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25. Oktober 2013Rupert Wimmer
Jonas Bubenhofer
TEC21

Platz machen!

In dichten Stadträumen ist das Auto die falsche Wahl. Mit dem Velo, dem öffentlichen Verkehr oder zu Fuss bewegt man sich stadtverträglich und kommt schneller voran. Das klingt logisch, funktioniert in der Praxis aber nicht allerorts gleich gut. Welche Anreize braucht es, damit mehr Menschen auf das Auto verzichten? Verkehrsplaner müssen auf Mittel zurückgreifen, die über ihr klassisches Handwerkszeug hinausreichen – zum Beispiel auf Öffentlichkeitsarbeit.

In dichten Stadträumen ist das Auto die falsche Wahl. Mit dem Velo, dem öffentlichen Verkehr oder zu Fuss bewegt man sich stadtverträglich und kommt schneller voran. Das klingt logisch, funktioniert in der Praxis aber nicht allerorts gleich gut. Welche Anreize braucht es, damit mehr Menschen auf das Auto verzichten? Verkehrsplaner müssen auf Mittel zurückgreifen, die über ihr klassisches Handwerkszeug hinausreichen – zum Beispiel auf Öffentlichkeitsarbeit.

Das Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum stellt die Verkehrsplanung vor neue Herausforderungen. Immer mehr Menschen und Arbeitsplätze auf demselben Raum: Wie soll das funktionieren? Schon heute sind die Verkehrsinfrastrukturen überlastet. Der Verteilkampf um den knappen Strassenraum und das Pendeln zwischen den Siedlungen bestimmen die öffentliche Diskussion. Ein Blick auf den Mikrozensus Mobilität und Verkehr[1] von 2010 hilft, das System Verkehr und die Zusammenhänge zwischen Siedlung und Verkehr zu verstehen. Dabei wurden die befragten Haushalte nach dem Siedlungstyp ihrer Umgebung (vor allem die mittlere Einwohnerdichte) gruppiert und ihr Mobilitätsverhalten ausgewertet. Damit kann man sich von einer Kategorisierung nach dem Raumtyp – also Grossstadt oder ländliche Gemeinde – lösen und neue Kategorien bilden, die den Siedlungstyp – Einfamilienhaus oder dichte Siedlung in der Agglomeration – besser abbilden.

Systemzusammenhänge verstehen

Die Auswertung zeigt, dass die Anzahl Wege[2], die wir täglich ausser Haus zurücklegen, unabhängig vom Wohnort mit 3.3  bis 3.5 konstant ist. Sie kann individuell schwanken, vor allem das Alter hat einen Einfluss auf die Ausserhausmobilität. «In der Masse» bewegen wir uns relativ konform. Unabhängig vom Wohnort sind wir durchschnittlich rund 80 bis 90 Minuten ausser Haus unterwegs. Diese Zahl ist seit 30 Jahren konstant. Das bedeutet nichts anderes, als dass schnellere Verkehrsinfrastrukturen, wie zum Beispiel die Neubaustrecke Olten–Bern, nicht zu Zeitersparnissen der Reisenden führen, sondern dass wir längere Wege zurücklegen. Weiter zeigt sich, dass bei steigender Bebauungsdichte der Anteil der Wege zunimmt, die zu Fuss, mit dem Fahrrad und dem öffentlichen Verkehr (öV) zurückgelegt werden; gleichzeitig nimmt der Anteil der Autofahrten ab. In Siedlungsgebieten mit höherer Bebauungsdichte nehmen dank der Konzentration der Nutzungen auch die Weglängen ab. Interessant ist, dass das Mobilitätsverhalten weniger stark durch den Raumtyp bestimmt wird, sondern viel stärker durch den Siedlungstyp und die Lage. Die Bewohner von Einfamilienhausgebieten fahren schweizweit ähnlich viel Auto – unabhängig, ob sich dieses Einfamilienhausgebiet in der Stadt oder auf dem Land befindet. Analog ist der Anteil von öV, Fuss- und Veloverkehr in den dichten Siedlungen in der Agglomeration gleich hoch wie in dichten Siedlungen in der Stadt.

Auf den eigenen Füssen durch dichte Räume

Die Fortbewegungsmittel der Dichte sind die eigenen Füsse, das Velo und die öffentlichen Verkehrsmittel. Diese haben nicht nur eine höhere Leistungsfähigkeit und somit einen geringeren Flächenbedarf, sie sind auch umweltfreundlicher als das Auto. Standorte, die gut mit dem öV erschlossen sind, eignen sich also besonders für die bauliche Verdichtung. Darüber hinaus braucht es gemischte Quartiere mit einem Mix an Arbeitsplätzen, Wohnungen, Einkaufsmöglichkeiten, Dienstleistungen und Freizeitangeboten. Ein Beispiel ist die Siedlung Sihlbogen der Baugenossenschaft Zurlinden in Zürich-Leimbach. An dem durch die Sihltalbahn gut erreichbaren Standort entstand bis Sommer 2013 ein Areal mit 220 Wohnungen und Gewerbeflächen. Ein spezielles Mobilitätsmanagement soll ein nachhaltiges Verkehrsverhalten fördern: Jeder Haushalt erhält jährlich einen Gutschein über 800 Fr. für den öffentlichen Verkehr, und die Bewohner verpflichten sich im Mietvertrag, kein eigenes Auto zu besitzen, sondern Carsharing zu nutzen, das schrittweise nach dem tatsächlichen Bedarf ausgebaut wird.

