Brückenhaus mit Park
Am südlichen Stadteingang Luzerns entsteht auf Krienser Gemeindegebiet mit der geplanten Autobahnumfahrung statt der alten Grosshofbrücke ein achtspuriges Brückenbauwerk. Das Wettbewerbsprojekt VIVA überzeugte als auf allen Ebenen nutzbares Brückenhaus mit einem Park auf dem Dach.
Am südlichen Stadteingang Luzerns entsteht auf Krienser Gemeindegebiet mit der geplanten Autobahnumfahrung statt der alten Grosshofbrücke ein achtspuriges Brückenbauwerk. Das Wettbewerbsprojekt VIVA überzeugte als auf allen Ebenen nutzbares Brückenhaus mit einem Park auf dem Dach.
Um das zunehmend an seine Grenzen stossende Autobahnnetz bei Luzern zu entlasten, plant der Bund für 1,7 Milliarden Franken unter anderem eine neue Autobahnumfahrung mit zwei Tunneln zwischen Emmen und Kriens. Der südliche Tunnel soll im Gebiet Grosshof zwischen der Stadt Luzern und der Gemeinde Kriens in die heute vierspurige A2 münden. Das bestehende Portal und die sogenannte Grosshofbrücke werden ersetzt. Entstehen wird hier ein neues, achtspuriges Brückenbauwerk über die Langsäge- und Luzernerstrasse am Südportal des Sonnenbergtunnels.
Interdisziplinäre Herausforderung
Die Gestaltung des neuen Bauwerks soll die verkehrlichen Anforderungen ebenso erfüllen wie der städtebaulich bedeutenden Lage am Eingangstor zur Region Luzern Süd Rechnung tragen. Um überzeugende Lösungen für derart komplexe Fragestellungen zu finden, ist eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit nötig. Wettbewerbsverfahren unterstützen die breite Lösungssuche. So schrieb das ASTRA 2017 einen einstufigen Projektwettbewerb mit Präqualifikation für Ingenieure, Architekten und Landschaftsarchitekten aus, für den sich acht Teams qualifizierten. Die Landschaftsgestaltung spielte bei der Lösungsfindung eine Schlüsselrolle.
Prägnanter Stadteingang
Das Gebiet beidseits der Grosshofbrücke mit derzeit vielen brachliegenden Flächen ist seit Längerem im Umbruch. Für den Entwicklungsschwerpunkt Eichhof-Grosshof wurden städtebauliche Richtlinien[1] erstellt. Wichtige Ziele dabei sind neben der Schaffung eines prägnanten Auftakts zum Gebiet Luzern Süd die Vernetzung des Sonnenbergs mit der Stadtebene. Die Transformation des Areals Eichhof-West sieht ein städtisch dichtes Wohn- und Lerngebiet vor. Eine Esplanade mit mehrfachen Baumreihen dient als identitätsstiftende Adresse. Für das Areal auf der Westseite der Grosshofbrücke sind die Entwicklungsszenarien weniger konkret. Auch hier zeichnet sich aber eine städtisch dichte Überbauung mit unterschiedlichen Nutzungen ab
Hybride Struktur
Die Freiheitsgrade bei der Wettbewerbsaufgabe waren hoch, die verkehrlichen Rahmenbedingungen wie Spurbreiten oder Lichtprofile hingegen eng. Angesichts der Lage und der sich abzeichnenden Entwicklung dieses Stadtteils stand für unser Team bald fest, dass die künftige Infrastrukturbaute eine vielseitig nutzbare hybride Struktur sein soll, die flexibel genug ist, um auch künftige Bedürfnisse abzudecken. Die Bandbreite der Lösungen im Wettbewerb reichte von der reinen Brückenskulptur bis zu unserem Vorschlag eines auf mehreren Ebenen nutzbaren Brückenhauses. Dieser Mehrwert und der vorgeschlagene Dachpark als sowohl stadträumliche wie ökologische Verbindung waren neben der nachgewiesenen Funktionalität ausschlaggebend für den Wettbewerbsgewinn.
