13. Februar 2002 - Initiative Architektur
Im Zentrum des Vierkanters von 40x40 Metern Seitenlänge steht die ebenfalls quadratische Kapelle. Ihre Sitzbänke reihen sich hufeisenförmig um den Altar und sind nach unten - zur Ebene des Altars hin - abgestuft. Die Kapelle als geistiger Mittelpunkt des Priesterseminars erhält ausreichend Licht von oben. Betont schlicht und reduziert, mit holzverkleideten Wänden gestaltet,strahlt sie eine ruhige wie gleichermaßen einladende Atmosphäre aus. Sie ist räumlich immer präsent, da sie von einer zweigeschoßigen Halle – ähnlich einem Kreuzgang- umschlossen wird. Die Halle wird ebenfalls durch Lichtkuppeln belichtet und erschließt Räume wie Bibliothek, Refektorium, Küche, Wirtschaftsräume u.a.m.. Über Stiegen erreicht man die Galerie desObergeschoßes mit den 40 Einzelzimmern der Theologiestudenten. Außerhalb dieses Klausurbereichs ist die Halle ein äußerst attraktiver Begegnungsraum für Bewohner und Besucher des Hauses.
Inmitten des großzügigen Parks der Trapp-Villa entstand ein Bauwerk von gegliederter Strenge ohne dogmatischer Verkrampfung. Die Fassaden variieren die räumlichen Möglichkeiten des Gerüstbaus, der konsequent in einem kräftigen rot gestrichen ist. Die Wandebene – die Ausfachungen sind aus Durisolplatten, Holz und Glas - befindet sich entweder in der Stützenreihe, dahinter oder davor. Letztere Vorgangsweise wurde bei der transparenten, als zarter Raster strukturierten Südfassade gewählt, hinter der sich Gemeinschaftsräume wie Speisesaal, Bibliothek und Gymnastikraum befanden. Diese Aufteilung änderte sich durch Umbauten Anfang der achtziger Jahre. Damals fanden Vorschläge von Spalt, Kurrent und Holzbauer keine Akzeptanz, sodass besonders die Rasterstruktur der Südfassade zerstört wurde.
Diese und andere Veränderungen konnten den strukturellen Qualitäten des seit 2001 unter Denkmalschutz stehenden Bauwerks noch nicht substanziell schaden. Friedrich Achleitner hat darauf hingewiesen, dass der Bau in „Opposition zur konventionellen Glas-Stahl-Ästetk der 50er- und frühen 60er-Jahre“ stand und damals als absolut neu empfunden wurde. Auch die intensive Beschäftigung von Spalt und Kurrent mit den Erneuerern der Österreichischen Baukunst, Otto Wagner und Adolf Loos, fand ihren Niederschlag. Otto Kapfinger hat die vielschichtige Synthese, die das Kolleg St. Josef auszeichnet, folgendermaßen umrissen: "Konrad Wachsmanns Methodik ist … durch ein Filter der Auseinandersetzung mit - den in manchem ja gegensätzlichen - Wagner und Loos gebrochen, nicht zu vergessen noch die Erfahrungen der virtuosen Licht-Regie des frühen Holzmeister und die gemeinsame Prägung im kulturellen Flair von Salzkammergut und Salzburger Land. … St. Josef vereint auf einer neuen Stufe der Komplexität das Disparate: historische Referenz und raumbildende Innovation des Konstruktiven; Sachlichkeit und suggestive Emotionalität von Licht- und Farbstimmung; zentrierten kontemplativen Ortsbezug und pavillonhafte, transitorische Leichtigkeit." (Text: Norbert Mayr)