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30. August 2025Hans Rauscher
Der Standard

„Schönheit als Therapie“

Von Manhattan über Paris, Athen, Peking bis Wien – die Publizistin Victoria Newhouse begleitet seit Jahrzehnten mit ihren Büchern und jetzt auch mit einem Podcast Spitzenleistungen der Architekturmoderne.

Von Manhattan über Paris, Athen, Peking bis Wien – die Publizistin Victoria Newhouse begleitet seit Jahrzehnten mit ihren Büchern und jetzt auch mit einem Podcast Spitzenleistungen der Architekturmoderne.

In den Industrieländern der Welt ist eine Art grüne Wiedereroberung urbanindustrieller Flächen im Gang. Zuletzt errichtete Paris auf der ehemals versiegelten Fläche vor dem Rathaus einen kleinen Wald.

Ein Trend, den die amerikanische Architekturpublizistin Victoria Newhouse bereits 2021 ausführlich dokumentierte. In dem Prachtband Parks of the 21st Century (gemeinsam mit Alex Pisha) zeichnet sie „wiedererfundene Landschaften, wieder in Besitz genommene Territorien“ nach: von Nordamerika über Europa bis China beschreibt sie mit vielen Fotos und Grafiken, wie ehemalige Industriebrachen, Autobahnen, Bahnstrecken, Airports, Hafenanlagen begrünt und von trostlosen modernen Wüsten in neue städtische Lebensräume umgewandelt wurden.

Victoria Newhouse nennt sich selbst eine „Architektur-Historikerin“. Sie hat über die Jahrzehnte mit ihren opulenten, genau recherchierten Büchern die Entwicklungen in der internationalen Weltklassearchitektur geschildert und begleitet. 1998 interpretierte sie in Towards a New Museum den „bedeutenden Wandel in der Museumsarchitektur“: „Man blickt nicht mehr nur auf ein Objekt, sondern heute will jeder in der kulturellen Welt eine Erfahrung, sozusagen ein theatralisches Erlebnis“, sagt sie im Gespräch mit dem STANDARD.

Giganten der Architekturwelt

Und jetzt? Jetzt startet sie am 1. Oktober einen Podcast: Insights: Art and Architecture . Die Giganten der Architekturwelt, alle jenseits der 80, werden von ihr interviewt: Frank Gehry (96) diskutiert das Guggenheimmuseum, das er für eine Milliarde Dollar in Abu Dhabi gebaut hat. Es folgen Rem Koolhaas (8o). Er spricht über den Ausbau des NYC New Museum, das demnächst eröffnet. Dann Mosche Safdie (87), Raj Rewal (90) und Peter Eisenman (93).

Victoria Newhouse selbst ist 87. Warum macht sie das? „Weil ich „einfach sehr neugierig bin. Ich hoffe, Bewusstsein für neue Entwicklungen in der Architektur zu wecken.“

Seit Jahrzehnten reist Victoria Newhouse durch die Welt, um verblüffende, bedeutende und richtungsweisende Architektur zu entdecken und zu beschreiben. Zu Wien hat sie eine besondere Beziehung, die sich auch aus der Bewunderung für den verstorbenen Architekten Hans Hollein ergab. Hollein erhielt 1985 den „Nobelpreis für Architektur“, den Pritzker Price.

Victoria Newhouse kam mit ihrem 2017 verstorbenen Gatten S. I. („Si“) Newhouse jr. oft nach Wien, wo sie zahlreiche Freunde in der künstlerischen und intellektuellen Szene hat. Si war Eigentümer des Magazin-Imperiums Condé Nast, zu dessen Flaggschiffe u. a. The New Yorker, Vogue, Vanity Fair, Architectural Digest gehören. Soeben ist ein Buch des New York Times -Journalisten Michael M. Grynbaum erschienen, Titel: Empire of the Elite: Inside Condé Nast, the Media Dynasty That Reshaped the World . Ein bezeichnendes Kapitel heißt: „Die Concorde-und Kaviar-Ära bei Condé Nast“.

Victoria Newhouse ist in Manhattan geboren, arbeitete eine Zeit in Paris, New York war aber lange ihr Bezugspunkt – bis sie jetzt nach Kanada (Montreal) übersiedelte.

Renzo Piano hat sie gebeten, sein großes „Stavros Niarchos Foundation Cultural Center“ in Athen publizistisch zu begleiten, das größte Freizeitprojekt Griechenlands mit der Nationaloper, der Nationalbibliothek und einem Landschaftsgarten, Meerwasserkanal inklusive. Daraus wurde der Band Chaos and Culture (2017).

In Housing the Nation (2024 mit Alexander Gorlin) geht es um Ermöglichung leistbaren Wohnraums vor allem für benachteiligte soziale Gruppen in den USA: „Leistbarer Wohnbau ist zu so einem wichtigen Thema hier in der USA geworden, nicht nur in den Städten, sondern auch in der Countryside. Daher habe ich Experten um ihren Input gefragt. Eine Lösung wären z. B. Häuser aus dem 3D-Drucker. Leider hat die jetzige Administration die Mittel gekürzt.“

Verblüffende Einblicke

Towards a New Museum, ihr erster großer argumentativer Essay in Buchform, entsprang ihrer Irritation über „wings that don’t fly“, über Anbauten (Flügel) zu Museen, die ihrer Meinung nach keine Verbesserung darstellen. Gemeinsam mit dem Architekten Edgar Kaufmann jr. kämpfte sie gegen den ursprünglichen Anbau zum Guggenheim Museum in NYC.

