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05. September 2022Thomas Vogel
Neue Zürcher Zeitung

Seine Brücken prägen Zürich und die Schweiz: Dialma Jakob Bänziger ist im Alter von 94 Jahren gestorben

Die elegante Rampe der einstigen Toni-Fabrik entstand auf seinem Pult, der Hardturm-Viadukt in Zürich stammt von ihm. Und zu einer der bekanntesten Schweizer Brücken trug der Ingenieur entscheidend bei.

Die elegante Rampe der einstigen Toni-Fabrik entstand auf seinem Pult, der Hardturm-Viadukt in Zürich stammt von ihm. Und zu einer der bekanntesten Schweizer Brücken trug der Ingenieur entscheidend bei.

Die Schweiz hat immer wieder hervorragende Brücken-Ingenieure hervorgebracht – Dialma Jakob Bänziger war einer von ihnen. Der Hardturm-Viadukt in Zürich stammt beispielsweise von ihm, an der berühmten Sunnibergbrücke in Klosters hatte er entscheidenden Anteil, aber auch die elegante Rampe der einstigen Toni-Fabrik, die heute als Kunsthochschule genutzt wird, entstand auf seinem Pult. Die Schwierigkeit mit dieser Rampe war, dass sie von schweren Milchtanklastwagen befahren werden musste. Um das Bauwerk dementsprechend zeichnen zu können, baute Bänziger ein Lastwagenmodell im Massstab 1:100 und konstruierte mit dessen Hilfe die korrekte Kurve.

Schon als Kind lernte Dialma Jakob Bänziger weite Teile der Schweiz kennen. Sein Vater war Grenzwächter und in dieser Funktion an immer neuen Standorten in den Kantonen St. Gallen und Graubünden sowie im Fürstentum Liechtenstein tätig. Bei einem Praktikum in der Rheinebene in der St. Galler Gemeinde Altstätten, bei dem es um ein Meliorationsprojekt ging, liess sich der junge Dialma Jakob für den Beruf des Bauingenieurs begeistern.

Er studierte von 1947 bis 1951 Bauingenieurwesen an der ETH und spezialisierte sich auf Massivbrückenbau und Wasserkraftanlagen. Beim Bau der Staumauer Sambuco konnte er das Gelernte erstmals umsetzen. Im Ingenieurbüro Hans Eichenberger erledigte er als Projektleiter die statische Berechnung der Weinlandbrücke Andelfingen. Diese sollte in Spannbeton erstellt werden, einer damals neuen Bauweise, zu der es kaum Normen und erst wenig Erfahrungen gab. Deshalb hatte er sein Bemessungskonzept auch gegenüber ETH-Professoren zu verteidigen, die der Vorspannung noch kritisch gegenüberstanden. Bei der Sektion Brückenbau der SBB lernte er die Bauherrenseite und das Bauen unter Betrieb kennen.

1959 eröffnete Bänziger mit Edy Toscano ein eigenes Ingenieurbüro in Zürich und kurz darauf auch Zweigbüros in der St. Galler Gemeinde Buchs und dem Engadiner Dorf Pontresina. Bereits 1962 trennten sich allerdings die beiden Partner wieder und gingen eigene Wege. Damals begann in der Schweiz der Bau der Autobahnen, wofür auch anspruchsvolle Brücken erforderlich waren. Ein erster Wettbewerbserfolg war Bänziger mit der Achereggbrücke in Stansstad schon 1960 gelungen.

Weitere Brücken aus gewonnenen Wettbewerben folgten, so unter anderem der SBB-Hardturmviadukt in Zürich, der Lehnenviadukt Beckenried, der Sitterviadukt bei St. Gallen, die Aarebrücke bei Schinznach, die Rheinbrücke Diepoldsau, der Neubau der Seebrücke in Luzern, die Dreirosenbrücke in Basel und die Rhonebrücken in Raron. Ein besonderes Projekt war die Detailprojektierung und Ausführung des Entwurfs von Christian Menn für die Sunnibergbrücke in Klosters, die heute eine Ikone des Schweizer Brückenbaus im 20. Jahrhundert ist.

Mit dem Bau der Toni-Molkerei im Jahr 1972 mit extrem kurzen Projektierungszeiten und Mangel an Fachkräften ist auch eine einschneidende persönliche Erfahrung von Bänziger verbunden: ein Burn-out, das allerdings damals noch nicht so genannt wurde. Die dreimonatige ärztlich verordnete Absenz von Büro und Beruf führte zu einer breiter aufgestellten Betriebsleitung und besser strukturierten Freizeitaktivitäten, wie dem wöchentlichen Ausritt mit der Offiziers-Reitgesellschaft Zürich.

Insgesamt wirkte Dialma Jakob Bänziger zwischen 1959 und 2004, dem Jahr seines Rücktritts aus der Führungsverantwortung, an knapp 500 Brückenprojekten mit. Er verstand den Brückenentwurf immer als Zusammenspiel von Gestaltung und Konstruktion, zu der auch der Bauvorgang beziehungsweise das Bauverfahren gehört. So suchte er jeweils früh den Kontakt mit Bauunternehmern und bot Hand, auch neue oder für die Schweiz ungewohnte Bauverfahren anzuwenden, wie etwa die Vorschubrüstung in Beckenried.