Sicher und komfortabel von A nach B

Um öV, Rad- und Fussverkehr zu fördern, sind leistungsfähige, sichere und komfortable Infrastrukturen nötig. Dementsprechend müssen die Gemeinden und Städte die Trottoirs verbreitern und die Aufenthaltsflächen vergrössern, den Radfahrern durchgehende Radstreifen und -wege anbieten und den öV ausbauen. Dazu braucht es einen klaren politischen Willen. Da unsere Strassenräume nach wie vor stark auf die Anforderungen des motorisierten Individualverkehrs ausgerichtet sind, geht es meist nicht ohne Einschränkungen für diesen wie die Reduktion von Fahrstreifen oder kürzere Grünzeiten. Als Paradebeispiele im Radverkehr dienen Amsterdam oder Kopenhagen, die seit Jahrzehnten die Radverkehrsinfrastruktur sukzessive ausbauen. In Kopenhagen, das im Alltagsverkehr einen Radverkehrsanteil von 50 % anstrebt (heute rund 35 %), sind auf den wichtigen Einfallsachsen die Lichtsignalanlagen (LSA) so koordiniert, dass Radfahrende eine «Grüne Welle» haben. Aber auch eine Autostadt wie München verfolgt seit einigen Jahren eine Verkehrsplanung mit dem Ziel, den Radverkehr zu fördern. Begleitet werden die Infrastrukturmassnahmen durch ein entsprechendes Marketing. Als Folge davon hat in München der Anteil der Wege, die mit dem Rad zurückgelegt werden, in den letzten zehn Jahren von 10 auf 17 % zugenommen. Im Vergleich dazu liegt der Radverkehrsanteil in Zürich oder St. Gallen nur bei 6 bzw. 3 %, in typischen Radverkehrsstädten wie Basel oder Winterthur bei 16 bzw. 13 %.

Dem Bewusstsein auf die Sprünge helfen

Um das Umsteigen vom Auto auf die Verkehrsmittel der Dichte zu erleichtern, braucht es handfeste Anreize. Aus diesem Grund ist Mobilitätsmanagement wichtig. Es gilt, Alternativen zum gewohnten Verhalten schmackhaft und die positiven Aspekte des Gehens, Velofahrens und des Bahn- und Busfahrens bewusst zu machen. Homeoffice und flexible Arbeitszeiten helfen zudem, die Verkehrsspitzen zu brechen. Dass das funktionieren kann, hat das Kantonsspital Baden vorgemacht. Aufgrund der zeitlichen Überlappungen der verschiedenen Dienste (Tag-, Spät- und Nachtdienst) kam es zu Engpässen beim Parkplatzangebot. Eigentlich hätte man das Parkhaus erweitern müssen. Dem Kantonsspital gelang es aber nach der Einführung des Mobilitätsmanagements Mitte der 2000er-Jahre, mit einer differenzierten Parkplatzbewirtschaftung, einem Ökobonus, Carsharing und gezielten Informationen, 30 % der Beschäftigten, Patienten und Besucher zum Umsteigen auf die Verkehrsmittel der Dichte zu animieren. Der Anteil von öV, Fuss- und Radverkehr erhöhte sich zwischen 2005 und 2007 von 17 auf 47 %, das Parkhaus musste nicht erweitert werden.

Verkehrsregeln durch Sozialverhalten ersetzen

Der Strassenraum in unseren gewachsenen Siedlungsstrukturen ist begrenzt. Mit Verkehrsmanagement kann er effizient genutzt werden: Dosierstellen verlagern den Stau an weniger sensible Orte und lassen nur so viel Verkehr in die Stadtzentren, wie dort verarbeitet werden kann. Dank einer entsprechenden Steuerung der LSA kann der öV auch ohne Eigentrasse priorisiert werden, und es bleibt Platz für Radstreifen oder grössere Fussgängerflächen. Die Sicherheitsanforderungen an die Verkehrsinfrastrukturen (z. B. Verkehrstrennung oder Sichtweiten) steigen mit den Fahrgeschwindigkeiten. Geschwindigkeitsbegrenzungen ermöglichen Lösungen nach dem Prinzip der Koexistenz, die weniger Platz benötigen und eine höhere Gesamtleistungsfähigkeit aufweisen. Geringere Geschwindigkeiten leisten zudem einen positiven Beitrag zur Verkehrssicherheit und zur Lärmbekämpfung.

Ein Beispiel aus Biel: Der Centralplatz wird täglich von rund 10 000 Fahrzeugen und 1200 Bussen befahren. Mit einer Umgestaltung im Jahr 2002 konnte der Verkehrsknoten in einen Platz verwandelt und Raum für Fussgänger und Aufenthalt zurückgewonnen werden. Die niedrigen Geschwindigkeiten in der Begegnungszone erlauben ein Miteinander von Autoverkehr, Fussgängern und Velofahrern. Solche Ansätze scheitern leider oft, da vor allem das Gewerbe befürchtet, dass Behinderungen des Autoverkehrs ihm schaden könnten.

In Wirklichkeit passiert das Gegenteil: So zeigen die Vorher-nachher-Untersuchungen für die Schwarzenburgstrasse in Köniz, dass die Autos flüssiger und schneller verkehren, seit die Fussgängerstreifen aufgehoben und die Geschwindigkeit auf 30 km/h beschränkt wurden. Die Umgestaltung der Kantonsstrasse hat das Zentrum von Köniz und das lokale Gewerbe gestärkt. Die aktuellen Erfahrungen mit Umgestaltungen nach dem Koexistenzprinzip zeigen: Gewisse Randbedingungen müssen eingehalten und die Strassenräume gut geplant und sorgfältig ausgeführt werden (vgl. Kasten S. 19).

Gängiges Vorurteil widerlegt

Fälschlicherweise gehen wir davon aus, dass Stadtbewohner zur Erholung «ins Grüne» fliehen. Die Auswertung des Mikrozensus zeigt das Gegenteil: Bewohner von Siedlungen mit geringer Dichte legen viel längere Freizeitwege zurück. Mit höheren Bebauungsdichten steigen jedoch die Anforderungen an den Aussenraum. Neben verkehrlicher Funktion und Sicherheit wird die Gestaltung wichtiger. Der Strassenraum ist auch Lebensraum. Zur Aufenthaltsqualität gehört, dass man sich vor dem motorisierten und dem Veloverkehr sicher fühlt. Die Geschwindigkeit zu reduzieren hilft, ein Gleichgewicht zwischen den Nutzungsansprüchen herzustellen und die Dominanz des motorisierten Verkehrs zu brechen. So wird die Kommunikation und die gegenseitige Rücksichtnahme gefördert. Die angesprochenen Vorher-nachher-Untersuchungen in Köniz zeigen, dass die Automobilisten bei Tempo 30 rücksichtsvoller agieren. Unter- und Überführungen können zurückgebaut, LSA durch Kreisverkehre oder Vortrittsknoten ohne LSA ersetzt und die strikte Trennung der Verkehrsarten aufgeweicht werden. Wie wichtig die Gestaltung und die Verkehrsberuhigung für die Siedlungsqualität beim untergeordneten Strassennetz[3] ist, weiss man. Entsprechende Ansätze werden auch vielfach umgesetzt. Hingegen herrscht beim übergeordneten Strassennetz nach wie vor die Lehrmeinung, dass sich hohe Verkehrsbelastungen und gute Strassenraumgestaltung ausschliessen. Dabei gibt es genügend Gegenbeispiele. Die Champs-Elysées in Paris oder der Gürtel in Wien sind grossstädtische Exempel für gestaltete, integrierte Hauptverkehrsstrassen, die Verkehrsbelastungen von über 100 000 Mfz/Tag aufweisen. Trotzdem wenden sich die Siedlungen nicht von diesen Strassenzügen ab, und die Strassen können à Niveau überquert werden. Ein Beispiel im kleineren Massstab ist die Seebahnstrasse in Zürich, die im Zuge der flankierenden Massnahmen zur Westumfahrung (TEC21 40/2008) umgebaut wurde. Trotz hoher Belastungen von 25 000 bis 30 000 Mfz/Tag konnte die Barrierewirkung stark reduziert werden. An den Plätzen wie z. B. beim Bahnhof Wiedikon entwickelt sich zunehmend städtisches Leben.

