Kloster Und

Was der Raiffeisenkonzern anpackt, das macht er ganz. Diese Maxime galt schon immer als Markenzeichen des grünen Riesen im Bereich der Landwirtschaft, des Bankings und der Immobilienwirtschaft. Die unschlagbare Verwurzelung der Politik dieses genossenschaftlich organisierten und regional strukturierten Wirtschaftsimperiums führte dabei oft zur direkten Umsetzung lokaler Bauwünsche ohne langes Federlesen oder übertriebene kulturelle Sensibilität.

Mit der Neugestaltung des Klosters Und in Krems, das 2002 von der mächtigen Raiffeisen-Holding Wien-Niederösterreich erworben wurde, scheint nun dieser Bauherr, der nicht zuletzt auch Eigentümer des Loos-Hauses am Wiener Michaelerplatz ist, neue Wege zu gehen. Denn mit der Adaptierung des 1631– 40 erbauten und seither mehrmals umgewidmeten und umgebauten Kapuzinerklosters wurde das Wiener Büro Eichinger oder Knechtl (eok) beauftragt – seit den 1980er Jahren in Österreich die wohl bekanntesten Namen eines neuen, urbanen Gastronomiedesigns, das Lebensstil und Erwartungen der umsatzträchtigsten Zielgruppe besser trifft als jede folkloristische Inszenierung.

Mit dem Café Stein in Wien begann der Szene-Siegeszug des Architektenduos, das die Einrichtungspraxis als Bildungsweg den akademischen Ritualen vorgezogen und dabei ein unübertroffen präzises Sensorium für Stimmungen und Gefühle des großstädtischen Flaneurs entwickelt hat. Großzügige Holzpaneele, satte und kompakte Trennwände und Möbel aus Eichen- und Teakholz, angenehme Oberflächen aus Leder und anderen „warmen“ Materialien, sensible Farbgebungen von Braun-Gelb bis zu Burgund-Alu sowie klug moderierte Beleuchtung sorgten in den zahlreichen seither vor allem in Wien realisierten Geschäftslokalen, Restaurants und Bars von „eok“ für ein stimmiges, unaufdringlich-elegantes Umfeld der Genusshandlung.

Das entspannte Lehnen, das kultivierte Sitzen und das wonnige Lagern sind jene Lebens- und Körperhaltungen, denen die Architekten hingebungsvolle Entwurfsarbeit widmen und oft zu überraschend einfachen, aber stets perfekt funktionierenden und behaglichen Lösungen kommen. Und sie können nicht nur das, sondern sind durchaus auch komplexeren Herausforderungen gewachsen, wie das Projekt Kloster Und beweist. Denn hier musste eine vielfältige Nutzungsanforderung in einer historische Bausubstanz geplant werden, die ihrerseits an Heterogenität kaum zu überbieten war und fast unüberwindliche denkmalpflegerische Hürden bereithielt.

Der ursprünglichen Substanz des 1656 nach einem Brand neu errichteten Baus war durch seine Konversion in ein Militärspital im Jahre 1807 und weitere Umbauten in den 1980er Jahren – unter anderem wurde eine Stahlbeton-Zwischendecke in das Kirchenschiff eingezogen – erheblich zugesetzt worden. Eichinger oder Knechtl unterzogen sich für dieses Projekt einer profunden Bauforschungsarbeit, die schließlich die originalen Bauteile von den späteren Änderungen und Ergänzungen klar unterscheidbar machte. Für die neue Nutzung als eine Art Kulturzentrum der Weinregion Krems, die auch in engem Zusammenhang mit der nahen „Kunstmeile Krems“ mit Kunsthalle und zahlreichen kleineren Kunstinitiativen steht, wurde ein Funktionsmix aus gehobener Gastronomie, einer Vinothek und einem Veranstaltungssaal ersonnen. Und die Architekten „eok“ konnten mit einer Neudefinition der Eingangssituation (hier wurde der 1987 errichtete Toiletten- und Garderobebereich durch ein großes Foyer ersetzt) nicht nur die ursprüngliche Raumstruktur rekonstruieren, sondern auch eine großzügige, gelassene Stimmung herstellen, die den Nutzungszielen des Qualitätstourismus angemessen ist.

Diese Stimmung steigert sich in Vinothek und Restaurant noch weiter. Die typischen Eichinger oder Knechtl-Materialien, vor allem schwere Holz- und Textilkörper, die in klaren, geometrischen For- men Solidität, aber auch eine minimalistische Eleganz demonstrieren, und die eigenwilligen, mitunter ironisch an die 1970er-Jahre erinnernden Designdetails, mischen sich mit dem Gastronomiekonzept von Toni Mörwald, der in Wien und Niederösterreich in den vergangenen Jahren eine erfolgreiche Kette von Michelin-Stern- und Gault-Millau-Hauben-Restaurants aufgebaut hat, zu einer zeitrichtigen Atmosphäre, die den angestrebten Zweck – Verbindung kulinarischer mit künstlerisch-kulturellen Freuden – mühelos erfüllen wird.

Insgesamt demonstriert das Projekt, dass gerade in Österreich, dessen Kulturgeschichte heute ein essentielles, weltweit nachgefragtes Betriebskapital ist, intelligente, kritische und architektonisch anspruchsvolle Entwurfsarbeit idealtypisch mit den Bedürfnissen von Tourismusindustrie und Denkmalschutz vereinbar wäre, sofern alle Beteiligten sich auf einen einheitlich hohen Qualitätsstandard einigen könnten. Denn das Klientel von Architekten wie dem Büro eok ist im Grunde identisch mit dem von Denkmalschutz und Gastronomie: Eben Leute, die das Schöne kennen und lieben und es auf der Höhe der aktuellen künstlerischen und technischen Möglichkeiten gepflegt sehen wollen. Dafür geben wir unser Geld gerne aus. (Text: Matthias Boeckl)