Brücken bauen kann symbolisch verstanden werden, als Prozess zur Überwindung von Hindernissen durch Annäherung unterschiedlicher Standpunkte zugunsten eines übergeordneten Ziels. Auch in dieser Hinsicht hat Bänziger Beträchtliches geleistet, als vorbildlicher, selbstbewusster, aber doch bescheidener Patron und als begeisterter Verfechter des Berufsbilds des Bauingenieurs. Er war auch immer neugierig, wenn neue Disziplinen auftauchten wie die Landschaftsarchitektur oder die Umweltingenieurwissenschaften.

Mit dem Hinschied von Dialma Jakob Bänziger, der in Richterswil wohnhaft war, hat die Schweiz einen profilierten Brückenbauer und vorbildlichen Bauingenieur verloren.

{ Thomas Vogel ist emeritierter Professor am Institut für Baustatik und Konstruktion der ETH Zürich. ]

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2022.09.05

08. Mai 2009Thomas Vogel
TEC21

Tragfunktion sichern

Robuste Tragwerke schränken allfälliges Versagen ein, der gefährliche Dominoeffekt wird verhindert. Ingenieure planen darum Konstruktionen, die bei Ausfall eines Tragelementes beispielsweise eine Lastumlagerung über das Resttragwerk zulassen.

Robuste Tragwerke schränken allfälliges Versagen ein, der gefährliche Dominoeffekt wird verhindert. Ingenieure planen darum Konstruktionen, die bei Ausfall eines Tragelementes beispielsweise eine Lastumlagerung über das Resttragwerk zulassen.

Robust wird umgangssprachlich diffus verwendet – nämlich als Synonym für stark, kräftig und widerstandsfähig. Die Tragwerksplaner hingegen setzen den Begriff Robustheit präzisiert ein. Er wird in der Norm SIA 260 «Grundlagen der Projektierung von Tragwerken»[1] wie folgt definiert: «Fähigkeit eines Tragwerks und seiner Bauteile, Schädigungen oder ein Versagen auf Ausmasse zu begrenzen, die in einem vertretbaren Verhältnis zur Ursache stehen». Weiter hält die Norm als Anforderung fest, dass ein Tragwerk «bei angemessener Einpassung, Gestaltung und Zuverlässigkeit wirtschaftlich, robust und dauerhaft» sein soll.[2]

Eingrenzung des Begriffs

Robustheit steht in den Normen somit auf gleicher Hierarchiestufe wie die Wirtschaftlichkeit und die Dauerhaftigkeit. Zudem werden in diesem Zusammenhang Begriffe wie Redundanz, Verletzbarkeit und progressiver Kollaps – umgangssprachlich der Dominoeffekt – verwendet. Müllers[3] gebraucht diese drei Begriffe in seiner Dissertation, um Robustheit zu definieren und abzugrenzen (Abb. 1), wobei er die Definition von Robustheit aus der Norm SIA 260 übernimmt. Als differenzierendes Kriterium fand er den Grad des Versagens. Redundanz ist bei Tragwerken kaum jemals gegeben, da jedes Versagen zumindest die Gebrauchstauglichkeit einschränkt und jede Lastumlagerung auf ein Reservesystem mit Deformationen gekoppelt ist. Der progressive Kollaps ist ein denkbarer Versagensmechanismus für ein Tragwerk, der jedoch nicht impliziert, dass die Ursache im Vergleich zur Auswirkung klein ist, sondern lediglich umschreibt, dass sich der versagende Bereich ausbreitet. Verletzbarkeit umschreibt am ehesten den Gegensatz von Robustheit, ist aber als negativ wertender Begriff schlecht als Anforderung an ein Tragwerk geeignet.

Faber und Schubert[4] benützen den Begriff der Verletzbarkeit, um den Zusammenhang zwischen der Gefährdung und den direkten Konsequenzen zu beschreiben, und den Begriff der Robustheit, um den Anteil indirekter – das heisst ausserhalb der Systemgrenzen liegender – Konsequenzen darzulegen (Abb. 2). Wird nun als System ein Tragelement definiert, entspricht diese Betrachtungsweise der Definition der Norm SIA 260.

Die Verletzbarkeit soll nicht vertieft werden, da – wie die Vergangenheit zeigt – die auslösende Gefährdung häufig nicht in Betracht gezogen werden kann, weil sie zum Zeitpunkt der Planung nicht vorstellbar ist. Fokussiert sich der Planer ausserdem darauf, die Verletzbarkeit zu reduzieren – auch für Gefährdungen, die noch nicht bekannt sind –, führt dies zu überaus klobigen Tragwerken. Die Stärke des Konzepts der Robustheit besteht gerade darin, dass es eben keine Rolle spielt, weshalb ein Bauteil versagt – entsprechend konzipiert, können auch äusserst schlanke Tragwerke robust sein.

Fallweise spezifizieren

Konkrete Ereignisse haben die Entwicklung im Bereich der Robustheit vorangetrieben (siehe Kasten S. 17). Spezifische Massnahmen wurden getroffen und in die Planung von neuen Projekten mit einbezogen. Um bereits in der Planungsphase standardisierte Vergleichswerte als Grundlage für einen Tragwerksentwurf beiziehen zu können, stellt sich die Frage, ob und wie Robustheit quantifiziert werden kann. Obwohl es plausible Ansätze gibt, ist es nicht sinnvoll, eine Quantifizierung zu definieren und allenfalls ein bestimmtes Mass zu fordern, bevor die Robustheit des Tragwerks nicht unter allen möglichen, auch qualitativen, Aspekten ausgeleuchtet wird. Es geht vor allem auch darum, «das Undenkbare zu denken», da die üblichen Gefährdungsbilder durch eine konventionelle Bemessung bereits abgedeckt sind. Bereits einfache Beispiele (siehe S. 18) zeigen jedoch, dass die Robustheit einer Konstruktion nicht einfach oder eindeutig zu erreichen ist – voreilige Schlüsse können falsch sein. Das Problem liegt darin, dass nie alle möglichen Einfl üsse bekannt sind und eine Disposition im einen Fall nützen, im anderen aber schaden kann.