Frische Ideen gefragt

Mit der geschilderten Entwicklung gehen auch neue Anforderungen an die Verkehrsingenieure einher. Neben Verkehrsplanung, -technik und -wegebau sind beim Strassenraumentwurf auch Kenntnisse im Städtebau, der Gestaltung und der Soziologie nötig. Dies erfordert, wenn nicht das Wissen, so zumindest das Verständnis des Verkehrsingenieurs für diese Disziplinen und die Fähigkeit zur interdisziplinären Zusammenarbeit. Und es braucht Zeit, Mittel und Geduld für die Arbeit mit anderen Disziplinen und mit der betroffenen Bevölkerung. Ideenreiche Verkehrsingenieure sind gefragt. Und es bedarf mutiger Entscheidungsträger, die neue Wege beschreiten. Denn der Verkehr in der Dichte stuft die Funktion und Bedeutung des Autos zurück: Der stadtverträgliche Verkehr stellt den Menschen und das menschliche Mass in den Mittelpunkt.


Anmerkungen:
[01] Mit dem Mikrozensus Mobilität und Verkehr erhebt das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) gemeinsam mit dem Bundesamt für Statistik (BfS) alle fünf Jahre das Mobilitätsverhalten der Schweizer Bevölkerung. Rund 60 000 Haushalte bzw. Personen werden nach einem standardisierten Verfahren (CATI-Technik) telefonisch hinsichtlich ihres Verkehrsverhaltens an einem Stichtag, der über das ganze Jahr verteilt ist, befragt. Hierbei werden unter anderem die an diesem Stichtag zurückgelegten Wege, die genutzten Verkehrsmittel, der Wegezweck (Arbeit, Einkauf etc.) und der Zeitaufwand für die Ausserhausmobilität erhoben.
[02] In der Moblilitätserhebung werden Ausgänge, Wege und Etappen unterschieden. Ein Ausgang dauert vom Weggang vom Wohnort bis zur Rückkehr und kann aus verschiedenen Wegen bestehen. Zu jedem Weg gehört ein Zweck am jeweiligen Zielort. Ein Zweck ist zum Beispiel Arbeit. Frau Schweizerin legt z. B. mit einem Ausgang zwei Wege zurück, und zwar von zu Hause zur Arbeit und von der Arbeit nach Hause. Dabei setzt sich ein Weg z. B. aus drei Etappen zusammen: Etappe 1 – mit dem Velo zum Bahnhof, Etappe 2 – mit der S-Bahn in die Stadt, Etappe 3 – zu Fuss zum Arbeitsort.
[03] Untergeordnetes Strassennetz: Erschliessungs- und Sammelstrassen mit geringen Verkehrsbelastungen von bis zu 5000 Mfz/Tag, übergeordnetes Strassennetz: Hauptverkehrsstrassen mit überörtlicher Verbindungsfunktion und Belastungen über 5000 Mfz/Tag

TEC21, Fr., 2013.10.25



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TEC21 2013|44 Unterwegs in der Dichte

16. September 2010Rupert Wimmer
zuschnitt

Duftnote Holz

Wie groß die Faszination von Düften ist, zeigte sich deutlich am großen Erfolg von Patrick Süskinds Roman »Das Parfum«. Von 1985 an stand er jahrelang...

Wie groß die Faszination von Düften ist, zeigte sich deutlich am großen Erfolg von Patrick Süskinds Roman »Das Parfum«. Von 1985 an stand er jahrelang...

Wie groß die Faszination von Düften ist, zeigte sich deutlich am großen Erfolg von Patrick Süskinds Roman »Das Parfum«. Von 1985 an stand er jahrelang auf den Bestsellerlisten und 2006 wurde auch der Film zum Kassenschlager. Das Wort Parfum bedeutet so viel wie »durch Rauch«. Ein Parfum setzt sich wie bei einer Pyramide aus drei Teilen zusammen: An der Spitze steht die Kopfnote. Diese ist meist intensiver als die anderen und wird von leicht flüchtigen Duftstoffen geprägt. Für den ersten Eindruck ist die Kopfnote besonders ausschlaggebend. Es folgt die Herznote, die sich erst nach Stunden entfaltet, nachdem die Kopfnote bereits verflogen ist. Das Fundament eines Parfums bildet die Basisnote, der letzte Teil des Duftablaufes. Die Basisnote enthält lang haftende Bestandteile und ist deshalb auch die wichtigste Duftnote. Bei der Basisnote tauchen Essenzen aus Holz häufig auf, vor allem, wenn es um Parfums für Männer geht. Viele beliebte Düfte wie beispielsweise Acqua di Gio von Giorgio Armani haben Zedernholz als Basisnote; andere Düfte wie jene von Hugo Boss verwenden Essenzen aus Rosenholz, Massoiaholz, Sandelholz, Sipoholz oder Guajakholz.

