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02. Februar 2007Peter Omachen
Neue Zürcher Zeitung

Über das Bauen hinaus

Arbeiten von Valérie Jomini und Stanislas Zimmermann Architekten aus Burgdorf

Arbeiten von Valérie Jomini und Stanislas Zimmermann Architekten aus Burgdorf

Wenn berühmte Architekten plötzlich Möbel- und Produktedesign betreiben - handle es sich nun um Stühle, Lampen oder Schokolade-Verpackungen -, so geschieht dies zumeist als Folge einer fremden Marketingidee. Anders verhält es sich bei Valérie Jomini und Stanislas Zimmermann aus Burgdorf. Mit der Gründung des gemeinsamen Büros 1997 haben sie parallel zu ihrer Architekturarbeit mit der Entwicklung und Produktion von Möbeln unter dem Namen «it design» begonnen. Obwohl sich die beiden 1970 geborenen und an der ETH Lausanne ausgebildeten Gestalter in erster Linie als Architekten verstehen, haben sie ihre bisher grössten Erfolge dem «itbed» und der «itbox» zu verdanken. Die Möbel von «it design» lassen sich kompakt zusammenfalten oder sind in Module unterteilt. Die einzelnen Teile sind dadurch einfach zu transportieren. Das «itbed» besteht aus sieben Millimeter dickem Wellkarton, der wie ein Akkordeon gefaltet ist. Die an ein Kartenhaus erinnernde Zickzacklinie wird durch zwei Bänder stabilisiert, die längs durch die Konstruktion verlaufen.

Das Bett lässt sich zu einem handlichen Stapel zusammenschieben und bequem verstauen oder mitnehmen. Das modulare Möbelsystem «itbox» setzt sich zusammen aus acht verschiedenen Behältern aus farbig eloxiertem Aluminium. Sie können als einzelne Wandtablare oder aufeinandergestapelt als freistehende Bücherregale eingesetzt werden. Da die Elemente auf einem Modul von 72 Zentimetern basieren, sind sie auch als Tischgestell verwendbar. Beim Umzug kann der Inhalt direkt in den Behältern transportiert werden.

Die Möbel trugen Jomini Zimmermann Architekten verschiedene Preise und Stipendien ein. Sie fanden unter anderem in der neuen Schweizer Botschaft in Washington D. C. Verwendung. Der kulturelle Wert dieser Kreationen liegt nicht nur in der ansprechenden Form, sondern vor allem in der Vision einer künftigen, mobilen und ökologisch orientierten Gesellschaft begründet, die durch sie zum Ausdruck kommt.

Eines der liebsten Projekte von Valérie Jomini und Stanislas Zimmermann ist unsichtbar. Es handelt sich um die kulturelle Zwischennutzung des ehemaligen Progymnasiums im Zentrum von Bern. Diese ist auf fünf Jahre ausgelegt, bis über die weitere Verwendung des historischen Gebäudes entschieden wird. Der temporäre Betrieb von «Progr - Zentrum für Kulturproduktion» wird von der Abteilung Kulturelles und der Liegenschaftsverwaltung der Stadt Bern geleitet. Mehr als 80 ausgewählte Kulturschaffende arbeiten derzeit im ehemaligen Schulhaus. Vor allem bildende Künstler, aber auch Theaterschaffende, Musiker und Tänzer haben sich auf den 4500 Quadratmetern angesiedelt. Im ehemaligen Lehrerzimmer befindet sich eine Künstler-Dokumentationsstelle, der Chemiesaal wurde zum Fotostudio, in der Aula finden Konzerte und Ausstellungen statt, und in der ehemaligen Turnhalle ist eine Bar entstanden.

Die Aufgabe der Architekten bestand in der Beratung und Begleitung der Bauherrschaft. Dabei ging es um Fragen der optimalen Nutzungsanordnung und der erforderlichen baulichen Massnahmen, wobei stets der provisorische Charakter der Eingriffe angestrebt wurde. Bei dem partizipativen Arbeitsprozess standen vor allem soziale und kulturelle Aspekte im Vordergrund. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse fliessen in die architektonische Entwurfsarbeit ein.

Das Zweifamilienhaus Faraday im Berner Lorraine-Quartier entstand im Team zusammen mit Thomas Jomini. Die Wohnräume des kompakten, turmartigen Baus umfassen jeweils eine gesamte Etage. Sie vermitteln Geborgenheit. Der geschlossene Eindruck wird durch gerundete Gebäudekanten und den Überzug mit Kupferwellblech verstärkt. Der Aussenbezug erfolgt durch überdimensionale Lukarnen und den exponierten, zur Aare hin gerichteten Balkon. Wie die Möbel bestechen auch die Wohnhäuser der Burgdorfer Architekten durch ihre charakterstarken und kompakten Formen.

Neben ihrer praktischen Tätigkeit unterrichten Jomini und Zimmermann derzeit als Gastdozenten für Entwurf an der Berner Fachhochschule Architektur, Holz und Bau in Burgdorf. Für nächstes Jahr steht der Umbau des Eingangs- und Empfangsbereichs des Universitäts-Frauenspitals in Lausanne an.

[ Jomini Zimmermann stellen ihre Arbeiten am 14. Februar um 18 Uhr 30 im Architekturforum Zürich am Neumarkt 15 vor. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2007.02.02

03. November 2006Peter Omachen
Neue Zürcher Zeitung

Experiment und Innovation

Viele junge Schweizer Architekten entwerfen ähnlich, denn sie haben am selben Ort studiert. Die Arbeiten von UNDEND sind anders: Dieses Büro versteht es, schweizerische Architektentugenden mit einer unverkrampften Entwurfsstrategie zu bereichern.

Viele junge Schweizer Architekten entwerfen ähnlich, denn sie haben am selben Ort studiert. Die Arbeiten von UNDEND sind anders: Dieses Büro versteht es, schweizerische Architektentugenden mit einer unverkrampften Entwurfsstrategie zu bereichern.

Bis in die achtziger Jahre nutzte die ETH Zürich ihre traditionelle Führungsposition in der Deutschschweizer Architekturausbildung für die Verbreitung des Gedankenguts der klassischen Moderne. Seit den neunziger Jahren ist eine kontinuierliche Öffnung der Hochschule insbesondere zum angelsächsischen Raum hin zu beobachten. Sie geht einher mit einer zunehmenden Mobilität der Studierenden, die ihre Ausbildung immer häufiger auf verschiedenen Kontinenten absolvieren. Diese Verlagerung beginnt sich nun auch auf die gebaute Architektur in der Deutschschweiz auszuwirken insbesondere im Raum Zürich, der in vielfacher Hinsicht Drehscheibe des internationalen Gedankenaustauschs ist.

Angelsächsischer Einfluss

Das Zürcher Büro UNDEND ist ein typisches Produkt dieser Entwicklung. Bezeichnenderweise gehören die fünf Partner mit den Jahrgängen 1964 bis 1978 derzeit zu den erfolgreichsten Zürcher Architekten der jüngsten Generation. Dieter Dietz, Urs Egg, Christian Meili, Raffael Baur und Dieter Vischer haben ihre Ausbildungen an der New Yorker Cooper Union School of Architecture und an der ETH Zürich absolviert. 1997 von zwei Partnern gegründet, besteht UNDEND derzeit aus acht Mitarbeitern. - Der schweizerisch-angelsächsische Einfluss ist bei ihren Bauten und Projekten unverkennbar. Das sorgfältige Analysieren des Ortes und seiner Geschichte sind typische Schweizer Architektentugenden. Ebenso sind die gewissenhafte Konstruktion und die sorgfältige Detaillierung vertraute Attribute der hiesigen Architektur. Etwas ungewohnter sind der experimentelle Zugang und das permanente Hinterfragen von Konventionen und Werthierarchien, die in den Arbeiten von UNDEND für Irritationen sorgen. Diese flexible Strategie scheint sich bei schwierigen Ausgangslagen zu bewähren, wie etwa beim «Haus Eins» in Bülach. Bei diesem 2005 fertiggestellten grossen Geschäfts- und Gewerbebau in der Nähe des Flughafens war zu Planungsbeginn vieles noch offen: Grösse und Nutzung waren ebenso unbestimmt wie die künftige bauliche Umgebung dieses ersten Gebäudes auf dem Gelände.

Die Architekten suchten sich ihre Bezugspunkte in der grossräumigen Topographie und in den Spuren der römischen Vergangenheit. Das Ergebnis ist ein Gebäude, dessen orthogonales System durch Schrägen und spitze Winkel durchbrochen wird. Um für jede Gebäudehöhe gestalterisch gewappnet zu sein, wurde ein Fenstersystem aus vertikalen Bändern beliebiger Länge gewählt, die oben wie abgeschnitten als Brüstungselemente des Flachdachs enden. Hier bewährte sich eine Vorgehensweise, die UNDEND regelmässig anwenden: Sie hatten das System im Rahmen eines früheren Wettbewerbsprojekts entwickelt nun kam es erstmals zum Einsatz.

Während der Bauarbeiten mussten die Architekten sich laufend auf wechselnde Investoren und Nutzungsanforderungen einstellen. Diese Herausforderung, die für konventionelle Architekten ein Albtraum ist, nahmen die Partner von UNDEND spielerisch an. Das Ergebnis dieses fortschreitenden Prozesses ist ein heterogener Gebäudekomplex, der seine architektonische Prägnanz dem Zusammenspiel von klaren Regeln und freier, der konstruktiven Logik des Stahlbaus folgender Gestaltung bezieht. Das charaktervolle Haus hat die Kraft eines Ausgangspunktes und Identifikationsobjektes der neuen Siedlung.

Baukünstlerischer Mehrwert

Der experimentelle Ansatz manifestiert sich auch in der Arbeitsorganisation. Im Atelier werden die laufenden Projekte nicht einzelnen Mitarbeitenden, sondern einzelnen Tischen zugeteilt. So entstehen durch vielfältige Beiträge kollektive Produkte und eine ausdrucksstarke und unverwechselbare Architektur jenseits persönlicher Vorlieben. Dies kommt auch bei kleinen Bauten zum Ausdruck wie etwa einem Garagenanbau für ein Einfamilienhaus aus den sechziger Jahren in Bülach. Die wenigen Elemente fügen sich zu einem überzeugenden Objekt, das wie zufällig der ihm zugedachten Nutzung dient. Über die banale Zweckerfüllung hinaus wird ein unerwarteter, baukünstlerischer Mehrwert generiert.

Derzeit beschäftigen sich die Architekten von UNDEND mit der Planung der Wohnsiedlung Rautistrasse in Zürich Altstetten. Das Projekt mit 7 Mietshäusern und insgesamt 105 preisgünstigen Wohnungen ist aus einem Wettbewerb hervorgegangen und soll ab 2008 realisiert werden. Die roten Quader mit ihren abgeschrägten Kanten und Ecken wirken wie gigantische, abgestellte Reisekoffer. Das ungewohnte Erscheinungsbild beruht einmal mehr nicht auf Vorbildern, sondern auf dem Entstehungsprozess. Die unkonventionelle Entwurfsmethode darf als flexibles Zukunftsmodell für einen immer komplexeren Bauprozess gelten.

[ Die Architekten von UNDEND stellen ihre Arbeiten am 8. November um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich vor. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2006.11.03

03. Februar 2006Peter Omachen
Neue Zürcher Zeitung

Von aussen betrachtet

Die Bauten und Projekte des in Aarau und Zürich tätigen Dreierteams Ernst Niklaus Fausch Architekten sind in erster Linie aus den Bedingungen des Aussenraums heraus entwickelt. Sie respektieren den Bestand und sind zudem geprägt von einem übergeordneten Interesse an landschaftsgestalterischen und städtebaulichen Fragen.

Die Bauten und Projekte des in Aarau und Zürich tätigen Dreierteams Ernst Niklaus Fausch Architekten sind in erster Linie aus den Bedingungen des Aussenraums heraus entwickelt. Sie respektieren den Bestand und sind zudem geprägt von einem übergeordneten Interesse an landschaftsgestalterischen und städtebaulichen Fragen.

Eigentlich wollte die Lehrerschaft des Schulhauses Nordstrasse eine Lärmschutzwand. Die Emissionen der unmittelbar vorbeiführenden Rosengartenstrasse, einer Haupttransitachse von Zürich, waren unerträglich geworden. Die Architekten schlugen stattdessen eine gedeckte Pausenhalle vor. Spätestens seit diese von den Primarschülern genutzt wird, hat sich die anfängliche Skepsis in Begeisterung verwandelt. Wie ein angewinkelter Arm legt sich der Betonbau schützend um den erhöht liegenden Schulhausplatz. Der Zugang erfolgt über die symmetrische Treppenanlage in der Hauptachse des spätklassizistischen Gebäudes. Durch eine torartige Öffnung wird diese in den Neubau hineingeführt, wo sie entlang einer schallabsorbierenden Wand seitlich emporsteigt. Die Innenseite dieses «Bollwerks» ist mit Holzplatten in einem warmen Rot verkleidet; die als Sitznischen ausgebildeten, verglasten Fensteröffnungen sind mit Lärchenholz eingefasst. Farben, Formen und Materialien sind konsequent aus der Entwurfsidee heraus entwickelt. Nebst ihrem eigentlichen Schutzzweck verwandelt die hofseitig offene Pausenhalle die einst trostlose Umgebung in einen qualitätvollen Aussenraum.

Die Stadtlandschaft gestalten

Dieses kleine Objekt ist charakteristisch für die Arbeiten von Bertram Ernst, Erich Niklaus und Ursina Fausch. Ausgangspunkt ihrer Entwürfe ist stets der Aussenraum mit seinen bestehenden Strukturen, die städtebauliche und landschaftsarchitektonische Umgebung. So entstehen Bauten, die in einer starken Wechselbeziehung zu ihrem Umfeld stehen. Kennen gelernt haben sich die drei 1966 und 1967 geborenen Architekten bereits während ihres Studiums an der ETH Zürich. Die Lehr- und Wanderjahre verbrachten sie in renommierten Büros; so hat Bertram Ernst unter anderem bei den Landschaftsarchitekten Kienast Vogt Partner in Zürich gearbeitet. 1997 gründeten er und Erich Niklaus ein eigenes Büro; seit 2001 ergänzt Ursina Fausch das Team.

Zusammengebracht hat die drei jungen Architekten ein spektakulärer Grosserfolg: Beim internationalen städtebaulichen Wettbewerb für die Bebauung des DB-Güterbahnhofareals in Basel errang ihr Vorschlag 1997 unter rund 300 eingereichten Projekten den zweiten Platz; aus der Weiterbearbeitung, zu der noch 25 Teams eingeladen wurden, gingen sie 2001 schliesslich als Sieger hervor. Ihr Entwurf für ein neues Stadtquartier am Rande Kleinbasels sieht die Bebauung der Ränder in gemischter Nutzung vor. In der Mitte des Areals soll ein grosser Park entstehen, der sich gegen das angrenzende Naherholungsgebiet öffnet. Die ehemalige Kantine der Rangierarbeiter bleibt als Parkrestaurant erhalten. Das städtebauliche Projekt, das in Zusammenarbeit mit dem Zürcher Landschaftsarchitekten Raymond Vogel entstanden ist, soll von verschiedenen Planungsbüros in den nächsten 20 Jahren umgesetzt werden. Vorerst konnten Ernst Niklaus Fausch Architekten das denkmalgeschützte Zollabfertigungsgebäude auf dem Areal in eine Privatschule umbauen. Mit kleinen, aber präzisen Massnahmen haben sie den Verwaltungsbau zu einem kinderfreundlichen Ort gemacht.

Der sorgfältige Umgang mit bestehender Substanz spielte auch bei der soeben fertig gestellten Sanierung und Erweiterung des Bezirksschulhauses im aargauischen Unterkulm eine zentrale Rolle. Auch hier ging der Entwurf von der Betrachtung der Aussenräume aus. Dadurch konnte der ideale Ort für den Anbau bestimmt werden. Das sanierungsbedürftige Gebäude aus den siebziger Jahren wurde geschickt in die Anlage einbezogen, so dass sein innenräumliches Potenzial voll zur Geltung kommt. Die neue Glasfassade hingegen entspricht den zeitgemässen Anforderungen und verleiht dem ehemals ungeliebten Bau ein neues Gesicht.

Baureife Projekte

Nicht zuletzt dank ihrem fulminanten Einstieg in die Selbständigkeit mit dem Basler Grossprojekt werden Ernst Niklaus Fausch Architekten gerne zu Wettbewerben und Studienaufträgen eingeladen. Aus den Erfolgen ist unter anderem eine ganze Reihe von baureifen Projekten für grosse Wohn- und Geschäftsüberbauungen in den Kantonen Aargau und Zürich entstanden, die ab diesem Jahr realisiert werden. Auch auf die bevorstehende Sanierung des denkmalgeschützten Zürcher Hallenbades City durch Ernst Niklaus Fausch darf man gespannt sein.

[ Bertram Ernst, Erich Niklaus und Ursina Fausch präsentieren ihre Arbeiten am 8. Februar um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich am Neumarkt 15 im Rahmen eines Vortrags. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2006.02.03

07. Oktober 2005Peter Omachen
Neue Zürcher Zeitung

Aufspüren des Unscheinbaren

Obschon sie auf den ersten Blick unspektakulär erscheinen, überraschen die Bauten und Projekte von Rolf Meier und Martin Leder aus Baden durch ihre überzeugend einfachen und konsequent umgesetzten Ideen. Diese werden aus dem Vorgefundenen entwickelt. Dabei verzichten die Architekten auf jede Effekthascherei.

Obschon sie auf den ersten Blick unspektakulär erscheinen, überraschen die Bauten und Projekte von Rolf Meier und Martin Leder aus Baden durch ihre überzeugend einfachen und konsequent umgesetzten Ideen. Diese werden aus dem Vorgefundenen entwickelt. Dabei verzichten die Architekten auf jede Effekthascherei.

Es war eine bescheidene Bauaufgabe: der Ersatzbau für das Pfadiheim Baregg in Baden. Die alte Holzbaracke an der Waldlichtung nahe der Limmat sollte einem grösseren Neubau weichen. Das 2004 ausgeführte Projekt ist als Bestes aus einem Studienauftrag hervorgegangen, der an mehrere Architekten erteilt wurde. Das daraus entstandene Gebäude hat die Form eines schiefwinkligen Quaders mit einem über die Diagonale abfallenden Pultdach. An einer Seite erscheint das Volumen ausgeschnitten und gibt damit einen gedeckten Aussenbereich gegen die Lichtung frei. Tief liegende Fenster suggerieren eine dickwandige Konstruktion, wodurch der Ausdruck einer einfachen Hütte trotz der unregelmässigen, sägerohen Fichtenschalung geschickt vermieden wird. Im Innern entpuppt sich das ungewohnte Erscheinungsbild als kluge Lösung für das Stauraumproblem - das Gebäude wurde nicht unterkellert -: Fast alle Aussenwände konnten mit Einbauschränken belegt werden. Die Fenster sind in derselben Ebene angeordnet wie die raumhohen Schrankfronten. Mit ihren gedämpften Gelb- und Grüntönen orientieren sich die Oberflächen an den Farben der Natur.

Raffiniert und robust

Die Architekten vergleichen ihr Werk mit einem Taschenmesser: raffiniert gearbeitet und doch robust. Diese Charakteristik zieht sich wie ein roter Faden durch alle Bauten und Projekte von Rolf Meier und Martin Leder. 1968 und 1973 geboren, haben sich die beiden Aargauer nach ihren Studien an der ETH Zürich und der damaligen HTL Brugg-Windisch bei Anstellungen in Baden kennen gelernt. 2001 gründeten sie ihr gemeinsames Büro, das sich seither durch eine erfolgreiche Wettbewerbstätigkeit auszeichnet.

Die Arbeiten von Meier und Leder sind stets unspektakulär. Einfach konzipierte, aber mitunter sehr komplexe Baukörper folgen übergeordneten Themen und sind dabei offensichtlich räumlich gedacht. Dies äussert sich unter anderem in der Leidenschaft für das Entwerfen im Schnitt. Immer wieder tauchen in den Plänen schiefe Winkel auf - nicht aus formalen Gründen, sondern als beabsichtigte Bereicherung der Raumfolgen. Die Architekten fühlen sich in ihrer Arbeit der Bautradition verpflichtet. Sie entwickeln die Projekte als ganzheitliche Lösungen aus dem Bestand heraus und folgen dabei gleichermassen der Logik von Material und Konstruktion, wie sie ihre inneren Bilder und Stimmungen umzusetzen suchen. Ziel ist das Aufspüren des Unscheinbaren; ihre Architektur will berühren.

Dies gelingt auch beim Umbau der Werkschaltanlage des Wasserkraftwerkes Beznau. Der 1932 erstellte, viergeschossige Erweiterungsbau am Industriemonument der Jahrhundertwende hatte seine ursprüngliche Funktion verloren und sollte zu Werkstätten, Lagerräumen und Büros umgenutzt werden. Durch transluzente Trennelemente aus Gussglas bleiben die eindrucksvollen Raumdimensionen und die Stimmungseigenschaften der unverkleideten Stahlkonstruktion präsent. Die geschosshohen Metalldrehtüren vermögen in ihren eindrucksvollen Dimensionen der Dynamik des Raumes standzuhalten und verleihen der Büroetage ungeahnte Würde und Grosszügigkeit.

Markant und passgenau

Derzeit arbeiten Meier und Leder an einem städtebaulichen Entwurf für ein Gebiet am Rand der Badener Altstadt. Es handelt sich um die Placierung zweier Wohn- und Geschäftshäuser an einer neu zu schaffenden Fussgängerverbindung vom Theaterplatz in die untere Altstadt. Das Projekt geht auf einen ersten Preis in einem Studienauftrag zurück, der seinen Ursprung in einem spektakulären, nun schon zehn Jahre zurückliegenden Wettbewerbserfolg von Rolf Meier hat, der damals noch Student war. Das aktuelle Projekt in steiler Hanglage über dem Fluss will den zugebauten mittelalterlichen Stadtgraben wieder erlebbar machen. Dazu werden passgenaue Baukörper erstellt, die gleichzeitig markante Neubauten sind und sich dennoch perfekt in die historisch gewachsene Situation eingliedern.