Massnahmen zur Erzielung von Robustheit

Um Tragwerksversagen einzuschränken, werden verschiedene Massnahmen eingesetzt. Einzelne davon sind kombinierbar oder gehen nahtlos ineinander über, andere schliessen sich gegenseitig aus (siehe auch Kasten S. 20). Die Robustheit von Tragwerken kann beispielsweise gesteigert werden, indem Baustoffe verwendet werden, die eine entsprechende Festigkeit aufweisen; ohne es detailliert zu spezifizieren, wird die Tragkonstruktion auf (zu) hohe Einwirkungen dimensioniert, womit ihre Traglast erhöht wird. So wurden zum Beispiel die Tragseile grosser Hängebrücken in den USA mehrheitlich mit grossen Reserven bemessen, die nachträglich für zusätzliche Eigenund Verkehrslasten mobilisiert werden konnten.

Duktiles Verhalten eines Tragwerks trägt ebenfalls zur Steigerung der Robustheit bei. Überbeanspruchte Bereiche von Baustoffen, die wie Stahl nach der elastischen Phase ein Fliessverhalten aufweisen, entziehen sich einer Übernahme von weiteren Lasten. Dies ist vor allem dann wirksam, wenn die Last nach einem kurzfristigen Maximum wieder abnimmt oder wenn die Beanspruchung aus einer aufgezwungenen Verformung besteht. Ein ähnliches Verhalten können auch an sich spröde Materialien zeigen. Die Festigkeit darf in einem solchen Fall nach dem Überschreiten der Bruchlast nicht auf null absinken, sondern es muss eine Restfestigkeit vorhanden bleiben – ein Beispiel dafür ist Beton, der durch Umschnürung dreiachsig druckbeansprucht werden kann.

Mit der Kapazitätsbemessung können spröde Versagen nicht massgebend werden, weil die Bemessung der Tragelemente auf spröde Versagensmechanismen wie Querkraftversagen nicht mit den Einwirkungen erfolgt, sondern mit dem Tragwiderstand der benachbarten, sich duktil verhaltenden Elemente. Damit wird zum Beispiel bei Rahmen erreicht, dass sich die plastischen Gelenke in den Riegeln bilden, die nur lokal tragen, und nicht in den Stützen, die auch eine globale Tragfunktion zu erfüllen haben.

Mit einer Sollbruchstelle (Opfer- und Schutzelement), die wie eine Sicherung knapp über dem durch die normale Bemessung abgedeckten Lastniveau versagt, lässt sich die Versagensstelle im Voraus festlegen. Solche explizit festgelegten Stellen können abschnittsbildend wirken – allerdings nicht im Gebrauchszustand, sondern erst bei aussergewöhnlichen Einwirkungen. Durch eine Abschnittsbildung mittels Fugen wird ein allfälliges Versagen auf einen Teilbereich beschränkt. Dies wird im Erdbebeningenieurwesen angewandt, wenn sich Baukörper unterschiedlich verhalten und die Gefahr besteht, dass sie sich gegenseitig ungünstig beeinfl ussen.

Ein Versagen kann auch durch eine sogenannte zweite Verteidigungslinie eingegrenzt werden: Massive Bauteile schützen andere, indem sie bei ihrem Versagen Energie dissipieren, die dann für weitere Zerstörungen nicht mehr zur Verfügung steht. Für das Tragwerk relevante Stützen können beispielsweise durch Leitplanken, Leitmauern oder andere deformierbare Elemente vor Anprall geschützt werden.

Alternative Lastpfade halten die Lastabtragung über das Resttragwerk aufrecht, auch wenn in der Planung nicht genauer untersucht wird, welches Bauteil weshalb ausgefallen ist. Statisch unbestimmte Tragwerke weisen wegen ihrer Kontinuität beispielsweise mehrere Möglichkeiten auf, eine Last abzutragen. Voraussetzung dafür ist, dass sich die überbeanspruchten Bereiche duktil verhalten. Kontinuität kann allerdings dazu führen, dass sich ein Versagen ausbreitet. So genügt bei Rahmen, die an sich viele Lastpfade aufweisen, ein schräg stehendes, druckbeanspruchtes Element oder ein durchhängendes Zugelement, um grosse Horizontalkräfte zu erzeugen, die das ganze Tragwerk gefährden können.