Parks of the 21st Century ist u. a. ein verblüffender Einblick in die neue Gartenkultur Chinas, das ja auf eine jahrtausendalte Gartengeschichte zurückblicken kann. Newhouse: „Die urbanen Greenways, die für jede größere Stadt in China geplant wurden, erfüllen eine strategische Funktion sowohl für ökologische Bewahrung als auch für Kontrolle urbanen Wildwuchses, daher sind sie außerhalb des Stadtkerns lokalisiert“.

Renzo Piano sprach bei der Eröffnung des Athener Kulturzentrums von der „therapeutischen Kraft der Schönheit“. Victoria Newhouse widmet ihr publizistisches Leben diesem Prinzip.

Der Standard, Sa., 2025.08.30

04. Mai 2024Hans Rauscher
Der Standard

Bäume, Bänke und Wasserspiele

Mit der Wiener Planungsstadträtin Ulli Sima auf der Suche nach der „klimafitten“ Stadt. Ein Lokalaugenschein vom Verkehrshotspot bis zum Bobo-Bezirk.

Mit der Wiener Planungsstadträtin Ulli Sima auf der Suche nach der „klimafitten“ Stadt. Ein Lokalaugenschein vom Verkehrshotspot bis zum Bobo-Bezirk.

Die Stadt wird heiß. Die Wiener Stadträtin für Innovation, Stadtplanung und Mobilität hat ein Programm dagegen. Es lässt sich knapp in der Formel „neue Bäume, Sitzbänke, Gräserbeete und Wasserspiele“ zusammenfassen. Damit überzieht Sima eine große Zahl von hässlichen, heißen, unfreundlichen Stadtgegenden. Einige sind schon (fast) fertig, andere erst im Entstehen.

Das sieht im Grunde immer gleich aus – es werden neue Bäume gepflanzt (in der Mehrzahl sogenannte XL-Bäume, die, schon etwas größer, nicht mehr so lange brauchen, bis sie Schatten spenden). Dazu sogenannte Gräserbeete mit hohen, widerstandsfähigen Gräsern und Blumen und „Wasserspiele“ – Brunnen oder auch „Nebelsäulen“, aus denen im Sommer Wasserdampf dringt. Und Sitzbänke. An vielen Stellen der Stadt müssen dafür Autos weg. Die Mitarbeiter von Sima haben jede Menge „Vorher-nachher“-Bilder zur Hand: vorher eine vollgeparkte Straße, nachher eine entspannte Zone mit Sitzgelegenheiten unter Bäumen für glückliche Menschen.

Das zieht sich von einem Verkehrs-Hotspot wie dem Praterstern über Bobohausen-Locations wie die Zollergasse oder die Bernardgasse in Wien 7 bis zu migrantisch dominierten Einkaufsstraßen in Ottakring (Thaliastraße) oder Favoriten.

Ein Sonderfall ist der zentrale Michaelerplatz in 1010 Wien. Auch hier sollen Bäume, Beete und ein Wasserspiel die nackte Architektur von Hofburg, Gründerzeitbauten, Looshaus und der ursprünglich romanischen, dann barock überbauten Michaelerkirche begrünen. Es gibt aber Probleme. Zum einen geht das auf eine Initiative eines Wiener Innenstadtanwalts zurück, der im Auftrag der privaten Geschäftsleute schon eine Umgestaltung der Herrengasse initiiert hat.

„Greenwashing“

Zum anderen wendet eine Initiative von mehr als 100 sehr namhaften österreichischen und internationalen Architektinnen und Architekten sowie Kunsthistorikerinnen und Kunsthistorikern (SOS Michaelerplatz) ein, dass es sich hier um „Greenwashing“ handle und die geplanten Bäume die „historische Wirkung“ des Platzes zerstören würden.

Der Kunsthistoriker Andreas Nierhaus fügt noch hinzu: „Was nach wie vor fehlt, ist die größere Perspektive: Wo gibt es in der Stadt Orte, an denen eine massive Begrünung und Entsiegelung möglich ist, und wo nicht? Ein solches Konzept fehlt. Die Bäume auf dem Michaelerplatz streuen Sand in die Augen jener, die sich zu Recht eine stärker begrünte Stadt wünschen. Wie wäre es damit, den Heldenplatz zu entsiegeln?“

Stadträtin Sima weist vor Ort darauf hin, dass die neun Blauglockenbäume ohnehin sparsam eingesetzt am Rande des Platzes stünden, der Großteil der Fiaker samt Pferden in die Schauflergasse verpflanzt würde und der Denkmalschutz eingebunden sei. Auf die rhetorische Frage der Architektenvereinigung „Steht eine Verwaldung der Städte bevor?“, antwortet sie sehr bestimmt: „Du kannst 2024 nichts mehr ohne Grün machen.“

Das von Simas Öffentlichkeitsarbeit gerne verwendete Stichwort ist „klimafit“. Sie selbst sagt: „Wien ist eine jener europäischen Hauptstädte, die vom Klimawandel sehr betroffen sind. Wir machen die zentralen Achsen, die Bezirke machen kleinteilige Maßnahmen, die aber insgesamt eine Verbesserung bringen. Wir wollen eine Transformation in der ganzen Stadt.“

Nachträgliche Milderung

Das ist das implizite Eingeständnis, dass es um nachträgliche Milderung, nicht um einen großen Zukunftsmasterplan für die Stadt im Klimawandel geht. Wobei das Klimabewusstsein noch eher jüngeren Datums ist: Das Stadterweiterungsgebiet Seestadt Aspern wurde noch so geplant und gebaut, dass Sima nachträglich versiegelte Flächen aufbrechen und Bäume einpflanzen musste.