Es ist bedauerlich, dass die Badener Architekten bisher nur wenige ihrer zahlreichen Wettbewerbserfolge umsetzen konnten. Dies wirft ein ungünstiges Licht auf die Veranstalter solcher Konkurrenzen, die sich nicht immer über ihre Verantwortung und die ungenutzten Chancen im Klaren zu sein scheinen.

[ Rolf Meier und Martin Leder stellen ihre Arbeiten am 12. Oktober um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich am Neumarkt 15 vor. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2005.10.07

03. Juni 2005Peter Omachen
Neue Zürcher Zeitung

Intuitives Gestalten

Obschon die Bauten und Projekte des jungen Basler Architektenduos LOST sehr vielfältig sind, ist ihnen ein bodenständiges Streben nach dem Robusten, dem Einfachen und Elementaren gemeinsam. Die Architekten vertrauen der Intuition und spüren in ihrer Arbeit der Sinnlichkeit von Formen und Materialien nach.

Obschon die Bauten und Projekte des jungen Basler Architektenduos LOST sehr vielfältig sind, ist ihnen ein bodenständiges Streben nach dem Robusten, dem Einfachen und Elementaren gemeinsam. Die Architekten vertrauen der Intuition und spüren in ihrer Arbeit der Sinnlichkeit von Formen und Materialien nach.

Sie kannten zu viele Architekten, um sich für einen unter ihnen entscheiden zu können. Für den Entwurf ihres Einfamilienhauses lancierten die Auftraggeber daher einen kleinen Architekturwettbewerb unter fünf eingeladenen Büros. Damit gaben sie 1999 den entscheidenden Impuls für die Gründung des Büros LOST Architekten in Basel. Das von ihnen 2001 vollendete Einfamilienhaus in Therwil öffnet sich mit seinen beiden stumpfwinklig aneinander stossenden Gebäudeflügeln zur Aussicht auf den Höhenzug des Blauen und in das Birsigtal. Das Gefälle des Südhangs wurde genutzt, um die Doppelgarage und den Eingang an der tiefsten Stelle des Grundstücks zu placieren. Während auf der Gartenseite der Eindruck eines eingeschossigen Hauses entsteht, scheint dieses, von der Strasse her gesehen, wie auf einem Tablett zu ruhen.
Einfühlsam

Die Bauherrschaft hatte genaue räumliche Vorstellungen von ihrem künftigen Heim. Sie wünschte etwa einen grosszügigen Hauseingang, den die Architekten zu einer eigentlichen Mehrzweckhalle im Untergeschoss ausformten. Diese öffnet sich in einer raumhohen Fensterfront auf einen ummauerten Gartenhof entlang des Zufahrtsweges. Der hellrot eingefärbte Betonboden erinnert an Terrakotta. Dieser heiter wirkende Bodenbelag setzt sich bis ins Wohngeschoss fort, wo differenzierte Innenräume den alles beherrschenden Ausblick immer wieder neu inszenieren.

Die geometrische und räumliche Komplexität dieses Erstlingswerkes offenbart bereits die charakteristische Arbeitsweise der beiden ursprünglich aus Deutschland stammenden Basler Architekten, deren Büroname sich aus den Anfangsbuchstaben ihrer Nachnamen zusammensetzt. Dietrich Lohmann und Christoph Standke arbeiten - ausgehend von den Bedürfnissen ihrer Bauherren und der Analyse des Ortes - mit einer Vielzahl von Skizzen und Modellen unermüdlich an der Lösungsfindung. Als in erster Linie intuitiv gestaltende Architekten unterscheiden sie sich damit vom Typus der abstrakt denkenden Architekten, deren Idealentwurf aus einer einzigen, alles generierenden Idee besteht. Die beiden 1960 und 1966 geborenen Architekten haben in Darmstadt und an der Bauhausuniversität Weimar studiert und sind nach mehrjähriger Berufspraxis, unter anderem beim Basler Büro Herzog & de Meuron, in der Rheinstadt sesshaft geworden.

In den vergangenen Jahren haben sich LOST Architekten vor allem mit Umbauten beschäftigt, wobei sie ihr feines Gespür für das Potenzial des Vorgefundenen unter Beweis stellen. Besonders eindrücklich gelang ihnen dies beim Umbau eines Fitnesscenters in Möhlin. Der unkoordiniert im Erdgeschoss einer grossen Geschäftsliegenschaft gewachsene Betrieb wurde um ein Sportartikelgeschäft ergänzt, das gleichzeitig den neuen, repräsentativen Eingang bildet. Verschiedene Funktionen wurden in beidseitig des Raumes eingeschobene Hohlwände integriert. Die rot lackierten Wandkörper halten Abstand zur glänzend schwarzen Decke und lassen den einst banalen Raum als geheimnisvolle Hülle voller Lichtreflexe erscheinen. Eine von der Decke hängende Verkaufsvitrine, die an den Rohbau eines Eisenbahnwaggons erinnert, wirkt wie eine eigenartig verfremdete Kraftmaschine. Die vermeintlich muskulös-erotische Welt der Fitnessstudios wird in dieser gekonnten Inszenierung augenzwinkernd karikiert.

Kraftvoll

Der endgültige Durchbruch der beiden Architekten steht mit der hoffentlich baldigen Ausführung des Basler Veranstaltungs- und Kulturprojektes Kuppel im Parkraum zwischen Zoo und Heuwaage noch bevor. Das aus einem Wettbewerb hervorgegangene Siegerprojekt sieht den Ersatz eines bestehenden provisorischen Holzbaus vor, der als wichtigste überregionale Institution der Basler Klub- und Live-Musik-Szene gilt. Den geplanten Neubau konzipierten sie als einen organisch geformten Holzspantenbau mit vertikalen Lichtschlitzen. Ähnlich wie das wuchernde Rankengeflecht über der alten Kuppel legt sich über die neue Kuppel ein Geflecht aus verwobenen Holzstäben. Im Innern verborgen befindet sich der bienenkorbartige Veranstaltungsraum aus aufgestapelten, miteinander verdübelten Schwartenbrettern als Hort lauten Treibens in nächtlicher Abgeschiedenheit.

Dietrich Lohmann und Christoph Standke von LOST Architekten stellen ihre Arbeiten am 8. Juni um 18 Uhr 30 im Architekturforum Zürich am Neumarkt 15 vor.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2005.06.03



verknüpfte Akteure
Lost Architekten

06. Mai 2005Peter Omachen
Neue Zürcher Zeitung

Meister der Synergetik

Einfach und präzise reagieren die Arbeiten der neun Westschweizer Architekten, die sich im Büro Group8 Architectes zusammengefunden haben, auf die Bedingungen von Ort und Nutzung. Die spezielle Arbeitsmethode schöpft Synergien aus und stellt die Ideen der einzelnen Architekten hinter das gemeinsame Resultat.

Einfach und präzise reagieren die Arbeiten der neun Westschweizer Architekten, die sich im Büro Group8 Architectes zusammengefunden haben, auf die Bedingungen von Ort und Nutzung. Die spezielle Arbeitsmethode schöpft Synergien aus und stellt die Ideen der einzelnen Architekten hinter das gemeinsame Resultat.

Es war die alte Polizeiwache, die sie zusammengebracht hat. Acht junge Architekten zogen als fünf Arbeitsgemeinschaften gleichzeitig in die nüchternen Räume des ehemals von den Ordnungshütern genutzten Gebäudes im zentrumsnahen Genfer Gewerbequartier Les Acacias ein. Kurz darauf, im Jahr 2000, taten sie sich unter dem Namen Group8 Architectes zusammen. Die mittlerweile neun Partner heissen in typisch genferischer Namensvielfalt Laurent Ammeter, Adrien Besson, Tarramo Broennimann, Grégoire Du Pasquier, Manuel Der Hagopian, Oscar Frisk, François de Marignac, Christophe Pidoux und Daniel Zamarbide. Sie sind zwischen 1969 und 1972 geboren und haben an der Universität Genf oder an der ETH Lausanne studiert. Zu Beginn ihrer gemeinsamen Tätigkeit haben sie sich erfolgreich auf die Teilnahme an Architekturwettbewerben konzentriert. Daraus sind unter anderem zwei Grossprojekte hervorgegangen, die demnächst realisiert werden sollen.

Die von Group8 entworfene Erweiterung des WTO-Hauptsitzes in Genf wird der Welthandelsorganisation ein neues Gesicht verleihen. Der Neubau schliesst an der Rückseite des bestehenden Bürogebäudes an und blickt unmittelbar auf die Gleisanlagen des Genfer Hauptbahnhofes. Geschickt spielt der gläserne Kubus mit dem gewohnten Bild internationaler Geschäftshausarchitektur. Die zweischichtige Konstruktion mit sechs unterschiedlichen, teilweise verspiegelten Gläsern verleiht der Fassade eine überraschende Tiefe und Plastizität. Die scheinbar undurchdringliche Hülle ist auf der Höhe des querenden Strassenviaduktes ausgeschnitten und gewährt Zugang zur dahinter liegenden Empfangshalle. Ein verglaster und baumbestandener Innenhof bildet die Kommunikationsplattform des umfangreichen Gebäudekomplexes mit Büros und Konferenzräumen.

Der prägnante Entwurf erweist sich als charakteristisch für die Arbeiten von Group8 Architectes. Das Atelier pflegt mit seinen 25 Mitarbeitern eine eigenständige Arbeitsmethode. Jedes Projekt ist in der Entwicklungsphase einem Partner und drei bis vier Mitarbeitern zugeteilt, die jeweils individuell zusammengestellt werden. Einmal wöchentlich trifft man sich zur gegenseitigen Vorstellung und Diskussion der Projekte. Dieses aus der Architekturausbildung entlehnte System der Zwischenkritiken erweist sich als sehr effektiv und sichert einen hohen und konstanten Qualitätsstandard. Dies belegen die zahlreichen ausgeführten Bauten. Durch die grosse Anzahl Beteiligter können sich individuelle Gestaltungsvorlieben nur bei überzeugenden Konzepten durchsetzen. Nicht der geniale Wurf des Einzelnen, sondern die systematisch erarbeitete Lösung des Kollektivs wird angestrebt.

Ein weiterer Vorteil liegt in der möglichen Ballung der Kräfte. In der Praxis kommt es zunehmend vor, dass nach längerem Projektstillstand innert kürzester Zeit reagiert werden muss. So wartet Group8 derzeit auf grünes Licht für die Ausführung eines weiteren 50-Millionen-Projektes. Dabei handelt es sich um ein kantonales Verwaltungsgebäude für die Genfer Umweltbehörde. Die Volumetrie des siebenstöckigen Neubaus ergibt sich auch hier aus den engen Rahmenbedingungen des innerstädtischen Grundstücks und der ökonomischen Notwendigkeit einer optimalen Ausnutzung. Drei verschiedenartige Fassaden reagieren auf die vielfältige Umgebung: Zur Strasse hin weist das Gebäude eine schallabsorbierende Terracotta-Verkleidung und zum Hof hin eine Vollverglasung auf, während die sonnige Gebäuderückseite zur begrünten Fassade werden soll. Die laubwerfenden Kletterpflanzen, die das vorgestellte Rankgerüst von unten und oben bewachsen werden, spenden im Sommer Schatten und erlauben die Besonnung der Büroräume im Winter. Die gewählten Baustoffe wurden eingehend auf ihre Nachhaltigkeit geprüft.

Das Architekturbüro hat zahlreiche weitere Projekte in Bearbeitung. Die realisierten Bauten reichen von der Veterinärpraxis bis zum Hotel und vom Einfamilienhaus bis zur Fabrikanlage. Die jungen Unternehmer profitieren von der vergleichsweise geringen Architektendichte in der Westschweiz bei gleichzeitig grossem Planungsbedarf. Innert kurzer Zeit hat sich Group8 Architectes einen Namen gemacht. Man wird ihn sich merken müssen.

[ Mitglieder von Group8 stellen ihre Arbeiten am 11. Mai um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich am Neumarkt 15 vor. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2005.05.06

04. März 2005Peter Omachen
Neue Zürcher Zeitung

Leises Bauen

Zahlreich sind die neuen architektonischen Konzepte, die in den vergangenen Jahrzehnten auf die Schweiz einwirkten. Ihre Spuren sind allgegenwärtig. Das Schwyzer Architekturbüro von Beat Waeber und Daniel Dickenmann lässt sich davon nicht beeindrucken und entwickelt eine im Handwerk verwurzelte Nachkriegsmoderne weiter.

Zahlreich sind die neuen architektonischen Konzepte, die in den vergangenen Jahrzehnten auf die Schweiz einwirkten. Ihre Spuren sind allgegenwärtig. Das Schwyzer Architekturbüro von Beat Waeber und Daniel Dickenmann lässt sich davon nicht beeindrucken und entwickelt eine im Handwerk verwurzelte Nachkriegsmoderne weiter.

Unscheinbar und etwas verloren wirkt der kubische Baukörper des Sportzentrums Glarner Unterland in der Weite der Linthebene bei Näfels. Erst beim Näherkommen erkennt man die gewaltigen Dimensionen des einsam sich inmitten von Sportplätzen und freiem Umland erhebenden Bauwerks. Die Anfang der siebziger Jahre erbaute multifunktionale Anlage mit Hallenbad war nach intensiver Nutzung sanierungsbedürftig und sollte ausgebaut werden. Im Jahre 1998 gewannen Beat Waeber und Daniel Dickenmann einen zweistufigen Projektwettbewerb; am 11. März wird die erneuerte Gesamtanlage, die teilweise bereits in Betrieb ist, eingeweiht.

Muskulöse Körper

Der alte Gebäudeteil wurde vollständig in den Neubau inkorporiert. An zwei gegenüberliegenden Seiten wurde er erweitert, zwei bestehende Fensterfronten wurden ersetzt. Gegenüber dem unverändert gebliebenen Schwimmbecken sind zwei Sporthallen mit dazwischenliegendem Bühnenteil angeordnet. Neben weiteren Sport- und Freizeitangeboten gibt es ein Café, ein Restaurant und sogar einige Hotelzimmer für die Athleten. Der Haupteingang befindet sich an einer eingezogenen Gebäudeecke, die eine Vorzone von angenehmen Dimensionen schafft. Der Übergang vom landschaftlichen zum menschlichen Massstab vollendet sich im bewusst niedrig gehaltenen Windfang, der den Besucher in eine geräumige Halle entlässt. Von hier aus führt ein differenziertes Erschliessungssystem durch eine räumlich komplexe Architekturlandschaft, die aufgrund vielfältiger Durch- und Ausblicke stets überschaubar bleibt. Die verwendete Architektursprache orientiert sich an der Entstehungszeit des Kernbaus, wodurch der ganze Komplex bei gleichzeitiger Ablesbarkeit von Alt- und Neubauteilen zu einem neuen Ganzen verschmilzt. Trotz ihrer Massivität wirken die sorgfältig gestalteten Details des Innenausbaus keineswegs grob, sondern erinnern eher an die eleganten Bewegungen muskulöser Körper.

Diese Bauaufgabe war den beiden Schwyzer Architekten wie auf den Leib geschneidert. Sie lernten sich im Atelier des renommierten Zürcher Architekten Ernst Gisel kennen, wo der 1962 geborene Beat Waeber eine Atelierausbildung machte. Der drei Jahre ältere Daniel Dickenmann arbeitete dort im Anschluss an sein Architekturstudium am Technikum Winterthur. Trotz zahlreichen Studienreisen, Anstellungen und Lehraufträgen blieb die Erfahrung im Atelier Gisel bis heute prägend. Sie schlägt sich in einer Architektursprache nieder, die sich als ungebrochene Weiterentwicklung der Schweizer Nachkriegsmoderne interpretieren lässt. Charakteristisch ist auch der ganzheitliche Anspruch, auf den die beiden Architekten bei ihrer Arbeit grossen Wert legen. Sie sehen sich dem Bauherren gegenüber in einer treuhänderischen Funktion, indem sie für ihn sämtliche Aufgaben im Umfeld einer baulichen Massnahme übernehmen und diese - entgegen dem heutigen Trend - auch selber erledigen.

Sinnliche Oberflächen

Grössten Wert legen Waeber & Dickenmann auf die bauliche Umsetzung der Entwürfe. Die Materialien und Oberflächen ihrer Häuser haben einen geradezu sinnlichen Charakter. Tagelang wird etwa beim Holzhändler nach dem passenden Furnier gesucht, das die gewünschte Wirkung im Raum erzielt. Obwohl es stets sehr einfache Materialien sind, wirken sie in ihrer disziplinierten Auswahl raffiniert und edel. Kunststein, Beton, Eiche, Aluminium und Textilien vereinen sich wie selbstverständlich zu unaufdringlichen räumlichen Einheiten.

Im Jahre 1992 gründeten die beiden Architekten ihr gemeinsames Architekturbüro, das in Anlehnung an das Atelier Gisel die offene Atmosphäre einer kreativen Werkstatt hat. Seither haben sie sich an zahlreichen Wettbewerben beteiligt. Der grösste Teil ihrer ausgeführten Bauten geht auf Wettbewerbserfolge zurück. So auch die für die kantonale Verwaltung ausgeführte Erweiterung des Kollegiums Schwyz. Der neubarocke Baukomplex aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert hatte schon zahlreiche Umbauten erlitten, so dass eine gründliche Analyse des Bestandes am Anfang der Auseinandersetzung stand. Das Resultat des vor zwei Jahren abgeschlossenen Projektes vermag in allen Bereichen zu überzeugen: beim denkmalpflegerischen Umgang mit der historischen Substanz ebenso wie beim Füllen von Lücken im Altbestand und bei den eigentlichen Neubauteilen, namentlich dem freistehenden Kubus des Staatsarchivs. Der aus gelblich eingefärbten Betonelementen gefügte Neubau erinnert an eine kostbare Schatulle oder an einen Stapel Bücher und steht in einem spannungsreichen, aber unaufdringlichen Dialog mit seinem grossen Nachbarn. Der Folgeauftrag für die Sanierung und Neukonzeption der Kantonsschule in der anderen Hälfte des Gebäudekomplexes ist bereits in Bearbeitung.

Beat Waeber und Daniel Dickenmann stellen ihre Arbeiten am 9. März um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich am Neumarkt 15 vor.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2005.03.04



verknüpfte Akteure
Waeber / Dickenmann

07. Mai 2004Peter Omachen
Neue Zürcher Zeitung

Orte der Besinnung

Arbeiten von Pascale Guignard und Stefan Saner

Arbeiten von Pascale Guignard und Stefan Saner

Auf den ersten Blick sind sie unauffällig. Doch genaueres Hinsehen lohnt sich bei den Bauten, welche die Zürcher Architekten Pascale Guignard und Stefan Saner bis anhin ausgeführt haben: Im Inneren dieser Werke öffnen sich faszinierende Welten, die von raffinierten Raumfolgen und eindrücklichen Lichträumen geprägt sind.

Den beruflichen Durchbruch erzielten Pascale Guignard und Stefan Saner 1997 mit ihrem aus über 300 Projekten ausgewählten Wettbewerbsbeitrag für einen «Ort der Besinnung» an der Schweizer Nord-Süd-Autobahn. Im Hinblick auf das 150-Jahr-Jubiläum der Bundesverfassung konnten die beiden dann ihr aufsehenerregendes Erstlingswerk als zeitgemässe Interpretation einer Wegkapelle an der Raststätte der Gotthardautobahn im Urner Talboden realisieren. Ein ummauertes Geviert grenzt den vom geschäftigen Treiben etwas abgerückten Ort von seiner Umgebung ab. Auf der stilleren Flussseite zur Reuss hin bleibt das Geviert ummauerter Hof, zur stark befahrenen Autobahn hin erhebt sich ein schützender Würfel über den Umfassungsmauern.


Intensität und Leuchtkraft

Die grossen Öffnungen im Betonraster der Würfelwände sind mit grünen und braunen Altglasscherben gefüllt, die tagsüber das einfallende, nachts das abstrahlende Licht brechen. Mit Sorgfalt und Enthusiasmus haben die beiden Architekten die aufwendige Herstellung der Farbglasfenster selber entwickelt und überwacht. Der daraus resultierende Innenraum ist von beeindruckender Intensität und Leuchtkraft. Der ihn umhüllende Baukörper steht sperrig und selbstbewusst an der Raststättenausfahrt, die von diesem scheinbar zu einer Biegung gezwungen wird - ganz so, als stünde die Kapelle hier schon seit jenen Zeiten, als noch ein Saumpfad vorbeiführte.

Die Zürcherin Pascale Guignard und der Basler Stefan Saner, geboren 1969 und 1965, haben an der ETH Zürich studiert und anschliessend in verschiedenen namhaften Schweizer Architekturbüros gearbeitet - unter anderem bei Herzog & de Meuron. Seit der Gründung ihres gemeinsamen Büros im Jahre 1997 konnten sie ausser dem Ausschreiben für die Urner Autobahnkapelle weitere Wettbewerbe für sich entscheiden und verschiedene Bauten ausführen. Bemerkenswert ist die Sanierung und Erweiterung von Primarschule und Kindergarten Heubeeribühl in Zürich. Die einstmals schmucke Fünfziger-Jahre-Architektur, als eingeschossige Pavillonschule in einen sanft abfallenden Hang integriert, war im Lauf der Zeit durch zwei unsorgfältige Anbauten entstellt worden. Guignard und Saner verstanden es, beim 2002 abgeschlossenen Umbau durch eine Neuorganisation und Neugestaltung des Erweiterungstraktes dem Gebäudekomplex eine neue Identität zu verleihen. Dabei blieb der denkmalgeschützte Originalbestand in seiner Substanz und seinem Ausdruck erhalten, während der erneuerte Bereich sowohl als eigenständiges Element als auch als Teil eines Ganzen gelesen werden kann. Das plastisch verformte Dach etwa reagiert mit seinen schräg abfallenden Trauflinien auf den leichten Knick im Grundriss des Kernbaus; die Fensteranordnung ist eine raffinierte Neuinterpretation der bestehenden Regeln.