Im Spannungsfeld der Anforderungen

Viele der genannten Massnahmen sind Teil der gängigen Entwurfspraxis für Tragwerke und als allgemeine Grundsätze in den Tragwerksnormen verankert.[7] Für Einzelfälle existieren auch konkretere Bestimmungen, um die Robustheit von Tragwerken zu steigern. So kann die Einsturzsicherung für Platten ohne Durchstanzbewehrung[8] als zweite Verteidigungslinie oder als alternativer Lastpfad interpretiert werden. Beim Einsatz von Klebebewehrungen ist auch das Gefährdungsbild «Ausfall der Klebebewehrung» zu untersuchen; ein alternativer Lastpfad muss zumindest für die quasiständigen Einwirkungen ohne Lastfaktoren nachgewiesen werden.[9] Ausfallfähige Bauteile werden auch im Zusammenhang mit Fahrzeuganprall gefordert: bei Schienenfahrzeugen in einem Anhang zur Eisenbahnverordnung[10] und für Strassenfahrzeuge in einer Richtlinie des Bundesamts für Strassen (Astra)[11].

Es gibt Normbestimmungen, die dazu verleiten, wenig robuste Tragwerke zu entwerfen. So ist in Biegebalken nach Norm SIA 262 immer eine Verbügelung erforderlich, in Platten hingegen nicht. Unverbügelte Platten versagen spröde, da der Beton auf Druck versagt. Sie sollten nur ausgeführt werden, wenn sichergestellt ist, dass ein Biegeversagen vor einem Querkraftversagen eintritt. Ein absoluter Wert für den Querkraftwiderstand ohne Verbügelung verleitet jedoch dazu, die Plattenstärke so zu wählen, dass just keine aufwendige und kostenintensive Verbügelung erforderlich ist.

Beim Durchstanzwiderstand wirken die Bestimmungen der Norm SIA 262 ähnlich; er lässt sich steigern, indem die Biegebewehrung verstärkt wird. Dadurch wird aber das Versagen zunehmend spröder. Den durchstanzgefährdeten Bereich zu verbügeln – auch wenn dies etwas mehr Aufwand erfordert – wäre hier bezüglich Versagensart vernünftiger, da das Verhalten duktil wird. Ebenso können die an sich begrüssenswerten Bestrebungen zur Gewährleistung der Dauerhaftigkeit von Spanngliedern in Kunstbauten, wie sie in einer kürzlich erschienenen Richtlinie von Astra und SBB[12] festgelegt sind, zu einer Reduktion der Robustheit führen: Spannglieder, die die Tragsicherheit von Eisenbahnbrücken gewährleisten, müssen mit Kunststoffhüllrohren elektrisch isoliert und somit kontrollierbar ausgeführt werden.[13] Diese Konstruktion verursacht höhere Unterhaltskosten. Somit besteht die Versuchung, den Einsatz der Vorspannung einzuschränken und stattdessen weniger schlanke, schlaff bewehrte Biegeträger einzusetzen – diese versagen aber tendenziell eher spröde auf Querkraft als duktil auf Biegung.

Die Robustheit steht in einem Spannungsfeld mit der Wirtschaftlichkeit und der Dauerhaftigkeit. Es bleibt dem Ingenieur überlassen, wie er die verschiedenen Ansprüche im Einzelfall gewichten will und welche Folgerungen sich daraus ergeben.


Anmerkungen:
[01] Norm SIA 260: Grundlagen der Projektierung von Tragwerken. Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein, Zürich, 2003, 44 pp.
[02] Norm SIA 260, Ziff er 2.3.1
[03] Müllers, Ingo: Zur Robustheit im Hochbau. IBK Bericht Nr. 304, Institut für Baustatik und Konstruktion ETH Zürich, Juli 2007, 111 pp.
[04] Faber, Michael H.; Schubert, Matthias: Beurteilung von Restrisiken und Kriterien zur Festlegung akzeptierter Risiken in Folge aussergewöhnlicher Einwirkungen bei Kunstbauten. In: Neues aus der Brückenforschung, Dokumentation SIA D 0223, November 2007, pp. 123–132
[05] Als Einstieg in die umfangreiche Fachliteratur eignet sich ein demnächst erscheinendes Buch in englischer Sprache, das der Autor mitverfasst hat. Knoll, Franz; Vogel, Thomas: Design for Robustness; Structural Engineering Documents No 11. Internationale Vereinigung für Brückenbau und Hochbau, Zürich (in Vorbereitung)
[06] Norm SIA 263: Stahlbau. Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein, Zürich, 2003, Ziffer 6.2.2.2
[07] Zum Beispiel in Ziff er 2.4.6 der Norm SIA 2601
[08] Norm SIA 262: Betonbau. Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein, Zürich, 2003, Ziffer 4.3.6.7
[09] Vornorm SIA 166: Klebebewehrungen. Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein, Zürich, 2004, Ziff er 2.3.5 f.
[10] Bundesamt für Verkehr: Bauten an, über und unter der Bahn. Anhänge zu den Ausführungsbestimmungen zur Eisenbahnverordnung, Anhang Nr. 1, Juli 2006, Tabelle 75
[11] Bundesamt für Strassen (Astra): Anprall von Strassenfahrzeugen auf Bauwerksteile von Kunstbauten; Richtlinie, Ergänzungen zur Norm SIA 261 Einwirkungen auf Tragwerke, 2005, Ziff er 2.1.2
[12] Bundesamt für Strassen (Astra) in Zusammenarbeit mit SBB AG, Infrastruktur Ingenieurbau: Massnahmen zur Gewährleistung der Dauerhaftigkeit von Spanngliedern in Kunstbauten. Richtlinie Ausgabe 2007 V2.00, Astra Bern, 2007, 49 pp.
[13] Solche Spannglieder müssen der Kategorie c zugewiesen werden.

