Pläne

Details

Adresse
Haindorfer Vögerlweg 23, 3550 Langenlois, Österreich
Architektur
Andreas Burghardt
Bauherrschaft
Fred Loimer
Tragwerksplanung
Helmut Krisch
Maßnahme
Neubau
Planung
1999
Fertigstellung
2000

Preise und Auszeichnungen

Publikationen

Presseschau

21. August 2010Franziska Leeb
Spectrum

Ohne Speck und Spektakel

Schwarz und pur, ohne modisches Dekor und auffallend unauffällig in die Landschaft eingefügt: das jüngst erweiterte Weingut Loimer in Langenlois.

Schwarz und pur, ohne modisches Dekor und auffallend unauffällig in die Landschaft eingefügt: das jüngst erweiterte Weingut Loimer in Langenlois.

Als der Langenloiser Winzer Fred Loimer vor einem Jahrzehnt den Architekten Andreas Burghardt mitder Planung eines Präsentations- und Bürogebäudes beauftragte, stand er am Beginn seiner Karriere als einer der besten Weinmacher Österreichs. Burghardt hatte bisdahin noch kein Gebäude unter eigenem Namen geplant, mittlerweile fällt sein Name in so gut wie jeder Zusammenschau über die interessantesten Bauten für den Wein. Loimer hatte den Haindorfer Schlosskeller aus dem 18. Jahrhundert erworben, ein unterirdisches Netz aus geometrisch angeordneten Ziegelgewölben. Dort, wo die breite Treppe aus der Unterwelt nach oben führt, wurde damals das erste neue Gebäude – genannt Weinloft – realisiert. Straßenseitig ein Degustationsraum und im rechten Winkel dazu Büroräumlichkeiten umschließen einenHof. Das Ganze ist im Maßstab verträglich zur Umgebung, sogar niedriger als manch benachbartes Presshaus, kurzum ein Musterbeispiel für gut in die Ortsstruktur und die Landschaft integriertes zeitgemäßes landwirtschaftliches Bauen.

Zum Hof hin offen über großflächige Schiebefenster, zur Straße hin bis auf eine quadratische Verglasung nächst dem Eingang uneinsehbar und – das schreckte selbsternannte Ortsbildhüter wohl am meisten – rundum schwarz verputzt. Diese kompromisslose Reduziertheit unterscheidet sich von der bis heute in der landauf, landab in der neuen Weinarchitektur gepflegten Geschwätzigkeit mit ihren Zitaten und Anspielungen – sei es an feudale Architektur der französischen Chateaus oder in Form von vermeintlich weinbauspezifischen Materialien wie grünem Glas, Flaschen, Kork, Naturstein, Eichenholz oder was marketingbeflissenen Menschen sonst einfällt. Burghardt und Loimer haben sich nicht dazu verleiten lassen, Funktion und Inhalt zu überhöhen und als Ausdruck des im Zuge des Weinbooms erstarkten Selbstbewusstseins der jungen Winzerszene eine dekorierte Hütte zu bauen. Vor wenigen Jahren noch der letzte Schrei, sehen manche davon nämlich schon wieder ziemlich alt aus.

Heuer wurde die nächste Bauetappe fertig. Grund genug für einen Lokalaugenschein im neuen Keller, um zugleich die „Haltbarkeit“ des ersten Teils zu überprüfen. Der Nicht-Farbigkeit mit schwarzem Putz und Sichtbeton blieb man konsequent treu, dem Anspruch, möglichst große Teile der Kubatur im Gelände zu verbergen, ebenfalls. Angeordnet wurde der neue Bauteil dort, wo eine der unterirdischen Röhren des Reifekellers unter dem Weingarten durchsticht und sich so auf kurzem Weg Abfüllung und Auslieferung der edlen Tropfen praktisch bewerkstelligen lassen.

Eine schwarze Kiste umhüllt das Erdgeschoß. Über den innerhalb der Mauern gelegenen Hof wird das Lesegut angeliefert, um im Inneren per Sortiertisch und Rebler von allem befreit zu werden, was einer hohen Weinqualität abträglich sein könnte. Die Anlage auf drei Ebenen hat produktionstechnische Gründe, weil Trauben und Most nicht gepumpt werden müssen, sondern schonend per Schwerkraft in die Tiefe befördert werden, ist aber noch mehr dem Wunsch geschuldet, möglichst wenig Bauvolumen überirdisch zutage treten zu lassen. Im ersten Untergeschoß befindet sich die Presse und zuunterst der Tankkeller für an die 50 Edelstahltanks sowie das Flaschenlager, Abfüllung und Expedit, alles zum überwiegenden Teil von neu ausgesetzten Rebzeilen und begrünten Böschungen überdeckt.