Die subtile Herangehensweise des Architektenduos manifestiert sich auch in den beiden 2003 vollendeten Zürcher Mehrfamilienhäusern an der Altstetterstrasse 278 und an der Blümlisalpstrasse 6. Beide Neubauten zeichnen sich durch individuelle, bisher nicht gesehene Grundrisse aus, die präzise auf die lärmbelasteten und aussichtsarmen Standorte reagieren. Von aussen und in ihrer Konstruktion unauffällig, überraschen die Häuser im Inneren durch aussergewöhnliche Raumfolgen und faszinierende Lichtführungen. Vor allem das Zenitallicht in sonst weitgehend geschlossenen Räumen wird in verschiedenen Bauten und Entwürfen immer wieder thematisiert und führt zu Raumerlebnissen von grosser Intensität. Es mag daher kein Zufall sein, dass Guignard und Saner gerade im heute eher selten zum Zug kommenden Sakralbau erfolgreich sind.


Strahlender Kirchenraum

Mitte Juni 2004 werden die Stimmberechtigten der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Dornach über die Realisierung eines neuen Kirchgemeindezentrums nach dem Projekt von Guignard und Saner entscheiden. Der Entwurf ist aus einem offenen, zweistufigen Wettbewerb hervorgegangen. Vorgesehen ist ein zweigeschossiger Baukörper, der auf dem weiträumigen Gelände zwischen Strasse und Pfarrhaus geschickt in das abfallende Terrain integriert ist. Auf der Eingangsseite gegen den neuen Kirchplatz hin gibt sich die Architektur mit Freitreppe, Portikus und Giebelfront in feinen, aber unmissverständlichen Anspielungen als Sakralbau zu erkennen. Auf der entgegengesetzten Seite des Pfarrhauses, ein Geschoss tiefer, entsteht ein intimer Hof, auf den sich der grosszügig befensterte Mehrzweckraum im Sockelgeschoss öffnet. Den Kern der Anlage bildet der darüber liegende, unterteilbare Kirchenraum. Er wird, mit Ausnahme eines kleinen Rundfensters beim Taufbecken, ausschliesslich von oben belichtet. Die schräg gestellten, im Hohlraum der Dachkonstruktion integrierten Lichtschächte versprechen erneut einen geheimnisvollen, in sich gekehrten Raum von grosser Intensität und Leuchtkraft.


[Guignard und Saner stellen ihre Arbeiten am 12. Mai um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich am Neumarkt 15 vor.]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2004.05.07

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Presseschau 12

02. Februar 2007Peter Omachen
Neue Zürcher Zeitung

Über das Bauen hinaus

Arbeiten von Valérie Jomini und Stanislas Zimmermann Architekten aus Burgdorf

Arbeiten von Valérie Jomini und Stanislas Zimmermann Architekten aus Burgdorf

Wenn berühmte Architekten plötzlich Möbel- und Produktedesign betreiben - handle es sich nun um Stühle, Lampen oder Schokolade-Verpackungen -, so geschieht dies zumeist als Folge einer fremden Marketingidee. Anders verhält es sich bei Valérie Jomini und Stanislas Zimmermann aus Burgdorf. Mit der Gründung des gemeinsamen Büros 1997 haben sie parallel zu ihrer Architekturarbeit mit der Entwicklung und Produktion von Möbeln unter dem Namen «it design» begonnen. Obwohl sich die beiden 1970 geborenen und an der ETH Lausanne ausgebildeten Gestalter in erster Linie als Architekten verstehen, haben sie ihre bisher grössten Erfolge dem «itbed» und der «itbox» zu verdanken. Die Möbel von «it design» lassen sich kompakt zusammenfalten oder sind in Module unterteilt. Die einzelnen Teile sind dadurch einfach zu transportieren. Das «itbed» besteht aus sieben Millimeter dickem Wellkarton, der wie ein Akkordeon gefaltet ist. Die an ein Kartenhaus erinnernde Zickzacklinie wird durch zwei Bänder stabilisiert, die längs durch die Konstruktion verlaufen.

Das Bett lässt sich zu einem handlichen Stapel zusammenschieben und bequem verstauen oder mitnehmen. Das modulare Möbelsystem «itbox» setzt sich zusammen aus acht verschiedenen Behältern aus farbig eloxiertem Aluminium. Sie können als einzelne Wandtablare oder aufeinandergestapelt als freistehende Bücherregale eingesetzt werden. Da die Elemente auf einem Modul von 72 Zentimetern basieren, sind sie auch als Tischgestell verwendbar. Beim Umzug kann der Inhalt direkt in den Behältern transportiert werden.

Die Möbel trugen Jomini Zimmermann Architekten verschiedene Preise und Stipendien ein. Sie fanden unter anderem in der neuen Schweizer Botschaft in Washington D. C. Verwendung. Der kulturelle Wert dieser Kreationen liegt nicht nur in der ansprechenden Form, sondern vor allem in der Vision einer künftigen, mobilen und ökologisch orientierten Gesellschaft begründet, die durch sie zum Ausdruck kommt.

Eines der liebsten Projekte von Valérie Jomini und Stanislas Zimmermann ist unsichtbar. Es handelt sich um die kulturelle Zwischennutzung des ehemaligen Progymnasiums im Zentrum von Bern. Diese ist auf fünf Jahre ausgelegt, bis über die weitere Verwendung des historischen Gebäudes entschieden wird. Der temporäre Betrieb von «Progr - Zentrum für Kulturproduktion» wird von der Abteilung Kulturelles und der Liegenschaftsverwaltung der Stadt Bern geleitet. Mehr als 80 ausgewählte Kulturschaffende arbeiten derzeit im ehemaligen Schulhaus. Vor allem bildende Künstler, aber auch Theaterschaffende, Musiker und Tänzer haben sich auf den 4500 Quadratmetern angesiedelt. Im ehemaligen Lehrerzimmer befindet sich eine Künstler-Dokumentationsstelle, der Chemiesaal wurde zum Fotostudio, in der Aula finden Konzerte und Ausstellungen statt, und in der ehemaligen Turnhalle ist eine Bar entstanden.

Die Aufgabe der Architekten bestand in der Beratung und Begleitung der Bauherrschaft. Dabei ging es um Fragen der optimalen Nutzungsanordnung und der erforderlichen baulichen Massnahmen, wobei stets der provisorische Charakter der Eingriffe angestrebt wurde. Bei dem partizipativen Arbeitsprozess standen vor allem soziale und kulturelle Aspekte im Vordergrund. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse fliessen in die architektonische Entwurfsarbeit ein.

Das Zweifamilienhaus Faraday im Berner Lorraine-Quartier entstand im Team zusammen mit Thomas Jomini. Die Wohnräume des kompakten, turmartigen Baus umfassen jeweils eine gesamte Etage. Sie vermitteln Geborgenheit. Der geschlossene Eindruck wird durch gerundete Gebäudekanten und den Überzug mit Kupferwellblech verstärkt. Der Aussenbezug erfolgt durch überdimensionale Lukarnen und den exponierten, zur Aare hin gerichteten Balkon. Wie die Möbel bestechen auch die Wohnhäuser der Burgdorfer Architekten durch ihre charakterstarken und kompakten Formen.

Neben ihrer praktischen Tätigkeit unterrichten Jomini und Zimmermann derzeit als Gastdozenten für Entwurf an der Berner Fachhochschule Architektur, Holz und Bau in Burgdorf. Für nächstes Jahr steht der Umbau des Eingangs- und Empfangsbereichs des Universitäts-Frauenspitals in Lausanne an.

[ Jomini Zimmermann stellen ihre Arbeiten am 14. Februar um 18 Uhr 30 im Architekturforum Zürich am Neumarkt 15 vor. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2007.02.02

03. November 2006Peter Omachen
Neue Zürcher Zeitung

Experiment und Innovation

Viele junge Schweizer Architekten entwerfen ähnlich, denn sie haben am selben Ort studiert. Die Arbeiten von UNDEND sind anders: Dieses Büro versteht es, schweizerische Architektentugenden mit einer unverkrampften Entwurfsstrategie zu bereichern.

Viele junge Schweizer Architekten entwerfen ähnlich, denn sie haben am selben Ort studiert. Die Arbeiten von UNDEND sind anders: Dieses Büro versteht es, schweizerische Architektentugenden mit einer unverkrampften Entwurfsstrategie zu bereichern.

Bis in die achtziger Jahre nutzte die ETH Zürich ihre traditionelle Führungsposition in der Deutschschweizer Architekturausbildung für die Verbreitung des Gedankenguts der klassischen Moderne. Seit den neunziger Jahren ist eine kontinuierliche Öffnung der Hochschule insbesondere zum angelsächsischen Raum hin zu beobachten. Sie geht einher mit einer zunehmenden Mobilität der Studierenden, die ihre Ausbildung immer häufiger auf verschiedenen Kontinenten absolvieren. Diese Verlagerung beginnt sich nun auch auf die gebaute Architektur in der Deutschschweiz auszuwirken insbesondere im Raum Zürich, der in vielfacher Hinsicht Drehscheibe des internationalen Gedankenaustauschs ist.

Angelsächsischer Einfluss

Das Zürcher Büro UNDEND ist ein typisches Produkt dieser Entwicklung. Bezeichnenderweise gehören die fünf Partner mit den Jahrgängen 1964 bis 1978 derzeit zu den erfolgreichsten Zürcher Architekten der jüngsten Generation. Dieter Dietz, Urs Egg, Christian Meili, Raffael Baur und Dieter Vischer haben ihre Ausbildungen an der New Yorker Cooper Union School of Architecture und an der ETH Zürich absolviert. 1997 von zwei Partnern gegründet, besteht UNDEND derzeit aus acht Mitarbeitern. - Der schweizerisch-angelsächsische Einfluss ist bei ihren Bauten und Projekten unverkennbar. Das sorgfältige Analysieren des Ortes und seiner Geschichte sind typische Schweizer Architektentugenden. Ebenso sind die gewissenhafte Konstruktion und die sorgfältige Detaillierung vertraute Attribute der hiesigen Architektur. Etwas ungewohnter sind der experimentelle Zugang und das permanente Hinterfragen von Konventionen und Werthierarchien, die in den Arbeiten von UNDEND für Irritationen sorgen. Diese flexible Strategie scheint sich bei schwierigen Ausgangslagen zu bewähren, wie etwa beim «Haus Eins» in Bülach. Bei diesem 2005 fertiggestellten grossen Geschäfts- und Gewerbebau in der Nähe des Flughafens war zu Planungsbeginn vieles noch offen: Grösse und Nutzung waren ebenso unbestimmt wie die künftige bauliche Umgebung dieses ersten Gebäudes auf dem Gelände.

Die Architekten suchten sich ihre Bezugspunkte in der grossräumigen Topographie und in den Spuren der römischen Vergangenheit. Das Ergebnis ist ein Gebäude, dessen orthogonales System durch Schrägen und spitze Winkel durchbrochen wird. Um für jede Gebäudehöhe gestalterisch gewappnet zu sein, wurde ein Fenstersystem aus vertikalen Bändern beliebiger Länge gewählt, die oben wie abgeschnitten als Brüstungselemente des Flachdachs enden. Hier bewährte sich eine Vorgehensweise, die UNDEND regelmässig anwenden: Sie hatten das System im Rahmen eines früheren Wettbewerbsprojekts entwickelt nun kam es erstmals zum Einsatz.

Während der Bauarbeiten mussten die Architekten sich laufend auf wechselnde Investoren und Nutzungsanforderungen einstellen. Diese Herausforderung, die für konventionelle Architekten ein Albtraum ist, nahmen die Partner von UNDEND spielerisch an. Das Ergebnis dieses fortschreitenden Prozesses ist ein heterogener Gebäudekomplex, der seine architektonische Prägnanz dem Zusammenspiel von klaren Regeln und freier, der konstruktiven Logik des Stahlbaus folgender Gestaltung bezieht. Das charaktervolle Haus hat die Kraft eines Ausgangspunktes und Identifikationsobjektes der neuen Siedlung.

Baukünstlerischer Mehrwert

Der experimentelle Ansatz manifestiert sich auch in der Arbeitsorganisation. Im Atelier werden die laufenden Projekte nicht einzelnen Mitarbeitenden, sondern einzelnen Tischen zugeteilt. So entstehen durch vielfältige Beiträge kollektive Produkte und eine ausdrucksstarke und unverwechselbare Architektur jenseits persönlicher Vorlieben. Dies kommt auch bei kleinen Bauten zum Ausdruck wie etwa einem Garagenanbau für ein Einfamilienhaus aus den sechziger Jahren in Bülach. Die wenigen Elemente fügen sich zu einem überzeugenden Objekt, das wie zufällig der ihm zugedachten Nutzung dient. Über die banale Zweckerfüllung hinaus wird ein unerwarteter, baukünstlerischer Mehrwert generiert.

Derzeit beschäftigen sich die Architekten von UNDEND mit der Planung der Wohnsiedlung Rautistrasse in Zürich Altstetten. Das Projekt mit 7 Mietshäusern und insgesamt 105 preisgünstigen Wohnungen ist aus einem Wettbewerb hervorgegangen und soll ab 2008 realisiert werden. Die roten Quader mit ihren abgeschrägten Kanten und Ecken wirken wie gigantische, abgestellte Reisekoffer. Das ungewohnte Erscheinungsbild beruht einmal mehr nicht auf Vorbildern, sondern auf dem Entstehungsprozess. Die unkonventionelle Entwurfsmethode darf als flexibles Zukunftsmodell für einen immer komplexeren Bauprozess gelten.

[ Die Architekten von UNDEND stellen ihre Arbeiten am 8. November um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich vor. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2006.11.03

03. Februar 2006Peter Omachen
Neue Zürcher Zeitung

Von aussen betrachtet

Die Bauten und Projekte des in Aarau und Zürich tätigen Dreierteams Ernst Niklaus Fausch Architekten sind in erster Linie aus den Bedingungen des Aussenraums heraus entwickelt. Sie respektieren den Bestand und sind zudem geprägt von einem übergeordneten Interesse an landschaftsgestalterischen und städtebaulichen Fragen.

Die Bauten und Projekte des in Aarau und Zürich tätigen Dreierteams Ernst Niklaus Fausch Architekten sind in erster Linie aus den Bedingungen des Aussenraums heraus entwickelt. Sie respektieren den Bestand und sind zudem geprägt von einem übergeordneten Interesse an landschaftsgestalterischen und städtebaulichen Fragen.

Eigentlich wollte die Lehrerschaft des Schulhauses Nordstrasse eine Lärmschutzwand. Die Emissionen der unmittelbar vorbeiführenden Rosengartenstrasse, einer Haupttransitachse von Zürich, waren unerträglich geworden. Die Architekten schlugen stattdessen eine gedeckte Pausenhalle vor. Spätestens seit diese von den Primarschülern genutzt wird, hat sich die anfängliche Skepsis in Begeisterung verwandelt. Wie ein angewinkelter Arm legt sich der Betonbau schützend um den erhöht liegenden Schulhausplatz. Der Zugang erfolgt über die symmetrische Treppenanlage in der Hauptachse des spätklassizistischen Gebäudes. Durch eine torartige Öffnung wird diese in den Neubau hineingeführt, wo sie entlang einer schallabsorbierenden Wand seitlich emporsteigt. Die Innenseite dieses «Bollwerks» ist mit Holzplatten in einem warmen Rot verkleidet; die als Sitznischen ausgebildeten, verglasten Fensteröffnungen sind mit Lärchenholz eingefasst. Farben, Formen und Materialien sind konsequent aus der Entwurfsidee heraus entwickelt. Nebst ihrem eigentlichen Schutzzweck verwandelt die hofseitig offene Pausenhalle die einst trostlose Umgebung in einen qualitätvollen Aussenraum.

Die Stadtlandschaft gestalten

Dieses kleine Objekt ist charakteristisch für die Arbeiten von Bertram Ernst, Erich Niklaus und Ursina Fausch. Ausgangspunkt ihrer Entwürfe ist stets der Aussenraum mit seinen bestehenden Strukturen, die städtebauliche und landschaftsarchitektonische Umgebung. So entstehen Bauten, die in einer starken Wechselbeziehung zu ihrem Umfeld stehen. Kennen gelernt haben sich die drei 1966 und 1967 geborenen Architekten bereits während ihres Studiums an der ETH Zürich. Die Lehr- und Wanderjahre verbrachten sie in renommierten Büros; so hat Bertram Ernst unter anderem bei den Landschaftsarchitekten Kienast Vogt Partner in Zürich gearbeitet. 1997 gründeten er und Erich Niklaus ein eigenes Büro; seit 2001 ergänzt Ursina Fausch das Team.

Zusammengebracht hat die drei jungen Architekten ein spektakulärer Grosserfolg: Beim internationalen städtebaulichen Wettbewerb für die Bebauung des DB-Güterbahnhofareals in Basel errang ihr Vorschlag 1997 unter rund 300 eingereichten Projekten den zweiten Platz; aus der Weiterbearbeitung, zu der noch 25 Teams eingeladen wurden, gingen sie 2001 schliesslich als Sieger hervor. Ihr Entwurf für ein neues Stadtquartier am Rande Kleinbasels sieht die Bebauung der Ränder in gemischter Nutzung vor. In der Mitte des Areals soll ein grosser Park entstehen, der sich gegen das angrenzende Naherholungsgebiet öffnet. Die ehemalige Kantine der Rangierarbeiter bleibt als Parkrestaurant erhalten. Das städtebauliche Projekt, das in Zusammenarbeit mit dem Zürcher Landschaftsarchitekten Raymond Vogel entstanden ist, soll von verschiedenen Planungsbüros in den nächsten 20 Jahren umgesetzt werden. Vorerst konnten Ernst Niklaus Fausch Architekten das denkmalgeschützte Zollabfertigungsgebäude auf dem Areal in eine Privatschule umbauen. Mit kleinen, aber präzisen Massnahmen haben sie den Verwaltungsbau zu einem kinderfreundlichen Ort gemacht.

Der sorgfältige Umgang mit bestehender Substanz spielte auch bei der soeben fertig gestellten Sanierung und Erweiterung des Bezirksschulhauses im aargauischen Unterkulm eine zentrale Rolle. Auch hier ging der Entwurf von der Betrachtung der Aussenräume aus. Dadurch konnte der ideale Ort für den Anbau bestimmt werden. Das sanierungsbedürftige Gebäude aus den siebziger Jahren wurde geschickt in die Anlage einbezogen, so dass sein innenräumliches Potenzial voll zur Geltung kommt. Die neue Glasfassade hingegen entspricht den zeitgemässen Anforderungen und verleiht dem ehemals ungeliebten Bau ein neues Gesicht.

Baureife Projekte

Nicht zuletzt dank ihrem fulminanten Einstieg in die Selbständigkeit mit dem Basler Grossprojekt werden Ernst Niklaus Fausch Architekten gerne zu Wettbewerben und Studienaufträgen eingeladen. Aus den Erfolgen ist unter anderem eine ganze Reihe von baureifen Projekten für grosse Wohn- und Geschäftsüberbauungen in den Kantonen Aargau und Zürich entstanden, die ab diesem Jahr realisiert werden. Auch auf die bevorstehende Sanierung des denkmalgeschützten Zürcher Hallenbades City durch Ernst Niklaus Fausch darf man gespannt sein.

[ Bertram Ernst, Erich Niklaus und Ursina Fausch präsentieren ihre Arbeiten am 8. Februar um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich am Neumarkt 15 im Rahmen eines Vortrags. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2006.02.03

07. Oktober 2005Peter Omachen
Neue Zürcher Zeitung

Aufspüren des Unscheinbaren

Obschon sie auf den ersten Blick unspektakulär erscheinen, überraschen die Bauten und Projekte von Rolf Meier und Martin Leder aus Baden durch ihre überzeugend einfachen und konsequent umgesetzten Ideen. Diese werden aus dem Vorgefundenen entwickelt. Dabei verzichten die Architekten auf jede Effekthascherei.

Obschon sie auf den ersten Blick unspektakulär erscheinen, überraschen die Bauten und Projekte von Rolf Meier und Martin Leder aus Baden durch ihre überzeugend einfachen und konsequent umgesetzten Ideen. Diese werden aus dem Vorgefundenen entwickelt. Dabei verzichten die Architekten auf jede Effekthascherei.

Es war eine bescheidene Bauaufgabe: der Ersatzbau für das Pfadiheim Baregg in Baden. Die alte Holzbaracke an der Waldlichtung nahe der Limmat sollte einem grösseren Neubau weichen. Das 2004 ausgeführte Projekt ist als Bestes aus einem Studienauftrag hervorgegangen, der an mehrere Architekten erteilt wurde. Das daraus entstandene Gebäude hat die Form eines schiefwinkligen Quaders mit einem über die Diagonale abfallenden Pultdach. An einer Seite erscheint das Volumen ausgeschnitten und gibt damit einen gedeckten Aussenbereich gegen die Lichtung frei. Tief liegende Fenster suggerieren eine dickwandige Konstruktion, wodurch der Ausdruck einer einfachen Hütte trotz der unregelmässigen, sägerohen Fichtenschalung geschickt vermieden wird. Im Innern entpuppt sich das ungewohnte Erscheinungsbild als kluge Lösung für das Stauraumproblem - das Gebäude wurde nicht unterkellert -: Fast alle Aussenwände konnten mit Einbauschränken belegt werden. Die Fenster sind in derselben Ebene angeordnet wie die raumhohen Schrankfronten. Mit ihren gedämpften Gelb- und Grüntönen orientieren sich die Oberflächen an den Farben der Natur.

Raffiniert und robust

Die Architekten vergleichen ihr Werk mit einem Taschenmesser: raffiniert gearbeitet und doch robust. Diese Charakteristik zieht sich wie ein roter Faden durch alle Bauten und Projekte von Rolf Meier und Martin Leder. 1968 und 1973 geboren, haben sich die beiden Aargauer nach ihren Studien an der ETH Zürich und der damaligen HTL Brugg-Windisch bei Anstellungen in Baden kennen gelernt. 2001 gründeten sie ihr gemeinsames Büro, das sich seither durch eine erfolgreiche Wettbewerbstätigkeit auszeichnet.