TEC21, Fr., 2009.05.08



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tec21 2009|19 Robustheit

Presseschau 12

05. September 2022Thomas Vogel
Neue Zürcher Zeitung

Seine Brücken prägen Zürich und die Schweiz: Dialma Jakob Bänziger ist im Alter von 94 Jahren gestorben

Die elegante Rampe der einstigen Toni-Fabrik entstand auf seinem Pult, der Hardturm-Viadukt in Zürich stammt von ihm. Und zu einer der bekanntesten Schweizer Brücken trug der Ingenieur entscheidend bei.

Die elegante Rampe der einstigen Toni-Fabrik entstand auf seinem Pult, der Hardturm-Viadukt in Zürich stammt von ihm. Und zu einer der bekanntesten Schweizer Brücken trug der Ingenieur entscheidend bei.

Die Schweiz hat immer wieder hervorragende Brücken-Ingenieure hervorgebracht – Dialma Jakob Bänziger war einer von ihnen. Der Hardturm-Viadukt in Zürich stammt beispielsweise von ihm, an der berühmten Sunnibergbrücke in Klosters hatte er entscheidenden Anteil, aber auch die elegante Rampe der einstigen Toni-Fabrik, die heute als Kunsthochschule genutzt wird, entstand auf seinem Pult. Die Schwierigkeit mit dieser Rampe war, dass sie von schweren Milchtanklastwagen befahren werden musste. Um das Bauwerk dementsprechend zeichnen zu können, baute Bänziger ein Lastwagenmodell im Massstab 1:100 und konstruierte mit dessen Hilfe die korrekte Kurve.

Schon als Kind lernte Dialma Jakob Bänziger weite Teile der Schweiz kennen. Sein Vater war Grenzwächter und in dieser Funktion an immer neuen Standorten in den Kantonen St. Gallen und Graubünden sowie im Fürstentum Liechtenstein tätig. Bei einem Praktikum in der Rheinebene in der St. Galler Gemeinde Altstätten, bei dem es um ein Meliorationsprojekt ging, liess sich der junge Dialma Jakob für den Beruf des Bauingenieurs begeistern.

Er studierte von 1947 bis 1951 Bauingenieurwesen an der ETH und spezialisierte sich auf Massivbrückenbau und Wasserkraftanlagen. Beim Bau der Staumauer Sambuco konnte er das Gelernte erstmals umsetzen. Im Ingenieurbüro Hans Eichenberger erledigte er als Projektleiter die statische Berechnung der Weinlandbrücke Andelfingen. Diese sollte in Spannbeton erstellt werden, einer damals neuen Bauweise, zu der es kaum Normen und erst wenig Erfahrungen gab. Deshalb hatte er sein Bemessungskonzept auch gegenüber ETH-Professoren zu verteidigen, die der Vorspannung noch kritisch gegenüberstanden. Bei der Sektion Brückenbau der SBB lernte er die Bauherrenseite und das Bauen unter Betrieb kennen.

1959 eröffnete Bänziger mit Edy Toscano ein eigenes Ingenieurbüro in Zürich und kurz darauf auch Zweigbüros in der St. Galler Gemeinde Buchs und dem Engadiner Dorf Pontresina. Bereits 1962 trennten sich allerdings die beiden Partner wieder und gingen eigene Wege. Damals begann in der Schweiz der Bau der Autobahnen, wofür auch anspruchsvolle Brücken erforderlich waren. Ein erster Wettbewerbserfolg war Bänziger mit der Achereggbrücke in Stansstad schon 1960 gelungen.

Weitere Brücken aus gewonnenen Wettbewerben folgten, so unter anderem der SBB-Hardturmviadukt in Zürich, der Lehnenviadukt Beckenried, der Sitterviadukt bei St. Gallen, die Aarebrücke bei Schinznach, die Rheinbrücke Diepoldsau, der Neubau der Seebrücke in Luzern, die Dreirosenbrücke in Basel und die Rhonebrücken in Raron. Ein besonderes Projekt war die Detailprojektierung und Ausführung des Entwurfs von Christian Menn für die Sunnibergbrücke in Klosters, die heute eine Ikone des Schweizer Brückenbaus im 20. Jahrhundert ist.

Mit dem Bau der Toni-Molkerei im Jahr 1972 mit extrem kurzen Projektierungszeiten und Mangel an Fachkräften ist auch eine einschneidende persönliche Erfahrung von Bänziger verbunden: ein Burn-out, das allerdings damals noch nicht so genannt wurde. Die dreimonatige ärztlich verordnete Absenz von Büro und Beruf führte zu einer breiter aufgestellten Betriebsleitung und besser strukturierten Freizeitaktivitäten, wie dem wöchentlichen Ausritt mit der Offiziers-Reitgesellschaft Zürich.

Insgesamt wirkte Dialma Jakob Bänziger zwischen 1959 und 2004, dem Jahr seines Rücktritts aus der Führungsverantwortung, an knapp 500 Brückenprojekten mit. Er verstand den Brückenentwurf immer als Zusammenspiel von Gestaltung und Konstruktion, zu der auch der Bauvorgang beziehungsweise das Bauverfahren gehört. So suchte er jeweils früh den Kontakt mit Bauunternehmern und bot Hand, auch neue oder für die Schweiz ungewohnte Bauverfahren anzuwenden, wie etwa die Vorschubrüstung in Beckenried.

