt auch Nastl ein. Für die Lange Sonne Nord will man daher niedrig bleiben: Einfamilienhäuser, Doppelhäuser, Reihenhäuser und Gartenhofhäuser sind geplant – auch um die Sichtkorridore des Loisium freizuhalten. Erich Raith wiederum bleibt im Gespräch mit dem STANDARD bei seiner Ablehnung: „Langenlois hat im Ortskern genug Potenzial zur Nachverdichtung. Man muss dafür kein neues Bauland ausweisen.“

20 Hektar Land werden jeden Tag in Österreich verbaut, damit ist man trauriger Europameister. Die 2017 beschlossenen baukulturellen Leitlinien des Bundes schreiben eine sparsame Flächenentwicklung vor. Sind die viereinhalb Hektar Neubauland in Langenlois also ein Anachronismus? Und ist das Loisium durch die herandrängende Wohnbaurealität in seiner Einzigartigkeit gefährdet?

An der Schmerzgrenze

„Ja, absolut“, sagt Architekt Franz Sam, der für das Land Niederösterreich in der Jury des Verfahrens saß und auch die Interessen der Betreiberfamilie des Loisium vertritt. „Viele Besucher aus dem Ausland kommen nur wegen der Architektur von Steven Holl nach Langenlois. Das ist noch nicht bei allen in der Gemeinde angekommen.“ Die jetzt geplante Bebauung kratze zwar nur am Sichtfeld des Loisiums, aber mit jeder weiteren Bautätigkeit im Sichtkeil wäre die Schmerzgrenze überschritten. „Ein Neubau an dieser Stelle muss zumindest eine hohe Qualität haben. Das ist bei den bisher entstandenen Wohnblöcken nicht der Fall.“ Wurden die Interessen das Loisium von der Gemeinde beim Verfahren berücksichtigt? „Ja, die Rahmenbedingungen waren in Ordnung“, sagt Franz Sam, „allerdings wird jetzt eine Mischung aus zwei Entwürfen umgesetzt, und niemand weiß genau, wie das aussehen wird.“

Stein des Anstoßes sind hier insbesondere die vorgesehenen Gartenhofhäuser – eine niedrige und kompakte Typologie, wie sie Roland Rainer in Siedlungen wie Puchenau bei Linz perfektionierte. Dieser „verdichtete Flachbau“, wie es im Fachjargon heißt, wird bis heute aufgrund seines sparsamen Platzverbrauchs immer wieder als Alternative zum freistehenden Einfamilienhaus vorgeschlagen. Laut Stefan Nastl soll etwa ein Drittel der Langen Sonne Nord mit Gartenhofhäusern bebaut werden. „Mir ist klar, dass viele sich einen höheren Anteil und mehr Innovation wünschen, aber wir werden als ländliche Gemeinde gesehen. Das heißt, es gibt eine gewisse Erwartung, was das klassische Einfamilienhaus betrifft.“ Zumindest habe man für die freistehenden Häuser die Grundstücksflächen auf ein Minimum von 500 Quadratmetern begrenzt. Der Verkauf der Grundstücke soll nach der Erstellung des Bebauungsplans voraussichtlich im Herbst beginnen. Danach klärt sich, ob das architektonische Niveau im Umfeld des Loisium nach oben oder unten korrigiert wird.

Noch kann man vom Hotelzimmer aus, wenn man in die richtige Richtung schaut, in die unberührte Weinbergidylle träumen und die niederösterreichische Realität am Rande des Sichtfeldes ignorieren. Noch ist der Wermut im Weinglas nur ein Tropfen. Die Frage, ob und wie ein Ort in Zeiten des Flächenfraßes wachsen darf und soll, muss dringend diskutiert werden – nicht nur in Langenlois.

05. November 2005Wojciech Czaja
Der Standard

Fröhliche Fehler in der Matrix

Eben erst gelandet und eingehüllt in eine Architektenwaffel aus Aluminium: das neue Loisium-Hotel von Steven Holl, dem Meister der Irritation.

Eben erst gelandet und eingehüllt in eine Architektenwaffel aus Aluminium: das neue Loisium-Hotel von Steven Holl, dem Meister der Irritation.