Die Arbeiten von Meier und Leder sind stets unspektakulär. Einfach konzipierte, aber mitunter sehr komplexe Baukörper folgen übergeordneten Themen und sind dabei offensichtlich räumlich gedacht. Dies äussert sich unter anderem in der Leidenschaft für das Entwerfen im Schnitt. Immer wieder tauchen in den Plänen schiefe Winkel auf - nicht aus formalen Gründen, sondern als beabsichtigte Bereicherung der Raumfolgen. Die Architekten fühlen sich in ihrer Arbeit der Bautradition verpflichtet. Sie entwickeln die Projekte als ganzheitliche Lösungen aus dem Bestand heraus und folgen dabei gleichermassen der Logik von Material und Konstruktion, wie sie ihre inneren Bilder und Stimmungen umzusetzen suchen. Ziel ist das Aufspüren des Unscheinbaren; ihre Architektur will berühren.

Dies gelingt auch beim Umbau der Werkschaltanlage des Wasserkraftwerkes Beznau. Der 1932 erstellte, viergeschossige Erweiterungsbau am Industriemonument der Jahrhundertwende hatte seine ursprüngliche Funktion verloren und sollte zu Werkstätten, Lagerräumen und Büros umgenutzt werden. Durch transluzente Trennelemente aus Gussglas bleiben die eindrucksvollen Raumdimensionen und die Stimmungseigenschaften der unverkleideten Stahlkonstruktion präsent. Die geschosshohen Metalldrehtüren vermögen in ihren eindrucksvollen Dimensionen der Dynamik des Raumes standzuhalten und verleihen der Büroetage ungeahnte Würde und Grosszügigkeit.

Markant und passgenau

Derzeit arbeiten Meier und Leder an einem städtebaulichen Entwurf für ein Gebiet am Rand der Badener Altstadt. Es handelt sich um die Placierung zweier Wohn- und Geschäftshäuser an einer neu zu schaffenden Fussgängerverbindung vom Theaterplatz in die untere Altstadt. Das Projekt geht auf einen ersten Preis in einem Studienauftrag zurück, der seinen Ursprung in einem spektakulären, nun schon zehn Jahre zurückliegenden Wettbewerbserfolg von Rolf Meier hat, der damals noch Student war. Das aktuelle Projekt in steiler Hanglage über dem Fluss will den zugebauten mittelalterlichen Stadtgraben wieder erlebbar machen. Dazu werden passgenaue Baukörper erstellt, die gleichzeitig markante Neubauten sind und sich dennoch perfekt in die historisch gewachsene Situation eingliedern.

Es ist bedauerlich, dass die Badener Architekten bisher nur wenige ihrer zahlreichen Wettbewerbserfolge umsetzen konnten. Dies wirft ein ungünstiges Licht auf die Veranstalter solcher Konkurrenzen, die sich nicht immer über ihre Verantwortung und die ungenutzten Chancen im Klaren zu sein scheinen.

[ Rolf Meier und Martin Leder stellen ihre Arbeiten am 12. Oktober um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich am Neumarkt 15 vor. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2005.10.07

03. Juni 2005Peter Omachen
Neue Zürcher Zeitung

Intuitives Gestalten

Obschon die Bauten und Projekte des jungen Basler Architektenduos LOST sehr vielfältig sind, ist ihnen ein bodenständiges Streben nach dem Robusten, dem Einfachen und Elementaren gemeinsam. Die Architekten vertrauen der Intuition und spüren in ihrer Arbeit der Sinnlichkeit von Formen und Materialien nach.

Obschon die Bauten und Projekte des jungen Basler Architektenduos LOST sehr vielfältig sind, ist ihnen ein bodenständiges Streben nach dem Robusten, dem Einfachen und Elementaren gemeinsam. Die Architekten vertrauen der Intuition und spüren in ihrer Arbeit der Sinnlichkeit von Formen und Materialien nach.

Sie kannten zu viele Architekten, um sich für einen unter ihnen entscheiden zu können. Für den Entwurf ihres Einfamilienhauses lancierten die Auftraggeber daher einen kleinen Architekturwettbewerb unter fünf eingeladenen Büros. Damit gaben sie 1999 den entscheidenden Impuls für die Gründung des Büros LOST Architekten in Basel. Das von ihnen 2001 vollendete Einfamilienhaus in Therwil öffnet sich mit seinen beiden stumpfwinklig aneinander stossenden Gebäudeflügeln zur Aussicht auf den Höhenzug des Blauen und in das Birsigtal. Das Gefälle des Südhangs wurde genutzt, um die Doppelgarage und den Eingang an der tiefsten Stelle des Grundstücks zu placieren. Während auf der Gartenseite der Eindruck eines eingeschossigen Hauses entsteht, scheint dieses, von der Strasse her gesehen, wie auf einem Tablett zu ruhen.
Einfühlsam

Die Bauherrschaft hatte genaue räumliche Vorstellungen von ihrem künftigen Heim. Sie wünschte etwa einen grosszügigen Hauseingang, den die Architekten zu einer eigentlichen Mehrzweckhalle im Untergeschoss ausformten. Diese öffnet sich in einer raumhohen Fensterfront auf einen ummauerten Gartenhof entlang des Zufahrtsweges. Der hellrot eingefärbte Betonboden erinnert an Terrakotta. Dieser heiter wirkende Bodenbelag setzt sich bis ins Wohngeschoss fort, wo differenzierte Innenräume den alles beherrschenden Ausblick immer wieder neu inszenieren.

Die geometrische und räumliche Komplexität dieses Erstlingswerkes offenbart bereits die charakteristische Arbeitsweise der beiden ursprünglich aus Deutschland stammenden Basler Architekten, deren Büroname sich aus den Anfangsbuchstaben ihrer Nachnamen zusammensetzt. Dietrich Lohmann und Christoph Standke arbeiten - ausgehend von den Bedürfnissen ihrer Bauherren und der Analyse des Ortes - mit einer Vielzahl von Skizzen und Modellen unermüdlich an der Lösungsfindung. Als in erster Linie intuitiv gestaltende Architekten unterscheiden sie sich damit vom Typus der abstrakt denkenden Architekten, deren Idealentwurf aus einer einzigen, alles generierenden Idee besteht. Die beiden 1960 und 1966 geborenen Architekten haben in Darmstadt und an der Bauhausuniversität Weimar studiert und sind nach mehrjähriger Berufspraxis, unter anderem beim Basler Büro Herzog & de Meuron, in der Rheinstadt sesshaft geworden.

In den vergangenen Jahren haben sich LOST Architekten vor allem mit Umbauten beschäftigt, wobei sie ihr feines Gespür für das Potenzial des Vorgefundenen unter Beweis stellen. Besonders eindrücklich gelang ihnen dies beim Umbau eines Fitnesscenters in Möhlin. Der unkoordiniert im Erdgeschoss einer grossen Geschäftsliegenschaft gewachsene Betrieb wurde um ein Sportartikelgeschäft ergänzt, das gleichzeitig den neuen, repräsentativen Eingang bildet. Verschiedene Funktionen wurden in beidseitig des Raumes eingeschobene Hohlwände integriert. Die rot lackierten Wandkörper halten Abstand zur glänzend schwarzen Decke und lassen den einst banalen Raum als geheimnisvolle Hülle voller Lichtreflexe erscheinen. Eine von der Decke hängende Verkaufsvitrine, die an den Rohbau eines Eisenbahnwaggons erinnert, wirkt wie eine eigenartig verfremdete Kraftmaschine. Die vermeintlich muskulös-erotische Welt der Fitnessstudios wird in dieser gekonnten Inszenierung augenzwinkernd karikiert.

Kraftvoll

Der endgültige Durchbruch der beiden Architekten steht mit der hoffentlich baldigen Ausführung des Basler Veranstaltungs- und Kulturprojektes Kuppel im Parkraum zwischen Zoo und Heuwaage noch bevor. Das aus einem Wettbewerb hervorgegangene Siegerprojekt sieht den Ersatz eines bestehenden provisorischen Holzbaus vor, der als wichtigste überregionale Institution der Basler Klub- und Live-Musik-Szene gilt. Den geplanten Neubau konzipierten sie als einen organisch geformten Holzspantenbau mit vertikalen Lichtschlitzen. Ähnlich wie das wuchernde Rankengeflecht über der alten Kuppel legt sich über die neue Kuppel ein Geflecht aus verwobenen Holzstäben. Im Innern verborgen befindet sich der bienenkorbartige Veranstaltungsraum aus aufgestapelten, miteinander verdübelten Schwartenbrettern als Hort lauten Treibens in nächtlicher Abgeschiedenheit.

Dietrich Lohmann und Christoph Standke von LOST Architekten stellen ihre Arbeiten am 8. Juni um 18 Uhr 30 im Architekturforum Zürich am Neumarkt 15 vor.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2005.06.03



verknüpfte Akteure
Lost Architekten

06. Mai 2005Peter Omachen
Neue Zürcher Zeitung

Meister der Synergetik

Einfach und präzise reagieren die Arbeiten der neun Westschweizer Architekten, die sich im Büro Group8 Architectes zusammengefunden haben, auf die Bedingungen von Ort und Nutzung. Die spezielle Arbeitsmethode schöpft Synergien aus und stellt die Ideen der einzelnen Architekten hinter das gemeinsame Resultat.

Einfach und präzise reagieren die Arbeiten der neun Westschweizer Architekten, die sich im Büro Group8 Architectes zusammengefunden haben, auf die Bedingungen von Ort und Nutzung. Die spezielle Arbeitsmethode schöpft Synergien aus und stellt die Ideen der einzelnen Architekten hinter das gemeinsame Resultat.

Es war die alte Polizeiwache, die sie zusammengebracht hat. Acht junge Architekten zogen als fünf Arbeitsgemeinschaften gleichzeitig in die nüchternen Räume des ehemals von den Ordnungshütern genutzten Gebäudes im zentrumsnahen Genfer Gewerbequartier Les Acacias ein. Kurz darauf, im Jahr 2000, taten sie sich unter dem Namen Group8 Architectes zusammen. Die mittlerweile neun Partner heissen in typisch genferischer Namensvielfalt Laurent Ammeter, Adrien Besson, Tarramo Broennimann, Grégoire Du Pasquier, Manuel Der Hagopian, Oscar Frisk, François de Marignac, Christophe Pidoux und Daniel Zamarbide. Sie sind zwischen 1969 und 1972 geboren und haben an der Universität Genf oder an der ETH Lausanne studiert. Zu Beginn ihrer gemeinsamen Tätigkeit haben sie sich erfolgreich auf die Teilnahme an Architekturwettbewerben konzentriert. Daraus sind unter anderem zwei Grossprojekte hervorgegangen, die demnächst realisiert werden sollen.

Die von Group8 entworfene Erweiterung des WTO-Hauptsitzes in Genf wird der Welthandelsorganisation ein neues Gesicht verleihen. Der Neubau schliesst an der Rückseite des bestehenden Bürogebäudes an und blickt unmittelbar auf die Gleisanlagen des Genfer Hauptbahnhofes. Geschickt spielt der gläserne Kubus mit dem gewohnten Bild internationaler Geschäftshausarchitektur. Die zweischichtige Konstruktion mit sechs unterschiedlichen, teilweise verspiegelten Gläsern verleiht der Fassade eine überraschende Tiefe und Plastizität. Die scheinbar undurchdringliche Hülle ist auf der Höhe des querenden Strassenviaduktes ausgeschnitten und gewährt Zugang zur dahinter liegenden Empfangshalle. Ein verglaster und baumbestandener Innenhof bildet die Kommunikationsplattform des umfangreichen Gebäudekomplexes mit Büros und Konferenzräumen.

Der prägnante Entwurf erweist sich als charakteristisch für die Arbeiten von Group8 Architectes. Das Atelier pflegt mit seinen 25 Mitarbeitern eine eigenständige Arbeitsmethode. Jedes Projekt ist in der Entwicklungsphase einem Partner und drei bis vier Mitarbeitern zugeteilt, die jeweils individuell zusammengestellt werden. Einmal wöchentlich trifft man sich zur gegenseitigen Vorstellung und Diskussion der Projekte. Dieses aus der Architekturausbildung entlehnte System der Zwischenkritiken erweist sich als sehr effektiv und sichert einen hohen und konstanten Qualitätsstandard. Dies belegen die zahlreichen ausgeführten Bauten. Durch die grosse Anzahl Beteiligter können sich individuelle Gestaltungsvorlieben nur bei überzeugenden Konzepten durchsetzen. Nicht der geniale Wurf des Einzelnen, sondern die systematisch erarbeitete Lösung des Kollektivs wird angestrebt.

Ein weiterer Vorteil liegt in der möglichen Ballung der Kräfte. In der Praxis kommt es zunehmend vor, dass nach längerem Projektstillstand innert kürzester Zeit reagiert werden muss. So wartet Group8 derzeit auf grünes Licht für die Ausführung eines weiteren 50-Millionen-Projektes. Dabei handelt es sich um ein kantonales Verwaltungsgebäude für die Genfer Umweltbehörde. Die Volumetrie des siebenstöckigen Neubaus ergibt sich auch hier aus den engen Rahmenbedingungen des innerstädtischen Grundstücks und der ökonomischen Notwendigkeit einer optimalen Ausnutzung. Drei verschiedenartige Fassaden reagieren auf die vielfältige Umgebung: Zur Strasse hin weist das Gebäude eine schallabsorbierende Terracotta-Verkleidung und zum Hof hin eine Vollverglasung auf, während die sonnige Gebäuderückseite zur begrünten Fassade werden soll. Die laubwerfenden Kletterpflanzen, die das vorgestellte Rankgerüst von unten und oben bewachsen werden, spenden im Sommer Schatten und erlauben die Besonnung der Büroräume im Winter. Die gewählten Baustoffe wurden eingehend auf ihre Nachhaltigkeit geprüft.

Das Architekturbüro hat zahlreiche weitere Projekte in Bearbeitung. Die realisierten Bauten reichen von der Veterinärpraxis bis zum Hotel und vom Einfamilienhaus bis zur Fabrikanlage. Die jungen Unternehmer profitieren von der vergleichsweise geringen Architektendichte in der Westschweiz bei gleichzeitig grossem Planungsbedarf. Innert kurzer Zeit hat sich Group8 Architectes einen Namen gemacht. Man wird ihn sich merken müssen.

[ Mitglieder von Group8 stellen ihre Arbeiten am 11. Mai um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich am Neumarkt 15 vor. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2005.05.06

04. März 2005Peter Omachen
Neue Zürcher Zeitung

Leises Bauen

Zahlreich sind die neuen architektonischen Konzepte, die in den vergangenen Jahrzehnten auf die Schweiz einwirkten. Ihre Spuren sind allgegenwärtig. Das Schwyzer Architekturbüro von Beat Waeber und Daniel Dickenmann lässt sich davon nicht beeindrucken und entwickelt eine im Handwerk verwurzelte Nachkriegsmoderne weiter.

Zahlreich sind die neuen architektonischen Konzepte, die in den vergangenen Jahrzehnten auf die Schweiz einwirkten. Ihre Spuren sind allgegenwärtig. Das Schwyzer Architekturbüro von Beat Waeber und Daniel Dickenmann lässt sich davon nicht beeindrucken und entwickelt eine im Handwerk verwurzelte Nachkriegsmoderne weiter.

Unscheinbar und etwas verloren wirkt der kubische Baukörper des Sportzentrums Glarner Unterland in der Weite der Linthebene bei Näfels. Erst beim Näherkommen erkennt man die gewaltigen Dimensionen des einsam sich inmitten von Sportplätzen und freiem Umland erhebenden Bauwerks. Die Anfang der siebziger Jahre erbaute multifunktionale Anlage mit Hallenbad war nach intensiver Nutzung sanierungsbedürftig und sollte ausgebaut werden. Im Jahre 1998 gewannen Beat Waeber und Daniel Dickenmann einen zweistufigen Projektwettbewerb; am 11. März wird die erneuerte Gesamtanlage, die teilweise bereits in Betrieb ist, eingeweiht.

Muskulöse Körper

Der alte Gebäudeteil wurde vollständig in den Neubau inkorporiert. An zwei gegenüberliegenden Seiten wurde er erweitert, zwei bestehende Fensterfronten wurden ersetzt. Gegenüber dem unverändert gebliebenen Schwimmbecken sind zwei Sporthallen mit dazwischenliegendem Bühnenteil angeordnet. Neben weiteren Sport- und Freizeitangeboten gibt es ein Café, ein Restaurant und sogar einige Hotelzimmer für die Athleten. Der Haupteingang befindet sich an einer eingezogenen Gebäudeecke, die eine Vorzone von angenehmen Dimensionen schafft. Der Übergang vom landschaftlichen zum menschlichen Massstab vollendet sich im bewusst niedrig gehaltenen Windfang, der den Besucher in eine geräumige Halle entlässt. Von hier aus führt ein differenziertes Erschliessungssystem durch eine räumlich komplexe Architekturlandschaft, die aufgrund vielfältiger Durch- und Ausblicke stets überschaubar bleibt. Die verwendete Architektursprache orientiert sich an der Entstehungszeit des Kernbaus, wodurch der ganze Komplex bei gleichzeitiger Ablesbarkeit von Alt- und Neubauteilen zu einem neuen Ganzen verschmilzt. Trotz ihrer Massivität wirken die sorgfältig gestalteten Details des Innenausbaus keineswegs grob, sondern erinnern eher an die eleganten Bewegungen muskulöser Körper.

Diese Bauaufgabe war den beiden Schwyzer Architekten wie auf den Leib geschneidert. Sie lernten sich im Atelier des renommierten Zürcher Architekten Ernst Gisel kennen, wo der 1962 geborene Beat Waeber eine Atelierausbildung machte. Der drei Jahre ältere Daniel Dickenmann arbeitete dort im Anschluss an sein Architekturstudium am Technikum Winterthur. Trotz zahlreichen Studienreisen, Anstellungen und Lehraufträgen blieb die Erfahrung im Atelier Gisel bis heute prägend. Sie schlägt sich in einer Architektursprache nieder, die sich als ungebrochene Weiterentwicklung der Schweizer Nachkriegsmoderne interpretieren lässt. Charakteristisch ist auch der ganzheitliche Anspruch, auf den die beiden Architekten bei ihrer Arbeit grossen Wert legen. Sie sehen sich dem Bauherren gegenüber in einer treuhänderischen Funktion, indem sie für ihn sämtliche Aufgaben im Umfeld einer baulichen Massnahme übernehmen und diese - entgegen dem heutigen Trend - auch selber erledigen.

Sinnliche Oberflächen

Grössten Wert legen Waeber & Dickenmann auf die bauliche Umsetzung der Entwürfe. Die Materialien und Oberflächen ihrer Häuser haben einen geradezu sinnlichen Charakter. Tagelang wird etwa beim Holzhändler nach dem passenden Furnier gesucht, das die gewünschte Wirkung im Raum erzielt. Obwohl es stets sehr einfache Materialien sind, wirken sie in ihrer disziplinierten Auswahl raffiniert und edel. Kunststein, Beton, Eiche, Aluminium und Textilien vereinen sich wie selbstverständlich zu unaufdringlichen räumlichen Einheiten.

Im Jahre 1992 gründeten die beiden Architekten ihr gemeinsames Architekturbüro, das in Anlehnung an das Atelier Gisel die offene Atmosphäre einer kreativen Werkstatt hat. Seither haben sie sich an zahlreichen Wettbewerben beteiligt. Der grösste Teil ihrer ausgeführten Bauten geht auf Wettbewerbserfolge zurück. So auch die für die kantonale Verwaltung ausgeführte Erweiterung des Kollegiums Schwyz. Der neubarocke Baukomplex aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert hatte schon zahlreiche Umbauten erlitten, so dass eine gründliche Analyse des Bestandes am Anfang der Auseinandersetzung stand. Das Resultat des vor zwei Jahren abgeschlossenen Projektes vermag in allen Bereichen zu überzeugen: beim denkmalpflegerischen Umgang mit der historischen Substanz ebenso wie beim Füllen von Lücken im Altbestand und bei den eigentlichen Neubauteilen, namentlich dem freistehenden Kubus des Staatsarchivs. Der aus gelblich eingefärbten Betonelementen gefügte Neubau erinnert an eine kostbare Schatulle oder an einen Stapel Bücher und steht in einem spannungsreichen, aber unaufdringlichen Dialog mit seinem grossen Nachbarn. Der Folgeauftrag für die Sanierung und Neukonzeption der Kantonsschule in der anderen Hälfte des Gebäudekomplexes ist bereits in Bearbeitung.

Beat Waeber und Daniel Dickenmann stellen ihre Arbeiten am 9. März um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich am Neumarkt 15 vor.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2005.03.04



verknüpfte Akteure
Waeber / Dickenmann

07. Mai 2004Peter Omachen
Neue Zürcher Zeitung

Orte der Besinnung

Arbeiten von Pascale Guignard und Stefan Saner

Arbeiten von Pascale Guignard und Stefan Saner

Auf den ersten Blick sind sie unauffällig. Doch genaueres Hinsehen lohnt sich bei den Bauten, welche die Zürcher Architekten Pascale Guignard und Stefan Saner bis anhin ausgeführt haben: Im Inneren dieser Werke öffnen sich faszinierende Welten, die von raffinierten Raumfolgen und eindrücklichen Lichträumen geprägt sind.

Den beruflichen Durchbruch erzielten Pascale Guignard und Stefan Saner 1997 mit ihrem aus über 300 Projekten ausgewählten Wettbewerbsbeitrag für einen «Ort der Besinnung» an der Schweizer Nord-Süd-Autobahn. Im Hinblick auf das 150-Jahr-Jubiläum der Bundesverfassung konnten die beiden dann ihr aufsehenerregendes Erstlingswerk als zeitgemässe Interpretation einer Wegkapelle an der Raststätte der Gotthardautobahn im Urner Talboden realisieren. Ein ummauertes Geviert grenzt den vom geschäftigen Treiben etwas abgerückten Ort von seiner Umgebung ab. Auf der stilleren Flussseite zur Reuss hin bleibt das Geviert ummauerter Hof, zur stark befahrenen Autobahn hin erhebt sich ein schützender Würfel über den Umfassungsmauern.