Brücken bauen kann symbolisch verstanden werden, als Prozess zur Überwindung von Hindernissen durch Annäherung unterschiedlicher Standpunkte zugunsten eines übergeordneten Ziels. Auch in dieser Hinsicht hat Bänziger Beträchtliches geleistet, als vorbildlicher, selbstbewusster, aber doch bescheidener Patron und als begeisterter Verfechter des Berufsbilds des Bauingenieurs. Er war auch immer neugierig, wenn neue Disziplinen auftauchten wie die Landschaftsarchitektur oder die Umweltingenieurwissenschaften.

Mit dem Hinschied von Dialma Jakob Bänziger, der in Richterswil wohnhaft war, hat die Schweiz einen profilierten Brückenbauer und vorbildlichen Bauingenieur verloren.

{ Thomas Vogel ist emeritierter Professor am Institut für Baustatik und Konstruktion der ETH Zürich. ]

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2022.09.05

08. Mai 2009Thomas Vogel
TEC21

Tragfunktion sichern

Robuste Tragwerke schränken allfälliges Versagen ein, der gefährliche Dominoeffekt wird verhindert. Ingenieure planen darum Konstruktionen, die bei Ausfall eines Tragelementes beispielsweise eine Lastumlagerung über das Resttragwerk zulassen.

Robuste Tragwerke schränken allfälliges Versagen ein, der gefährliche Dominoeffekt wird verhindert. Ingenieure planen darum Konstruktionen, die bei Ausfall eines Tragelementes beispielsweise eine Lastumlagerung über das Resttragwerk zulassen.

Robust wird umgangssprachlich diffus verwendet – nämlich als Synonym für stark, kräftig und widerstandsfähig. Die Tragwerksplaner hingegen setzen den Begriff Robustheit präzisiert ein. Er wird in der Norm SIA 260 «Grundlagen der Projektierung von Tragwerken»[1] wie folgt definiert: «Fähigkeit eines Tragwerks und seiner Bauteile, Schädigungen oder ein Versagen auf Ausmasse zu begrenzen, die in einem vertretbaren Verhältnis zur Ursache stehen». Weiter hält die Norm als Anforderung fest, dass ein Tragwerk «bei angemessener Einpassung, Gestaltung und Zuverlässigkeit wirtschaftlich, robust und dauerhaft» sein soll.[2]

Eingrenzung des Begriffs

Robustheit steht in den Normen somit auf gleicher Hierarchiestufe wie die Wirtschaftlichkeit und die Dauerhaftigkeit. Zudem werden in diesem Zusammenhang Begriffe wie Redundanz, Verletzbarkeit und progressiver Kollaps – umgangssprachlich der Dominoeffekt – verwendet. Müllers[3] gebraucht diese drei Begriffe in seiner Dissertation, um Robustheit zu definieren und abzugrenzen (Abb. 1), wobei er die Definition von Robustheit aus der Norm SIA 260 übernimmt. Als differenzierendes Kriterium fand er den Grad des Versagens. Redundanz ist bei Tragwerken kaum jemals gegeben, da jedes Versagen zumindest die Gebrauchstauglichkeit einschränkt und jede Lastumlagerung auf ein Reservesystem mit Deformationen gekoppelt ist. Der progressive Kollaps ist ein denkbarer Versagensmechanismus für ein Tragwerk, der jedoch nicht impliziert, dass die Ursache im Vergleich zur Auswirkung klein ist, sondern lediglich umschreibt, dass sich der versagende Bereich ausbreitet. Verletzbarkeit umschreibt am ehesten den Gegensatz von Robustheit, ist aber als negativ wertender Begriff schlecht als Anforderung an ein Tragwerk geeignet.

Faber und Schubert[4] benützen den Begriff der Verletzbarkeit, um den Zusammenhang zwischen der Gefährdung und den direkten Konsequenzen zu beschreiben, und den Begriff der Robustheit, um den Anteil indirekter – das heisst ausserhalb der Systemgrenzen liegender – Konsequenzen darzulegen (Abb. 2). Wird nun als System ein Tragelement definiert, entspricht diese Betrachtungsweise der Definition der Norm SIA 260.

Die Verletzbarkeit soll nicht vertieft werden, da – wie die Vergangenheit zeigt – die auslösende Gefährdung häufig nicht in Betracht gezogen werden kann, weil sie zum Zeitpunkt der Planung nicht vorstellbar ist. Fokussiert sich der Planer ausserdem darauf, die Verletzbarkeit zu reduzieren – auch für Gefährdungen, die noch nicht bekannt sind –, führt dies zu überaus klobigen Tragwerken. Die Stärke des Konzepts der Robustheit besteht gerade darin, dass es eben keine Rolle spielt, weshalb ein Bauteil versagt – entsprechend konzipiert, können auch äusserst schlanke Tragwerke robust sein.

Fallweise spezifizieren

Konkrete Ereignisse haben die Entwicklung im Bereich der Robustheit vorangetrieben (siehe Kasten S. 17). Spezifische Massnahmen wurden getroffen und in die Planung von neuen Projekten mit einbezogen. Um bereits in der Planungsphase standardisierte Vergleichswerte als Grundlage für einen Tragwerksentwurf beiziehen zu können, stellt sich die Frage, ob und wie Robustheit quantifiziert werden kann. Obwohl es plausible Ansätze gibt, ist es nicht sinnvoll, eine Quantifizierung zu definieren und allenfalls ein bestimmtes Mass zu fordern, bevor die Robustheit des Tragwerks nicht unter allen möglichen, auch qualitativen, Aspekten ausgeleuchtet wird. Es geht vor allem auch darum, «das Undenkbare zu denken», da die üblichen Gefährdungsbilder durch eine konventionelle Bemessung bereits abgedeckt sind. Bereits einfache Beispiele (siehe S. 18) zeigen jedoch, dass die Robustheit einer Konstruktion nicht einfach oder eindeutig zu erreichen ist – voreilige Schlüsse können falsch sein. Das Problem liegt darin, dass nie alle möglichen Einfl üsse bekannt sind und eine Disposition im einen Fall nützen, im anderen aber schaden kann.

