Pläne

Details

Adresse
Doktor Karl-Renner-Ring 3, 1010 Wien, Österreich
Mitarbeit Architektur
Peter Auer, Thomas Eckl, Christoph Stabel, Philipp Tscheuschler, Christian Vollmuth
Lichtplanung
Bartenbach GmbH
Fotografie
Manfred Seidl
Wettbewerb
2004
Planung
2004
Ausführung
2004 - 2005

Preise und Auszeichnungen

Publikationen

Presseschau

17. Dezember 2005Christian Kühn
Spectrum

Quickness statt Speed

Selbstverständliches braucht oft länger, als man glaubt. Aus Anlass der 50-Jahr-Feier des Staatsvertrags bekam das Wiener Parlament einen neuen Eingang. Dort, wo er hingehört. Ein Himmelfahrtskommando, bravourös bewältigt.

Selbstverständliches braucht oft länger, als man glaubt. Aus Anlass der 50-Jahr-Feier des Staatsvertrags bekam das Wiener Parlament einen neuen Eingang. Dort, wo er hingehört. Ein Himmelfahrtskommando, bravourös bewältigt.

In seinen „Memos für das kom mende Jahrtausend“ hat Italo Calvino vor 20 Jahren drei Leitbe griffe für die Kunst des 21. Jahrhunderts formuliert: Leichtigkeit, Schnelligkeit und Exaktheit. Zwei dieser Begriffe, Leichtigkeit und Exaktheit, hatten in der Architektur der Moderne immer schon einen guten Ruf. Für den dritten, die Schnelligkeit, gilt das nicht. Er klingt in der Architektur nach der erstbesten Lösung, im schlimmsten Fall nach Pfusch. Schnelligkeit ist allerdings ein vieldeutiger Begriff. Calvino spricht im englischen Original - die Memos waren als Vorlesung an einer amerikanischen Universität konzipiert - nicht von „Speed“, sondern von „Quickness“. Nicht die Steigerung der Reisegeschwindigkeit sei das Merkmal für die Kunst des 21. Jahrhunderts, sondern ein hohes Reaktionsvermögen, um blitzschnell die scheinbar unmöglichsten Wendungen auszuführen und plötzliche Widerstände kreativ zu verwerteten.

An der Geschichte, wie das Wiener Parlament zu seinem neuen Eingang kam, hätte Calvino jedenfalls seine reinste Freude. Sie beginnt mit einem Bauschaden: Der Pallas-Athene-Brunnen, das Wahrzeichen des Parlaments zur Ringstraßenseite, war schon seit Jahren undicht und hatte die Fundamente der beiden symmetrisch hinaufführenden Rampen so weit durchfeuchtet, dass deren Generalsanierung notwendig wurde. Zugleich sollte die Lüftungsanlage für das Parlament, die in den Gewölben unter der Rampe und dem Säulenportikus untergebracht war, erneuert werden.

Der Portikus hatte zur Errichtungszeit des Parlaments, als man hier mit Pferdewagen vorfuhr, noch als Haupteingang gedient. Für den Winter gab es einen zweiten, so genannten Schlechtwettereingang, eine Durchfahrt auf Straßenniveau unter dem Portikus, die es den Fahrgästen erlaubte, im Gebäudeinneren auszusteigen und über ein Vestibül und zwei nach oben führende Treppen in die Eingangshalle zu gelangen. Diese Eingänge waren aber schon seit langem so gut wie stillgelegt. Parlamentarier benutzten Seiteneingänge ins Parlament, die zumindest halboffiziell bestimmten Parteien zugeordnet waren. Die Rampensanierung bot die Möglichkeit, den alten Schlechtwettereingang zu reaktivieren und damit einen gemeinsamen Zugang ins Parlament zu schaffen.

Im Jahr 2002 wurde ein erster Wettbewerb für die Sanierung ausgelobt, den der Architekt Herbert Beier mit der Idee gewann, die Lüftungsanlage abzusiedeln und dadurch unter der Rampe mehr Platz für zusätzliche Nutzungen zu schaffen. Der Vorschlag von Manfred Wehdorn, hinter dem Brunnen einen direkt auf die Ringstraße gerichteten zentralen Eingang anstelle des für die Öffentlichkeit praktisch unsichtbaren Schlechtwettereingangs zu schaffen, kam zwar in die engere Wahl. Mit dem absehbaren Widerstand des Denkmalamts wollte man die Sanierung aber dann doch nicht belasten - immerhin sollte der neue Eingang pünktlich zum 50-jährigen Jubiläum der Staatsvertrags-Unterzeichnung fertig sein.