Intensität und Leuchtkraft

Die grossen Öffnungen im Betonraster der Würfelwände sind mit grünen und braunen Altglasscherben gefüllt, die tagsüber das einfallende, nachts das abstrahlende Licht brechen. Mit Sorgfalt und Enthusiasmus haben die beiden Architekten die aufwendige Herstellung der Farbglasfenster selber entwickelt und überwacht. Der daraus resultierende Innenraum ist von beeindruckender Intensität und Leuchtkraft. Der ihn umhüllende Baukörper steht sperrig und selbstbewusst an der Raststättenausfahrt, die von diesem scheinbar zu einer Biegung gezwungen wird - ganz so, als stünde die Kapelle hier schon seit jenen Zeiten, als noch ein Saumpfad vorbeiführte.

Die Zürcherin Pascale Guignard und der Basler Stefan Saner, geboren 1969 und 1965, haben an der ETH Zürich studiert und anschliessend in verschiedenen namhaften Schweizer Architekturbüros gearbeitet - unter anderem bei Herzog & de Meuron. Seit der Gründung ihres gemeinsamen Büros im Jahre 1997 konnten sie ausser dem Ausschreiben für die Urner Autobahnkapelle weitere Wettbewerbe für sich entscheiden und verschiedene Bauten ausführen. Bemerkenswert ist die Sanierung und Erweiterung von Primarschule und Kindergarten Heubeeribühl in Zürich. Die einstmals schmucke Fünfziger-Jahre-Architektur, als eingeschossige Pavillonschule in einen sanft abfallenden Hang integriert, war im Lauf der Zeit durch zwei unsorgfältige Anbauten entstellt worden. Guignard und Saner verstanden es, beim 2002 abgeschlossenen Umbau durch eine Neuorganisation und Neugestaltung des Erweiterungstraktes dem Gebäudekomplex eine neue Identität zu verleihen. Dabei blieb der denkmalgeschützte Originalbestand in seiner Substanz und seinem Ausdruck erhalten, während der erneuerte Bereich sowohl als eigenständiges Element als auch als Teil eines Ganzen gelesen werden kann. Das plastisch verformte Dach etwa reagiert mit seinen schräg abfallenden Trauflinien auf den leichten Knick im Grundriss des Kernbaus; die Fensteranordnung ist eine raffinierte Neuinterpretation der bestehenden Regeln.

Die subtile Herangehensweise des Architektenduos manifestiert sich auch in den beiden 2003 vollendeten Zürcher Mehrfamilienhäusern an der Altstetterstrasse 278 und an der Blümlisalpstrasse 6. Beide Neubauten zeichnen sich durch individuelle, bisher nicht gesehene Grundrisse aus, die präzise auf die lärmbelasteten und aussichtsarmen Standorte reagieren. Von aussen und in ihrer Konstruktion unauffällig, überraschen die Häuser im Inneren durch aussergewöhnliche Raumfolgen und faszinierende Lichtführungen. Vor allem das Zenitallicht in sonst weitgehend geschlossenen Räumen wird in verschiedenen Bauten und Entwürfen immer wieder thematisiert und führt zu Raumerlebnissen von grosser Intensität. Es mag daher kein Zufall sein, dass Guignard und Saner gerade im heute eher selten zum Zug kommenden Sakralbau erfolgreich sind.


Strahlender Kirchenraum

Mitte Juni 2004 werden die Stimmberechtigten der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Dornach über die Realisierung eines neuen Kirchgemeindezentrums nach dem Projekt von Guignard und Saner entscheiden. Der Entwurf ist aus einem offenen, zweistufigen Wettbewerb hervorgegangen. Vorgesehen ist ein zweigeschossiger Baukörper, der auf dem weiträumigen Gelände zwischen Strasse und Pfarrhaus geschickt in das abfallende Terrain integriert ist. Auf der Eingangsseite gegen den neuen Kirchplatz hin gibt sich die Architektur mit Freitreppe, Portikus und Giebelfront in feinen, aber unmissverständlichen Anspielungen als Sakralbau zu erkennen. Auf der entgegengesetzten Seite des Pfarrhauses, ein Geschoss tiefer, entsteht ein intimer Hof, auf den sich der grosszügig befensterte Mehrzweckraum im Sockelgeschoss öffnet. Den Kern der Anlage bildet der darüber liegende, unterteilbare Kirchenraum. Er wird, mit Ausnahme eines kleinen Rundfensters beim Taufbecken, ausschliesslich von oben belichtet. Die schräg gestellten, im Hohlraum der Dachkonstruktion integrierten Lichtschächte versprechen erneut einen geheimnisvollen, in sich gekehrten Raum von grosser Intensität und Leuchtkraft.


[Guignard und Saner stellen ihre Arbeiten am 12. Mai um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich am Neumarkt 15 vor.]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2004.05.07

05. März 2004Peter Omachen
Neue Zürcher Zeitung

Mehr als Liebe zum Detail

Arbeiten des Bieler Büros :mlzd Architekten

Arbeiten des Bieler Büros :mlzd Architekten

Sie sind erfolgreich und haben bisher gleichwohl kaum etwas gebaut: die fünf Partner des Bieler Büros :mlzd Architekten. Nach einem Wettbewerbsmarathon von fast 40 Projekten sollen nun gleich mehrere Bauvorhaben realisiert werden. Die formal unterschiedlichen Entwürfe überzeugen durch intuitiv richtige Lösungsansätze.

Bekannt geworden ist das Bieler Büro :mlzd Architekten mit seinem Artplace-Pavillon in Magglingen, der anlässlich der Expo 02 auf dem Gelände der Eidgenössischen Sportschule als temporäres Künstleratelier realisiert wurde (NZZ 7. 6. 02). Das Gebäude umfasste zwei über einen Innenhof verbundene Räume und bestand im Wesentlichen aus 700 transluzenten, von Metallgurten zusammengehaltenen Kunststoffharassen. Nach Beendigung der Landesausstellung konnte sich die Bevölkerung kostenlos mit den Behältern eindecken, so dass die poetische Parallelaktion unerkannt in den Bieler Haushalten fortdauert. Die dem Projekt zugrunde liegende Auffassung, wonach das architektonische Schaffen in enger Beziehung zur Kunst steht, ist kennzeichnend für das Büro :mlzd Architekten, in dem sich die fünf Partner Lars Mischkulnig, Daniele Di Giacinto, Claude Marbach, Roman Lehmann und Pat Tanner zusammengefunden haben. Es ist jedoch die Abwesenheit jeglicher Künstlerallüren, die den Arbeiten ihre erfrischende Jugendlichkeit verleiht.


Symbolträchtiger Umbau

Jugendlich sind auch die zwischen 1968 und 1973 geborenen Architekten. Sie studierten gemeinsam an der Hochschule für Technik und Architektur in Biel. Die Gründung des inzwischen vergrösserten Büros erfolgte 1997 durch zwei Partner, deren Initialen den Firmennamen bildeten. Als Eselsbrücke für das Buchstabengebilde bieten die Inhaber die Sentenz «Mit Liebe zum Detail» an, wobei der Doppelpunkt als Zeichen der Ankündigung gedacht ist. Für sie ist die Verwirrung stiftende Interpunktion eine Art Ventil im sonst so seriösen und auf Präzision bedachten Architektenalltag.

Seriöse Arbeit wird vorausgesetzt bei so vornehmen Projekten wie der Neugestaltung des Wartebereichs für Staatsoberhäupter im Uno- Hauptsitz in New York. Diesen aussergewöhnlichen Auftrag erhielten die Bieler als Sieger eines Wettbewerbs, den sie zusammen mit Buchner Bründler Architekten aus Basel, verantwortlich für die Innenarchitektur, sowie der Zürcher Künstlergruppe Relax gewonnen haben. Es handelt sich dabei um das Geschenk der Schweiz an die Uno anlässlich ihres Beitritts zur Weltorganisation. Zurzeit werden nun die seit über 50 Jahren unveränderten Räumlichkeiten unmittelbar hinter der Rednertribüne des grossen Saales der Uno- Generalversammlung neu gestaltet.


Subtile Interventionen

Das Team löste die durch zahlreiche protokollarische Zwänge eingeengte Aufgabe durch das Freispielen der im Stil der fünfziger Jahre sanft schwingenden, weissen Umfassungswände. Sechs raumhohe, mit edlem Walnussholz verkleidete Kuben und Wandelemente gliedern den fensterlosen Raum. Eingebaute Schiebetüren aus Messing gestatten es, einzelne Bereiche und Funktionen flexibel abzutrennen. Beim Verschieben kommen strukturierte und farbige Verglasungen zum Vorschein. Durch dieses Wechselspiel von Transparenz entstehen spannende und differenzierte räumliche Situationen. Sympathisch subversiv ist die künstlerische Intervention, die den Schriftzug «peace» in den sechs Sprachen des Sicherheitsrates zwölfmal als zweieinhalb Zentimeter lange Intarsien an verschiedenen Stellen im Raum placiert. Die in edlen Materialien wie Mahagoni, Gold, Platin oder Brillanten ausgeführten dekorativen Schriftzüge sind - mit einem Augenzwinkern - als friedenserhaltende Massnahme der Schweiz zu verstehen: Sie sollen die Mächtigen der Welt beim Vorbereiten ihrer Reden positiv beeinflussen.

Auch beim Erweiterungsbau für das Historische Museum Bern konnte sich das Bieler Team gegen zahlreiche Mitbewerber durchsetzen. Der 1894 in Form einer märchenhaften Burgenarchitektur errichtete Gebäudekomplex wird mit einem unterirdischen Saal für Wechselausstellungen sowie einem Trakt für das Stadtarchiv erweitert, wobei das Dach des Saals als Aussenterrasse für Veranstaltungen dient. Die Sehschlitze und gebrochenen Kanten des Neubaus erinnern an Bastionsarchitektur und führen die Formensprache der schroffen Sockelmauern und der malerischen Dachlandschaft des Altbaus zeitgemäss weiter.

So gegensätzlich wie diese Bauvorhaben sind auch die weiteren Projekte von :mlzd, wie etwa die Kaufmännische Berufsschule Biel oder eine Villa in Mörigen, hoch über dem Bielersee. Während sich Erstere an der sachlichen Strenge der legendären Jurasüdfuss-Architektur eines Fritz Haller oder Max Schlup orientiert, spielt die andere unbefangen mit der dynamischen Formensprache dekonstruktivistischer Architektur. Dabei überzeugt - dem Firmennamen zum Trotz - nicht in erster Linie die zweifellos sorgfältige Detaillierung, sondern die offenbar intuitiv erspürte, von Aufgabe zu Aufgabe unterschiedliche Architektursprache, die scheinbar mühelos zur jeweiligen Problemlösung führt.


[Am 10. März um 18.30 Uhr stellen :mlzd Architekten ihre Arbeiten im Architekturforum Zürich am Neumarkt 15 vor.]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2004.03.05

03. Oktober 2003Peter Omachen
Neue Zürcher Zeitung

Prägnante Baukörper

Arbeiten der Zürcher B. E. R. G. Architekten

Arbeiten der Zürcher B. E. R. G. Architekten

Allen Unterschieden zum Trotz haben die Bauten des Zürcher Büros B. E. R. G. Architekten eines gemeinsam: Sie treten in wenig definierten räumlichen Situationen als markante Baukörper auf. Die eigenwilligen Gebäudeformen resultieren aus überraschenden Reaktionen auf die vielfältigen Zwänge des Bauens.

Das architektonische Entwerfen ist eine stete Gratwanderung zwischen den Wünschen und Bedürfnissen der Bauherrschaft einerseits und der eigenen gestalterischen Absicht andererseits. Bei vielen anspruchsvollen Bauten beschleicht den Betrachter jedoch die Vermutung, dass die Architekten in erster Linie ihren eigenen formalen Vorlieben gefolgt sind. Mehr noch: Einige scheinen es geradezu als Qualitätsausweis zu verstehen, wenn ihre Bauten einem breiten Publikum unverständlich bleiben. Sibylle Bucher, Christoph Elsener und Michel Rappaport sind solcherlei Allüren fremd. Die drei zwischen 1962 und 1965 geborenen Architekten haben sich während ihres Studiums an der ETH Zürich kennen gelernt und 1995 nach einem gemeinsam gewonnenen Projektwettbewerb das Büro B. E. R. G. Architekten gegründet. Der Name des Büros setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der Gründungsmitglieder zusammen, wobei einer der Partner das Team mittlerweile verlassen hat. Doch auch in der verbliebenen Dreierkonstellation erarbeitet es seine Lösungen im stetigen Dialog.


Formen und Materialien

Von oben flutet das Tageslicht durch eine gaubenartige Ausstülpung in das blaue Treppenhaus. Der eindrucksvolle Raum wird seit wenigen Wochen von den Kindern des Schulhauses Mattenhof in Zürich Schwamendingen belebt. Das Treppenhaus bildet das Herzstück eines räumlich komplexen innern Erschliessungssystems, mit dem der klar strukturierte Neubau im terrassierten Gelände der Schulanlage aus den fünfziger Jahren verankert ist. Seine Formen und Materialien erweisen sich als Neuinterpretation der bestehenden Bauten: von den prägnanten Dachaufbauten über die aus der Fassadenebene hervortretenden grossformatigen Fenster bis hin zum grobkörnigen Putz. Die architektonische Haltung der Entwerfenden verdeutlicht sich in den Details: Der kostengünstige grobe Kellenwurf der Fassaden entwickelt beim Beschreiten des Geländes ein faszinierendes Wechselspiel, denn die Gebäudeseiten sind alternierend hell- und dunkelgrau grundiert; und die vorstehenden Spitzen des Putzes wurden nochmals im jeweils anderen Farbton gestrichen. Damit verändert sich je nach Blickwinkel die Wahrnehmung des Hauses. Mit wenig Aufwand wurde hier eine faszinierende Wirkung erzielt.

Ein weiteres Charakteristikum der Arbeiten von B. E. R. G. Architekten liegt in dem Bestreben, den Baukörpern eine markante eigenständige Form zu geben. Besonders deutlich wird dies beim vor drei Jahren ausgeführten Umbau eines Zürcher Coiffeursalons, wo Empfang, Warteraum und Arbeitsplätze in einem einzigen, frei im Raum stehenden Möbelstück integriert sind. Das diagonal placierte Objekt entwickelt mit seinen vornehmlich in Grautönen gehaltenen Buchten und Ausstülpungen ein Eigenleben und lenkt geschickt von der vorgegebenen, monotonen Raumhülle ab.


Vom Innenausbau zum Städtebau

Ein anderes Werkbeispiel ist der im Jahr 2001 vollendete Um- und Erweiterungsbau eines Einfamilienhauses in Zürich Wollishofen. Das für einen Ausbau zu niedrige Satteldach wurde durch ein neues, flachgedecktes Geschoss ersetzt. Der neue S-förmige Baukörper resultiert aus der geschickten Auslegung der Bauvorschriften. Er sitzt flächenbündig auf den darunter liegenden Fassaden und scheidet über dem quadratischen Grundriss des Altbaus zwei gleich grosse, in entgegengesetzte Richtungen orientierte Dachterrassen aus. Während die bestehenden Fassaden weiss gestrichen sind, erhielt das neue, attikaartig aufgesetzte Geschoss eine braune Holzvertäfelung. Der Eindruck des umgebauten Hauses an der Strassenkreuzung oszilliert zwischen der Erinnerung an ein biederes, dunkel eingedecktes Einfamilienhaus und einer massstabslosen, dynamischen Skulptur, die der Bedeutung ihrer städtebaulichen Position gerecht wird.

Wer nun vermutet, B. E. R. G. Architekten hätten sich bisher nur mit eher kleinen Bauaufgaben beschäftigt, der irrt: Über 100 Millionen Franken kosteten die ersten beiden Etappen des Business- Parks «Swing» in Wallisellen. Die drei schräg geschnittenen gläsernen Baukörper an der Autobahn, in Arbeitsgemeinschaft mit AGPS Architecture entworfen und von einem Totalunternehmer ausgeführt, schaffen in der heterogenen Umgebung des Glattzentrums einen neuen Ort mit starker Identität. Sie fügen sich damit trotz ihrer kolossalen Grösse nahtlos in das bisherige Werk des vielseitigen Zürcher Architekturbüros ein. Dieses wird von Auftraggebern und Benutzern gleichermassen geschätzt, auch wenn es seine Gebäude nicht in erster Linie auf ein gefälliges Erscheinungsbild hin konzipiert. Bei aller Nüchternheit verkörpern diese einen kreativen Umgang mit den Zwängen des Bauens, aus dem eigenständige und klare Lösungen entstehen.


[Sibylle Bucher, Christoph Elsener und Michel Rappaport stellen ihre Arbeiten am 8. Oktober um 18 Uhr 30 im Architekturforum Zürich am Neumarkt 15 vor.]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2003.10.03

06. Juni 2003Peter Omachen
Neue Zürcher Zeitung

Gestalterische Disziplin

Die Bauten des Sarner Architekten Beda Dillier unterscheiden sich durch ihre gestalterische Klarheit und konzeptionelle Prägnanz von der sonst eher üblichen Bauproduktion auf dem Land. Sie bilden eine überraschende Symbiose mit den historischen Bauwerken und den mehr oder weniger intakten Naturlandschaften ihrer Umgebung.

Die Bauten des Sarner Architekten Beda Dillier unterscheiden sich durch ihre gestalterische Klarheit und konzeptionelle Prägnanz von der sonst eher üblichen Bauproduktion auf dem Land. Sie bilden eine überraschende Symbiose mit den historischen Bauwerken und den mehr oder weniger intakten Naturlandschaften ihrer Umgebung.

Bereits in der Planungsphase löste das Wohnhaus an der Kirchstrasse im Obwaldner Kantonshauptort Sarnen Kontroversen aus. Ausschlaggebend war die exponierte Lage schräg gegenüber dem barocken Rathaus. Die bis dahin unbebaute Wiese im geschützten Ortsbild von nationaler Bedeutung liegt am Fusse des geschichtsträchtigen Landenbergs, unmittelbar am Ufer der Sarneraa. Entlang der Kirchstrasse mit ihren qualitätvollen Einzelbauten des 13. bis 20. Jahrhunderts ist die charakteristische Streusiedlung besonders deutlich ausgeprägt. Mitten in dieses heterogene Ensemble entwarf der Sarner Architekt Beda Dillier einen markanten Neubau.

Disziplinierte Architektur

Wie ein Möbelstück ruht das dreigeschossige Mehrfamilienhaus in der parkähnlichen Umgebung. Der mit Holzplatten verkleidete Kubus wird geschossweise von schmalen Betonbändern umgürtet. Auf der flussseitigen, vollständig verglasten Fassade erweitern sich diese zu durchgehenden, nach Südosten orientierten Balkonen. Die regelmässig angeordneten Fenstertüren verweisen auf den rigiden Gebäuderaster, der dem Entwurf zugrunde liegt. Dieser wird im Innern als spannungsreiches Oszillieren zwischen kammerartig geschlossenen Räumen und offenen Bereichen in der Art eines plan libre inszeniert. Bei sechs Wohnungen ergibt sich dabei durch das Weglassen oder Versetzen von Wänden entlang der Rasterlinien eine schier endlose Vielfalt von Variationsmöglichkeiten. Das kleine Attikageschoss auf dem begrünten Flachdach gleicht einem Gartenpavillon und erinnert an die ehemals unbebaute Wiese. Das Projekt resultierte aus der Weiterentwicklung eines 1997 entstandenen Dreifamilienhauses, das sich ebenfalls an der Sarner Kirchstrasse befindet. Das steile Hanggrundstück erlaubte hier nur eine geringe Gebäudetiefe von zwei Raumschichten. Das zentrale Wohnzimmer übernimmt die Verbindungsfunktion für die rückwärtigen, dienenden Räume und die beiden seitlich angeordneten Zimmer. Das Konzept äussert sich in einem schlichten, verputzten Baukörper mit vorgesetztem Stahlbau der Balkone.

Beide Entwürfe sind geprägt von einer grossen gestalterischen Disziplin, die fast asketische Züge annimmt. Mit dieser Haltung hat es der 1966 geborene Beda Dillier im ländlichen Umfeld nicht immer leicht. Anfangs war es keineswegs klar, dass der an der ETH Zürich Ausgebildete dereinst in das renommierte Sarner Büro seines Vaters einsteigen würde. Als er sich schliesslich doch gegen eine mögliche Musikerkarriere entschieden hatte, war er entschlossen, in der Architektur eigene Wege zu gehen. Seine Forschungen im Bereich der Städtebaugeschichte des 20. Jahrhunderts beeinflussen sein Streben in Richtung einer von der Person ihres Autors möglichst losgelösten, allgemein gültigen Architektur, die den Tugenden der Angemessenheit und ästhetischen Dauerhaftigkeit nachlebt. Sein Interesse gilt der Reduktion auf das Essenzielle.

Schwieriges Umfeld

Diese angestrebte Prägnanz ist ihm bei seinem bisher grössten Werk gelungen, einer Industrieanlage für innovative Hochtechnologieprodukte im obwaldnerischen Kägiswil. Bei dem 2001 nach einer Bauzeit von nur einem Jahr fertiggestellten 25-Millionen-Gebäude war Dillier für Entwurf und Ausführungsplanung verantwortlich. Im Gegensatz zu den einschränkenden Rahmenbedingungen im historischen Umfeld konnte hier buchstäblich auf der grünen Wiese geplant werden. Die Analyse der anfänglich wenig definierten Bauaufgabe führte zum Prinzip einer vielseitig nutzbaren und erweiterbaren Baustruktur. Das Ergebnis sind zwei einfache Volumen: eine eingeschossige Produktionshalle und ein darüber liegender, zweigeschossiger Verwaltungs- und Labortrakt, der als langgezogener Gebäuderiegel auf der vollen Länge der Hallendachkante zu balancieren scheint. Die Auskragung wird von einer Stützenreihe aufgefangen und bildet einen grosszügigen Eingangsbereich. Der flache, rückseitig erweiterbare Hallenbau ist mit einer homogenen, silberfarbenen Lochblechfassade umhüllt. Die dahinter liegenden Fenster sind damit vor Sonneneinstrahlung und neugierigen Blicken geschützt. Die Produktionshalle ist über zwei kräftig artikulierte Betontreppenhäuser mit dem repräsentativen Verwaltungstrakt verbunden. Dieser ist allseitig rahmenlos verglast und blickt auf eine weitgehend intakte Wiesen- und Berglandschaft.