Massnahmen zur Erzielung von Robustheit

Um Tragwerksversagen einzuschränken, werden verschiedene Massnahmen eingesetzt. Einzelne davon sind kombinierbar oder gehen nahtlos ineinander über, andere schliessen sich gegenseitig aus (siehe auch Kasten S. 20). Die Robustheit von Tragwerken kann beispielsweise gesteigert werden, indem Baustoffe verwendet werden, die eine entsprechende Festigkeit aufweisen; ohne es detailliert zu spezifizieren, wird die Tragkonstruktion auf (zu) hohe Einwirkungen dimensioniert, womit ihre Traglast erhöht wird. So wurden zum Beispiel die Tragseile grosser Hängebrücken in den USA mehrheitlich mit grossen Reserven bemessen, die nachträglich für zusätzliche Eigenund Verkehrslasten mobilisiert werden konnten.

Duktiles Verhalten eines Tragwerks trägt ebenfalls zur Steigerung der Robustheit bei. Überbeanspruchte Bereiche von Baustoffen, die wie Stahl nach der elastischen Phase ein Fliessverhalten aufweisen, entziehen sich einer Übernahme von weiteren Lasten. Dies ist vor allem dann wirksam, wenn die Last nach einem kurzfristigen Maximum wieder abnimmt oder wenn die Beanspruchung aus einer aufgezwungenen Verformung besteht. Ein ähnliches Verhalten können auch an sich spröde Materialien zeigen. Die Festigkeit darf in einem solchen Fall nach dem Überschreiten der Bruchlast nicht auf null absinken, sondern es muss eine Restfestigkeit vorhanden bleiben – ein Beispiel dafür ist Beton, der durch Umschnürung dreiachsig druckbeansprucht werden kann.

Mit der Kapazitätsbemessung können spröde Versagen nicht massgebend werden, weil die Bemessung der Tragelemente auf spröde Versagensmechanismen wie Querkraftversagen nicht mit den Einwirkungen erfolgt, sondern mit dem Tragwiderstand der benachbarten, sich duktil verhaltenden Elemente. Damit wird zum Beispiel bei Rahmen erreicht, dass sich die plastischen Gelenke in den Riegeln bilden, die nur lokal tragen, und nicht in den Stützen, die auch eine globale Tragfunktion zu erfüllen haben.

Mit einer Sollbruchstelle (Opfer- und Schutzelement), die wie eine Sicherung knapp über dem durch die normale Bemessung abgedeckten Lastniveau versagt, lässt sich die Versagensstelle im Voraus festlegen. Solche explizit festgelegten Stellen können abschnittsbildend wirken – allerdings nicht im Gebrauchszustand, sondern erst bei aussergewöhnlichen Einwirkungen. Durch eine Abschnittsbildung mittels Fugen wird ein allfälliges Versagen auf einen Teilbereich beschränkt. Dies wird im Erdbebeningenieurwesen angewandt, wenn sich Baukörper unterschiedlich verhalten und die Gefahr besteht, dass sie sich gegenseitig ungünstig beeinfl ussen.

Ein Versagen kann auch durch eine sogenannte zweite Verteidigungslinie eingegrenzt werden: Massive Bauteile schützen andere, indem sie bei ihrem Versagen Energie dissipieren, die dann für weitere Zerstörungen nicht mehr zur Verfügung steht. Für das Tragwerk relevante Stützen können beispielsweise durch Leitplanken, Leitmauern oder andere deformierbare Elemente vor Anprall geschützt werden.

Alternative Lastpfade halten die Lastabtragung über das Resttragwerk aufrecht, auch wenn in der Planung nicht genauer untersucht wird, welches Bauteil weshalb ausgefallen ist. Statisch unbestimmte Tragwerke weisen wegen ihrer Kontinuität beispielsweise mehrere Möglichkeiten auf, eine Last abzutragen. Voraussetzung dafür ist, dass sich die überbeanspruchten Bereiche duktil verhalten. Kontinuität kann allerdings dazu führen, dass sich ein Versagen ausbreitet. So genügt bei Rahmen, die an sich viele Lastpfade aufweisen, ein schräg stehendes, druckbeanspruchtes Element oder ein durchhängendes Zugelement, um grosse Horizontalkräfte zu erzeugen, die das ganze Tragwerk gefährden können.