In der Folge entwickelte das Projekt eine beachtliche Eigendynamik. Die Fundamente für die Rampen mussten tiefer gelegt werden, neue nutzbare Räume entstanden. Zu den geplanten Funktionen - Eingang, Garderoben für Besuchergruppen und multimediale Informationswände - kamen ein neuer Tiefspeicher für die Bibliothek des Hauses, ein Raum für Vorträge und Pressekonferenzen sowie neue Studios des ORF. Aus der bautechnischen Sanierung wurde so ein umfangreiches architektonisches Projekt mit beachtlicher symbolischer Bedeutung für das Parlament.

Mitten im laufenden Baubetrieb beschloss der Bauherr im Sommer 2004, einen weiteren Wettbewerb für die architektonische Ausgestaltung des Projekts auszuloben, da die von Herbert Beier inzwischen entwickelte Lösung zwar technisch entsprach, ästhetisch aber zu wünschen übrig ließ. Um den Betrieb nicht aufzuhalten, war zuerst nur an einen Wettbewerb für Möblierung, Licht und Material gedacht. Die Architektenkammer konnte aber erreichen, dass auch bauliche Veränderungen zulässig waren. Knapp sechs Wochen hatten die Projektanten Zeit, Lösungen zu entwickeln, während auf der Baustelle bereits die Fundamente betoniert wurden.

Das Siegerprojekt von Kinayeh und Markus Geiswinkler punktete mit einer klaren Organisation und dramatischen vertikalen Durchblicken, die den Weg vom Foyer in den Vortragssaal zwei Stockwerke tiefer zu einem Erlebnis machen. Zu diesem Zeitpunkt blieb gerade noch ein Jahr bis zur Eröffnung. Mitten in einem laufenden Bauprojekt Umplanungen vorzunehmen, noch dazu angesichts eines staatstragenden Fertigstellungstermins, ist ein Himmelfahrtskommando, das in diesem Fall bravourös bewältigt wurde. Nicht alle Leistungen sind dabei so sichtbar wie die präzise detaillierten Übergänge zwischen Alt und Neu oder die raffinierte Belichtung, die von Bartenbach Lichttechnik konzipiert wurde. Genauso wichtig ist das, was unsichtbar bleibt: die Lüftung, die so umgeplant werden konnte, dass sie den vertikalen Raumeindruck nicht mehr stört, oder die statischen Kunstgriffe, mit denen im Vortragsraum eine Nische geschaffen wurde, die dem Raum erst die richtige Proportion gibt.

In einer letzten plötzlichen Wendung setzte sich schließlich doch noch der zentrale Eingang durch, der schon im ersten Wettbewerb vorgeschlagen worden war. Gegen die Logik, das Hohe Haus an der sinnfälligsten Stelle betreten zu dürfen, konnte sich selbst das Denkmalamt nicht auf Dauer sperren. Die Geiswinklers haben dafür eine raffinierte Lösung mit vertikalen Falttoren aus Edelstahl entwickelt, die im offenen Zustand ein Vordach und im geschlossenen Zustand eine ruhige Fläche bilden. Den Gestaltungsvorschlag, den die Architekten für die Umgebung des Brunnens gemacht hatten - zwei Natursteinschwellen, die trapezförmig auf den Eingang hinführen -, lehnte das Denkmalamt dagegen ab. Den positiven Gesamteindruck kann das freilich nicht trüben. Die plötzlichen Wendungen haben dem Projekt genützt, weil alle Beteiligten die Krisen als Chance erkannt haben, etwas Außergewöhnliches zu erreichen. Einzig dass es im Land der großen Söhnetöchter aufgrund des Zeitdrucks nicht mehr möglich war, die bildende Kunst stärker in das Projekt einzubeziehen, ist schade. Aber daran lässt sich ja noch arbeiten.

22. Oktober 2005Wojciech Czaja
Der Standard

Sie war nicht mehr ganz dicht

Begonnen hat es eigentlich mit ganz uncharismatischen Trockenlegungsarbeiten zu Füßen der Pallas Athene. Doch kaum hat man sich's versehen, haben sich Palais Epstein und Parlament schon in Schale geworfen.

Begonnen hat es eigentlich mit ganz uncharismatischen Trockenlegungsarbeiten zu Füßen der Pallas Athene. Doch kaum hat man sich's versehen, haben sich Palais Epstein und Parlament schon in Schale geworfen.