Nicht immer erhält Beda Dillier von seinen Auftraggebern die Gelegenheit zu solch klaren architektonischen Äusserungen. Im ländlichen Umfeld von Obwalden besteht eine eher geringe Nachfrage nach gestalterischer Qualität. Dillier ist dadurch immer wieder mit Bauherren konfrontiert, die von seinen kulturellen Ambitionen eher irritiert zu sein scheinen, als dass sie ihn um derentwillen als Architekten ausgewählt hätten. Es steht zu hoffen, dass sich seine Qualitäten weiter herumsprechen werden.

[ Beda Dillier stellt seine Arbeiten am 11. Juni um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich am Neumarkt 15 vor. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2003.06.06



verknüpfte Bauwerke
Wohnhaus Kirchstrasse

04. April 2003Peter Omachen
Neue Zürcher Zeitung

Mut zur Subjektivität

Arbeiten von Niklaus Graber und Christoph Steiger

Arbeiten von Niklaus Graber und Christoph Steiger

Die Mittelpunktschule Obermarch wurde von mehreren Gemeinden als gemeinsames Schulzentrum erstellt. Sie befindet sich am landschaftlich und städtebaulich wenig definierten Dorfrand von Buttikon. Die Absicht der Projektverfasser Niklaus Graber und Christoph Steiger lag darin, den Ort durch die Setzung dreier wohlproportionierter Volumen für Schulhaus, Dreifachturnhalle und Velounterstand in der Umgebung zu verankern. Die Bauten markieren die Ränder eines grossen Rechtecks, wobei die Zwischenräume den Pausenplatz bilden. Dieser wurde in Zusammenarbeit mit dem Luzerner Landschaftsarchitekten Stefan Koepfli mit Bändern aus Holzrosten gegliedert, wie sie im einst sumpfigen Gelände der Linthebene traditionell Anwendung finden. Sitzelemente als Ausstülpungen der Bodenbänder führen die spannungsreiche Anordnung von Körpern in der Fläche spielerisch weiter. Durch diese Betonung der Horizontalen kann der Geländesprung zwischen dem Pausenplatz und den tiefer liegenden Aussensportanlagen hinter der Turnhalle in Form einer monumentalen Aussentreppe wirkungsvoll inszeniert werden. Als Vermittler zwischen den Grossbauten und dem menschlichen Massstab wird ein kleinteiliger Fassadenklinker eingesetzt, der mit seiner konstruktiven Logik einen wohltuenden Gegenpol zum abstrakt-geometrischen Volumenspiel bildet.

Die Einflüsse der Architektur Ludwig Mies van der Rohes sind hier unverkennbar in der Anordnung der Körper in der Fläche, in der Art der grosszügig in die Klinkerfassaden eingeschnittenen Fensteröffnungen oder in der paradoxen Wirkung der gewaltigen Masse des scheinbar schwebenden Turnhallendaches. Die Architektur von Graber & Steiger ist von Stilzitaten jedoch weit entfernt. Vielmehr werden die beiden 1968 geborenen Architekten von ähnlichen Absichten zu ähnlichen Resultaten geführt. Nicht ohne Einfluss auf ihr Schaffen ist auch Hans Kollhoff, bei dem sie an der ETH Zürich studierten, sowie die Arbeiten von Herzog & de Meuron, deren langjährige Mitarbeiter sie waren.

Die seit der Gründung ihres gemeinsamen Architekturbüros im Jahre 1995 realisierten Bauten unterscheiden sich so stark voneinander, dass zwischen ihnen auf der formalen Ebene kaum Gemeinsamkeiten auszumachen sind. Beim Entwurf wird der Fokus jeweils auf einen genau definierten, für das Projekt wesentlichen Aspekt gelegt, während sich alle übrigen gestalterischen Entscheidungen als Konsequenz davon wie von selbst ergeben. - Eine völlig andere Ausgangslage als in der Obermarch fanden die Architekten bei der Turn- und Mehrzweckanlage Kuonimatt in Kriens, Luzern, vor.

Der Bauplatz befindet sich neben einem Schulhausbau in einem locker bebauten, kleinteiligen Wohnquartier der fünfziger Jahre. Hier galt es, sich in die Atmosphäre der Ortes einzufühlen und gleichzeitig mit einem eigenständigen Baukörper der beliebig anmutenden Bebauung einen neuen Angelpunkt zu verleihen. Prägnanz und Filigranität wurden durch einen Stahlbau erreicht, bei dem entlang eines mittleren Erschliessungskorridors Stahlträger aus dem Boden wachsen und sich L-förmig nach aussen strecken. Bei der Turnhalle sind sie besonders hoch, im Bereich der Garderoben und Nebenräume nur eingeschossig. Die freien Aussenfassaden, die statisch bedingt durch minimale Pendelstützen gegliedert werden, sind verglast oder mit Holzelementen ausgefacht. Diese raumbegrenzenden Elemente sind unter die Stahlträger zurückversetzt, so dass grosszügige Vordächer entstehen, die dem Gebäude Leichtigkeit und Transparenz verleihen. Die Architektur erscheint durch die konstruktive Logik generiert und ordnet mit klarer räumlicher Ausrichtung die Aussenräume neu.

Wieder andere Ziele verfolgen Graber & Steiger bei zwei Bauten, die demnächst realisiert werden sollen. Fasziniert vom Aletschgletscher, entwarfen sie für das Walliser Dorf Bitsch ein schneeweisses Bankgebäude, das in der Art traditioneller Steinbauten mit einem handwerklichen Sumpfkalkputz veredelt werden soll. Und für die geplante Erweiterung einer Fabrikationsanlage, die in einer intakten Naturlandschaft im aargauischen Hagendorn liegt, projektierten sie eine riesige Halle mit begrüntem Dach, die von einer raffinierten, mit einheimischen Wildpflanzen bewachsenen Membran umgeben sein und so selber zum geometrisierten Naturelement werden wird.

Besonders eindrücklich an den Bauten und Projekten von Graber & Steiger ist, dass trotz spürbaren Vorbildern nicht der geringste Zweifel an der Eigenständigkeit und der inneren Kraft ihrer Arbeiten aufkommt. Diese sind das Ergebnis ihrer ebenso intensiven wie subjektiven Auseinandersetzung mit Architektur.


[Graber & Steiger stellen ihre Arbeiten am 9. April um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich am Neumarkt 15 vor.]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2003.04.04



verknüpfte Bauwerke
Mittelpunktschule Obermarch

07. Februar 2003Peter Omachen
Neue Zürcher Zeitung

Entwerfen jenseits schematischer Konzepte

Frank Zieraus unkonventionelle Bauten und Projekte

Frank Zieraus unkonventionelle Bauten und Projekte

Der Zürcher Architekt Frank Zierau hat mit der Wohnüberbauung Burriweg in Zürich Schwamendingen ein eindrückliches Erstlingswerk vorzuweisen. Seine erfolgreichen Wettbewerbsbeiträge überraschen durch ihre aussergewöhnlichen, individuell entwickelten Lösungsansätze und machen neugierig auf weitere Realisierungen.

Die einundsechzig bescheidenen Reiheneinfamilienhäuser aus der Nachkriegszeit genügten heutigen Lebensgewohnheiten nicht mehr. Daher suchte die Bau- und Siedlungsgenossenschaft Vitasana mit einem Projektwettbewerb für die Neubebauung ihres Geländes in Schwamendingen nach innovativen Lösungen, die wegweisend für das Quartier im Norden Zürichs wirken sollten. Nach zweijähriger Bauzeit konnte im vergangenen Herbst die Überbauung Burriweg mit 86 grosszügigen Maisonettewohnungen fertiggestellt werden. Die ost-west-orientierten Zeilen folgen dem bewährten Vorbild der abgebrochenen Häuser. Neu ist hingegen das Übereinanderstapeln von je zwei doppelgeschossigen Wohneinheiten, die einzeln von aussen erschlossen sind. In einem unteren Eingangsgeschoss sind Küche und Entrée derart in zwei gegenüberliegenden Ecken des annähernd quadratischen Grundrisses angeordnet, dass sich der Wohn- und Essbereich als spannungsreicher Raum diagonal dazwischenschiebt.

Das Besondere an der Siedlung sind jedoch die zweigeschossigen Laubentürme, die als Gartenersatz zwischen den Häuserzeilen stehen. Die schlichten Stahlkonstruktionen evozieren mit ihren Ausfachungen aus kreuzweise diagonal angeordneten Lärchenholzleisten Bilder traditioneller Gartenarchitekturen, obschon sie in dieser Form neuartig sind. Sie lösen das Problem des privaten Aussenraums in einer stark verdichteten Überbauung und verleihen dieser einen unverwechselbaren Charakter. Hier zeigt sich die Stärke des Architekten Frank Zierau. Er entwickelt seine Entwürfe frei von Ideologien, streng bezogen auf Funktion und Benutzer. Dabei geht er die Entwurfsprobleme offensiv an, was zu unkonventionellen, innovativen Lösungsansätzen führt.

Skulpturale Mensa

Fast unbeantwortbar schien die Frage nach einem alternativen Standort für das zu ersetzende Mensa-Provisorium auf dem Gelände der Alten Kantonsschule in Aarau. Der innerstädtische Planungsperimeter wird bestimmt durch die historische Parkgestaltung mit altem Baumbestand und verschiedenen, mehrheitlich denkmalgeschützten Schulbauten. In einer spitzwinkligen Ecke des Schulgeländes, begrenzt von zwei stark frequentierten Durchgangsstrassen, steht das eigenartige Schulhochhaus von 1969 als achtgeschossiger, verglaster Kubus. Während die übrigen Wettbewerbsteilnehmer im vergangenen Jahr erfolglos nach alternativen Standorten im Parkgelände suchten, placierte Zierau sein erstrangiertes Projekt als bumerangförmigen Bau um den Hochhaussockel am exponiertesten Grundstücksbereich, der auf den ersten Blick als Bauplatz gar nicht in Frage kam. Damit schuf er durch den neu entstehenden Hofraum zwischen seinem eingeschossigen Winkelbau und den Hochhausarkaden, an einer bisher unwirtlichen Stelle, einen geschützten Ort bei gleichzeitiger Schonung der intakten Parklandschaft.

Geradezu ideal eignet sich der nur wenige Meter breite, zweifach abgewinkelte Baukörper für die ihm zugedachte Nutzung: In der Mitte befindet sich die Essensausgabe mit dahinter liegender Küche und direkter Anlieferung von der Strasse her, in den beiden Seitenflügeln sind die Cafeteria und die Mensa mit zahlreichen Fensterplätzen untergebracht. Der besondere Clou ist das befahrbare Flachdach, das über dem Mensaflügel als Rampe ausgebildet ist. Es wird in Zukunft die Lehrerparkplätze aufnehmen, die heute mitten im Park liegen.

Selbstverständliche Entwürfe

Die Kontinuität in Zieraus Entwürfen zeigt sich nicht in formalen Aspekten, sondern in der Intensität der Auseinandersetzung mit der Aufgabe. Er pflegt keinen persönlichen Stil, sondern setzt die architektonischen Mittel so ein, wie es seine zumeist überraschenden Konzepte erfordern. Der 1961 in Norddeutschland geborene Frank Zierau hat in Hannover und an der ETH Zürich studiert. Anschliessend arbeitete er in verschiedenen namhaften Büros in Deutschland und der Schweiz, darunter bei Marcel Meili und Markus Peter. Gleichzeitig war er als Assistent an Entwurfslehrstühlen in Zürich und Karlsruhe tätig. Seit 1997 führt er ein eigenes Architekturbüro.

Die gesellschaftliche Verpflichtung zum sorgfältigen Umgang mit den Ressourcen wird in Zukunft die Verdichtung bestehender Bebauungen zur Hauptaufgabe des Baugewerbes werden lassen. Zierau hat hier gute Zukunftsaussichten. Mit seinen Projekten gelingt es ihm, individuelle, überraschende Lösungsansätze jenseits schematischer Konzepte aufzuzeigen. Doch letztlich ist es die Selbstverständlichkeit ihrer Erscheinung, die die aussergewöhnlichen Entwürfe Frank Zieraus so attraktiv macht.

[Frank Zierau stellt seine Arbeiten am 12. Februar um 18 Uhr 30 im Architekturforum Zürich am Neumarkt 17 vor.]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2003.02.07



verknüpfte Bauwerke
Wohnüberbauung Burriweg

04. Oktober 2002Peter Omachen
Neue Zürcher Zeitung

Befreit und vernetzt

Die Zürcher Architekten Mathias Müller und Daniel Niggli von EM2N verstehen sich weniger als Künstler denn als Vermittler zwischen allen an der Realisierung eines Projektes Beteiligten. Das Ergebnis sind komplexe Entwürfe, die nicht nur durch differenzierte Lösungen überzeugen, sondern auch durch deren intelligente Umsetzung.

Die Zürcher Architekten Mathias Müller und Daniel Niggli von EM2N verstehen sich weniger als Künstler denn als Vermittler zwischen allen an der Realisierung eines Projektes Beteiligten. Das Ergebnis sind komplexe Entwürfe, die nicht nur durch differenzierte Lösungen überzeugen, sondern auch durch deren intelligente Umsetzung.

Wie im Dornröschenschlaf scheinen die historischen Dokumente von Baselland hinter dicht überwucherten Mauern zu ruhen. So jedenfalls stellen sich EM2N Architekten das Staatsarchiv in Liestal nach dem Umbau im Jahr 2004 vor. Das Projekt, das vor zwei Jahren aus einem Wettbewerb hervorgegangen ist, enthält die Erweiterung und Aufstockung des bestehenden Gebäudes. Dabei soll der durch einen meterhohen Bahndamm von der Innenstadt Liestals getrennte öffentliche Bau im Bereich der zukünftigen Besucherräume über eine Sichtverbindung mit dem Stadtzentrum verbunden werden. Der Entwurf, der poetische und rationale Elemente vereint, ist typisch für das vielfältige Schaffen der jungen Zürcher Architekten Mathias Müller und Daniel Niggli. Zusammen mit zwei weiteren Partnern gründeten sie 1997 das Büro EM2N, dessen Bezeichnung sich aus den Anfangsbuchstaben der Namen der vier ursprünglichen Partner ergab. Seit vier Jahren leiten die beiden 1966 und 1970 geborenen Architekten Müller und Niggli das Büro, das bis zu zehn Mitarbeiter zählt. Mit Wettbewerbsbeiträgen konnten sie zahlreiche Erfolge erzielen, die nun nach und nach realisiert werden.

Kurz vor der Fertigstellung stehen die 76 Genossenschaftswohnungen der Überbauung Hegianwandweg in Zürich Wiedikon. Fünf Baukörper erheben sich über einer gemeinsamen Tiefgarage und vermitteln in ihrer Grösse und Anordnung geschickt zwischen den talwärts liegenden Hochhäusern und den am Fuss des Üetlibergs aufgereihten Einfamilienhäusern. Um einen massiven Kern sind jeweils die Wohn- und Schlafräume angeordnet. Grosszügig dimensionierte Balkone umgeben die Bauten auf drei Seiten. Die Stoffstoren, die durch einen der insgesamt vier am Bau beteiligten Künstler gestaltet wurden, erinnern an sonnenbeschienenes Blattwerk und evozieren die Idee hängender Gärten. Bemerkenswert ist die Anwendung einer Holzelementkonstruktion im mehrgeschossigen Wohnbau. Nachhaltigkeit und Wohnkomfort waren ausschlaggebende Kriterien für die Wahl dieser innovativen Lösung. Formal folgen die schlichten Bauten den Regeln, die sich aus der konsequenten Analyse von Ort, Konstruktion und Bewohnerbedürfnissen ergaben.

Überraschend ist der Pragmatismus, mit dem EM2N ähnlich wie andere Vertreter der jüngsten Schweizer Architektengeneration an ihre vielfältigen Aufgaben herangeht. So ist es mittlerweile zur Selbstverständlichkeit geworden, dass mit den zahlreichen am Bau beteiligten Fachleuten eine echte Arbeitsgemeinschaft eingegangen wird. Statiker, Landschaftsarchitekten, Kostenplaner, Bauphysiker, Künstler und Eigentümer werden aktiv in den Entwurfsprozess eingebunden. Dieses Arbeitskonzept kam vereinzelt seit den sechziger Jahren zur Anwendung, gewinnt jedoch erst heute durch die zunehmende Professionalisierung der einzelnen Disziplinen an Bedeutung. Der fertige Bau versteht sich somit zum Vornherein als Resultat eines interdisziplinären Dialogs - und nicht als das Werk eines einzelnen Künstlerarchitekten. Diese Haltung entlastet das Bauwerk von zahlreichen Ansprüchen, die im Sinne eines in allen Einzelheiten kontrollierten Kunstwerks üblicherweise an es herangetragen werden. So erlauben sich EM2N Architekten beispielsweise, die Holzkonstruktion des Wiedikoner Genossenschaftswohnbaus mit einer Putzfassade zu bekleiden - und nicht, wie es eine didaktische Umsetzung der Ideale der Moderne fordern würde, mit einer vermeintlich «ehrlichen» Holzfassade. Die Loslösung vom moralisierenden Diktat einer historisierend angewandten Moderne erweist sich dabei als eine längst fällige Notwendigkeit.

Einer der ersten ausgeführten Bauten von EM2N ist das Einfamilienhaus im thurgauischen Tobel. Das auf einem Wiesenhang stehende Haus entpuppt sich bei näherer Betrachtung als repräsentative Villa. Die baulich dem Schein nach unabhängige Garageneinfahrt im Garten ist in Wirklichkeit unterirdisch mit dem Wohnbau zu einem L-förmigen Baukörper verbunden. Darin verbirgt sich eine Einstellhalle von beachtlichen Ausmassen, die in eine viergeschossige, von oben belichtete Treppenanlage mündet. Die Garage erscheint bei aller konsequenten Rohheit der Materialien und Oberflächen auf subtile Weise veredelt, wie es der Nutzung eines heimlichen Haupteingangs angemessen ist. - EM2N Architekten stehen für eine neue Generation, die dem Konzept einer von anachronistischen Konventionen befreiten Baukunst nachlebt. Einer Baukunst, die ihren Reichtum aus den vielschichtigen Antworten bezieht, welche die Architekten auf die komplexen Fragestellungen des heutigen Bauens finden.

[ Mathias Müller und Daniel Niggli stellen ihre Arbeiten am 9. Oktober um 18 Uhr 30 im Architekturforum Zürich am Neumarkt 17 vor. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2002.10.04

07. Juni 2002Peter Omachen
Neue Zürcher Zeitung

Moderne als Baukasten

Seit seiner Gründung 1994 ist das Bieler Architekturbüro Bauzeit erfolgreich. Dies liegt nicht zuletzt an der Fähigkeit der Architekten, aus komplexen Aufgabenstellungen verblüffend einfach konzipierte Bauten abzuleiten.

Seit seiner Gründung 1994 ist das Bieler Architekturbüro Bauzeit erfolgreich. Dies liegt nicht zuletzt an der Fähigkeit der Architekten, aus komplexen Aufgabenstellungen verblüffend einfach konzipierte Bauten abzuleiten.

Bei den Expo-Besuchern der Arteplage Biel sind die «Versorgungseinheiten» beliebt: eingeschossige Pavillons, die Restaurants, Cafés, Läden und weitere Infrastruktureinrichtungen aufnehmen. Die im Baukastensystem konzipierten, unterschiedlich grossen Holzkonstruktionen wirken durch die Spannweiten ihrer weit auskragenden Träger leicht und transparent. Entworfen wurden sie - in Zusammenarbeit mit der Arteplage Biel und den GLS Architekten aus Biel - vom jungen Architektentrio Bauzeit: Dieses wird gebildet von den beiden 38-jährigen Bielern Ives Baumann und Peter Bergmann und dem zwei Jahre älteren Roberto Pascual aus Südamerika.

Kennen gelernt haben sich die drei Architekten beim Studium an der Fachhochschule Biel und im Büro des italienischen Architekten Gino Valle. Im Jahre 1994 gründeten sie das Büro Bauzeit Architekten. Über die Region hinaus bekannt geworden sind sie 1999 mit der Spielsporthalle für die Eidgenössische Sportschule Magglingen (ESSM). Die Aufgabenstellung verlangte eine Turnhalle für Ballspiele mit blendungsfreier Belichtung. Das Resultat ist ein holzverkleideter Betonbau, der sich geschickt in die bewegte Hanglage des bewaldeten Geländes hoch über der Stadt Biel einfügt. Für die Belichtung wurden zunächst möglichst grosse Fenster entworfen und dann - im Hinblick auf eine gleichmässige Beleuchtung der Spielfläche - die Anordnung der Lichtkuppeln in der Hallendecke exakt berechnet. Die durch die unregelmässig verteilten Oberlichter einfallende Helligkeit wird durch eine Lamellendecke gestreut, die auch die Leuchtkörper für die künstliche Belichtung enthält. Die gleichmässig leuchtende Decke verleiht dem Innern des vom AIA International Design Award 2001 mit dem zweiten Preis ausgezeichneten Gebäudes Leichtigkeit.

Für die Bieler steht die architektonische Lösung der durch Bauherrschaft und Aufgabe aufgeworfenen Fragen im Vordergrund. Dabei sind ihnen konzeptionelle Überlegungen wichtiger als rein formale oder konstruktive Ansätze. Für die Umsetzung ihrer Ideen wenden sie ein von Mies van der Rohe inspiriertes Vokabular an: schlanke Stützen, frei stehende Wandscheiben in edlen Materialien und eine raffinierte Lichtführung. Besonders augenfällig wird dies beim Innenausbau mehrerer Arztpraxen. Einen bemerkenswerten Kontrast zu den sorgfältig durchgestalteten Interieurs bilden die städtebaulichen Arbeiten. In ihrem Siedlungsprojekt für Yverdon- les-Bains, mit dem Bauzeit 1994 den internationalen Europan-Wettbewerb für Wohnungs- und Städtebau gewannen, setzen sie Erkenntnisse aus der Chaosforschung um. Diese besagen, dass ein komplexes Gebilde sich mit minimalen Störungen eher in die gewünschte Richtung lenken lässt als durch starre Vorgaben. Dementsprechend sollten in der von ihnen vorgeschlagenen Wohnsiedlung nur einige wenige Elemente definiert werden wie etwa die durchgehende Fassade einer Häuserzeile. Solche Minimalvorgaben lassen Raum für Lösungen schwieriger kontextueller Probleme. Aus dem zukunftsweisenden, aber leider nicht realisierten Projekt spricht die Überzeugung, dass sich Gestaltungsqualität nicht über Reglemente erzwingen lässt.