Die wohl wertvollste Basisnote stammt aus dem Adlerholz. Der Adlerholzbaum, lateinisch Aquilaria malaccensis, ist in Indien, Malaysia, Indonesien, Laos, Thailand und Vietnam zu finden und liefert eine ganz besonders aromatische Duftmischung. Von jeher war Adlerholz hoch begehrt für die Würzung von Räucherstäbchen, zur Einbalsamierung von Mumien sowie in der Medizin. Dieses Holz versetzt auch Rohstoffjäger in einen Rauschzustand der Gier, die skrupellos letzte Wildbestände dieser Baumart dezimieren. Es wird berichtet, dass Händler für Adlerholz bis zu 43.000,– Euro je Kilogramm zahlen. Das Holz wird dabei grammweise verkauft und der Rohstoffwert übertrifft jenen von Gold und Platin.

Die duftenden Bestandteile des Holzes sind Teil der so genannten Extraktstoffe. Sie kommen nur in vergleichsweise geringen Mengen im Holz vor, sind vorwiegend organischen Ursprungs und chemisch gesehen äußerst unterschiedlich. Die Extraktstoffe sind nicht nur für den Duft, sondern auch für eine Reihe weiterer wichtiger Eigenschaften mitverantwortlich, wie natürliche Dauerhaftigkeit, Lichtbeständigkeit, Wasser abweisende Wirkung, Brennbarkeit, Verarbeitbarkeit zu Papier, Holztrocknung oder akustische Eigenschaften.

Vom Holz zur Nase
Damit wir Holz riechen können, müssen Duftstoffe einige Voraussetzungen erfüllen. Sie müssen leicht flüchtig sein, wasser- und fettlöslich. Unter flüchtig versteht man, dass ein Stoff einen niedrigen Siedepunkt hat und bei Zimmertemperatur rasch verdampft. Die Duftstoffe müssen wasserlöslich sein, um das wässrige Milieu der Nasenschleimhaut durchdringen und die Geruchsrezeptoren erreichen zu können. Zudem müssen die Stoffe ausreichend fettlöslich sein, um schließlich in die Membranen der Riechzellen vorzudringen. Bei der Abgabe von Holzdüften an die vorbeiziehende Luft ist die Differenz des Dampfdrucks zwischen Holzoberfläche und der Luft maßgeblich.

Es stellt sich ein dynamisches Gleichgewicht ein. Wird z. B. die Temperatur erhöht, ändert sich die Dampfdruckdifferenz und damit auch die Freisetzungsrate des jeweiligen Duftstoffes.

Wenn Holz »stinkt«
Die harzig riechenden Duftstoffe aus Fichte, Kiefer und Lärche oder der aromatische Zederngeruch werden von vielen Menschen als angenehm empfunden. Unangenehm riecht hingegen eine nasskernige Tanne, da die reichlich vorhandene Bakterienflora einen säuerlichen Geruch erzeugt. Ähnlich unangenehm kann – durch die vorhandene Gerbsäure – auch frisches Eichenholz riechen. Auch Holzarten wie Ulme oder Nussbaum verbreiten unangenehme Gerüche, allerdings nur im nassen Zustand. Ledergeruch geht von Teak aus, Okumé kann nach Essigsäure riechen, feuchtes Birkenholz riecht mitunter »muffig«.

»Duftbionik«
Bekannt geworden ist der aromatische Duft der Zirbe durch positive Wirkungen auf Schlaf und Wohlbefinden bzw. durch die »bioinhibitorische Wirkung« gegenüber Kleidermotten. Der Zirbenduft wird als süß, frisch, myrtenartig und krautig beschrieben. Im Gegensatz zu Holzessenzen in Parfums, die spätestens nach einem Tag verfliegen, kann der Duft des Zirbenholzes viele Jahre anhalten. Man vermutet, dass die anatomische Struktur des Holzes hier eine wichtige Rolle spielt. Holz hat ja die Besonderheit, ein hierarchischer Werkstoff zu sein: Selbst die feinen Holzfasern sind feingliedrig strukturiert – bis in den Nanometerbereich hinein. Diese auf mehreren Ebenen vorhandene Struktur ist möglicherweise dafür verantwortlich, dass Duftstoffe sehr dosiert und lang anhaltend an die Umgebung abgegeben werden. Holz und Duftstoff sind optimal aufeinander abgestimmt, wird der Duftstoff herausgelöst, geht dieses Zusammenspiel verloren.

Der Holzduft wird durch zwei Gruppen chemischer Verbindungen bestimmt: erstens durch Terpene bzw. Terpenoide und zweitens durch aromatische Verbindungen (Phenole bzw. Phenylpropanoide).

Terpene und Terpenoide
Es sind mehr als 30.000 Terpenoide bekannt, rund 8.000 davon gehören zur Untergruppe der Terpene. Sie basieren auf ungesättigten Kohlenwasserstoffen (= Isopreneinheiten).

Monoterpene
bestehen aus zwei Isopreneinheiten und besitzen zehn Kohlenstoffatome. Die Molekülstruktur kann verzweigt (z. B. Geraniol aus Geranien, Linalool oder Myrcen aus der Kiefer) oder ringförmig sein (z. B. Limonen aus Fichtennadeln, Terpinene aus dem australischen Teebaum, Menthol, Methylthujat aus der Thuja, dem Lebensbaum). Weiters gibt es Doppelringstrukturen, darunter die sehr häufig vorkommenden Verbindungen alpha- und beta-Pinen, die den »Holzgeruch« prägen.

Sesquiterpene
sind größere Moleküle mit 15 Kohlenstoffatomen; rund zwanzig Sesquiterpene sind als Riech- und Aromastoffe wichtig. Darunter Santanol aus dem Sandelholz, alpha-Cadinen bzw. Occidentalol aus dem Holz der Wacholder (Bleistiftzeder, Eastern Red Cedar). Letztere wirken antibakteriell und mottenabweisend.

Phenole bzw. Phenylpropanoide
sind Moleküle, die am Benzolring verschiedene »funktionelle« Gruppen von einem bzw. drei Kohlenstoffatomen aufweisen. Zu ihnen zählen Duft- und Aromastoffe wie Benzaldehyd, das auch im Holz der Kirsche vorkommt, weiters Benzylalkohol, Safrol aus Sassafrasholz, Eugenol (Nelkenaroma) und Vanillin. So geht auch der Geruch von altem, vergilbtem, stark holzhaltigem Papier auf Vanillin zurück.

zuschnitt, Do., 2010.09.16



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Zuschnitt 39 täglich Holz

Presseschau 12

25. Oktober 2013Rupert Wimmer
Jonas Bubenhofer
TEC21

Platz machen!