Eine Landschaft wie in Öl gepinselt. Weingärten säumen die weichen Kanten der Hügel, herbstliche Farben haben sich über die Trauben und Stöcke hergemacht. Noch hängen die letzten Früchte von den Reben herab und harren der ersten Minusgrade, um als künftiger Eiswein gelesen zu werden. Nicht enden wollender Altweibersommer, tiefe Sonne macht langen Schatten. Jetzt aber genug der triefenden Weinviertel-Romantik - noch mehr Stimmung würde nicht einmal Architekt Steven Holl ertragen. Und das will schon etwas heißen.

Dieser eben genannte Architekt aus New York ist ein Meister des Gemütlichen, gleichzeitig ist er ein Meister der Irritation. Und - Steven Holl ist nicht irgendwer, denn als Export-Markenname aus den USA gilt er im niederösterreichischen Kamptal zurzeit als der letzte Baukunst-Schrei. Ziemlich genau vor zwei Jahren öffnete in Langenlois jener wundersame Alu-Würfel seine Pforten, der auf den zungenbrecherischen Namen Loisium hört.

Und nun - lediglich einen Architektursprung von dieser Weinwelt entfernt - gibt es auch ein Platzerl, um sich von der strapaziösen Weindegustation nächtens wieder zu erholen. Eben ist es fertig gestellt, kommenden Freitag wird offiziell eröffnet: Die Rede ist vom Loisium-Hotel (Herstellungskosten netto neun Millionen Euro). Und man möchte sich gar nicht erst ausmalen, was man aus dem Wort - vielleicht Loisium Hoteleum - semantisch noch alles hätte herausholen können.

Holl über den edlen Tropfen aus der Flasche: „Alkohol, vor allem aber Wein, hat eine gewisse Stärke und weckt Phänomene in uns, die intellektuell bzw. rationell nicht so leicht zu ergründen sind.“ Genau auf diese Sinnlichkeit habe er es abgesehen, erklärt er im Gespräch mit dem STANDARD. Kommerzielle Architektur interessiere ihn überhaupt nicht, im Vordergrund stehe vielmehr die Auseinandersetzung auf der Gefühlsebene. Nun, es ist wahrlich kein Leichtes, dieses ambitionierte Unterfangen des Emotionellen in - wohlgemerkt intelligente - Worte zu fassen.

Wenn man das Loisium-Hotel das erste Mal sieht, fühlt man sich mit dem trügerischen Gefühl konfrontiert, noch niemals zuvor mit Architektur zu tun gehabt zu haben. Frohen Gemüts baumelt es schwerelos über den Weingärten; von der Vielschichtigkeit und den vielen kleinen Geschichten, die es zu erzählen vermag, fühlt man sich zu Beginn geradezu überrumpelt. Und während das Besucherzentrum etwas weiter hügelabwärts den Eindruck vermittelt, als sei ein grob behauener Quarzbrocken aus der Schwerelosigkeit herabgedonnert und im Sand stecken geblieben, so erweckt das dazugehörige Hotel den Anschein eines sachte gelandeten Raumschiffs zum Zwecke der Architektur-Aufklärung.

In der Tat, hier läuft einem ein Laienpublikum über den Weg, das - am Zielort seines weit gesteckten Sonntagsausfluges wohl angekommen - allen Ernstes über Architektur fachsimpelt: „Mensch, guck doch, dat Balkönchen hat een Gitter davor, dat andere hat nur Glas.“ Wahre Begebenheit. Steven Holl jedoch dürfte diese Episode nicht weiter verwundern, ist doch genau dieses Szenario sorgfältig vorprogrammiert: „Bei diesem Gebäude handelt es sich um mehr als nur ein Hotel mit 82 Zimmern. Für das kleine Langenlois soll es vielmehr ein öffentlicher Ort der Zusammenkunft und des Dialogs sein.“ Gesprächsstoff gibt es offenbar zur Genüge.

Sind die drei Farben des Hotels verfremdete Zitate von Wein, Laub und Traube? Warum ist es hier grün, hier gelb, dort aber rot? Die Ampel-Koalition wird wahrscheinlich mit der U-Form des Gebäudes zu tun haben und - Hand aufs Herz - einfärbig wäre es ohnehin langweilig geworden.