Im Spannungsfeld der Anforderungen

Viele der genannten Massnahmen sind Teil der gängigen Entwurfspraxis für Tragwerke und als allgemeine Grundsätze in den Tragwerksnormen verankert.[7] Für Einzelfälle existieren auch konkretere Bestimmungen, um die Robustheit von Tragwerken zu steigern. So kann die Einsturzsicherung für Platten ohne Durchstanzbewehrung[8] als zweite Verteidigungslinie oder als alternativer Lastpfad interpretiert werden. Beim Einsatz von Klebebewehrungen ist auch das Gefährdungsbild «Ausfall der Klebebewehrung» zu untersuchen; ein alternativer Lastpfad muss zumindest für die quasiständigen Einwirkungen ohne Lastfaktoren nachgewiesen werden.[9] Ausfallfähige Bauteile werden auch im Zusammenhang mit Fahrzeuganprall gefordert: bei Schienenfahrzeugen in einem Anhang zur Eisenbahnverordnung[10] und für Strassenfahrzeuge in einer Richtlinie des Bundesamts für Strassen (Astra)[11].

Es gibt Normbestimmungen, die dazu verleiten, wenig robuste Tragwerke zu entwerfen. So ist in Biegebalken nach Norm SIA 262 immer eine Verbügelung erforderlich, in Platten hingegen nicht. Unverbügelte Platten versagen spröde, da der Beton auf Druck versagt. Sie sollten nur ausgeführt werden, wenn sichergestellt ist, dass ein Biegeversagen vor einem Querkraftversagen eintritt. Ein absoluter Wert für den Querkraftwiderstand ohne Verbügelung verleitet jedoch dazu, die Plattenstärke so zu wählen, dass just keine aufwendige und kostenintensive Verbügelung erforderlich ist.

Beim Durchstanzwiderstand wirken die Bestimmungen der Norm SIA 262 ähnlich; er lässt sich steigern, indem die Biegebewehrung verstärkt wird. Dadurch wird aber das Versagen zunehmend spröder. Den durchstanzgefährdeten Bereich zu verbügeln – auch wenn dies etwas mehr Aufwand erfordert – wäre hier bezüglich Versagensart vernünftiger, da das Verhalten duktil wird. Ebenso können die an sich begrüssenswerten Bestrebungen zur Gewährleistung der Dauerhaftigkeit von Spanngliedern in Kunstbauten, wie sie in einer kürzlich erschienenen Richtlinie von Astra und SBB[12] festgelegt sind, zu einer Reduktion der Robustheit führen: Spannglieder, die die Tragsicherheit von Eisenbahnbrücken gewährleisten, müssen mit Kunststoffhüllrohren elektrisch isoliert und somit kontrollierbar ausgeführt werden.[13] Diese Konstruktion verursacht höhere Unterhaltskosten. Somit besteht die Versuchung, den Einsatz der Vorspannung einzuschränken und stattdessen weniger schlanke, schlaff bewehrte Biegeträger einzusetzen – diese versagen aber tendenziell eher spröde auf Querkraft als duktil auf Biegung.

Die Robustheit steht in einem Spannungsfeld mit der Wirtschaftlichkeit und der Dauerhaftigkeit. Es bleibt dem Ingenieur überlassen, wie er die verschiedenen Ansprüche im Einzelfall gewichten will und welche Folgerungen sich daraus ergeben.


Anmerkungen:
[01] Norm SIA 260: Grundlagen der Projektierung von Tragwerken. Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein, Zürich, 2003, 44 pp.
[02] Norm SIA 260, Ziff er 2.3.1
[03] Müllers, Ingo: Zur Robustheit im Hochbau. IBK Bericht Nr. 304, Institut für Baustatik und Konstruktion ETH Zürich, Juli 2007, 111 pp.
[04] Faber, Michael H.; Schubert, Matthias: Beurteilung von Restrisiken und Kriterien zur Festlegung akzeptierter Risiken in Folge aussergewöhnlicher Einwirkungen bei Kunstbauten. In: Neues aus der Brückenforschung, Dokumentation SIA D 0223, November 2007, pp. 123–132
[05] Als Einstieg in die umfangreiche Fachliteratur eignet sich ein demnächst erscheinendes Buch in englischer Sprache, das der Autor mitverfasst hat. Knoll, Franz; Vogel, Thomas: Design for Robustness; Structural Engineering Documents No 11. Internationale Vereinigung für Brückenbau und Hochbau, Zürich (in Vorbereitung)
[06] Norm SIA 263: Stahlbau. Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein, Zürich, 2003, Ziffer 6.2.2.2
[07] Zum Beispiel in Ziff er 2.4.6 der Norm SIA 2601
[08] Norm SIA 262: Betonbau. Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein, Zürich, 2003, Ziffer 4.3.6.7
[09] Vornorm SIA 166: Klebebewehrungen. Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein, Zürich, 2004, Ziff er 2.3.5 f.
[10] Bundesamt für Verkehr: Bauten an, über und unter der Bahn. Anhänge zu den Ausführungsbestimmungen zur Eisenbahnverordnung, Anhang Nr. 1, Juli 2006, Tabelle 75
[11] Bundesamt für Strassen (Astra): Anprall von Strassenfahrzeugen auf Bauwerksteile von Kunstbauten; Richtlinie, Ergänzungen zur Norm SIA 261 Einwirkungen auf Tragwerke, 2005, Ziff er 2.1.2
[12] Bundesamt für Strassen (Astra) in Zusammenarbeit mit SBB AG, Infrastruktur Ingenieurbau: Massnahmen zur Gewährleistung der Dauerhaftigkeit von Spanngliedern in Kunstbauten. Richtlinie Ausgabe 2007 V2.00, Astra Bern, 2007, 49 pp.
[13] Solche Spannglieder müssen der Kategorie c zugewiesen werden.

TEC21, Fr., 2009.05.08



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