In dichten Stadträumen ist das Auto die falsche Wahl. Mit dem Velo, dem öffentlichen Verkehr oder zu Fuss bewegt man sich stadtverträglich und kommt schneller voran. Das klingt logisch, funktioniert in der Praxis aber nicht allerorts gleich gut. Welche Anreize braucht es, damit mehr Menschen auf das Auto verzichten? Verkehrsplaner müssen auf Mittel zurückgreifen, die über ihr klassisches Handwerkszeug hinausreichen – zum Beispiel auf Öffentlichkeitsarbeit.

In dichten Stadträumen ist das Auto die falsche Wahl. Mit dem Velo, dem öffentlichen Verkehr oder zu Fuss bewegt man sich stadtverträglich und kommt schneller voran. Das klingt logisch, funktioniert in der Praxis aber nicht allerorts gleich gut. Welche Anreize braucht es, damit mehr Menschen auf das Auto verzichten? Verkehrsplaner müssen auf Mittel zurückgreifen, die über ihr klassisches Handwerkszeug hinausreichen – zum Beispiel auf Öffentlichkeitsarbeit.

Das Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum stellt die Verkehrsplanung vor neue Herausforderungen. Immer mehr Menschen und Arbeitsplätze auf demselben Raum: Wie soll das funktionieren? Schon heute sind die Verkehrsinfrastrukturen überlastet. Der Verteilkampf um den knappen Strassenraum und das Pendeln zwischen den Siedlungen bestimmen die öffentliche Diskussion. Ein Blick auf den Mikrozensus Mobilität und Verkehr[1] von 2010 hilft, das System Verkehr und die Zusammenhänge zwischen Siedlung und Verkehr zu verstehen. Dabei wurden die befragten Haushalte nach dem Siedlungstyp ihrer Umgebung (vor allem die mittlere Einwohnerdichte) gruppiert und ihr Mobilitätsverhalten ausgewertet. Damit kann man sich von einer Kategorisierung nach dem Raumtyp – also Grossstadt oder ländliche Gemeinde – lösen und neue Kategorien bilden, die den Siedlungstyp – Einfamilienhaus oder dichte Siedlung in der Agglomeration – besser abbilden.

Systemzusammenhänge verstehen

Die Auswertung zeigt, dass die Anzahl Wege[2], die wir täglich ausser Haus zurücklegen, unabhängig vom Wohnort mit 3.3  bis 3.5 konstant ist. Sie kann individuell schwanken, vor allem das Alter hat einen Einfluss auf die Ausserhausmobilität. «In der Masse» bewegen wir uns relativ konform. Unabhängig vom Wohnort sind wir durchschnittlich rund 80 bis 90 Minuten ausser Haus unterwegs. Diese Zahl ist seit 30 Jahren konstant. Das bedeutet nichts anderes, als dass schnellere Verkehrsinfrastrukturen, wie zum Beispiel die Neubaustrecke Olten–Bern, nicht zu Zeitersparnissen der Reisenden führen, sondern dass wir längere Wege zurücklegen. Weiter zeigt sich, dass bei steigender Bebauungsdichte der Anteil der Wege zunimmt, die zu Fuss, mit dem Fahrrad und dem öffentlichen Verkehr (öV) zurückgelegt werden; gleichzeitig nimmt der Anteil der Autofahrten ab. In Siedlungsgebieten mit höherer Bebauungsdichte nehmen dank der Konzentration der Nutzungen auch die Weglängen ab. Interessant ist, dass das Mobilitätsverhalten weniger stark durch den Raumtyp bestimmt wird, sondern viel stärker durch den Siedlungstyp und die Lage. Die Bewohner von Einfamilienhausgebieten fahren schweizweit ähnlich viel Auto – unabhängig, ob sich dieses Einfamilienhausgebiet in der Stadt oder auf dem Land befindet. Analog ist der Anteil von öV, Fuss- und Veloverkehr in den dichten Siedlungen in der Agglomeration gleich hoch wie in dichten Siedlungen in der Stadt.

Auf den eigenen Füssen durch dichte Räume

Die Fortbewegungsmittel der Dichte sind die eigenen Füsse, das Velo und die öffentlichen Verkehrsmittel. Diese haben nicht nur eine höhere Leistungsfähigkeit und somit einen geringeren Flächenbedarf, sie sind auch umweltfreundlicher als das Auto. Standorte, die gut mit dem öV erschlossen sind, eignen sich also besonders für die bauliche Verdichtung. Darüber hinaus braucht es gemischte Quartiere mit einem Mix an Arbeitsplätzen, Wohnungen, Einkaufsmöglichkeiten, Dienstleistungen und Freizeitangeboten. Ein Beispiel ist die Siedlung Sihlbogen der Baugenossenschaft Zurlinden in Zürich-Leimbach. An dem durch die Sihltalbahn gut erreichbaren Standort entstand bis Sommer 2013 ein Areal mit 220 Wohnungen und Gewerbeflächen. Ein spezielles Mobilitätsmanagement soll ein nachhaltiges Verkehrsverhalten fördern: Jeder Haushalt erhält jährlich einen Gutschein über 800 Fr. für den öffentlichen Verkehr, und die Bewohner verpflichten sich im Mietvertrag, kein eigenes Auto zu besitzen, sondern Carsharing zu nutzen, das schrittweise nach dem tatsächlichen Bedarf ausgebaut wird.