Bauarbeiter und Architekten setzen zum absoluten Endspurt an, der Countdown läuft. Letzter Feinschliff, da und dort noch Farbe an die Wand, die vielen Flatscreens einjustieren, schließlich den Putztrupp in die neuen Räumlichkeiten entsenden. Dass sich in ein paar Tagen schon der gesamte Baustellenstaub aus dem neuen Foyer des Parlaments verflüchtigt haben soll, ist nur schwer vorstellbar. Aber irgendwie klappt's immer. Wahrscheinlich wird es sich so abspielen wie in Jacques Tatis Film Playtime: Die letzten Handwerker werden links aus dem Bild treten, während rechts schon die ersten Besucher die neue Örtlichkeit stürmen.

Gedankenjahr 2005, der Nationalfeiertag steht ins Haus. Die Besonderheit des diesjährigen Tages der offenen Tür im Wiener Parlament - und das ist natürlich Resultat eines langjährigen Kalküls - ist neben dem 50-jährigen Jubiläum des Österreichischen Staatsvertrags aber vor allem die Einweihung des neuen Besucherzentrums und der sanierten Rampe. Die Riesenbaustelle an der Wiener Ringstraße ist endlich abgeschlossen. „Wir werden die Türen weit öffnen“, betont Nationalratspräsident Andreas Khol.

Begonnen hat das Ganze natürlich ganz anders. „Die Pallas Athene war nicht mehr ganz dicht“, erzählt Kinayeh Geiswinkler-Aziz vom Architekturbüro Geiswinkler & Geiswinkler. Und tatsächlich, im Fundament hat's getropft. Der Brunnen, der der griechischen Göttin der Weisheit zu Füßen liegt, wurde in den vergangenen Jahrzehnten undicht, der Wasserverlust betrug zuletzt bis zu acht Kubikmeter pro Woche. Und durch irgendwelche Ritzen musste sich die Feuchtigkeit ihren Weg schließlich bahnen.

Während Architekt Herbert Beier also mit der Sanierung der Rampenfundamente und der Brunnenanlage beschäftigt war, nutzte man die Gunst der Stunde und schrieb einen geladenen, EU-weiten Wettbewerb für ein neues Besucherzentrum unter der Rampe aus. Geiswinkler & Geiswinkler konnten sich durchsetzen.

Ein neues Foyer für das alte Parlament - das ist wahrlich keine leichte Aufgabe. Wie bauen für Vater Staat? „Natürlich ist das Parlament von Theophil Hansen als völlig herrschaftliches und hermetisches Gebäude konzipiert worden“, erklärt Architekt Markus Geiswinkler. Diesen Umstand zu ändern habe viel Feingefühl erfordert. „Modische Gadgets sind hier fehl am Platz, letztlich soll das Foyer in einem Jahrzehnt immer noch einen aktuellen Eindruck vermitteln.“ Dass die Architektur in diesem Sinne etwas zurückgenommen erscheint, wird daher nicht verwundern. Elegant, gediegen, ja sogar klassisch tritt das neue Besucherzentrum im Schatten der Pallas Athene auf.

Wo früher nur Erdreich war, haben Geiswinkler & Geiswinkler nun einen luftigen Raum auf drei Ebenen herausgebuddelt. Schwarz und weiß, viel Glas, viel Stein und viel zukunftsreiches Image, ganz im Sinne der Nationalhymne. Über Stiegen, Rampen und Lifte gelangt man ins Herz des neuen Besucherzentrums. Mit jedem weiteren Schritt in die Gefilde unter der Parlamentsrampe eröffnen sich neue Einblicke in die Spielregeln repräsentativer Architektur, die ganz selbstverständlich in die heutige Zeit hinübergetragen und neu interpretiert wurden. Von hier aus werden auch die Führungen durch das Hohe Haus starten. „Das neue Foyer ist Zeuge eines völligen Paradigmenwechsels im Parlament“, resümiert Andreas Khol, „aus einem alten Herrenhaus ist ein offenes Parlamentsgebäude für alle Bürger und Bürgerinnen geworden.“

Politische Architektur wird attraktiv. Norman Foster hat schon vor geraumer Zeit dem Berliner Reichstag die gläserne Kuppel aufgesetzt, vergangenes Jahr ist in Edinburgh das steinig gläserne schottische Parlamentsgebäude fertig gestellt worden. Und nun nimmt sich auch Österreich ein Beispiel und bringt frischen Wind ins alte Gemäuer.