Wie sieht das Programm „klimafit“ in der Realität aus? An der unteren Thaliastraße, wo sich Dönerladen an Handyshop an Altwarengeschäft reiht und die Dichte an vollverschleierten Frauen groß ist, wurde der Gehsteig verbreitert und in kurzen Abständen Bäume („Schnurbäume“) gepflanzt und Gräserbeete eingerichtet. Dazu neue Sitzgelegenheiten und zunächst rätselhafte weiße Pfosten, die sich als „Nebelduschen“ herausstellen. Daneben rauscht der Verkehr. An einem Wochentag am frühen Nachmittag mit Temperaturen um die 24 Grad werden die Erholungsoasen ganz gut angenommen. Nicht nur Pensionisten und junge Mütter, auch Menschen im Arbeitsprozess ruhen hier aus. Die Baum/Gräserbeete/Wasserspiele-Linie soll auf die ganze lange Thaliastraße ausgedehnt werden. An einem heißen Sommernachmittag, wenn die Sonne von Westen hereinbrennt, kann das schon etwas bringen. Die Bäume werden übrigens unterirdisch durch ein eigenes System bewässert. So viele Gärtner hat das Stadtgartenamt nicht, um da täglich zu gießen.

Szenenwechsel in den siebenten Wiener Gemeindebezirk. Die Bernardgasse ist teils ein geschlossenes Biedermeierensemble, teils (gegen den Gürtel hin) die übliche Gründerzeitmischung (mit einem kleinen Art-déco-Juwel, einem Gemeindebau aus dem Jahr 1925). Auch hier mittelgroße neue Bäume, Gräserbeete. Ähnlich in der Zollergasse, einem relativ kurzen Straßenzug nahe der Mariahilfer Straße mit jeder Menge gut besetzter Straßenlokale. Ehemals ein einziger Parkplatz.

Alkohol- und Waffenverbot

Wieder etwas anders ist der Hotspot Praterstern. Von Verkehr umtost, aber die begrünte Fläche wurde ausgeweitet, doppelt so viele Bäume wie vorher. Alkohol- und Waffenverbot und die Platzierung der Polizeiwache sorgen für die notwendige Ruhe, um unter den Bäumen oder im Café Engländer ausruhen zu können. Es ist immer noch kein Paradiesgarten, aber die Veränderung zu früher ist merkbar.

So soll es noch an vielen Ecken und Enden der Stadt werden: Die 1,3 Kilometer lange Fußgängerzone in der Favoritenstraße, die „Hitzeinsel Naschmarkt-Parkplatz“, die „Geisterausfahrt Simmering“ wird „Tangentenpark an der Ostbahn“, an der Universitätsstraße wird bereits gearbeitet, aus dem Christian-Broda-Platz (vor dem Westbahnhof) wird ein „Blätterparadies“, die Wiedner Hauptstraße bekommt einen Zwei-Richtungs-Radweg, aus der Argentinierstraße wird eine Fahrradstraße nach niederländischem Vorbild, Floridsdorf bekommt „eine eigene Radweg-Offensive“ (und so weiter im O-Ton des Stadträtin-Büros).

„Es ist ein Versuch des Ausgleichs“, sagt Ulli Sima beim Rundgang durch die bereits fertiggestellten Grünzonen. Wobei die wirklichen Bratpfannen der Stadtarchitektur wie die Fläche vor dem Hauptbahnhof erst angegangen werden müssen.

Und noch eines: Beim Stadtspaziergang zeigt sich etwas, das man bisher eher am Rande wahrnahm, aber beim bewussten Schauen ins Auge springt – das aggressive Gekrakel der Graffiti überwuchert, stilistisch ziemlich einfallslos, inzwischen nicht nur hässliche Betonwände, sondern auch innerstädtische Biedermeier-, Barock- und Jugendstilarchitektur. Aber dafür ist Ulli Sima nicht zuständig.

Der Standard, Sa., 2024.05.04

22. Juni 2009Hans Rauscher
Der Standard

Nationales Erbe oder Weltkunst

Athens neues Akropolis-Museum will das British Museum in Zugzwang bringen. Dort befinden sich etliche Originale. Aber es gibt auch Stimmen, die das im Sinne eines Welterbes ganz in Ordnung finden.

Athens neues Akropolis-Museum will das British Museum in Zugzwang bringen. Dort befinden sich etliche Originale. Aber es gibt auch Stimmen, die das im Sinne eines Welterbes ganz in Ordnung finden.

Einen Moment lang dachte man, der griechische Kulturminister Antonis Samaras würde den 2500 Jahre alten Marmorkopf der Göttin Iris fallen lassen. Dann konnte er ihn doch in das Relief einpassen, das damit wieder vollständig wurde. Dieser kleine Coup war der emotionale Höhepunkt der Eröffnung des neuen Akropolis-Museums in Athen. Der große soll irgendwann folgen, dann nämlich, wenn Großbritannien, beziehungsweise das British Museum in London, die 56 Marmorplatten des Parthenon-Frieses zurückgibt, damit sie mit den rund 40 Platten vereint werden können, die jetzt im neuen Akropolis-Museum ausgestellt sind.

Dafür wurde das Museum um 130 Millionen Euro nämlich gebaut. Um, wie sich der Kulturminister ausdrückte, die „Entführung der Skulpturen“, die „im British Museum als Geiseln gehalten werden“, moralisch zu erzwingen. Der Kopf der Iris, der von einem Museum in Italien zurückgegeben wurde, soll nur ein Anfang sein.

Oder, wie der Direktor des Museums, Dimitris Pandermalis, in milder Gelehrtenmanier meint, damit „das Parthenon zum zweiten Mal geboren wird. Die Erzählung des Frieses muss vollständig werden. Wir überlassen der internationalen Gemeinschaft die Entscheidung.“ Vor rund 200 Jahren, 1801, erwirkte der schottische Lord Elgin, Botschafter beim Sultan in Istanbul, die Erlaubnis, von einer Ruine auf einem Felsen in einem unter türkischer Besatzung heruntergekommenen Kaff namens Athen dutzende Platten mit Marmorreliefs abzumontieren. Heute zeigt das British Museum wenig Lust, die Stücke nach Athen zurückzugeben, selbst wenn sie juristisch in seinem Besitz blieben.

