Übersicht

Texte

18. September 1999Ursula Philadelphy
Der Standard

Architekturforum Tirol mit einer Schau der besonderen Art

Eine blecherne Tortenform, leise vor sich hin schimmelndes Tortengelee und ein Modelleisenbahnhäuschen - das sind die bizarren Ingredenzien des jüngsten Entwurfes von Architekt Gutmorgeth. Ein Fachkommentar zum Bausatz 9253 von Vollmer - und nicht der einzige, der zur Zeit das Architekturforum Tirol ziert.

Eine blecherne Tortenform, leise vor sich hin schimmelndes Tortengelee und ein Modelleisenbahnhäuschen - das sind die bizarren Ingredenzien des jüngsten Entwurfes von Architekt Gutmorgeth. Ein Fachkommentar zum Bausatz 9253 von Vollmer - und nicht der einzige, der zur Zeit das Architekturforum Tirol ziert.

Arno Ritter, Leiter des Architekturforums, ärgert sich seit geraumer Zeit, dass er in der Stadt Innsbruck, was Förderungen betrifft, in der Abteilung für „Erziehung, Bildung und Gesellschaft“ abgelagert wurde und jährlich von einer Ausgangssubvention von 250.000 auf inzwischen 120.000 Schilling (8721 Euro) gesunken ist. Um sich seines Subventionsbereichs als würdig zu erweisen, hat er 107 international agierende Architekten und Künstler eingeladen, das erwähnte Eisenbahnmodellhäuschen - das „Haus Enzian“ entspricht dem Prototypen eines Einfamilienhauses mit Bauernhauscharakter und ist somit Feindbild Nr. 1 der Architektenliga - zu kommentieren.

Das Ergebnis: 70 ganz unterschiedliche Positionen zeigen die landläufigsten Aversionen gegen des Österreichers liebste Hausform. Kopfüber versenkt, zu Granulat verarbeitet (mit der Chance 1 : 1.000,000.000, das Modell wiederherstellen zu können), mit Sand zugeschüttet, zu Streiferln geschnitten, manche konzeptuell, andere spielerisch, mit einer mehr oder weniger fein geschliffenen Klinge den Ist-Zustand kritisierend.

Wolfgang Pöschl zitiert Hans Moser frei nach dem Motto: „Ein schlechtes Haus muss schon sehr gut sein, dass es besser ist als gar keins.“ Wolfgang Kritzinger hält sich an EU-Ausschreibungsformulare, in denen die Kunst des Architekten zur Nebensächlichkeit degradiert wird und nur noch die Zahl der Arbeitsplätze und die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge von Bedeutung sind. Kurt Rumpelmayr wiederum formuliert das Ganze mittels Gipsabdruck als quasi ärchäologischen Fund und Hanno Schlögl vervielfältigt das (Alb)-„Traum“-Haus in einem Spiegelkabinett en miniature.

Am 23. September werden die Objekte öffentlich versteigert, der Erlös wird für die Errichtung des neuen Architekturforum Tirol verwendet, das 2000 im ehemaligen Sudhaus des Adambräus, 1926 von Lois Welzenbacher erbaut, eingerichtet werden soll.

Der Standard, Sa., 1999.09.18

14. Juni 1999Ursula Philadelphy
Der Standard

Tausende Brücken in den Alpen

Innsbruck - „Willsch durch Tirol ausgiahn, muascht über hundert Bruggn giahn“, besagt ein alter Marktfahrerspruch; inzwischen sind es allerdings einige...

Innsbruck - „Willsch durch Tirol ausgiahn, muascht über hundert Bruggn giahn“, besagt ein alter Marktfahrerspruch; inzwischen sind es allerdings einige...

Innsbruck - „Willsch durch Tirol ausgiahn, muascht über hundert Bruggn giahn“, besagt ein alter Marktfahrerspruch; inzwischen sind es allerdings einige tausend Brücken, die alle Wege im Land erschließen. Das Architekturforum Tirol zeigt unter dem Titel „Die Kunst des Ingenieurs. Brückenbauten in Tirol von 1543 bis 1998“ an 44 ausgewählten Brücken exemplarisch die Brückenbaugeschichte des Landes.

Die Rolle Tirols als Transitland, die gebirgige und von Flüssen durchzogene Landschaft haben seit Jahrhunderten den Brückenbau forciert und eine Vielfalt typologischer Möglichkeiten sich entwickeln lassen. Entstanden früher Brücken aus dem direkten Lebenszusammenhang heraus und dominierten Materialien, die vor Ort zu finden waren; ging man im Zeitalter der Industrialisierung auf Eisenkonstruktionen über, so planen und bauen heute Ingenieurbüros am liebsten mit Beton.