Dennoch gilt auch in Wien das Motto der Stunde, demnach das Parlament zur touristischen Institution geworden ist. Statt der bisherigen 60.000 Besucher jährlich rechnet man nun mit 100.000 Interessierten. Hoch gesteckte Ziele auch im Bereich des Vorplatzes, Khol spricht von einem „städtischen Platz im Stile des Museumsquartiers; Menschen sollen sich hier frei und ungezwungen aufhalten können.“

Während man im Bereich des schweren Rampensockels um Öffnung und Orientierung ringt, platzt das Hohe Haus andernorts aus allen Nähten. Der Wiener Stadtschulrat ist aus dem benachbarten Palais Ep- stein - ebenfalls ein Werk Theophil Hansens - schon vor geraumer Zeit ausgezogen; rechtzeitig zum Nationalfeiertag eröffnet nun auch dieses Gebäude, das von der Hausbesitzerin BIG eigens für Parlamentszwecke adaptiert und von Grund auf saniert wurde.

Unzählige Umbauten und Erweiterungen hatten aus dem einst herrschaftlichen Palais im Laufe eines Jahrhunderts ein unerträgliches Flickwerk entstehen lassen. Zerstörte Böden, penetrant ignorierte Wandvertäfelungen und ein nicht mehr wiedererkennbares Grundkonzept des Architekten waren die Folge.

Doch ein EU-weiter, offener Wettbewerb sollte im Frühjahr 2002 auch hier Klarheit schaffen. Als das Kuvert des anonymen Siegerbeitrags geöffnet wurde, staunten nicht wenige über die jungen und noch unbekannten Verfasser des überzeugenden Projekts. Georg Töpfer und Alexander van der Donk, beide gerade einmal 40 Jahre alt, haben im Zuge des Projekts aber durchaus Kompetenz an den Tag gelegt.

Eine behutsame Analyse hat ergeben, dass ein gezieltes Herausreißen des - baulich recht uninteressanten - Dienstbotentraktes der größte Gewinn für das historische Palais bedeuten würde. Der Übergang von Alt zu Neu ist heute dezent spürbar, in diesem Neubauteil wurde das gesamte Rückgrat des Gebäudes von Lift und Stiegenhaus bis hin zu den Sanitär- und Serverräumen untergebracht.

Der Rest des Gebäudes ist Resultat einer vorbildlichen Sanierung und damit ein neues Aushängeschild für BIG und Bundesdenkmalamt. Vor allem aber ist das Palais Epstein ein Gebäude, das sich wie ein Kriminalroman der Architekturgeschichte liest. So entdeckte man hinter hässlichen Einbauten beispielsweise eine riesige Glasschiebetür, die den Tanzsaal zum Wintergarten hin großzügig öffnet - nach über hundert Jahren immer noch vollkommen funktionsfähig.

Im Erdgeschoß wiederum, wo sich früher das Bankhaus Epstein befand, haben die Architekturdetektive endlich herausgefunden, wozu die rätselhaften Holzknöpfe im Bereich der Fensternischen dienten. Schwere Stahlkurtinen ließen sich mittels dieser Entriegelung aus dem Kellergeschoß hochhieven, womit man sozusagen den architektonischen Ursprung des Einbruchschutzes entdeckt und erkundet hat.

Eine Ausstellung wird in den ehemaligen Bankräumen im Erdgeschoß Aufschluss über die Geschichte des Palais Epstein geben. In den Stockwerken darüber werden die Parlamentarier hausen, um an Vater Staat weiterzumodellieren. „Das Palais Epstein und das Parlament ergänzen einander in wunderbarer Art und Weise“, so Nationalratspräsident Khol, „das Palais ist ein elegant saniertes Relikt einer glanzvollen Vergangenheit, das Besucherzentrum im Parlament hingegen ist ein impulsiver und vor allem jugendorientierter Ort.“

Und um vom politischen O-Ton wieder auf den Pfad der Architektur zurückzufinden: Parlament und Palais Epstein sind überzeugende Boten einer neuen kulturellen Weitsichtigkeit. Es ist letzten Endes als schöne Geste aufzufassen, dass die Gestaltung von zwei derart bedeutenden Bauwerken in die Hände einer - um in der verzerrten Zeitrechnung der Architekturbranche zu sprechen - so jungen Generation gelegt wurde.

06. November 2004Christian Kühn
Spectrum

Athene atmet auf

Begonnen hat es mit der Sanierung einer baufälligen Rampe. Zwei Jahre und zwei Wettbewerbe später darf das Parlament endlich mit einem zeitgemäßen Eingang rechnen. Zum vorläufigen Happy End eines Bauprojekts, bei dem die Republik fast ihr Gesicht verlor.