Zurzeit im Bau befindet sich das Besucherzentrum «AlpTransit Gotthard» in Pollegio. Das siegreiche Wettbewerbsprojekt wurde zusammen mit jenem für das Besucherzentrum beim Tunnelportal Erstfeld eingereicht, dessen Baubeginn noch ungewiss ist. Zwei meterdicke Wälle aus Ausbruchmaterial des Tunnelbaus, das in Drahtkörbe eingeschlossen ist, begrenzen einen linear organisierten, stützenfreien Ausstellungsraum. Darin sollen ab 2003 jährlich rund 100 000 Besucher mit audiovisueller Technik über die Neat und den Stand der Arbeiten am längsten Eisenbahntunnel der Welt informiert werden. Das zukunftsweisende Ausstellungskonzept von Atelier Oï aus La Neuveville steht in spannungsreichem Kontrast zur archaischen Wirkung der gebändigten Felsmassen. Derzeit arbeitet das aus zehn Mitarbeitern bestehende Team an verschiedenen Projektstudien für Schweizer Grossunternehmen, die sich von den Architekten Engagement, Innovation und Flexibilität erhoffen.


Bauzeit Architekten stellt ihre Arbeiten am 12. Juni um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich am Neumarkt 17 vor.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2002.06.07

05. April 2002Peter Omachen
Neue Zürcher Zeitung

Komplexität und Dichte

Bauten von Thomas von Ballmoos und Bruno Krucker

Bauten von Thomas von Ballmoos und Bruno Krucker

Die vertiefte Auseinandersetzung mit der Architekturgeschichte der Nachkriegszeit und das Weiterentwickeln von konstruktiven und entwerferischen Konzepten aus den Jahren der Hochkonjunktur führen im Schaffen der Zürcher Architekten Thomas von Ballmoos und Bruno Krucker zu eigenständigen Entwürfen jenseits modischer Trends.

Es ist eine Plattenbausiedlung, die zurzeit am Stadtrand von Zürich entsteht. Doch die negative Besetzung dieses Begriffes, der an die sozialistische Wohnbauproduktion der Nachkriegszeit erinnert, wird der genossenschaftlichen Wohnsiedlung Stöckenacker in Unteraffoltern nicht gerecht: Die 51 Wohnungen, die im Herbst bezugsbereit sein werden, entsprechen in ihren grosszügigen Abmessungen und Qualitätsstandards dem gehobenen Wohnungsbau im städtischen Umfeld. Der Einsatz vorgefertigter Fassadenplatten aus Waschbeton ist dabei weder eine formale Spielerei noch Ausdruck mangelnder Sensibilität für die Bedürfnisse des Marktes. Vielmehr ist er das Ergebnis einer fundierten Auseinandersetzung mit den Lösungsansätzen, welche die Architekturgeschichte zum Wohnungsbau anbietet.

Die beiden 1961 geborenen Zürcher Architekten Thomas von Ballmoos und Bruno Krucker haben die Familienwohnungen in Unteraffoltern entworfen. Sie studierten an der ETH Zürich, wo sie später als Entwurfsassistenten tätig waren. Vor fünf Jahren gründeten sie ihr gemeinsames Architekturbüro, das seither eine grosse Zahl von aussergewöhnlichen Wettbewerbsprojekten und Projektstudien hervorgebracht hat; darunter Wohn- und Geschäftsbauten, Schulhäuser und städtebauliche Planungen. Seit 1999 lehrt Bruno Krucker als Assistenzprofessor für Architektur und Entwurf an der ETH Zürich. Die Themen seiner Forschung, die er seit Jahren verfolgt, liegen in den Bereichen Architektur der Nachkriegszeit sowie Urbanität und Strukturierung des Territoriums.

Die theoretischen Arbeiten und die praktische Entwurfstätigkeit bedingen und ergänzen sich gegenseitig. In dieser Wechselwirkung erkennen die Architekten ihr Potenzial. Dazu gehören auch der Vorrang des Urbanen und die Suche nach einer realistischen Haltung, welche die Architektur als Teil einer komplexen Alltäglichkeit versteht. Die Wohnüberbauung Stöckenacker als ihr bisher grösstes ausgeführtes Projekt ist eine auf den neusten Stand der Technologie und Architektur gebrachte Anwendung der „schweren Vorfabrikation“. Darunter versteht man etwa die Fabrikfertigung geschosshoher Fassadenelemente, sogenannter Beton- Sandwichplatten, einer Technologie, die in der Schweiz in den sechziger Jahren verbreitet war, nach der Ölkrise aber kaum mehr angewandt wurde.

Im Wettbewerbsentwurf für die Wohnsiedlung Stöckenacker griffen von Ballmoos und Krucker die Thematik 1997 wieder auf, da sie ihnen im Rahmen des Zürcher Wohnbauförderungsprogramms von Interesse erschien. Dimension und Massstab der Überbauung mit den drei einander zugewandten, fünf- bis sechsgeschossigen Wohnblöcken nehmen grossräumig Bezug auf die umliegenden Siedlungen und auf die Weite des Tales. Die unterschiedliche Konturierung der Bauten mit linearer, geschlossener Strassen- und bewegter, offener Gartenseite erlaubt spezifische Reaktionen auf die Umgebung. Es entstehen Volumen mit ungewohnten Abwicklungen, die nicht auf den ersten Blick erfassbar sind. Diese Anordnung schafft urbane Bezüge in einem städtebaulich kaum fassbaren Gebiet.

Bei der Ausbildung der Bauelemente lag das Ziel weniger in der Normierung der Plattendimensionen als in der Systematisierung der Übergänge und in der Detailausbildung, die zur angestrebten massiven Erscheinung der unterhaltsarmen Fassaden beiträgt. Neuartig ist die Anordnung der grosszügigen Fensteröffnungen in den Lücken zwischen den Platten anstelle der üblichen Perforation. Das Kernstück der Wohnungen bildet die funktionale Zuordnung der Raumgruppe von Wohnraum, offener Küche und Balkon. Die durchdachte Anordnung generiert räumlich komplexe Situationen mit vielfältigen Durch- und Ausblicken. Mit der Variation des Themas werden bis zu vier verwandte Konstellationen pro Geschoss erreicht, die über unterschiedliche Erschliessungstypen und Wohnungsgrössen hinweg die Baukörper generieren.

Die Kombination von architekturhistorischem Wissen und Intuition, von Theorie und konkreter entwerferischer Arbeit im Werk von Thomas von Ballmoos und Bruno Krucker generiert eine Architektur, die vermeintlich Bekanntes in einem neuen Licht erscheinen lässt und dabei von Komplexität und inhaltlicher Dichte geprägt ist.

Beim jüngsten Projekt für die Erweiterung der ETH Hönggerberg (das dort bis zum 12. April ausgestellt ist) haben die Architekten aus dieser Denkweise heraus einen innovativen Ansatz gefunden, der aus der Etablierung einer inneren Strukturierung heraus den Entwurf von den Innenräumen bis zur städtebaulichen Einbindung zu prägen vermag und dem Gebäude einen eigenen Charakter verleiht.


[Thomas von Ballmoos und Bruno Krucker stellen ihre Bauten und Projekte am 10. April um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich am Neumarkt 17 vor.]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2002.04.05

01. Februar 2002Peter Omachen
Neue Zürcher Zeitung

Komplexität und Einheitlichkeit

Seit Jahren fallen sie durch Wettbewerbserfolge auf. Jetzt beginnen die beiden jungen Zürcher Architekten Samuel Bünzli und Simon Courvoisier zu bauen. Dank ihrem entwerferischen Können gelingt es ihnen, komplexe Innenräume und äussere Bedingungen mit bestechend klaren Gebäudekonzepten in Übereinstimmung zu bringen.

Seit Jahren fallen sie durch Wettbewerbserfolge auf. Jetzt beginnen die beiden jungen Zürcher Architekten Samuel Bünzli und Simon Courvoisier zu bauen. Dank ihrem entwerferischen Können gelingt es ihnen, komplexe Innenräume und äussere Bedingungen mit bestechend klaren Gebäudekonzepten in Übereinstimmung zu bringen.

Kein anderes Schweizer Architektenteam war in den vergangenen Jahren so früh erfolgreich wie die beiden 1966 geborenen Zürcher Samuel Bünzli und Simon Courvoisier. Schon als Studenten gewannen sie zwei grosse Wettbewerbe: 1992 für die Rathauserweiterung in Stans und 1994 für die Berufsschule Schütze in Zürich. Doch der Stanser Entwurf blieb ebenso unausgeführt wie das unter mehr als 270 Eingaben ausgewählte Schulhausprojekt, das sie in Zusammenarbeit mit Alain Roserens entworfen hatten. Der Kanton Zürich als Bauherrschaft setzte nach mehrjähriger Planungsarbeit die Prioritäten seiner Bauvorhaben anders. So arbeiteten Bünzli und Courvoisier in verschiedenen namhaften Schweizer Architekturbüros und als Assistenten an Entwurfslehrstühlen der ETH Zürich, bis sie 1999 ihre Zusammenarbeit erneut verstärkten und auf Anhieb vier weitere Wettbewerbe in Folge gewannen. Drei der erstplacierten Projekte werden gegenwärtig ausgeführt.

Das Primarschulhaus Linden in Niederhasli ist zurzeit im Bau. Es befindet sich am Rand einer bis zu siebengeschossigen Agglomerations-Wohnüberbauung aus den siebziger Jahren. Die Wettbewerbsvorgaben waren streng: Das Schulhaus mit sechs Klassenzimmern sollte in Etappen von jeweils zwei Zimmern erweitert werden können. Die Gebäudekonzeption leitet sich von dieser Forderung ab: Ausgehend von der Turnhalle, die den zweigeschossigen Baukörper zum Ort hin verankert, entwickelt sich das quaderförmige Sichtbetongebäude in einer additiven Reihung gegen die unbebaute Landschaft. Jede Einheit besteht aus zwei Klassenzimmern im Obergeschoss, die über eine dazwischenliegende einläufige Treppe mit der Pausenhalle verbunden sind. Ergänzt werden die Module durch Sanitärzellen und einen rückwärtigen Spezialraum im Erdgeschoss sowie einen von oben belichteten Gruppenraum im Obergeschoss. Die stützenfreie Pausenhalle, die sich unter der einen Klassenzimmerreihe erstreckt, ist durch eine zurückgesetzte Verglasungvom Pausenplatz getrennt. Die räumliche Struktur führt zum konstruktiven Prinzip des Schottenbaus: Das Gebäude wird durch eine Reihe vonstehenden Betonscheiben gehalten, die im Bereich der durchgehenden Pausenhalle acht Metertief ausgeschnitten sind. Die Schulzimmer scheinen als Holzkisten in das statische Gerüst eingeschoben. Durch seine markante Aussenform vermag sich das kleine Gebäude gegen seine mächtige Nachbarschaft zu behaupten, während dieinnere Kleinteiligkeit den Schulkindern Geborgenheit vermittelt.

Kurz vor Baubeginn steht die Wohnsiedlung Hagenbuch in Albisrieden. Auf einer idyllischen Obstwiese am Stadtrand von Zürich entstehen bis ins Jahr 2004 in sechs unterschiedlichen Mehrfamilienhäusern 40 Genossenschaftswohnungen. Von einem Erschliessungskern aus greifen jeweils zwei bis drei Gebäudearme in unregelmässiger Anordnung in die umgebende Parklandschaft. Jeder Arm enthält pro Stockwerk eine Wohnung mit grossem, dreiseitig befenstertem Wohnraum am Ende eines Mittelkorridors. Die Gebäudeformen nehmen Bezug auf ihre Umgebung: Dieeinzelnen Häuser entsprechen der Grösse der angrenzenden Wohnblöcke aus den fünfziger Jahren, die ausgreifenden Flügel korrespondieren mit den benachbarten Einfamilienhäusern, und die verschachtelten Grundrisse und Aussenräume erinnern an den historischen Dorfkern. Die aufgegliederten Grundrisse bewältigen die Problematik der entgegengesetzten Richtung von Besonnung und Aussicht am flachen Nordhang.

Die beiden Projekte nehmen unterschiedliche architektonische Themen auf und spiegeln darin das gesamte Spektrum des bisherigen Schaffens von Bünzli & Courvoisier. Das Primarschulhaus führt das Konzept eines komplexen inneren Erschliessungskörpers zur Vollendung, das dieArchitekten bereits in ihren frühen Wettbewerbserfolgen eingesetzt hatten. Mittlerweile ist esihnen gelungen, die Diskrepanz zwischen der äussern Erscheinung und der inneren Form zu bewältigen. Paradoxerweise führte der Weg dazuüber die vielschichtige Überlagerung verschiedener Themen, die zu einem gemeinsamen, einheitlichen Ausdruck finden. - Zwei kleinere Erstlingswerke sind soeben vollendet worden: ein Laborgebäude für die Universität Zürich Irchel sowiedie Aufstockung eines Einfamilienhauses in Zollikon. Seit zehn Jahren durch ihre Entwürfe bekannt, haben Bünzli& Courvoisier nun den Durchbruch geschafft. Ihr Werdegang zeigt auf, wie schwierig es heute für junge Architekturbüros ist, sich zu etablieren.


[Bünzli & Courvoisier stellen ihre Arbeiten am 6. Februar um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich am Neumarkt 17 vor.]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2002.02.01

07. April 2000Peter Omachen
Neue Zürcher Zeitung

Entwerfen als Prozess

Arbeiten von Annette Spiro und Stephan Gantenbein

Arbeiten von Annette Spiro und Stephan Gantenbein

Das Zürcher Architektenteam Annette Spiro und Stephan Gantenbein arbeitet zurzeit an der Realisierung von zwei grossen Wohnanlagen in Albisrieden und Oerlikon. Ihre wenigen bis anhin ausgeführten Bauten, etwa ein Erweiterungsbau in Füllinsdorf, zeichnen sich durch eine innere Stimmigkeit aus. Diese resultiert aus einem prozessorientierten Entwurfsvorgang.

Das aussergewöhnliche Projekt von Annette Spiro und Stephan Gantenbein für den Erweiterungsbau eines landwirtschaftlichen Betriebs in Füllinsdorf stiess zunächst auf Widerstand. Doch die Bauherrschaft setzte sich durch. 1994 konnte das Zürcher Architektenpaar den geplanten Anbau realisieren. Drei Jahre später erhielt es für sein Erstlingswerk die Auszeichnung Guter Bauten der Kantone Basel-Stadt und Baselland.


Landschaftsbezug

Der idyllische Hümpelihof liegt auf einer zweiseitig bewaldeten Anhöhe, von der aus der Blick nach Westen über die Stadt- und Industrielandschaft Basels und nach Osten über bewaldete Hügel schweift. Die Topographie und das Zusammentreffen zweier unterschiedlicher Landschaftsräume geben dem Ort seinen unverwechselbaren Charakter. Das Wohnhaus und der dreiseitig umbaute Hofraum orientieren sich nach dem urban geprägten Westen. Die Grundrissdisposition der Anlage, deren Aussenräume auf verschiedenen Niveaus liegen, wurde durch den Neubau nicht verändert: Das kleine Haus erhebt sich über den Grundmauern des ehemaligen Schuppens, der zuvor die Bautengruppe gegen die Hügellandschaft hin abschloss.

Der neue Gebäudekörper, der wie sein Vorgänger zum Hof hin eingeschossig in Erscheinung tritt, besteht in Wirklichkeit aus drei übereinanderliegenden Räumen. Oben befindet sich das funktionell dem anschliessenden Wohnhaus zugeordnete Arbeitszimmer für den Landwirt, in der Mitte (seitlich von einem kleinen Garten flankiert) ein Praktikantenzimmer mit Kochnische. Auf dem untersten Niveau, ebenerdig zum Wirtschaftshof, liegt der Heizungs- und Geräteraum. Das Gebäude, das in seiner Typologie an ein traditionelles Stöckli erinnert, wird über einen halbgeschossig versetzten Eingangsbereich auf Höhe des oberen Hofes erschlossen. Im Innern setzt das Gebäude durch das grosse, tiefliegende Fenster im erkerartigen Vorbau und das hochliegende Fenster über dem Eingang die beiden Landschaftsräume zueinander in Beziehung, ohne sie direkt miteinander zu verbinden. Diese Polarität kehrt in der Fassadengestaltung wieder: Während die unscheinbare Eingangsfront weiss gestrichen ist, um die Einheitlichkeit des Hofraumes zu wahren, antwortet die expressive Ostfassade der Waldlandschaft mit einem kräftigen Ockerton.


Wohnexperiment

Dieses Erstlingswerk des seit 1991 bestehenden Teams zeigt bereits, was für seine Bauten und Projekte mittlerweile charakteristisch ist. Ihm geht es weniger um äussere Merkmale, als vielmehr um die Spuren prozessorientierten Arbeitens. Der Entwurf wird dabei in all seinen Komponenten immer wieder überprüft und verfeinert. Die Vorstellung eines ordnenden Gesamtkonzepts im Sinne eines starren Regelwerks, das mit eiserner Konsequenz alle Details generiert, ist den beiden ETH-Absolventen ein Graus. Diese Haltung mag durch lange Aufenthalte in Wien, Sevilla und Brasilien gefördert worden sein. Spiro und Gantenbein suchen mit ihren Entwürfen Schritt für Schritt eine innere Ordnung zu erstellen, die durch eine vielschichtige Vernetzung mit der Umgebung Neues schafft. Das fertige Bauwerk wird so gleichsam zur Momentaufnahme in einem offenen Entwurfsprozess.

Die Stimmigkeit, die aus dieser undogmatischen Arbeitsweise resultiert, zeichnet auch den 1997 in Zürich vollendeten Umbau eines sechsgeschossigen Bürohauses aus den fünfziger Jahren zum genossenschaftlichen Wohnprojekt Karthago aus. Dank der offenen Planung liess sich die Idee des Zusammenlebens von 50 Menschen in ein konkretes Raumprogramm umsetzen. Auf jedem Geschoss findet sich eine grosse und eine kleine Wohngruppe, die jeweils aus Einzelzimmern und gemeinsamer Wohnzone mit Teeküche und Nasszellen besteht. Im Erdgeschoss liegt eine grosse Gemeinschaftsküche, die von einem angestellten Koch bewirtschaftet wird, sowie ein gemeinsamer Wohn- und Essraum.

Es ist nicht ein grosser architektonischer Wurf, sondern ein sorgfältig erarbeiteter Rahmen für eine experimentelle Wohnform, der an der Zentralstrasse 150 entstanden ist. Das Resultat hat sich bisher bewährt. Zum Gelingen mag die lichte Raumatmosphäre beigetragen haben, die bei aller Sparsamkeit der Bauausführung erzielt worden ist. Nun werden Spiro und Gantenbein ihre bisher nur im Kleinen bewiesenen Fähigkeiten grossmassstäblich umsetzen können: Sie arbeiten derzeit an der Weiterplanung von zwei aus Wettbewerben hervorgegangenen Wohnanlagen in Albisrieden und Oerlikon mit insgesamt über 130 Wohneinheiten.


[ Annette Spiro und Stephan Gantenbein stellen ihre Arbeiten am 12. April um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich am Neumarkt 17 vor. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2000.04.07

04. Februar 2000Peter Omachen
Neue Zürcher Zeitung

Gebaute Instrumente der Wahrnehmung

Für denselben Bauherrn konnten die beiden jungen Westschweizer Architekten Pierre Bonnet und Christian Bridel zwei grundverschiedene Projekte, eine Zollstation und ein Fernheizkraftwerk, realisieren. Die Gemeinsamkeit der Lösungen liegt dabei in der Intelligenz ihrer Konzeption, die jeweils in der feinsinnigen Analyse des Ortes gründet.

Für denselben Bauherrn konnten die beiden jungen Westschweizer Architekten Pierre Bonnet und Christian Bridel zwei grundverschiedene Projekte, eine Zollstation und ein Fernheizkraftwerk, realisieren. Die Gemeinsamkeit der Lösungen liegt dabei in der Intelligenz ihrer Konzeption, die jeweils in der feinsinnigen Analyse des Ortes gründet.

Der Traum eines jeden Architekturstudenten ging für den Genfer Pierre Bonnet und den Lausanner Christian Bridel kurz nach Abschluss ihrer Studien an der ETH Lausanne in Erfüllung: Gemeinsam gewannen sie auf Anhieb einen Architekturwettbewerb und konnten ihr Projekt anschliessend realisieren.


Virtuelles Büro

Bei diesem bemerkenswerten Erstlingswerk handelt es sich um den 1993 vollendeten Neubau der zehn Kilometer von Nyon entfernt gelegenen Zollstation Crassier. Das vom Amt für Bundesbauten in Auftrag gegebene Gebäude unmittelbar an der Grenze zu Frankreich, die mitten durch das idyllische Dorf am Fusse des Jura geht, umfasst neben einem kleinen Zollamt auch Wohnungen für die hier beschäftigten Grenzbeamten. Gleich an der Strasse befindet sich das eingeschossige Zollamt, dessen ausladendes Vordach über der Fahrbahn an die modernistische Formensprache der benachbarten Tankstelle erinnert. Dahinter erheben sich der Wohntrakt für Zollbeamte mit Familie und - rechtwinklig daran anstossend - die Studios für alleinstehende Grenzwächter. Sämtliche Wohnungen sind vom Hofraum im Innern des Gevierts aus erschlossen und verfügen über einen privaten Aussenraum, sei es als Gartensitzplatz, Balkon oder Dachterrasse. - Durch die Verteilung der Nutzung auf drei kleinere Volumen gelang es, die intakte Massstäblichkeit des Ortes beizubehalten, ohne dass der Charakter des Neubaus in Frage gestellt wäre. Darüber hinaus festigt das präzise Setzen den vorgefundenen Altbestand in seiner scheinbar zufälligen Lage und bindet ihn besser ins Dorfgeflecht ein. Dies gelang dank einer vorgängigen Analyse des hochdefinierten Ortes mit seinen charakteristischen Elementen wie Grenzstreifen, Grenzübergang und Bachlauf. Die darin erkennbaren Strukturen wurden geschickt in die Architektur des Neubaus umgesetzt, so dass nun die inhärent vorhandenen Eigenschaften des Ortes durch die Architektur wahrnehmbar werden. Diese wird so zum Instrument der Wahrnehmung.