In Athen hat man sich deshalb eine effektvolle Zwischenlösung einfallen lassen. Das neue Museum steht am Fuße der Akropolis, in unmittelbarer Nähe eines archäologischen Parks, den man auf dem Weg von der Akropolis hinunter durchquert. Durch die Glaswand des Museums hat man direkten Blick auf den (abends beleuchteten) Parthenon.

Im obersten, dem dritten Stockwerk des neuen Akropolis-Museums, wurde (in denselben Maßen wie im Parthenon selbst) ein Rechteck aus Wänden errichtet und daran der Parthenon-Fries in der ursprünglichen Abfolge eingerichtet.

Dabei wechseln sich die im griechischen Besitz verbliebenen gelblichen Originale und die blendend weißen Gipskopien ab, die das British Museum schon vor längerer Zeit großzügig zur Verfügung stellte. So kann man nun den Fries, also jene 80 Prozent, die überhaupt erhalten sind, komplett sehen. Und zwar in Augenhöhe, nicht in zwölf Meter Höhe wie beim Parthenon. Die am Parthenon verbliebenen Teile des Frieses wurden übrigens erst vor kurzem heruntergeholt (und dort durch Kopien ersetzt).

Der beabsichtigte Eindruck ist: Hier muss zusammengefügt werden, was zusammengehört.

Man kann das aber durchaus auch anders sehen - und nicht nur das British Museum sieht das anders. James Cuno, der Direktor des Chicago Art Institute, hat sich mit provokanten Thesen bei allen Regierungen unbeliebt gemacht, die verlorenen nationalen Kunstschätzen nachtrauern: „Nationales kulturelles Eigentum ist eine politische Konstruktion. Die großen Schätze der antiken Kunst gehören allen von uns als Erben eines gemeinsames Erbes. Sie sollten über die ganze Welt verteilt werden, um Neugier an diesem gemeinsamen Erbe zu wecken.“

Schlecht geschützte Schätze

Andererseits hat zumindest Griechenland mit dem Bau des Akropolis-Museums ein Argument entkräftet, das lange Geltung hatte: Der Parthenon und der ganze Akropolis-Komplex war lange Zeit schlecht vor modernen Umwelteinflüssen geschützt, die Kunstwerke waren schlecht präsentiert. Das alte Museum oben auf der Akropolis war ein Schuppen. Der Neubau (eine Architekturkritik folgt im ALBUM) bringt erst die sonstigen Schätze abseits des politisch aufgeladenen Parthenon-Frieses brillant zur Geltung. Vor allem der Saal mit den vorklassischen, archaischen Statuen ist eine Neuentdeckung.

Die Koren (Mädchengestalten) mit ihrem archaischen Lächeln oder die ersten Meisterwerke der „bewegten“ Skulptur wie der Kritias-Knabe lassen den politischen Streit um den Fries fast nebensächlich erscheinen. Die innere Architektur erlaubt den großen Blick.

Vom Inhalt her ist dies ein erstklassiges Museum mit erstklassiger Präsentation in transparenter, großzügiger Manier.

Der Standard, Mo., 2009.06.22



verknüpfte Bauwerke
Akropolis-Museum

04. August 1999Hans Rauscher
Der Standard

Gebautes Glaubensbekenntnis

Der Unterehmer Karl Heinz Essl (Baumax) und seine Frau Agnes errichten in Klosterneuburg Österreichs einziges Privatmuseum für zeitgenössische Kunst. Hans Rauscher sprach mit dem Sammler.

Der Unterehmer Karl Heinz Essl (Baumax) und seine Frau Agnes errichten in Klosterneuburg Österreichs einziges Privatmuseum für zeitgenössische Kunst. Hans Rauscher sprach mit dem Sammler.

Standard: Herr Essl, zur Eröffnung im November wird Sie der Bau ein paar Hundert Millionen gekostet haben.

Essl: Über die Kosten spreche ich nicht. Dieses Museum ist so groß wie das Whitney-Museum in New York oder das Modern Art Museum in Los Angeles. Das ist sehr gute internationale Mittelklasse Es hat die ideale Größe. Alles andere ist überdimensioniert.

STANDARD: Sie bauen sich für Ihre Sammlung ein eigenes Museum in Klosterneuburg, weil man Ihnen in Wien keine Möglichkeit gegeben hat.

Essl: Die Diskussion, ein Museum in Wien zu errichten, war für uns abgeschlossen, wir haben uns ja nie aufgedrängt und sind einmal von Busek angesprochen worden, wegen des Turms im Museumsquartier, ein anderes Mal vom Künstlerhaus, aber beides hat sich nicht realisieren lassen. So haben wir ein Depot geplant. Bis wir gefragt, haben, warum nicht ein Museum in Klosterneuburg bauen? Wir sind heute froh, daß das Museum hier steht, wir fühlen uns von der Bevölkerung angenommen. Und wir haben uns nie vorstellen können, uns unter staatliche Führung zu stellen, da wäre der Charme dieser Sammlung verschwunden. Was die Sammlung ausmacht, ist, dass meine Frau und ich unsere unterschiedlichen Geschmäcker einbringen.

STANDARD: Der Architekt Heinz Tesar hat bereits Ihren Firmensitz „Schömerhaus“ gebaut. Was bestimmt den Museums-Neubau?