Man spürt, dass eine auf das Wesentliche beschränkte und die Bedürfnisse maßgeschneiderte Funktionalität die Konzeption bestimmte und man wenig davon hält, Besuchermassen ein Spektakel darzubieten. Beeindruckend ist das Ganze dennoch, weil mit einfachen Mitteln vorexerziert wird, dass gute Gestaltung nicht in teuren Zutaten besteht, sondern bei der sorgfältigen Bedachtnahme auf das Notwendige beginnt. Kreuzförmig angeordnete Leuchtstoffröhren und schlanke, raumhohe Türen sowie die direkt in einer ästhetisch ansprechenden Typografie auf die Sichtbetonwändeangebrachten Raumbezeichnungen und Sicherheitshinweise sind Ausdruck einer gepflegten Betriebskultur.

Nur einen Ort gibt es, der nicht einzig dem Betriebsablauf zu Diensten steht: eine Aussichtsterrasse im Erdgeschoß, auf der mit Disziplin und Dezenz ein angemessener Rahmen zur Huldigung des Terroirs geschaffen wurde. Die Hermeneutik des von Wänden umgebenen Raums unter freiem Himmel wird nur durch eine bis zur Wandoberkante reichende Glasscheibe unterbrochen, die den Blick auf die bekannteste Lage der Region, den Heiligenstein, freigibt. Zusätzlich lenken Gucklöcher dosiert die Aufmerksamkeit auf weitere Punkte in der Umgebung.

Einziges Möbel ist ein mächtiger Tisch aus wetterfestem Baustahl, der mit seiner charakteristischen Rostschicht der Roheit dieses ungedeckten Raums Rechnung trägt. „Affig“ würde hier ein fein ausgearbeiteter Tisch mit weißer Oberfläche aussehen, wie er üblicherweise zur richtigen Beurteilung der Weinfarbe als Muss gilt, so Architekt Burghardt. Zudem steht ein solcher Tisch mit beeindruckenden acht Metern Länge ohnedies im Weinloft bereit.

Die Architektur des Weingut Loimer erscheint vorerst radikal in ihrer Reduziertheit, ist aber durchaus bodenständig und schlüssig. Wie die traditionellen niederösterreichischen Presshäuser mit gekalktem Ziegel- oder Lehmmauerwerk und ihren winzigen Lüftungsluken Nutzbauten von archaischem Charme sind (der durch Umrüstungen zu Kellerstüberln und den Verschönerungswahn von Freizeitwinzern sukzessive abhanden kommt), ist sie nichts anderes als eine moderne Entsprechung, funktional und ohne überflüssigen Speck. Die Geschlossenheit, der schwarze Putz außen und der Sichtbeton innen hat viele verstört, aber andere angezogen. „Das Gebäude sucht sich die Kunden aus“, sagt Loimer.

Die Bedenken ob der Richtigkeit des Konzepts, die den Architekten vor zehn Jahren plagten, kann er getrost ablegen. Das Weinloft hat immer noch Würde, es ist gealtert, ohne Schaden zu nehmen, der schwarze Putz frei von Rissen, die Holzböden altern sowieso schön. Man spürt, dass hier viel Betrieb ist, aber auch die Kinder der Familie willkommen sind und sich hier wohlfühlen. In einem kultivierten Umfeld wird gelebt und gearbeitet, Gebäude und Menschen biedern sich nicht an, veranstalten kein Spektakel. Weinloft und Keller, eine bestehende Maschinenhalle, die einst nur saniert und zwecks optischer Kompatibilität schwarz verputzt wurde, und die historischen Keller im Untergrund sind kommunizierende Gefäße und ein Beweis dafür, dass betriebtechnische Vernunft und Sinn für Ästhetik einander nicht ausschließen.

06. Juni 2003Der Standard

Blackbox für Wein

(SUBTITLE) Rondo spezial Alu

Die schwarze Schachtel liegt wie ein gut getarntes Muttermal in den Langenloiser Weinbergen. Das Bauherren-Architekten-Paar, der Winzer Fred Loimer und Andreas Burghardt, haben einen Kontrapunkt zur Lieblichkeit und einen Meilenstein der Baukultur in der Region geschaffen

Die schwarze Schachtel liegt wie ein gut getarntes Muttermal in den Langenloiser Weinbergen. Das Bauherren-Architekten-Paar, der Winzer Fred Loimer und Andreas Burghardt, haben einen Kontrapunkt zur Lieblichkeit und einen Meilenstein der Baukultur in der Region geschaffen

„Fragen Sie Einheimische nach der ,Schwarzen Schachtel'“, empfiehlt der Weinführer Falstaff in der Ausgabe 2002 seinen Lesern. Wer diesem kunstsinnigen Rat folgt, findet am Langenloiser Vögerlweg ein futuristisch-minimalistisches Gebäude - den Weinkeller des Weinviertler Winzers Fred Loimer. Eigensinn bewies der Besitzer der einerseits auffälligen, zugleich aber erstaunlich gut im Gelände „getarnten“ Blackbox freilich schon immer: Erfand er doch bereits als Volksschüler spontan auftretende Hals- oder Kopfschmerzen, um in den Weingärten seines Vaters mithelfen zu können - wobei dieser den aufgeweckten Sohn in dessen späteren, rebellischen Sturm- und Drang-Jahren mitunter wohl auch „für einen kleinen Narren hielt“, wie Fred Loimer heute rückblickend zu erzählen weiß.