Dieser Wandel wird in der Ausstellung mittels Originalplänen, Stichen, historischen und zeitgenössischen Photographien, aber auch historischen Filmen und Computeranimationen dokumentiert. Gerade die Animationen zeigen sowohl Baustellenphotos als auch dreidimensionale Simulationen von Verwindungen, bedingt durch Wind oder Belastungen, und geben damit einen hervorragenden Einblick in die heutigen Entstehungsbedingungen von Brücken.

Eines dieser Beispiele ist etwa die vor zwei Jahren fertiggestellte „Innbrücke Hall West“, eine Zügelgurtbrücke aus Spannbeton mit einer Länge von 192,65 Metern, ein fugenloses Tragwerk und eine pfeilerfreie Überspannung des Inn.

Die bekannteste und imposanteste Brücke ist wohl die zwischen 1959 und 1963 gebaute „Europabrücke“, eine Stahltragwerksbrücke mit einer Höhe über Grund von 190 Metern und einer lichten Weite von 657 Metern; und die umstrittenste zweifellos die im Volksmund als „Sautrog“ betitelte „Inntalbrücke Eisenbahnumfahrung“ in Mils (1994), eine Trogbrücke aus Spannbeton mit einer Länge von 488 Metern und einem Krümmungsradius von 40-45 Grad. Die Form entstand durch verkehrstechnische Anforderungen und gewährleistet sowohl Lärm- als auch Sichtschutz, hatte aber, durch die reduzierte Ästhetik, sofort eine Unmenge „künstlerischer“ Behübschungsvorschläge zur Folge, was die Diskussionswogen im Land über Jahre hochgehen ließ.

Technisch ebenso faszinierend sind auch die ganz frühen Beispiele wie die 1543 gebaute „Alte Fernsteinbrücke“, eine Steinbogenbrücke, die Jakob von Thun für Erzherzog Ferdinand erbaute, die einzige erhaltene Renaissancebrücke.

[ Architekturforum Tirol, Innsbruck, Erlerstraße 1, Mo. bis Fr. 14 bis 19 Uhr, noch bis 16. Juni ]

Der Standard, Mo., 1999.06.14

Presseschau 12

18. September 1999Ursula Philadelphy
Der Standard

Architekturforum Tirol mit einer Schau der besonderen Art

Eine blecherne Tortenform, leise vor sich hin schimmelndes Tortengelee und ein Modelleisenbahnhäuschen - das sind die bizarren Ingredenzien des jüngsten Entwurfes von Architekt Gutmorgeth. Ein Fachkommentar zum Bausatz 9253 von Vollmer - und nicht der einzige, der zur Zeit das Architekturforum Tirol ziert.

Eine blecherne Tortenform, leise vor sich hin schimmelndes Tortengelee und ein Modelleisenbahnhäuschen - das sind die bizarren Ingredenzien des jüngsten Entwurfes von Architekt Gutmorgeth. Ein Fachkommentar zum Bausatz 9253 von Vollmer - und nicht der einzige, der zur Zeit das Architekturforum Tirol ziert.

Arno Ritter, Leiter des Architekturforums, ärgert sich seit geraumer Zeit, dass er in der Stadt Innsbruck, was Förderungen betrifft, in der Abteilung für „Erziehung, Bildung und Gesellschaft“ abgelagert wurde und jährlich von einer Ausgangssubvention von 250.000 auf inzwischen 120.000 Schilling (8721 Euro) gesunken ist. Um sich seines Subventionsbereichs als würdig zu erweisen, hat er 107 international agierende Architekten und Künstler eingeladen, das erwähnte Eisenbahnmodellhäuschen - das „Haus Enzian“ entspricht dem Prototypen eines Einfamilienhauses mit Bauernhauscharakter und ist somit Feindbild Nr. 1 der Architektenliga - zu kommentieren.

Das Ergebnis: 70 ganz unterschiedliche Positionen zeigen die landläufigsten Aversionen gegen des Österreichers liebste Hausform. Kopfüber versenkt, zu Granulat verarbeitet (mit der Chance 1 : 1.000,000.000, das Modell wiederherstellen zu können), mit Sand zugeschüttet, zu Streiferln geschnitten, manche konzeptuell, andere spielerisch, mit einer mehr oder weniger fein geschliffenen Klinge den Ist-Zustand kritisierend.