Essl: Wir haben uns um eine gute Strukturierung bemüht, was die Typologie der Ausstellungsräume betrifft. Jeder Raum hat eine klare, abgeschlossene Struktur: Die Oberlicht-Galerien zur Straße hin, die 1300 Quadratmeter große Ausstellungshalle, eine 800 Quadratmeter große freitragende Halle ohne Stütze - eine kühne Konstruktion. Alles ist in sich geschlossen, aber da und dort gibt es den Blick hinaus in die Natur. Man hat dann die Weite wieder, kann sich regenerieren und sich darauf wieder umso besser der Kunst widmen.

STANDARD: Der Bau steht zwischen der stark befahrenen Wiener Straße und der Au, oben von der Rampe sieht man das Stift Klosterneuburg.

Essl: Das ist eben diese Kombination aus Urbanität und totaler Natur, dazwischen schiebt sich wie ein Keil das Kunsthaus. Man könnte zu schwärmen beginnen über die Verbindung zwischen dem Leben, in dem wir stehen, und der Natur, wie sie Gott geschaffen hat.

STANDARD: Was ist die Philosophie dieses Museums? Die bekannte österreichische zeitgenössische Kunst ist hier vertreten, Rainer, Brus, Pichler, Nitsch, Attersee . . .

Essl: Ja, und wir wollen sehen, was danach kommt, wir wollen die jungen Künstler mit Ausstellungen fördern.

STANDARD: Aber im Kern ist es eine Gesamtschau der österreichischen Kunst nach dem Krieg, wie es sie bisher nicht gegeben hat?

Essl: Wir sammeln seit Beginn der 90er Jahre auch internationale Kunst, was zu einer sehr interessanten Konfrontation führt: Jetzt einmal österreichische Künstler mit einem Baselitz auszustellen, mit den Amerikanern, mit Sam Francis oder Sean Scully, das wird die große Herausforderung für die Österreicher.

STANDARD: Sie sind das einzige große Privatmuseum bildender Kunst in Österreich. Sie haben das amerikanische Konzept übernommen.

Essl: Ein deutsches. Aber ich würde sagen, wir haben eigentlich gar kein Konzept übernommen, weil alles geworden ist, evolutionär hat sich das Kunsthaus entwickelt. Zuerst haben wir privat gesammelt, dann habe ich bewusst Erträge des Unternehmens in die Kunst investiert, dann das Schömer-Haus gebaut, und da kam dann die Idee, moderne Galerie und Bürohaus zusammenzubringen. Der letzte Schritt eines Museumbaus war logisch. Wir kamen zur Überzeugung, dass wir die Kunst nicht in Depots verstauben lassen dürfen. Wir haben eine Beziehung zu unserem Schöpfer, wir sind Protestanten und aus dieser Glaubensethik sehen wir immer wieder eine Beauftragung, etwas zu tun, das nicht nur einem selbst gut tut, sondern auch andere miteinbezieht. Ich bin ein bewusster Christ, auch im Geschäftlichen. Ich denke, dass, wenn ich die Bibel lese, meine Interpretation über das Persönliche hinausgeht, es gibt diese Verantwortung, die einem gegeben wurde, etwas daraus zu machen, die man letztendlich zurückgeben muss.

STANDARD: Sie hätten ja auch eine Schule in Afrika spenden können, warum Kunst?

Essl: Ich bin der Meinung, dass Kunst das Leben bereichert, ohne Kunst würden den Menschen existenzielle, fundamentale Werte abgehen. Mein Leben ist durch die Kunst bereichert worden, das will ich weitergeben. Natürlich, die Schule im Kongo wäre wichtig. Aber ich glaube, es ist besser, etwas zu tun, wo man einen persönlichen Zugang dazu hat.


Ein stolzer Karl-Heinz Essl diskutiert mit Architekt Heinz Tesar sein künftiges Museum der internationalen Mittelgröße. Foto: Reuters

Der Standard, Mi., 1999.08.04



verknüpfte Bauwerke
Museum Sammlung Essl

Presseschau 12

30. August 2025Hans Rauscher
Der Standard

„Schönheit als Therapie“

Von Manhattan über Paris, Athen, Peking bis Wien – die Publizistin Victoria Newhouse begleitet seit Jahrzehnten mit ihren Büchern und jetzt auch mit einem Podcast Spitzenleistungen der Architekturmoderne.

Von Manhattan über Paris, Athen, Peking bis Wien – die Publizistin Victoria Newhouse begleitet seit Jahrzehnten mit ihren Büchern und jetzt auch mit einem Podcast Spitzenleistungen der Architekturmoderne.

In den Industrieländern der Welt ist eine Art grüne Wiedereroberung urbanindustrieller Flächen im Gang. Zuletzt errichtete Paris auf der ehemals versiegelten Fläche vor dem Rathaus einen kleinen Wald.

Ein Trend, den die amerikanische Architekturpublizistin Victoria Newhouse bereits 2021 ausführlich dokumentierte. In dem Prachtband Parks of the 21st Century (gemeinsam mit Alex Pisha) zeichnet sie „wiedererfundene Landschaften, wieder in Besitz genommene Territorien“ nach: von Nordamerika über Europa bis China beschreibt sie mit vielen Fotos und Grafiken, wie ehemalige Industriebrachen, Autobahnen, Bahnstrecken, Airports, Hafenanlagen begrünt und von trostlosen modernen Wüsten in neue städtische Lebensräume umgewandelt wurden.

Victoria Newhouse nennt sich selbst eine „Architektur-Historikerin“. Sie hat über die Jahrzehnte mit ihren opulenten, genau recherchierten Büchern die Entwicklungen in der internationalen Weltklassearchitektur geschildert und begleitet. 1998 interpretierte sie in Towards a New Museum den „bedeutenden Wandel in der Museumsarchitektur“: „Man blickt nicht mehr nur auf ein Objekt, sondern heute will jeder in der kulturellen Welt eine Erfahrung, sozusagen ein theatralisches Erlebnis“, sagt sie im Gespräch mit dem STANDARD.

