22. Mai 2020 - Initiative Architektur
Gestalt und Oberflächenstrukturen stehen programmatisch für das „Sich-Einlassen“ in die edle wie spröde Mannigfaltigkeit der Volkskultur. Auch wenn Volkskulturen eher vom Traditionellen, dem Alltäglichen und den sich wiederholenden Ritualen getragen werden, kann die Konkretisierung – ein Haus der Volkskulturen – ein singuläres Phänomen erschaffen.
Das HdV thematisiert das „Z'amm-Bauen“ und den vielfach angewandten „Immer-Weiter-Bauen“-Typus. Der Geist des Ortes (genius loci) des umgebenden Alt-Nonntal-Gebietes mit seinen poetischen Unregelmäßigkeiten in Raum- und Bauwerksgestalten wird mit dem Gestaltungsprinzip der Agglomeration und der Anlagerung ruraler Strukturen hybridisiert wie kontextualisiert.
Die Vielfältigkeit des äußeren Umrisses soll zu unterschiedlichen Lesarten von Volkskultur anregen. Ob manche eine Orangerie, ein Gewächshaus, eine Felswand, einen erratischen Findling, einen Heuschober, einen Feldstadel, eine Rechen-Struktur oder einen Hofportikus erkennen, ist einerlei. So wie im Laufe von Zu-, An- und Umbauten meist zufällig bauliche Ensembles einer „anonymen Architektur“ entstehen, soll hier durch architektonische Durchwirkung und baukulturellen Anspruch ein neues amorphes Ganzes mit Mehrwert geschaffen werden.
Die innere Szenerie entwickelt sich um ein lichtdurchflutetes Atrium, welches Sicht- und Arbeitsbeziehungen zulässt und fördert. Man wird gesehen und man will gesehen werden. Durch das Tageslicht entstehen dynamische Schattenwürfe und Lichtmilieus, welche durch die elementaren Materialen und deren lebhafte
Oberflächen verstärkt werden und eine raue, nobel-archaische Atmosphäre vermitteln. Der kiesartig anmutende Textilboden, die fladrigen Sperrholzfronten der Raummöbel und die schalungsgegebene Struktur des Tragwerkes mit ihrer weiß-kalkigen Präsenz tragen zu diesem zeitgemäßen, anti-repräsentativen Milieu einer engagierten Volks-Kultur-Verwaltung bei. (Text: Architekt, bearbeitet)