Sicher und komfortabel von A nach B

Um öV, Rad- und Fussverkehr zu fördern, sind leistungsfähige, sichere und komfortable Infrastrukturen nötig. Dementsprechend müssen die Gemeinden und Städte die Trottoirs verbreitern und die Aufenthaltsflächen vergrössern, den Radfahrern durchgehende Radstreifen und -wege anbieten und den öV ausbauen. Dazu braucht es einen klaren politischen Willen. Da unsere Strassenräume nach wie vor stark auf die Anforderungen des motorisierten Individualverkehrs ausgerichtet sind, geht es meist nicht ohne Einschränkungen für diesen wie die Reduktion von Fahrstreifen oder kürzere Grünzeiten. Als Paradebeispiele im Radverkehr dienen Amsterdam oder Kopenhagen, die seit Jahrzehnten die Radverkehrsinfrastruktur sukzessive ausbauen. In Kopenhagen, das im Alltagsverkehr einen Radverkehrsanteil von 50 % anstrebt (heute rund 35 %), sind auf den wichtigen Einfallsachsen die Lichtsignalanlagen (LSA) so koordiniert, dass Radfahrende eine «Grüne Welle» haben. Aber auch eine Autostadt wie München verfolgt seit einigen Jahren eine Verkehrsplanung mit dem Ziel, den Radverkehr zu fördern. Begleitet werden die Infrastrukturmassnahmen durch ein entsprechendes Marketing. Als Folge davon hat in München der Anteil der Wege, die mit dem Rad zurückgelegt werden, in den letzten zehn Jahren von 10 auf 17 % zugenommen. Im Vergleich dazu liegt der Radverkehrsanteil in Zürich oder St. Gallen nur bei 6 bzw. 3 %, in typischen Radverkehrsstädten wie Basel oder Winterthur bei 16 bzw. 13 %.

Dem Bewusstsein auf die Sprünge helfen

Um das Umsteigen vom Auto auf die Verkehrsmittel der Dichte zu erleichtern, braucht es handfeste Anreize. Aus diesem Grund ist Mobilitätsmanagement wichtig. Es gilt, Alternativen zum gewohnten Verhalten schmackhaft und die positiven Aspekte des Gehens, Velofahrens und des Bahn- und Busfahrens bewusst zu machen. Homeoffice und flexible Arbeitszeiten helfen zudem, die Verkehrsspitzen zu brechen. Dass das funktionieren kann, hat das Kantonsspital Baden vorgemacht. Aufgrund der zeitlichen Überlappungen der verschiedenen Dienste (Tag-, Spät- und Nachtdienst) kam es zu Engpässen beim Parkplatzangebot. Eigentlich hätte man das Parkhaus erweitern müssen. Dem Kantonsspital gelang es aber nach der Einführung des Mobilitätsmanagements Mitte der 2000er-Jahre, mit einer differenzierten Parkplatzbewirtschaftung, einem Ökobonus, Carsharing und gezielten Informationen, 30 % der Beschäftigten, Patienten und Besucher zum Umsteigen auf die Verkehrsmittel der Dichte zu animieren. Der Anteil von öV, Fuss- und Radverkehr erhöhte sich zwischen 2005 und 2007 von 17 auf 47 %, das Parkhaus musste nicht erweitert werden.

Verkehrsregeln durch Sozialverhalten ersetzen

Der Strassenraum in unseren gewachsenen Siedlungsstrukturen ist begrenzt. Mit Verkehrsmanagement kann er effizient genutzt werden: Dosierstellen verlagern den Stau an weniger sensible Orte und lassen nur so viel Verkehr in die Stadtzentren, wie dort verarbeitet werden kann. Dank einer entsprechenden Steuerung der LSA kann der öV auch ohne Eigentrasse priorisiert werden, und es bleibt Platz für Radstreifen oder grössere Fussgängerflächen. Die Sicherheitsanforderungen an die Verkehrsinfrastrukturen (z. B. Verkehrstrennung oder Sichtweiten) steigen mit den Fahrgeschwindigkeiten. Geschwindigkeitsbegrenzungen ermöglichen Lösungen nach dem Prinzip der Koexistenz, die weniger Platz benötigen und eine höhere Gesamtleistungsfähigkeit aufweisen. Geringere Geschwindigkeiten leisten zudem einen positiven Beitrag zur Verkehrssicherheit und zur Lärmbekämpfung.

Ein Beispiel aus Biel: Der Centralplatz wird täglich von rund 10 000 Fahrzeugen und 1200 Bussen befahren. Mit einer Umgestaltung im Jahr 2002 konnte der Verkehrsknoten in einen Platz verwandelt und Raum für Fussgänger und Aufenthalt zurückgewonnen werden. Die niedrigen Geschwindigkeiten in der Begegnungszone erlauben ein Miteinander von Autoverkehr, Fussgängern und Velofahrern. Solche Ansätze scheitern leider oft, da vor allem das Gewerbe befürchtet, dass Behinderungen des Autoverkehrs ihm schaden könnten.

In Wirklichkeit passiert das Gegenteil: So zeigen die Vorher-nachher-Untersuchungen für die Schwarzenburgstrasse in Köniz, dass die Autos flüssiger und schneller verkehren, seit die Fussgängerstreifen aufgehoben und die Geschwindigkeit auf 30 km/h beschränkt wurden. Die Umgestaltung der Kantonsstrasse hat das Zentrum von Köniz und das lokale Gewerbe gestärkt. Die aktuellen Erfahrungen mit Umgestaltungen nach dem Koexistenzprinzip zeigen: Gewisse Randbedingungen müssen eingehalten und die Strassenräume gut geplant und sorgfältig ausgeführt werden (vgl. Kasten S. 19).

