22. Mai 2011 - ORTE architekturnetzwerk niederösterreich
Das neue Volumen schiebt sich, der Geländekante folgend, in einen Ausschnitt der Dachgeometrie des Hofs ohne diesen jedoch zu berühren. Die von einer einzelnen V-Stütze getragene Nordseite ragt über die Durchfahrt und ergänzt diese um einen wettergeschützten Freibereich. Eine leichte Stahltreppe führt zu einer überdachten Terrasse, die Zugang zu Garten und Wohnraum bietet.
Die aus vorgefertigten Tafeln in nur einem Tag errichtete Schale des Neubaus öffnet sich mit einer großzügigen Verglasung nach Süden und Osten, während West- und Nordseite fast vollständig geschlossen bleiben. Der umschlossene Raum bleibt bis auf eine kleine Nasszelle offen, Betonboden und sperrholzverkleidete Decke begleiten die offene Küchenwerkbank, die Wollfilzpaneele an der Nordseite bieten akustische Dämpfung und sind Rückenlehne für die durchlaufende Sitzbank, die ihrerseits Staumöbel und einen gemauerten Grundofen trägt. Der muss allerdings nicht allzu oft in Betrieb genommen werden: die südseitige Verglasung sorgt in Verbindung mit der guten Zellulosedämmung für eine rasche passive Erwärmung des Leichtbaus. Hier zeigen sich die einander ergänzenden Rollen der beiden unabhängigen Gebäudeteile. Der Altbau steht mit seinen 60cm dicken Lehmwänden für Kühle und Schutz im Sommer, der leichte Neubau für Behaglichkeit in den kalten Monaten und für Offenheit zur Landschaft.
Der seiner Umgebung angemessene Maßstab und die Geometrie des neuen Bauteils ermöglicht eine selbstverständliche Eingliederung in den Kontext, während die sparsam detaillierte Außenhaut aus 5mm starken, unbehandelten Aluminiumplatten einen selbstbewussten Kontrast schafft; die auf der Nordseite in die Aluminiumschale gestapelten Brennholzscheite schaffen hingegen durch ihre den alten Dachziegeln ähnelnde Textur eine formale Verbindung zur dörflichen Umgebung.
Zum Nutzungs und Energiekonzept
Der angemessene aber selbstbewusste Umgang mit gewachsenen Strukturen, das Einfügen von zeitgemäßen Nutzungskonzepten in bestehenden Kontext und die energetisch sinnvolle Adaptierung von Altsubstanz sind die bestimmenden Bestandteile des Entwurfs.
Die Aufrüstung von alter Bausubstanz zu zeitgemäßen Dämmwerten ist oft mit hohem Energieaufwand bei der Herstellung und mit einem Verlust des Charakters und der Feingliedrigkeit verbunden. Das Resultat oft bauphysikalisch problematisch.
Flag verzichtet bewusst auf den Anspruch, alle Gebäudeteile für alle denkbaren klimatischen Bedingungen optimieren zu wollen.
Stattdessen sieht das Konzept zwei voneinander unabhängige Gebäude von völlig unterschiedlichem Charakter vor. Diesen werden, nach den natürlichen Stärken ihrer Konstruktionsweise, unterschiedliche, komplementäre Nutzungsmuster zugewiesen, die einander im Tagesablauf, aber auch im jahreszeitlichen Wechsel ergänzen.
Die dicken Lehmwände des Altbaus mit seinen winzigen Fensteröffnungen bieten bei Hitze ein angenehm kühles Klima und einen nächtlichen Rückzugsort, sollte der Leichtbau an einigen heißen Sommertagen überhitzen. Durch die Situierung der Aufenthaltsräume im neuen Bauteil, der mühelos, meist passiv, erwärmt werden kann muss andererseits der Altbau aber im Winter nicht energieintensiv geheizt werden.
Diese komplementäre Beziehung führt letztlich nicht nur zu einem entspannten und spannenden Kontrast zwischen den Bauteilen, sondern erlaubt auch eine äußerst wirtschaftliche Umsetzung bei Nettoherstellkosten von knapp unter €1.300,-/m2.