Gestaltung und Konstruktion des rund 300 Meter langen und bis zu 65 Meter breiten Bauwerks sind perfekt aufeinander abgestimmt. Der Brückenquerschnitt ist ein dreistegiger Kastenquerschnitt, wobei die Tragelemente die Lichtraumprofile möglichst knapp umreissen. Die Anzahl der notwendigen Stützen kann somit gegenüber der heutigen Situation reduziert werden. Die jeweils ganz aussenliegenden Wandscheiben ähneln einem Fachwerkträger. Die Streben sind V-förmig angeordnet und setzen die Diagonalneigung der Aussenwände fort.
Von der Grosshofbrücke zum Brückenhaus
Die neue Brücke wächst wie ein Gebäude aus dem Sonnenberghang hinaus, überspannt die Luzernerstrasse und wird auf der gegenüberliegenden Seite durch die Topografie der Autobahnzufahrt aufgefangen und in die südlich folgende Tallandschaft geführt.
So entsteht eine Torsituation zwischen Sonnenberg und «Salesiahügel». Zur neuen Stadtseite hin Haus, zur offenen Talseite in die Landschaft übergehend, wird die neue Grosshofbrücke auf allen Ebenen zwischen Bestehendem und Neuem vermitteln. Auf der Stadtebene entstehen nördlich der Langsägestrasse quartiernahe und sportliche Nutzungen, zum Beispiel in Form eines Kletterparks, der über die Gemeinde hinweg ausstrahlen könnte.
Die Esplanade findet ihre Fortsetzung unter der Brücke in einer dreidimensionalen Spiellandschaft. Zwischen Brückenhaus und den neuen Bauten auf dem Eichhof- beziehungsweise Herzog-Elmiger-Areal vermitteln je zwei luftige Baumreihen, welche zunächst ein Gegenüber und später, wenn die Gebäude stehen, eine städtische Atmosphäre bewirken.
Klettern mit Pilatusblick
Erklimmt man im Kletterpark die höchsten Gipfel, eröffnet sich gleichsam als Belohnung ein wunderbarer Blick über eine lichte Wiesenlandschaft zum Pilatus und dem Bergpanorama der Zentralalpen. Der Dachpark verbindet mit einem mäandrierenden Wegsystem und einer Velobrücke die Sonnenbergseite mit dem südlich folgenden Autobahnpark, der gemäss übergeordnetem Konzept ein Freiraumrückgrat bis zum süd-östlich gelegenen Horw bilden soll. Hinter dem Eichhof-Areal führt ein neuer Weg den Hang entlang Richtung Luzern. Ein Glaslift durchdringt den lichtdurchfluteten Vertikalraum und sichert den stufenlosen Zugang von der Stadtebene zum Park.
So wird das Bauwerk nicht nur zu einem echten Hybrid zwischen Stadt, Brücke und Landschaft, es verbindet auch die verschiedenen Bewegungsebenen des Ortes zu einer vielseitig und buchstäblich auf allen Ebenen nutzbaren Stadtstruktur.
Ökologische und stadträumliche Verbindung
Die Ausgestaltung und Ausstattung des Parks bleibt nach heutiger Auffassung einfach und zurückhaltend. Artenreiche Wiesen, Wildsträucher und Kleinbäume bilden eine ökologisch wertvolle, offene Landschaft. Sie sind zudem unterhaltsarm und brauchen wenig Dachaufbau. Höhere zweischichtige Aufbauten für Gehölze werden über den tragenden Stützen und Wänden angeordnet. Chaussierte Nebenwege ergänzen die Hauptwege aus Asphalt.
Flexible Nutzung
Die Nutzung von Brückenhaus und Park muss sich im Laufe der Zeit ändernden Bedürfnissen anpassen können. Wenn das Bauwerk nach heutiger Planung im Jahren 2035 in Betrieb genommen wird, dürfte sich sowohl das Umfeld wie auch unser Lebensstil verändert haben. Eine grosse Herausforderung besteht also darin, mit diesen offenen Fragen zu projektieren und ein robustes, auf allen Ebenen tragfähiges Projekt zu entwickeln.
Anmerkung:
[01] Ernst Niklaus Fausch Partner AG, Architektur und Städtebau Zürich; Kontextplan Bern; Studio Vulkan; bürokobi: Stadträumliche Richtlinien Entwicklungskonzept Luzern Süd, im Auftrag des Gemeindeverbands LuzernPlus, Zürich 2015.
anthos, Di., 2018.05.29
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anthos 2018/02 Infrastrukturanlagen