Eigenwillig, aber keinesfalls Narretei ist denn auch die Architektur des mit dem Bauherrenpreis 2002 ausgezeichneten Winzerhauses, die der gegen Anfang der Neunzigerjahre zum Starwinzer avancierte Weinviertler in Auftrag gab - und damit nicht nur in Langenlois, sondern auch über die Grenzen Österreichs hinaus für einiges Aufsehen sorgte. Im Frühjahr 1999 erwarb Loimer zu diesem Zweck den am Stadtrand von Langenlois gelegenen

Schlosskeller Haindorf, der ideale klimatische Bedingungen für den Ausbau und die Lagerung hochqualitativer Weine bietet. In der Folge beauftragte er den Wiener Architekten Andreas Burghardt mit der Aufgabe, über dem barocken Gewölbe ein Weinloft zu errichten. Die daraus resultierende Architektur, die übrigens gemeinsam mit dem Corporate Design des Winzers entwickelt wurde, verleitet Fred Loimer heute dazu, den Gästen seines Weinlofts beim Verkosten der berühmten Tropfen mitunter auch eine recht treffende Metapher zu kredenzen - quasi als Etikettierung der von ihm geförderten, mutigen Architektur. „Das Gebäude ist wie eine Flasche Wein“, sagt Loimer dann, „zunächst verschlossen und von außen schlicht und glatt, aber wenn man es öffnet, erschließt sich eine wunderbare Welt.“

Wer diese Worte im Inneren des Weinlofts vernimmt, etwa am Rand der acht Meter langen Glasplatte des Degustationsraumes, tut sich wohl leicht, diese in entsprechende Bilder umzusetzen. Eine fast theatralisch anmutende Inszenierung stellt sich hier dar.

Angefangen bei der weißen Tischplatte, die die Farbnuancen der zu verkostenden Weißweine differenziert hervortreten lässt, bis zum Blick durchs einzige Fenster des Raumes, das den zwischen den Weinbergen liegenden Heiligenstein wie ein Bild einrahmt. Die von außen empfundene Geschlossenheit des schwarzen Monolithen präsentiert sich im Inneren des L-förmigen Baukörpers überraschend aufgelöst: Eine vollständig zu öffnende Schiebeglasfassade führt zum lichten Innenhof-Garten, neben dem Verkostungsraum schließen das moderne Büro und einige Serviceräume an.

Auch die beachtliche Raumhöhe von vier Metern wirkt sich befreiend aus - sie lässt die vergleichsweise geringe Nutzfläche weit größer wirken, als es die 220 Quadratmeter nahe legen. Der Abstieg in den weit verzweigten historischen Keller lässt indessen über baulichen Purismus im Wandel der Jahrhunderte reflektieren - stellt die mit Ziegelwerk „gezeichnete“ Geometrie der langen Gewölbegänge doch eine unübersehbare geistige Verwandtschaft zur oberirdischen Blackbox dar - und vice versa.

„Die Materialwahl für ebenderen Rohbau - innen grober Sichtbeton, außen schwarzer Putz - verlangt dabei nach einem Material, das in der Haptik einerseits und der technischen Anwendung andererseits mit diesen beiden Schichten eine Verbindung eingeht“, sagt Architekt Andreas Burghardt dazu - und griff in der Folge auf Aluminium zurück. „Aluminium schafft hier den exakten Rahmen“, weiß er. „Die großflächigen Schiebefenster und das Detail des außen liegenden, putzbündigen Abschlusses waren nur in einer Metallkonstruktion, und hier wiederum aus statischen und bauphysikalischen Gründen nur in Alu zu realisieren.“

Ebenso war die Farbwahl mit einer Beschichtung in einem matten Schwarzgrau in Glanzgrad 40 entscheidend für die Gesamterscheinung - eine von Hunderten Farbtönen und Varianten. „Nicht zuletzt ist es der Verlass auf geprüfte Systeme, der die Systemwahl beeinflusst, wobei es dem Geschick des Architekten überlassen ist, diese so einzusetzen, dass es nicht nach Alufenster-Allerlei aussieht“, sagt Andreas Burghardt über seine Erfahrungen mit Aluminium.

Für den Bauherrn des konkreten Projekts Loimer war diese Investition denn auch in Zusammenhang mit der Langlebigkeit und der Exaktheit argumentierbar, und daran hat sich bis dato nichts geändert - „seine vollste Zufriedenheit bei der Bedienung und Reinigung sowie der Funktionalität“ dieser mit modernen Materialien ausgeführten Architektur.

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