Begonnen hat es mit der Sanierung einer baufälligen Rampe. Zwei Jahre und zwei Wettbewerbe später darf das Parlament endlich mit einem zeitgemäßen Eingang rechnen. Zum vorläufigen Happy End eines Bauprojekts, bei dem die Republik fast ihr Gesicht verlor.

Ein nicht zu verachtender Vorteil gründerzeitlicher Gebäude ist, dass sie dem Besucher meist überdeutlich erklären, wo sich ihr Eingang befindet. Das Wiener Rathaus etwa: ein hoher, markanter Turm, Eingangstreppen, ein Torbogen dahinter. Hier muss er sein, der Eingang! Oder das benachbarte Parlament: Zwei Rampen umschließen den Brunnen der Pallas Athene wie große Arme und führen hinauf zum klassischen Portikus. Kein Zweifel: Hier betreten unsere Parlamentarier, vom Geiste athenischer Demokratie turboladerartig beflügelt, die Stätte ihres Wirkens.

Wer je versucht hat, auf dem geschilderten Weg in die beiden Gebäude zu gelangen, weiß, dass der Schein trügt. Beim Rathaus führt der zentrale Eingang vom Ring her in die große Volkshalle, die nur bei Ausstellungen geöffnet ist. Beim Parlament ist die Sache etwas diffiziler: Zu Theophil Hansens Zeiten fuhren die Parlamentarier mit Pferdewagen über die Rampe zum Portikus vor. Für den Winter sah Hansen zusätzlich einen zweiten, sogenannten Schlechtwettereingang vor: Hinter den Rampen ist auf Straßenniveau Platz für eine Durchfahrt, die quer unter dem Portikus liegt und es den Fahrgästen erlaubte, im Gebäudeinneren auszusteigen und die Eingangshalle über zwei vom Vestibül nach oben führende Treppen zu erreichen. Durch den Portikus wird das Parlament heute aber nur noch von Staatsgästen betreten. Mitarbeiter und Parlamentarier benutzen Seiteneingänge, die zumindest halboffiziell bestimmten politischen Parteien zugeordnet sind.

Als vor zwei Jahren ein tragischer Unfall an der Auffahrtsrampe zur Wiener Universität - eine Studentin war von abgestürzten Balustradenteilen tödlich verletzt worden - Anlass gab, die Sanierung bautechnischer Mängel auch an anderen Ringstraßenbauten rasch in Angriff zu nehmen, waren die Auffahrtsrampen zum Parlament eines der vordringlichsten Projekte. Der undichte Pallas-Athene-Brunnen hatte die Fundamente der Rampen so weit durchfeuchtet, dass schon seit einiger Zeit ein Fahrverbot für Fahrzeug mit über 3,5 Tonnen bestand. Außerdem war eine Erneuerung der Lüftungsanlage, die Hansen unter der Auffahrt untergebracht hatte, notwendig. 2002 wurde ein Wettbewerb für die Sanierung ausgelobt, den Architekt Herbert Bayer gewann.

In der Folge entwickelte das Projekt eine Eigendynamik, unter anderem, weil eine Untersuchung des Baugrundes ergab, dass noch umfangreichere Fundierungen notwendig waren, als gedacht, und daher mit wenig Zusatzaufwand weitere Räume geplant werden konnten. Neben dem neuen Haupteingang ins Parlament mit Garderoben für Besuchergruppen und multimedialen Informationsständen konnten ein neuer Tiefspeicher für die Bibliothek des Hauses, ein Raum für Vorträge und Pressekonferenzen sowie neue Studios für den ORF untergebracht werden. Aus der bautechnischen Sanierung wurde so im Lauf der Zeit ein umfangreiches architektonisches Projekt, das für die nächsten Jahrzehnte auch eine Art Visitenkarte des Hohen Hauses darstellen wird.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte klar sein müssen, dass es zusätzlicher gestalterischer Kompetenz bedarf, um die Aufgabe zu bewältigen. Vorerst wurde jedoch so weitergeplant, als ginge es nur darum, neben der Sanierung noch ein paar weitere Kellerräume und Türdurchbrüche einzubauen. Die Pläne, nach denen man im Frühjahr 2004 zu bauen begann, sahen vor, Besucher und Parlamentarier hinter den Rampen zu den Wintereingängen Hansens zu locken, sie dann aber um 90 Grad verschwenkt durch ehemalige Lüftungsöffnungen in die Rampe hineinzuführen, die an dieser Stelle gerade 2,7 Meter Raumhöhe aufweist. Von der dramatischen Raumentwicklung nach unten auf das Niveau des Vortragssaals, die sich heute auf den Baustellenfotos erahnen lassen, hätte der Besucher kaum etwas mitbekommen.