Es ist beinahe ein Zufall, dass die beiden realisierten Projekte von Pierre Bonnet und Christian Bridel vom Architektenduo gemeinsam entworfen worden sind: Die beiden führen nämlich kein gemeinsames Büro, sondern arbeiten projektbezogen in wechselnden Konstellationen mit verschiedenen Berufskollegen zusammen. Diese Praxis findet gerade in der jüngeren Architektengeneration immer grössere Verbreitung. Sie kann als Reaktion auf die schlechte Arbeitsmarktsituation und die zunehmende Komplexität heutiger Bauaufgaben interpretiert werden. Solchen Gegebenheiten ist nur mit individuell zusammengestellten Spezialistenteams beizukommen. Dies gilt etwa für das technisch neuartige Fernheizkraftwerk auf dem Waffenplatz im waadtländischen Bière.

Auch in Bière ging der Entwurf aus einem Wettbewerb unter mehreren geladenen Architektenteams hervor; auch hier war einmal mehr das Amt für Bundesbauten der Bauherr. Sonst aber war die Ausgangslage völlig andersartig: Die beiden veralteten Fernheizkraftwerke auf dem Armeegelände sollten durch ein neues, vollautomatisches ersetzt werden, dessen Lage innerhalb des Areals ebenfalls teil der Aufgabenstellung war. Das 1998 fertiggestellte Kraftwerk von Bonnet und Bridel präsentiert sich nun als hölzerner Monolith am Rande des Siedlungsgebietes. Auf dem freien Plateau zwischen Genfersee und Jurakette tritt der mächtige Quader von 48 m Länge, 15 m Breite und 12 m Höhe in Beziehung zum freien Horizont. Der Eindruck dieser losgelösten Lage wird durch die fernen Wälder und den Blick auf die Alpenkette mit dem Montblanc noch verstärkt.


Spiel mit der Topographie

Das Projekt spielt mit diesen topographischen Elementen und wird durch die Abstraktion seiner Form und seiner Materialität zum Bestandteil der Landschaft. Seine Funktion erschliesst sich dem Betrachter einzig durch einige emblematische Elemente wie Kamine, Aschencontainer oder Aussentore, die durch ihre Ausführung in blankem Aluminium auf die im Holzgehäuse verborgene Maschinerie verweisen. Auf ein komplexes technisches Programm antwortet die Architektur mit einem abstrakten Bild: dem eines einfachen Körpers, dessen physische Schwere durch den Sockel aus hinterleuchteten Polykarbonat-Platten negiert wird. Der Wille zur Entmaterialisierung manifestiert sich ebenso im Spiel mit dem Massstab der Türöffnungen, der flimmernden Holzlattenfassade und den zurückhaltenden Details, die in hartem Kontrast zur komplexen und leistungsstarken Technologie im Gebäudeinnern stehen.

Zurzeit arbeiten die beiden Westschweizer Architekten wieder getrennt an verschiedenen Projekten zwischen Lausanne und Genf. Ein neuer gemeinsamer Entwurf ist derzeit nicht in Sicht. So darf man gespannt sein, ob sie das hohe Niveau, das sich in ihrer gemeinsamen Arbeit manifestierte, auch in anderen Konstellationen zu halten vermögen. Die Erkennbarkeit der Urheberschaft ist für die beiden ohnehin kein Thema. Schliesslich liegt das Charakteristische ihrer gemeinsamen Bauten nicht in deren Formensprache, sondern in der Intelligenz der architektonischen Lösung.


[ Pierre Bonnet und Christian Bridel stellen ihre Arbeiten am 9. Februar um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich am Neumarkt 17 vor (Vortrag in französischer Sprache). ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2000.02.04

05. November 1999Peter Omachen
Neue Zürcher Zeitung

Harmonische Bauten im Gleichgewicht

Das bisherige Œuvre des Solothurner Architekten Jürg Stäuble fällt durch sein hohes Niveau auf. Dabei bieten die formal sehr unterschiedlichen Bauten markante Erscheinungsbilder, die aber gleichwohl in Harmonie zu ihrer Umgebung stehen. Klare Gebäudestrukturen und einfache Konstruktionen zeichnen die kraftvollen und doch eleganten Gebäude aus.

Das bisherige Œuvre des Solothurner Architekten Jürg Stäuble fällt durch sein hohes Niveau auf. Dabei bieten die formal sehr unterschiedlichen Bauten markante Erscheinungsbilder, die aber gleichwohl in Harmonie zu ihrer Umgebung stehen. Klare Gebäudestrukturen und einfache Konstruktionen zeichnen die kraftvollen und doch eleganten Gebäude aus.

1998 vergab der Kanton Solothurn erstmals Auszeichnungen für gute Bauten. 11 der 84 eingereichten, seit 1995 realisierten Projekte wurden ausgezeichnet. Gross war die Überraschung, als ein Architekt gleich mit drei prämierten Arbeiten vertreten war: Es war der Solothurner Jürg Stäuble. Das markanteste unter den prämierten Gebäuden ist das Wohn- und Geschäftshaus für die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) in Solothurn. Die charakteristische Fassade entstand aus der subtilen Reaktion auf vielfältige Randbedingungen und Anforderungen. Der Bau liegt an einem kleinen, baumbestandenen Park an der Aare mit Blick auf die gegenüberliegende Altstadt und die Jurakette. Er folgt einer klassischen Dreiteilung in einen Sockel - mit Räumen für den Publikumsverkehr der Suva-Agentur -, drei Obergeschosse mit Büros und einen Dachaufbau mit Wohnungen auf je zwei Etagen.


Bezug zum städtebaulichen Kontext

Kräftig ausgebildete, horizontale Fassadenbänder überbrücken den grossen Abstand zwischen den beiden angrenzenden, kleinteiligen Bauten einer Blockrandbebauung der Jahrhundertwende, deren letzte Lücke nun vom Neubau geschlossen wird. Die überdimensionalen Dachgauben korrespondieren mit den Giebeln der umstehenden Häuser. Durch die asymmetrische Anordnung vermitteln sie geschickt zwischen den unterschiedlich hohen Nachbarbauten. Deren Fensterläden entsprechen den filigranen Aluminium- Schallschutzläden des Neubaus. Beim Öffnen der Fenster klappen sie durch einen simplen Mechanismus zu und erlauben ein ungestörtes Arbeiten an der verkehrsreichen Quartierstrasse. Die dem Innenhof zugekehrte Südfront ist ihrer Lage gemäss einfach gestaltet: als schmucklose Lochfassade reicht sie bis hinauf zum offenen Laubengang, der die vier Wohnungen über kleine Aussensitzplätze erschliesst. Spektakulär ist der Blick durch die zweigeschossigen Wohnzimmerfenster auf die barocke St.-Ursen-Kathedrale.

Starke Bauten in Harmonie mit ihrer Umgebung strebt der aus einer Architektenfamilie in dritter Generation stammende Stäuble mit seinen Entwürfen an. Nach einer Lehre als Hochbauzeichner absolvierte er eine Ausbildung an der Ingenieurschule Biel. Es folgten verschiedene Praktika und längere Studienreisen nach Skandinavien und Nordafrika. Im Jahre 1985 eröffnete er sein eigenes Büro. Eine Vielzahl ausgeführter Bauten stellt seither seine Fähigkeiten des genauen Hinsehens und der architektonisch wie konstruktiv präzisen Umsetzung seiner Entwürfe unter Beweis. Stäuble ist übrigens nicht mit dem gleichnamigen Basler Künstler zu verwechseln, der eine Sperrholzplastik für die Empfangshalle des Suva-Hauses geschaffen hat.


Ein Schulhaus im Park

Eine erste grössere Aufgabe war die 1996 vollendete, ebenfalls preisgekrönte Aufstockung der Wohnsiedlung Hofmatt in Solothurn. Bei den acht freistehenden, zweigeschossigen Mehrfamilienhäusern aus den vierziger Jahren wurde das behäbige Satteldach durch einen aluminiumverkleideten Dachaufbau ersetzt. Die silberfarbene Aussenhaut der eingeschossigen Attikawohnungen mit flach geneigtem Pultdach ist durch vertikale Holzleisten rhythmisiert und verleiht den zurückversetzten Aufstockungen Leichtigkeit und Eleganz. Der Architekt spricht in diesem Zusammenhang von «Baumhäusern» - beim Betrachten der durchgrünten Siedlung wird klar, was er damit meint. - In einer sich schnell verändernden Welt ist Stäuble der Bezug seiner Bauten zu ihrer Umgebung ein wichtiges Anliegen. Einerseits strebt er mit seinen Entwürfen eine ausgeglichene Gesamterscheinung an, andererseits verleiht er seinen Bauten so viel Charakter und Individualität, dass sie auch in einer veränderten Umwelt bestehen können. Dieses ausgewogene Verhältnis erreicht die Erweiterung des Primarschulhauses Pisoni in Zuchwil, seine dritte prämierte Arbeit. Zusammen mit dem dominanten Schulhaus aus dem Beginn des Jahrhunderts bildet der freistehende Winkelbau ein städtebauliches Ensemble, das sich im subtilen Gleichgewicht zwischen Solitär und Gruppe, zwischen Körper und Aussenraum befindet. Er setzt sich aus dem dreigeschossigen Klassenzimmertrakt in Sichtmauerwerk und dem um ein Geschoss niedrigeren, orthogonal dazu angeordneten Spezialtrakt zusammen, der fast bis an den Altbau heranreicht. Dank seiner beidseitigen Verglasung bleibt der nunmehr zweigeteilte Park als Ganzes erlebbar.

Im Zusammenhang mit der Nachkriegsmoderne ist die sogenannte Solothurner Schule ein internationaler Begriff. Ihre wichtigsten Vertreter - Franz Füeg und Fritz Haller - entsagten in den sechziger Jahren der individuellen künstlerischen Gestaltung und suchten nach allgemeinen, übertragbaren Lösungen unter Einsatz modernster Technik. Seit dieser Zeit hat die Aare-Stadt keinen namhaften Architekten mehr hervorgebracht. Mit Jürg Stäuble könnte sich das ändern.


[ Jürg Stäuble stellt seine Arbeiten am 11. November um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich am Neumarkt 17 vor. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 1999.11.05

09. Juli 1999Peter Omachen
Neue Zürcher Zeitung

Zwischen Intellekt und Emotion

Es ist eher ungewöhnlich, dass ein noch junges Architekturbüro bereits eine umfangreiche Werkliste präsentieren kann. Denn anders als in den Jahren der...

Es ist eher ungewöhnlich, dass ein noch junges Architekturbüro bereits eine umfangreiche Werkliste präsentieren kann. Denn anders als in den Jahren der...

Es ist eher ungewöhnlich, dass ein noch junges Architekturbüro bereits eine umfangreiche Werkliste präsentieren kann. Denn anders als in den Jahren der Hochkonjunktur ist es heute schwierig, auf dem freien Markt Fuss zu fassen. Um so mehr erstaunt die Zahl von über 20 ausgeführten Neu- und Umbauprojekten, die das seit 1992 zusammenarbeitende Architektentrio Peggy Liechti, Andreas Graf und Lukas Zumsteg vorlegen kann. Ihren Häusern versuchen Liechti Graf Zumsteg einen Teil ihrer kollektiven und persönlichen Erinnerung einzuschreiben. Dennoch scheinen die Bauten von Liechti Graf Zumsteg oftmals sehr gewöhnlich zu sein. Diese Nähe zum Vertrauten, aber auch zum bereits Vorhandenen wird bewusst gesucht. Erst auf den zweiten Blick erkennt man, dass diesen Häusern etwas Ungewohntes, Andersartiges anhaftet. Gerade bei Umbauten geht es oft weniger um das dialektische Nebeneinander von Alt und Neu als um eine Wahrnehmung der verborgenen Qualitäten, um eine Wertschätzung des Bestehenden und damit um eine Verschmelzung, um ein Weiterbauen, um die Schaffung eines neuen Ganzen. Dabei halten sie nichts von einer unkritischen, affirmativen Arbeitsweise und ziehen eine unterschwellige Subversivität vor, wobei das Vertraute auf unerwartete Weise eingesetzt oder mit Neuartigem überlagert wird.

Für die beiden Genossenschaftssiedlungen in Klingnau und Untersiggenthal haben die drei Brugger Architekten einen Wohnungstyp mit Mittelgang und seitlich angeordneten Räumen gewählt. Entstanden sind lange, schlanke Gebäude mit Satteldächern und vorspringenden Treppenhäusern, wie man sie aus den fünfziger und sechziger Jahren kennt. Dieser Eindruck eines bekannten Gebäudetyps wurde noch verstärkt durch die Verwendung typischer Elemente jener Zeit wie des aus der Fassade hervortretenden Blumenfensters. In diesem Kontext erscheint die auf der Gartenseite den Häusern vorgelagerte Balkonzone ungewohnt. Sie bildet mit ihrer von grossen Öffnungen geprägten abstrakt-geometrischen Form einen Bruch, verschmilzt aber sogleich wieder mit dem Haus und bildet mit ihm eine Einheit. Gleichzeitig verbinden die verputzten Fassaden und die geneigten Dächer die Häuser mit dem Ort, an dem sie stehen.

Die drei Architekten sind bestrebt, ihren Bauten eine Seele einzuhauchen. Beseelt scheint ihnen ein Haus dann zu sein, wenn seine Gestalt den Intellekt ebenso bewegt wie das Gefühl. Für den passenden Ausdruck suchen sie dabei nicht nur in ihren Erfahrungen und Erinnerungen nach Bildern, sondern auch in der Architekturgeschichte unseres Jahrhunderts. Beim geplanten Begegnungszentrum der Psychiatrischen Klinik Königsfelden in Windisch etwa fanden sie ihre Referenz in den Bauten Ludwig Mies van der Rohes: Ein grosses Flachdach auf Stützen beherbergt fünf frei angeordnete Kuben mit unterschiedlichen Nutzungen, die sich um eine zweigeschossige Halle gruppieren. Dadurch erhält das Haus eine pavillonartige Leichtigkeit. Die Zweigeschossigkeit der Stützen bewirkt aber auch eine den kleinteilig gegliederten Fassaden übergeordnete Monumentalität, die es dem Haus erlaubt, sich gegenüber der Klosterkirche und dem von Gottfried Semper erbauten Hauptgebäude der Klinik zu behaupten.

Völlig anders präsentiert sich das Ende Mai siegreich aus einem Wettbewerb hervorgegangene Projekt für den Umbau einer Weinhandlung in die neue Kantonsbibliothek Liestal. Der kühne und nicht unumstrittene Entwurf sieht eine radikale Umgestaltung und Neuinterpretation des bestehenden, scheunenartigen Gebäudes mit seinem gewaltigen Ziegeldach vor: Die zahlreichen kleinen Dachaufbauten und Lukarnen sollen entfernt und gegen eine meterhohe, gläserne Dachlaterne ausgetauscht werden, die leuchtturmartig ein sichtbares Zeichen setzen soll.

Die Bauten von Liechti Graf Zumsteg sind zugleich typisch und doch einzigartig. Typisch für ein junges Architektenteam von heute ist es, nicht nach einer eigenen Architektursprache zu streben, sondern stets neue Wege zu beschreiten und immer wieder neue Kombinationen des Vertrauten auszuloten. Einzigartig ist hingegen die unverkrampfte Art, mit der die Brugger Architekten ihre Anregungen aus der Architektur des 20. Jahrhunderts beziehen und sinnvoll in ihren Bauten und Projekten integrieren.


[ Peggy Liechti, Andreas Graf und Lukas Zumsteg stellen ihre Arbeiten am 7. Juli um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich am Neumarkt 17 vor. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 1999.07.09

09. April 1999Peter Omachen
Neue Zürcher Zeitung

Intuitives Generieren neuer Qualitäten

Bekannt geworden sind die drei Zürcher Architekten Regula Harder, Barbara Strub und Jürg Spreyermann mit ihrem Neubau für das Elektrizitätswerk Altdorf. Unweit davon realisierten sie zusammen mit Oliver Strub ein Einfamilienhaus. Ganz allgemein zeichnen sich ihre Bauten aus durch das Offenlegen versteckter Potentiale von Aufgabenstellung und Ort.

Bekannt geworden sind die drei Zürcher Architekten Regula Harder, Barbara Strub und Jürg Spreyermann mit ihrem Neubau für das Elektrizitätswerk Altdorf. Unweit davon realisierten sie zusammen mit Oliver Strub ein Einfamilienhaus. Ganz allgemein zeichnen sich ihre Bauten aus durch das Offenlegen versteckter Potentiale von Aufgabenstellung und Ort.

Die besondere Herausforderung beim Entwurf des Einfamilienhauses Strub, das die jungen Zürcher Architekten Regula Harder, Barbara Strub und Jürg Spreyermann in Altdorf 1997 realisierten, lag in dem aussergewöhnlich langen und schmalen Grundstück. Die zwischen älteren Einfamilienhäusern gelegene Parzelle bietet einzig zur strassenabgewandten Schmalseite hin einen schönen Blick auf die offene Landschaft und die nahen Alpen. Es sind gerade solch schwierige, von scheinbar widrigen Randbedingungen geprägte Aufgaben, die die drei Architekten besonders reizen. In diesem Fall lag die Lösung in einem langgestreckten Bau, der sich mit seinem Kopf, einem dreiseitig befensterten Wohnzimmer, der Aussicht weiter entgegenstreckt als die Nachbarbauten. Der Blick öffnet sich nicht nur nach vorn, sondern auch zu den Seiten hin, an den Hausfronten vorbei und über die Gärten hinweg. Diese Offenheit steht im Gegensatz zum introvertierten Charakter des strassenseitigen Bereichs. Hier öffnen sich Entrée, Korridor und Küche zu einem dreiseitig umschlossenen Gartenhof. Eine schmale Aussentreppe führt zur Terrasse vor den Schlafzimmern im Obergeschoss.

Die dem Entwurf eigene Herangehensweise ist typisch für die Arbeiten des Architektentrios, versuchen sie doch durch eine intuitive Suche nach den Charakteristiken des Ortes und der Aufgabenstellung Potentiale für eine architektonische Lösung freizulegen. Dabei muss die Recherche oft an scheinbar langweiligen oder gar hässlichen Orten vorangetrieben werden, bis neue Qualitäten durch das Verändern einzelner Randbedingungen erkennbar werden. Nicht am Kontrast oder am Ausblenden von Störendem sind sie interessiert, sondern an den Möglichkeiten einer Neuinterpretation und damit der Aufwertung des Vorhandenen. Diese Überlegungen lassen sich beim Haus Strub und bei der Erweiterung des Elektrizitätswerkes Altdorf (NZZ 6. 11. 98) ebenso nachvollziehen wie bei anderen Bauten und Projekten.

Das Augenmerk gilt dabei stets der Raumbildung. Eine aussergewöhnliche Aufgabe in diesem Zusammenhang war 1996 die Inszenierung einer Soiree für das Schweizer Uhrenunternehmen Breitling in Basel. Dabei sollten die Kunden in die Welt des Zirkus entführt werden. Eigens für diesen Anlass stellte der Zirkus Royal eines seiner Zelte auf. Für einmal sollten die Architekten den Raum durch ihren Eingriff nicht grosszügiger erscheinen lassen, sondern den allzu grossen Raum mittels Kunstlicht und einer durchdachten Lichtregie optisch reduzieren. Nur auf diese Weise nämlich konnte man das überdimensionale Zirkuszelt als Ort für einen grossen gesellschaftlichen Anlass tauglich machen. Der Abend war in szenische Abschnitte gegliedert. Wechselnde Raumteile wurden durch gezielte Lichtführung hervorgehoben, während der Restraum im Dunkeln verschwand. So wurde es möglich, im Verlauf des Abends unterschiedliche Räume zu kreieren. Die Raumwirkung wurde durch verschiedene Lichtfarben und die Ausgestaltung des Zeltes mittels Raumtextilien und Blumen ergänzt.
Teamarbeit ist den drei Architekten, die sich während des Studiums an der ETH kennenlernten, wichtig. Obschon sie nicht aus Zürich stammen – Harder und Spreyermann kommen aus der Ostschweiz, Strub aus dem Kanton Uri –, haben sie ihren einstigen Studienort als Denkort beibehalten. Sie schätzen den Austausch unter den Berufskollegen, die sich wie sie in Zürich niedergelassen haben. 1998 hat sich das Team nach vier Jahren gemeinsamer Arbeit wieder getrennt und agiert seither in neuen Konstellationen.

Harder & Spreyermann planen derzeit ein Eingangsgebäude für das Fernsehen DRS im Leutschenbach – ein Projekt, das aus einem Wettbewerb hervorgegangen ist, den das Architektentrio noch gemeinsam gewonnen hatte. Barbara Strub arbeitet mit verschiedenen Partnern an diversen Wohnbauprojekten. Dass formale Vorlieben bei den drei Architekten keine Rolle spielen, wird beim Vergleichen ihrer bisherigen Werke deutlich, die eine Vorliebe für prozessorientiertes Arbeiten unter wechselnden Rahmenbedingungen erkennen lassen.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 1999.04.09

Profil

Peter Omachen diplomierte an der Architekturabteilung der ETH Zürich. Er arbeitet als Denkmalpfleger des Kantons Obwalden und als Dozent an der Hochschule für Technik + Architektur Luzern. Seit 2004 ist er Jurypräsident der ICOMOS-Auszeichnung «Das historische Hotel/das historische Restaurant des Jahres».

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