Gängiges Vorurteil widerlegt

Fälschlicherweise gehen wir davon aus, dass Stadtbewohner zur Erholung «ins Grüne» fliehen. Die Auswertung des Mikrozensus zeigt das Gegenteil: Bewohner von Siedlungen mit geringer Dichte legen viel längere Freizeitwege zurück. Mit höheren Bebauungsdichten steigen jedoch die Anforderungen an den Aussenraum. Neben verkehrlicher Funktion und Sicherheit wird die Gestaltung wichtiger. Der Strassenraum ist auch Lebensraum. Zur Aufenthaltsqualität gehört, dass man sich vor dem motorisierten und dem Veloverkehr sicher fühlt. Die Geschwindigkeit zu reduzieren hilft, ein Gleichgewicht zwischen den Nutzungsansprüchen herzustellen und die Dominanz des motorisierten Verkehrs zu brechen. So wird die Kommunikation und die gegenseitige Rücksichtnahme gefördert. Die angesprochenen Vorher-nachher-Untersuchungen in Köniz zeigen, dass die Automobilisten bei Tempo 30 rücksichtsvoller agieren. Unter- und Überführungen können zurückgebaut, LSA durch Kreisverkehre oder Vortrittsknoten ohne LSA ersetzt und die strikte Trennung der Verkehrsarten aufgeweicht werden. Wie wichtig die Gestaltung und die Verkehrsberuhigung für die Siedlungsqualität beim untergeordneten Strassennetz[3] ist, weiss man. Entsprechende Ansätze werden auch vielfach umgesetzt. Hingegen herrscht beim übergeordneten Strassennetz nach wie vor die Lehrmeinung, dass sich hohe Verkehrsbelastungen und gute Strassenraumgestaltung ausschliessen. Dabei gibt es genügend Gegenbeispiele. Die Champs-Elysées in Paris oder der Gürtel in Wien sind grossstädtische Exempel für gestaltete, integrierte Hauptverkehrsstrassen, die Verkehrsbelastungen von über 100 000 Mfz/Tag aufweisen. Trotzdem wenden sich die Siedlungen nicht von diesen Strassenzügen ab, und die Strassen können à Niveau überquert werden. Ein Beispiel im kleineren Massstab ist die Seebahnstrasse in Zürich, die im Zuge der flankierenden Massnahmen zur Westumfahrung (TEC21 40/2008) umgebaut wurde. Trotz hoher Belastungen von 25 000 bis 30 000 Mfz/Tag konnte die Barrierewirkung stark reduziert werden. An den Plätzen wie z. B. beim Bahnhof Wiedikon entwickelt sich zunehmend städtisches Leben.

Frische Ideen gefragt

Mit der geschilderten Entwicklung gehen auch neue Anforderungen an die Verkehrsingenieure einher. Neben Verkehrsplanung, -technik und -wegebau sind beim Strassenraumentwurf auch Kenntnisse im Städtebau, der Gestaltung und der Soziologie nötig. Dies erfordert, wenn nicht das Wissen, so zumindest das Verständnis des Verkehrsingenieurs für diese Disziplinen und die Fähigkeit zur interdisziplinären Zusammenarbeit. Und es braucht Zeit, Mittel und Geduld für die Arbeit mit anderen Disziplinen und mit der betroffenen Bevölkerung. Ideenreiche Verkehrsingenieure sind gefragt. Und es bedarf mutiger Entscheidungsträger, die neue Wege beschreiten. Denn der Verkehr in der Dichte stuft die Funktion und Bedeutung des Autos zurück: Der stadtverträgliche Verkehr stellt den Menschen und das menschliche Mass in den Mittelpunkt.


Anmerkungen:
[01] Mit dem Mikrozensus Mobilität und Verkehr erhebt das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) gemeinsam mit dem Bundesamt für Statistik (BfS) alle fünf Jahre das Mobilitätsverhalten der Schweizer Bevölkerung. Rund 60 000 Haushalte bzw. Personen werden nach einem standardisierten Verfahren (CATI-Technik) telefonisch hinsichtlich ihres Verkehrsverhaltens an einem Stichtag, der über das ganze Jahr verteilt ist, befragt. Hierbei werden unter anderem die an diesem Stichtag zurückgelegten Wege, die genutzten Verkehrsmittel, der Wegezweck (Arbeit, Einkauf etc.) und der Zeitaufwand für die Ausserhausmobilität erhoben.
[02] In der Moblilitätserhebung werden Ausgänge, Wege und Etappen unterschieden. Ein Ausgang dauert vom Weggang vom Wohnort bis zur Rückkehr und kann aus verschiedenen Wegen bestehen. Zu jedem Weg gehört ein Zweck am jeweiligen Zielort. Ein Zweck ist zum Beispiel Arbeit. Frau Schweizerin legt z. B. mit einem Ausgang zwei Wege zurück, und zwar von zu Hause zur Arbeit und von der Arbeit nach Hause. Dabei setzt sich ein Weg z. B. aus drei Etappen zusammen: Etappe 1 – mit dem Velo zum Bahnhof, Etappe 2 – mit der S-Bahn in die Stadt, Etappe 3 – zu Fuss zum Arbeitsort.
[03] Untergeordnetes Strassennetz: Erschliessungs- und Sammelstrassen mit geringen Verkehrsbelastungen von bis zu 5000 Mfz/Tag, übergeordnetes Strassennetz: Hauptverkehrsstrassen mit überörtlicher Verbindungsfunktion und Belastungen über 5000 Mfz/Tag

TEC21, Fr., 2013.10.25



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16. September 2010Rupert Wimmer
zuschnitt

Duftnote Holz

Wie groß die Faszination von Düften ist, zeigte sich deutlich am großen Erfolg von Patrick Süskinds Roman »Das Parfum«. Von 1985 an stand er jahrelang...

Wie groß die Faszination von Düften ist, zeigte sich deutlich am großen Erfolg von Patrick Süskinds Roman »Das Parfum«. Von 1985 an stand er jahrelang...

Wie groß die Faszination von Düften ist, zeigte sich deutlich am großen Erfolg von Patrick Süskinds Roman »Das Parfum«. Von 1985 an stand er jahrelang auf den Bestsellerlisten und 2006 wurde auch der Film zum Kassenschlager. Das Wort Parfum bedeutet so viel wie »durch Rauch«. Ein Parfum setzt sich wie bei einer Pyramide aus drei Teilen zusammen: An der Spitze steht die Kopfnote. Diese ist meist intensiver als die anderen und wird von leicht flüchtigen Duftstoffen geprägt. Für den ersten Eindruck ist die Kopfnote besonders ausschlaggebend. Es folgt die Herznote, die sich erst nach Stunden entfaltet, nachdem die Kopfnote bereits verflogen ist. Das Fundament eines Parfums bildet die Basisnote, der letzte Teil des Duftablaufes. Die Basisnote enthält lang haftende Bestandteile und ist deshalb auch die wichtigste Duftnote. Bei der Basisnote tauchen Essenzen aus Holz häufig auf, vor allem, wenn es um Parfums für Männer geht. Viele beliebte Düfte wie beispielsweise Acqua di Gio von Giorgio Armani haben Zedernholz als Basisnote; andere Düfte wie jene von Hugo Boss verwenden Essenzen aus Rosenholz, Massoiaholz, Sandelholz, Sipoholz oder Guajakholz.