Ende März 2004 fand im Parlament eine Enquete über „Architektur und Baukultur“ statt, in der vielfach auf die Vorbildfunktion der Republik hingewiesen wurde. Neben der Verantwortung, die der Republik etwa als Eigentümerin der Bundesimmobiliengesellschaft zukommt, wurde dabei am Rande auch das Thema Parlamentsgebäude erwähnt. Seit dem Wiederaufbau nach dem Krieg, dem das Parlament den schönen, aber heutigen Arbeitsbedingungen nur noch unzureichend entsprechenden Plenarsaal von Fellerer und Woerle verdankt, gab es zwar einzelne Adaptierungen, aber nie ein Konzept für eine schrittweise Generalsanierung. Braucht, so wurde bei der Enquete gefragt, nicht auch eine Institution wie das Parlament eine zeitgemäße räumliche Fassung?

Nach Angabe der Parlamentsdirektion war das der Anlass, das Eingangsprojekt auf höchster Ebene noch einmal zu überdenken. Parlamentspräsident Andreas Khol traf schließlich die Entscheidung, einen neuen Wettbewerb zumindest für die Innenausstattung der Räume durchführen zu lassen. Die Architektenkammer konnte in der Vorbereitung des Wettbewerbs durchsetzen, dass zwar der Titel „Designwettbewerb“ beibehalten wurde, Änderungen an der räumlichen Disposition aber durchaus zulässig waren. Vom Zeitplan her war der Wettbewerb alles andere als ideal: Gerade einmal sechs Wochen hatten die eingeladenen Teams Zeit, ein Projekt zu entwickeln, während parallel dazu auf der Baustelle die Rampen entfernt und neue Fundamente betoniert wurden.

Das Siegerprojekt von Kinayeh und Markus Geiswinkler ist angesichts dieser Projektgeschichte ein erstaunlicher Glücksfall. Statt durch Lüftungsöffnungen betritt man das Parlament nun wieder durch die Wintereingänge Hansens, der Bereich dahinter ist neu organisiert, die schweren Gewölbe an den statisch richtigen Stellen geöffnet, um einen durchgängigen Raumeindruck zu erzeugen. Ein mit Bartenbach-Lichttechnik erarbeitetes Beleuchtungskonzept lässt die niedrige Decke unter der Rampe durch ein spezielles Prismensystem doppelt hoch erscheinen. Abgehängte Decken und einige Zwischenebenen sind entfernt, um den vertikalen Raum zwischen Vortragssaal und Eingang zur Wirkung zu bringen. Eine freitragende Stahltreppe führt an einer großen Medienwand vorbei nach unten.

Unmittelbar nach der Jury-Entscheidung begann die Feinabstimmung des Projekts. Trotz umfangreicher planerischer Veränderungen an Lüftungstechnik und Statik ist es dabei gelungen, zwischen den Architektenteams ein produktives Verhältnis herzustellen. Dass die Geiswinklers nicht nur als Bauherrenpreisträger für ihre Wohnbauten bekannt sind, sondern auch viel Erfahrung mit dem Bauen im Bestand jenseits taxidermischer Denkmalpflege haben - mit dem Guess-Club etwa und derzeit dem Umbau einer Rettungsstation in Hernals - hat da sicher geholfen.

Die Bauherrenseite war jedenfalls mit der Planung so zufrieden, dass sie beschloss, noch einen Schritt weiterzugehen. Wenn das Parlament schon ein neues, attraktives Foyer bekommt, warum sollen die Besucher das Gebäude nicht dort betreten dürfen, wo man es vermutet? Und so erhielten die Architekten von den „Hausherren“ Andreas Khol und Barbara Prammer den Auftrag, zusätzlich zu den zwei seitlichen, hinter den Rampen eher versteckten Eingängen ins Foyer einen weiteren in der Mitte des Gebäudes direkt hinter dem Brunnen im Sockel der Rampe zu planen. Die Entwürfe sind in Arbeit, die Abstimmung mit dem Denkmalamt läuft. Und Pallas Athene, die griechische Göttin der Weisheit auf ihrem Brunnensockel, darf fürs Erste aufatmen.

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