Giganten der Architekturwelt

Und jetzt? Jetzt startet sie am 1. Oktober einen Podcast: Insights: Art and Architecture . Die Giganten der Architekturwelt, alle jenseits der 80, werden von ihr interviewt: Frank Gehry (96) diskutiert das Guggenheimmuseum, das er für eine Milliarde Dollar in Abu Dhabi gebaut hat. Es folgen Rem Koolhaas (8o). Er spricht über den Ausbau des NYC New Museum, das demnächst eröffnet. Dann Mosche Safdie (87), Raj Rewal (90) und Peter Eisenman (93).

Victoria Newhouse selbst ist 87. Warum macht sie das? „Weil ich „einfach sehr neugierig bin. Ich hoffe, Bewusstsein für neue Entwicklungen in der Architektur zu wecken.“

Seit Jahrzehnten reist Victoria Newhouse durch die Welt, um verblüffende, bedeutende und richtungsweisende Architektur zu entdecken und zu beschreiben. Zu Wien hat sie eine besondere Beziehung, die sich auch aus der Bewunderung für den verstorbenen Architekten Hans Hollein ergab. Hollein erhielt 1985 den „Nobelpreis für Architektur“, den Pritzker Price.

Victoria Newhouse kam mit ihrem 2017 verstorbenen Gatten S. I. („Si“) Newhouse jr. oft nach Wien, wo sie zahlreiche Freunde in der künstlerischen und intellektuellen Szene hat. Si war Eigentümer des Magazin-Imperiums Condé Nast, zu dessen Flaggschiffe u. a. The New Yorker, Vogue, Vanity Fair, Architectural Digest gehören. Soeben ist ein Buch des New York Times -Journalisten Michael M. Grynbaum erschienen, Titel: Empire of the Elite: Inside Condé Nast, the Media Dynasty That Reshaped the World . Ein bezeichnendes Kapitel heißt: „Die Concorde-und Kaviar-Ära bei Condé Nast“.

Victoria Newhouse ist in Manhattan geboren, arbeitete eine Zeit in Paris, New York war aber lange ihr Bezugspunkt – bis sie jetzt nach Kanada (Montreal) übersiedelte.

Renzo Piano hat sie gebeten, sein großes „Stavros Niarchos Foundation Cultural Center“ in Athen publizistisch zu begleiten, das größte Freizeitprojekt Griechenlands mit der Nationaloper, der Nationalbibliothek und einem Landschaftsgarten, Meerwasserkanal inklusive. Daraus wurde der Band Chaos and Culture (2017).

In Housing the Nation (2024 mit Alexander Gorlin) geht es um Ermöglichung leistbaren Wohnraums vor allem für benachteiligte soziale Gruppen in den USA: „Leistbarer Wohnbau ist zu so einem wichtigen Thema hier in der USA geworden, nicht nur in den Städten, sondern auch in der Countryside. Daher habe ich Experten um ihren Input gefragt. Eine Lösung wären z. B. Häuser aus dem 3D-Drucker. Leider hat die jetzige Administration die Mittel gekürzt.“

Verblüffende Einblicke

Towards a New Museum, ihr erster großer argumentativer Essay in Buchform, entsprang ihrer Irritation über „wings that don’t fly“, über Anbauten (Flügel) zu Museen, die ihrer Meinung nach keine Verbesserung darstellen. Gemeinsam mit dem Architekten Edgar Kaufmann jr. kämpfte sie gegen den ursprünglichen Anbau zum Guggenheim Museum in NYC.

Parks of the 21st Century ist u. a. ein verblüffender Einblick in die neue Gartenkultur Chinas, das ja auf eine jahrtausendalte Gartengeschichte zurückblicken kann. Newhouse: „Die urbanen Greenways, die für jede größere Stadt in China geplant wurden, erfüllen eine strategische Funktion sowohl für ökologische Bewahrung als auch für Kontrolle urbanen Wildwuchses, daher sind sie außerhalb des Stadtkerns lokalisiert“.

Renzo Piano sprach bei der Eröffnung des Athener Kulturzentrums von der „therapeutischen Kraft der Schönheit“. Victoria Newhouse widmet ihr publizistisches Leben diesem Prinzip.

Der Standard, Sa., 2025.08.30

04. Mai 2024Hans Rauscher
Der Standard

Bäume, Bänke und Wasserspiele

Mit der Wiener Planungsstadträtin Ulli Sima auf der Suche nach der „klimafitten“ Stadt. Ein Lokalaugenschein vom Verkehrshotspot bis zum Bobo-Bezirk.

Mit der Wiener Planungsstadträtin Ulli Sima auf der Suche nach der „klimafitten“ Stadt. Ein Lokalaugenschein vom Verkehrshotspot bis zum Bobo-Bezirk.

Die Stadt wird heiß. Die Wiener Stadträtin für Innovation, Stadtplanung und Mobilität hat ein Programm dagegen. Es lässt sich knapp in der Formel „neue Bäume, Sitzbänke, Gräserbeete und Wasserspiele“ zusammenfassen. Damit überzieht Sima eine große Zahl von hässlichen, heißen, unfreundlichen Stadtgegenden. Einige sind schon (fast) fertig, andere erst im Entstehen.