Die wohl wertvollste Basisnote stammt aus dem Adlerholz. Der Adlerholzbaum, lateinisch Aquilaria malaccensis, ist in Indien, Malaysia, Indonesien, Laos, Thailand und Vietnam zu finden und liefert eine ganz besonders aromatische Duftmischung. Von jeher war Adlerholz hoch begehrt für die Würzung von Räucherstäbchen, zur Einbalsamierung von Mumien sowie in der Medizin. Dieses Holz versetzt auch Rohstoffjäger in einen Rauschzustand der Gier, die skrupellos letzte Wildbestände dieser Baumart dezimieren. Es wird berichtet, dass Händler für Adlerholz bis zu 43.000,– Euro je Kilogramm zahlen. Das Holz wird dabei grammweise verkauft und der Rohstoffwert übertrifft jenen von Gold und Platin.

Die duftenden Bestandteile des Holzes sind Teil der so genannten Extraktstoffe. Sie kommen nur in vergleichsweise geringen Mengen im Holz vor, sind vorwiegend organischen Ursprungs und chemisch gesehen äußerst unterschiedlich. Die Extraktstoffe sind nicht nur für den Duft, sondern auch für eine Reihe weiterer wichtiger Eigenschaften mitverantwortlich, wie natürliche Dauerhaftigkeit, Lichtbeständigkeit, Wasser abweisende Wirkung, Brennbarkeit, Verarbeitbarkeit zu Papier, Holztrocknung oder akustische Eigenschaften.

Vom Holz zur Nase
Damit wir Holz riechen können, müssen Duftstoffe einige Voraussetzungen erfüllen. Sie müssen leicht flüchtig sein, wasser- und fettlöslich. Unter flüchtig versteht man, dass ein Stoff einen niedrigen Siedepunkt hat und bei Zimmertemperatur rasch verdampft. Die Duftstoffe müssen wasserlöslich sein, um das wässrige Milieu der Nasenschleimhaut durchdringen und die Geruchsrezeptoren erreichen zu können. Zudem müssen die Stoffe ausreichend fettlöslich sein, um schließlich in die Membranen der Riechzellen vorzudringen. Bei der Abgabe von Holzdüften an die vorbeiziehende Luft ist die Differenz des Dampfdrucks zwischen Holzoberfläche und der Luft maßgeblich.

Es stellt sich ein dynamisches Gleichgewicht ein. Wird z. B. die Temperatur erhöht, ändert sich die Dampfdruckdifferenz und damit auch die Freisetzungsrate des jeweiligen Duftstoffes.

Wenn Holz »stinkt«
Die harzig riechenden Duftstoffe aus Fichte, Kiefer und Lärche oder der aromatische Zederngeruch werden von vielen Menschen als angenehm empfunden. Unangenehm riecht hingegen eine nasskernige Tanne, da die reichlich vorhandene Bakterienflora einen säuerlichen Geruch erzeugt. Ähnlich unangenehm kann – durch die vorhandene Gerbsäure – auch frisches Eichenholz riechen. Auch Holzarten wie Ulme oder Nussbaum verbreiten unangenehme Gerüche, allerdings nur im nassen Zustand. Ledergeruch geht von Teak aus, Okumé kann nach Essigsäure riechen, feuchtes Birkenholz riecht mitunter »muffig«.

»Duftbionik«
Bekannt geworden ist der aromatische Duft der Zirbe durch positive Wirkungen auf Schlaf und Wohlbefinden bzw. durch die »bioinhibitorische Wirkung« gegenüber Kleidermotten. Der Zirbenduft wird als süß, frisch, myrtenartig und krautig beschrieben. Im Gegensatz zu Holzessenzen in Parfums, die spätestens nach einem Tag verfliegen, kann der Duft des Zirbenholzes viele Jahre anhalten. Man vermutet, dass die anatomische Struktur des Holzes hier eine wichtige Rolle spielt. Holz hat ja die Besonderheit, ein hierarchischer Werkstoff zu sein: Selbst die feinen Holzfasern sind feingliedrig strukturiert – bis in den Nanometerbereich hinein. Diese auf mehreren Ebenen vorhandene Struktur ist möglicherweise dafür verantwortlich, dass Duftstoffe sehr dosiert und lang anhaltend an die Umgebung abgegeben werden. Holz und Duftstoff sind optimal aufeinander abgestimmt, wird der Duftstoff herausgelöst, geht dieses Zusammenspiel verloren.

Der Holzduft wird durch zwei Gruppen chemischer Verbindungen bestimmt: erstens durch Terpene bzw. Terpenoide und zweitens durch aromatische Verbindungen (Phenole bzw. Phenylpropanoide).

Terpene und Terpenoide
Es sind mehr als 30.000 Terpenoide bekannt, rund 8.000 davon gehören zur Untergruppe der Terpene. Sie basieren auf ungesättigten Kohlenwasserstoffen (= Isopreneinheiten).

Monoterpene
bestehen aus zwei Isopreneinheiten und besitzen zehn Kohlenstoffatome. Die Molekülstruktur kann verzweigt (z. B. Geraniol aus Geranien, Linalool oder Myrcen aus der Kiefer) oder ringförmig sein (z. B. Limonen aus Fichtennadeln, Terpinene aus dem australischen Teebaum, Menthol, Methylthujat aus der Thuja, dem Lebensbaum). Weiters gibt es Doppelringstrukturen, darunter die sehr häufig vorkommenden Verbindungen alpha- und beta-Pinen, die den »Holzgeruch« prägen.

Sesquiterpene
sind größere Moleküle mit 15 Kohlenstoffatomen; rund zwanzig Sesquiterpene sind als Riech- und Aromastoffe wichtig. Darunter Santanol aus dem Sandelholz, alpha-Cadinen bzw. Occidentalol aus dem Holz der Wacholder (Bleistiftzeder, Eastern Red Cedar). Letztere wirken antibakteriell und mottenabweisend.

Phenole bzw. Phenylpropanoide
sind Moleküle, die am Benzolring verschiedene »funktionelle« Gruppen von einem bzw. drei Kohlenstoffatomen aufweisen. Zu ihnen zählen Duft- und Aromastoffe wie Benzaldehyd, das auch im Holz der Kirsche vorkommt, weiters Benzylalkohol, Safrol aus Sassafrasholz, Eugenol (Nelkenaroma) und Vanillin. So geht auch der Geruch von altem, vergilbtem, stark holzhaltigem Papier auf Vanillin zurück.

zuschnitt, Do., 2010.09.16



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