Das gesamte Hotel ist durchzogen von einer wilden Textur an Fenstern, Schlitzen, sonstigen Öffnungen und Balkonen, die sich auf Anhieb nicht so richtig erschließen möchte. Getoppt wird das Ganze durch eine noch wildere Fassade aus Aluminiumgittern. Die Wiener Architekten Franz Sam und Irene Ott-Reinisch, durch die das Projekt des Übersee-Architekten hier in Österreich überhaupt erst realisiert werden konnte: „Die Platten wickeln sich wie eine Aluminiumfolie um das ganze Gebäude. Einmal sieht man mehr hindurch, einmal weniger.“

Nein, nicht immer decken sich die Öffnungen der Fenster mit den Aussparungen in der Metallhaut, manchmal ist der Rhythmus eben versetzt. Die vielen Unregelmäßigkeiten des zweiten Blicks weisen immer wieder auf kleine Fehler in der Matrix hin. Entweder wurde ein Loch in der Aluwaffel nicht ausgestanzt, oder aber mehrere Löcher wachsen zu größeren Gebilden zusammen. Und zwischen all den charmant oberflächlichen Details meint man, Steven Holl schelmisch herausgrinsen zu sehen.

Fröhlich in die Landschaft zu blicken - das kann man aus den Zimmerfenstern übrigens sehr gut. Einmal im Stehen aus dem großen Panoramafenster, einmal im Sitzen aus jenem etwas weiter unten, und sogar für die bereits liegende Besucherschaft gibt es in den größeren Zimmern ein entsprechend positioniertes Bonusloch in der Wand.

Der Rest der Zimmer ist eine zurückhaltende Mischung aus loftartiger Nacktheit und hotelöser Bequemlichkeit. Einerseits ein dumpfer, dunkler Holzboden, andererseits die rohe Wand, die nichts anderes ist als geweißter Beton. Und zwar inklusive aller Luftblasen und mangelhaft verrüttelter Stellen, an denen nun ab und zu ein schlecht vermengter Kieselstein in der Wand klafft und um die Aufmerksamkeit des Besuchers ringt. Charmant, das alles gehört zum Zufall dazu.

Ganz zufällig - nein, das würde man ihm nicht abnehmen - sind in Holls Hotel nur wenige Dinge genau so, wie man sie kennt. Das Badezimmer ist kein Zimmer, sondern eine Zone, die je nach Position der Drehtür immer wieder anders aussieht. Die Türschnallen sind mit weich glibberigem Gummi überzogen, als müssten sie einem den toten Fisch in die Hand legen.

Die Single-Zimmer sind im Übrigen alle in einem Ende des Hotel zusammengepfercht worden. Warum eigentlich nicht - bestenfalls kann dies zu Synergie-Effekten führen. In den Zimmergängen zeichnet sich eine grobe und unregelmäßige Struktur der Schalungsbretter ab. Kurz muss man nachdenken, ob die Wände aus Holz oder aus Beton sind. Und der Eingangsbereich rund um Lobby und Rezeption sieht aus, als wäre er mit schludrig sämiger Currysauce ausgemalt. Hinter all diesen gestalterischen Exponaten verbergen sich kleine Storys, die den Besucher zum Entdecken animieren.

Architektur muss im Begehen immer mehr aufweisen können als im alleinigen Betrachten von außen", erklärt der New Yorker beim Durchschreiten seines Gebäudes, „wenn das erfüllt ist, dann handelt es sich nicht mehr bloß um Formalismus.“ Und tatsächlich, hier lernt man das Lesen und Verstehen, ohne dass einem die Architektur mit ausgestreckter Zunge und schick designten Details schon von Weitem entgegenschreit. Unter dieser Prämisse kommen die coolen Schachteln der Haute Architecture in der Regel eh nicht weit.

Wenn DER STANDARD eines Tages die beiden Rubriken „Good Mood“ und „Try to Cry“ einführte - aber das tun wir selbstverständlich nicht -, dann würde über das mediale Schicksal des Hotels kein Zweifel mehr bestehen. Im Übrigen geht die Fröhlichkeit dieses Gebäudes recht praktisch mit der Tatsache einher, dass es sich dabei schließlich um einen intimen Wohnort für eine gewisse Klientel und einen gewissen Zeitraum handeln soll. Auf zu den Balkönchen nach Langenlois! Sprecht über die Gitter, zerbrecht euch die Köpfe und kehrt entspannt wieder heim.

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