Das sieht im Grunde immer gleich aus – es werden neue Bäume gepflanzt (in der Mehrzahl sogenannte XL-Bäume, die, schon etwas größer, nicht mehr so lange brauchen, bis sie Schatten spenden). Dazu sogenannte Gräserbeete mit hohen, widerstandsfähigen Gräsern und Blumen und „Wasserspiele“ – Brunnen oder auch „Nebelsäulen“, aus denen im Sommer Wasserdampf dringt. Und Sitzbänke. An vielen Stellen der Stadt müssen dafür Autos weg. Die Mitarbeiter von Sima haben jede Menge „Vorher-nachher“-Bilder zur Hand: vorher eine vollgeparkte Straße, nachher eine entspannte Zone mit Sitzgelegenheiten unter Bäumen für glückliche Menschen.

Das zieht sich von einem Verkehrs-Hotspot wie dem Praterstern über Bobohausen-Locations wie die Zollergasse oder die Bernardgasse in Wien 7 bis zu migrantisch dominierten Einkaufsstraßen in Ottakring (Thaliastraße) oder Favoriten.

Ein Sonderfall ist der zentrale Michaelerplatz in 1010 Wien. Auch hier sollen Bäume, Beete und ein Wasserspiel die nackte Architektur von Hofburg, Gründerzeitbauten, Looshaus und der ursprünglich romanischen, dann barock überbauten Michaelerkirche begrünen. Es gibt aber Probleme. Zum einen geht das auf eine Initiative eines Wiener Innenstadtanwalts zurück, der im Auftrag der privaten Geschäftsleute schon eine Umgestaltung der Herrengasse initiiert hat.

„Greenwashing“

Zum anderen wendet eine Initiative von mehr als 100 sehr namhaften österreichischen und internationalen Architektinnen und Architekten sowie Kunsthistorikerinnen und Kunsthistorikern (SOS Michaelerplatz) ein, dass es sich hier um „Greenwashing“ handle und die geplanten Bäume die „historische Wirkung“ des Platzes zerstören würden.

Der Kunsthistoriker Andreas Nierhaus fügt noch hinzu: „Was nach wie vor fehlt, ist die größere Perspektive: Wo gibt es in der Stadt Orte, an denen eine massive Begrünung und Entsiegelung möglich ist, und wo nicht? Ein solches Konzept fehlt. Die Bäume auf dem Michaelerplatz streuen Sand in die Augen jener, die sich zu Recht eine stärker begrünte Stadt wünschen. Wie wäre es damit, den Heldenplatz zu entsiegeln?“

Stadträtin Sima weist vor Ort darauf hin, dass die neun Blauglockenbäume ohnehin sparsam eingesetzt am Rande des Platzes stünden, der Großteil der Fiaker samt Pferden in die Schauflergasse verpflanzt würde und der Denkmalschutz eingebunden sei. Auf die rhetorische Frage der Architektenvereinigung „Steht eine Verwaldung der Städte bevor?“, antwortet sie sehr bestimmt: „Du kannst 2024 nichts mehr ohne Grün machen.“

Das von Simas Öffentlichkeitsarbeit gerne verwendete Stichwort ist „klimafit“. Sie selbst sagt: „Wien ist eine jener europäischen Hauptstädte, die vom Klimawandel sehr betroffen sind. Wir machen die zentralen Achsen, die Bezirke machen kleinteilige Maßnahmen, die aber insgesamt eine Verbesserung bringen. Wir wollen eine Transformation in der ganzen Stadt.“

Nachträgliche Milderung

Das ist das implizite Eingeständnis, dass es um nachträgliche Milderung, nicht um einen großen Zukunftsmasterplan für die Stadt im Klimawandel geht. Wobei das Klimabewusstsein noch eher jüngeren Datums ist: Das Stadterweiterungsgebiet Seestadt Aspern wurde noch so geplant und gebaut, dass Sima nachträglich versiegelte Flächen aufbrechen und Bäume einpflanzen musste.

Wie sieht das Programm „klimafit“ in der Realität aus? An der unteren Thaliastraße, wo sich Dönerladen an Handyshop an Altwarengeschäft reiht und die Dichte an vollverschleierten Frauen groß ist, wurde der Gehsteig verbreitert und in kurzen Abständen Bäume („Schnurbäume“) gepflanzt und Gräserbeete eingerichtet. Dazu neue Sitzgelegenheiten und zunächst rätselhafte weiße Pfosten, die sich als „Nebelduschen“ herausstellen. Daneben rauscht der Verkehr. An einem Wochentag am frühen Nachmittag mit Temperaturen um die 24 Grad werden die Erholungsoasen ganz gut angenommen. Nicht nur Pensionisten und junge Mütter, auch Menschen im Arbeitsprozess ruhen hier aus. Die Baum/Gräserbeete/Wasserspiele-Linie soll auf die ganze lange Thaliastraße ausgedehnt werden. An einem heißen Sommernachmittag, wenn die Sonne von Westen hereinbrennt, kann das schon etwas bringen. Die Bäume werden übrigens unterirdisch durch ein eigenes System bewässert. So viele Gärtner hat das Stadtgartenamt nicht, um da täglich zu gießen.

Szenenwechsel in den siebenten Wiener Gemeindebezirk. Die Bernardgasse ist teils ein geschlossenes Biedermeierensemble, teils (gegen den Gürtel hin) die übliche Gründerzeitmischung (mit einem kleinen Art-déco-Juwel, einem Gemeindebau aus dem Jahr 1925). Auch hier mittelgroße neue Bäume, Gräserbeete. Ähnlich in der Zollergasse, einem relativ kurzen Straßenzug nahe der Mariahilfer Straße mit jeder Menge gut besetzter Straßenlokale. Ehemals ein einziger Parkplatz.

Alkohol- und Waffenverbot

Wieder etwas anders ist der Hotspot Praterstern. Von Verkehr umtost, aber die begrünte Fläche wurde ausgeweitet, doppelt so viele Bäume wie vorher. Alkohol- und Waffenverbot und die Platzierung der Polizeiwache sorgen für die notwendige Ruhe, um unter den Bäumen oder im Café Engländer ausruhen zu können. Es ist immer noch kein Paradiesgarten, aber die Veränderung zu früher ist merkbar.