Wolfgang Pöschl zitiert Hans Moser frei nach dem Motto: „Ein schlechtes Haus muss schon sehr gut sein, dass es besser ist als gar keins.“ Wolfgang Kritzinger hält sich an EU-Ausschreibungsformulare, in denen die Kunst des Architekten zur Nebensächlichkeit degradiert wird und nur noch die Zahl der Arbeitsplätze und die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge von Bedeutung sind. Kurt Rumpelmayr wiederum formuliert das Ganze mittels Gipsabdruck als quasi ärchäologischen Fund und Hanno Schlögl vervielfältigt das (Alb)-„Traum“-Haus in einem Spiegelkabinett en miniature.

Am 23. September werden die Objekte öffentlich versteigert, der Erlös wird für die Errichtung des neuen Architekturforum Tirol verwendet, das 2000 im ehemaligen Sudhaus des Adambräus, 1926 von Lois Welzenbacher erbaut, eingerichtet werden soll.

Der Standard, Sa., 1999.09.18

14. Juni 1999Ursula Philadelphy
Der Standard

Tausende Brücken in den Alpen

Innsbruck - „Willsch durch Tirol ausgiahn, muascht über hundert Bruggn giahn“, besagt ein alter Marktfahrerspruch; inzwischen sind es allerdings einige...

Innsbruck - „Willsch durch Tirol ausgiahn, muascht über hundert Bruggn giahn“, besagt ein alter Marktfahrerspruch; inzwischen sind es allerdings einige...

Innsbruck - „Willsch durch Tirol ausgiahn, muascht über hundert Bruggn giahn“, besagt ein alter Marktfahrerspruch; inzwischen sind es allerdings einige tausend Brücken, die alle Wege im Land erschließen. Das Architekturforum Tirol zeigt unter dem Titel „Die Kunst des Ingenieurs. Brückenbauten in Tirol von 1543 bis 1998“ an 44 ausgewählten Brücken exemplarisch die Brückenbaugeschichte des Landes.

Die Rolle Tirols als Transitland, die gebirgige und von Flüssen durchzogene Landschaft haben seit Jahrhunderten den Brückenbau forciert und eine Vielfalt typologischer Möglichkeiten sich entwickeln lassen. Entstanden früher Brücken aus dem direkten Lebenszusammenhang heraus und dominierten Materialien, die vor Ort zu finden waren; ging man im Zeitalter der Industrialisierung auf Eisenkonstruktionen über, so planen und bauen heute Ingenieurbüros am liebsten mit Beton.

Dieser Wandel wird in der Ausstellung mittels Originalplänen, Stichen, historischen und zeitgenössischen Photographien, aber auch historischen Filmen und Computeranimationen dokumentiert. Gerade die Animationen zeigen sowohl Baustellenphotos als auch dreidimensionale Simulationen von Verwindungen, bedingt durch Wind oder Belastungen, und geben damit einen hervorragenden Einblick in die heutigen Entstehungsbedingungen von Brücken.

Eines dieser Beispiele ist etwa die vor zwei Jahren fertiggestellte „Innbrücke Hall West“, eine Zügelgurtbrücke aus Spannbeton mit einer Länge von 192,65 Metern, ein fugenloses Tragwerk und eine pfeilerfreie Überspannung des Inn.

Die bekannteste und imposanteste Brücke ist wohl die zwischen 1959 und 1963 gebaute „Europabrücke“, eine Stahltragwerksbrücke mit einer Höhe über Grund von 190 Metern und einer lichten Weite von 657 Metern; und die umstrittenste zweifellos die im Volksmund als „Sautrog“ betitelte „Inntalbrücke Eisenbahnumfahrung“ in Mils (1994), eine Trogbrücke aus Spannbeton mit einer Länge von 488 Metern und einem Krümmungsradius von 40-45 Grad. Die Form entstand durch verkehrstechnische Anforderungen und gewährleistet sowohl Lärm- als auch Sichtschutz, hatte aber, durch die reduzierte Ästhetik, sofort eine Unmenge „künstlerischer“ Behübschungsvorschläge zur Folge, was die Diskussionswogen im Land über Jahre hochgehen ließ.

Technisch ebenso faszinierend sind auch die ganz frühen Beispiele wie die 1543 gebaute „Alte Fernsteinbrücke“, eine Steinbogenbrücke, die Jakob von Thun für Erzherzog Ferdinand erbaute, die einzige erhaltene Renaissancebrücke.

[ Architekturforum Tirol, Innsbruck, Erlerstraße 1, Mo. bis Fr. 14 bis 19 Uhr, noch bis 16. Juni ]

Der Standard, Mo., 1999.06.14

Profil

7 | 6 | 5 | 4 | 3 | 2 | 1