So soll es noch an vielen Ecken und Enden der Stadt werden: Die 1,3 Kilometer lange Fußgängerzone in der Favoritenstraße, die „Hitzeinsel Naschmarkt-Parkplatz“, die „Geisterausfahrt Simmering“ wird „Tangentenpark an der Ostbahn“, an der Universitätsstraße wird bereits gearbeitet, aus dem Christian-Broda-Platz (vor dem Westbahnhof) wird ein „Blätterparadies“, die Wiedner Hauptstraße bekommt einen Zwei-Richtungs-Radweg, aus der Argentinierstraße wird eine Fahrradstraße nach niederländischem Vorbild, Floridsdorf bekommt „eine eigene Radweg-Offensive“ (und so weiter im O-Ton des Stadträtin-Büros).

„Es ist ein Versuch des Ausgleichs“, sagt Ulli Sima beim Rundgang durch die bereits fertiggestellten Grünzonen. Wobei die wirklichen Bratpfannen der Stadtarchitektur wie die Fläche vor dem Hauptbahnhof erst angegangen werden müssen.

Und noch eines: Beim Stadtspaziergang zeigt sich etwas, das man bisher eher am Rande wahrnahm, aber beim bewussten Schauen ins Auge springt – das aggressive Gekrakel der Graffiti überwuchert, stilistisch ziemlich einfallslos, inzwischen nicht nur hässliche Betonwände, sondern auch innerstädtische Biedermeier-, Barock- und Jugendstilarchitektur. Aber dafür ist Ulli Sima nicht zuständig.

Der Standard, Sa., 2024.05.04

22. Juni 2009Hans Rauscher
Der Standard

Nationales Erbe oder Weltkunst

Athens neues Akropolis-Museum will das British Museum in Zugzwang bringen. Dort befinden sich etliche Originale. Aber es gibt auch Stimmen, die das im Sinne eines Welterbes ganz in Ordnung finden.

Athens neues Akropolis-Museum will das British Museum in Zugzwang bringen. Dort befinden sich etliche Originale. Aber es gibt auch Stimmen, die das im Sinne eines Welterbes ganz in Ordnung finden.

Einen Moment lang dachte man, der griechische Kulturminister Antonis Samaras würde den 2500 Jahre alten Marmorkopf der Göttin Iris fallen lassen. Dann konnte er ihn doch in das Relief einpassen, das damit wieder vollständig wurde. Dieser kleine Coup war der emotionale Höhepunkt der Eröffnung des neuen Akropolis-Museums in Athen. Der große soll irgendwann folgen, dann nämlich, wenn Großbritannien, beziehungsweise das British Museum in London, die 56 Marmorplatten des Parthenon-Frieses zurückgibt, damit sie mit den rund 40 Platten vereint werden können, die jetzt im neuen Akropolis-Museum ausgestellt sind.

Dafür wurde das Museum um 130 Millionen Euro nämlich gebaut. Um, wie sich der Kulturminister ausdrückte, die „Entführung der Skulpturen“, die „im British Museum als Geiseln gehalten werden“, moralisch zu erzwingen. Der Kopf der Iris, der von einem Museum in Italien zurückgegeben wurde, soll nur ein Anfang sein.

Oder, wie der Direktor des Museums, Dimitris Pandermalis, in milder Gelehrtenmanier meint, damit „das Parthenon zum zweiten Mal geboren wird. Die Erzählung des Frieses muss vollständig werden. Wir überlassen der internationalen Gemeinschaft die Entscheidung.“ Vor rund 200 Jahren, 1801, erwirkte der schottische Lord Elgin, Botschafter beim Sultan in Istanbul, die Erlaubnis, von einer Ruine auf einem Felsen in einem unter türkischer Besatzung heruntergekommenen Kaff namens Athen dutzende Platten mit Marmorreliefs abzumontieren. Heute zeigt das British Museum wenig Lust, die Stücke nach Athen zurückzugeben, selbst wenn sie juristisch in seinem Besitz blieben.

In Athen hat man sich deshalb eine effektvolle Zwischenlösung einfallen lassen. Das neue Museum steht am Fuße der Akropolis, in unmittelbarer Nähe eines archäologischen Parks, den man auf dem Weg von der Akropolis hinunter durchquert. Durch die Glaswand des Museums hat man direkten Blick auf den (abends beleuchteten) Parthenon.

Im obersten, dem dritten Stockwerk des neuen Akropolis-Museums, wurde (in denselben Maßen wie im Parthenon selbst) ein Rechteck aus Wänden errichtet und daran der Parthenon-Fries in der ursprünglichen Abfolge eingerichtet.

Dabei wechseln sich die im griechischen Besitz verbliebenen gelblichen Originale und die blendend weißen Gipskopien ab, die das British Museum schon vor längerer Zeit großzügig zur Verfügung stellte. So kann man nun den Fries, also jene 80 Prozent, die überhaupt erhalten sind, komplett sehen. Und zwar in Augenhöhe, nicht in zwölf Meter Höhe wie beim Parthenon. Die am Parthenon verbliebenen Teile des Frieses wurden übrigens erst vor kurzem heruntergeholt (und dort durch Kopien ersetzt).

Der beabsichtigte Eindruck ist: Hier muss zusammengefügt werden, was zusammengehört.

Man kann das aber durchaus auch anders sehen - und nicht nur das British Museum sieht das anders. James Cuno, der Direktor des Chicago Art Institute, hat sich mit provokanten Thesen bei allen Regierungen unbeliebt gemacht, die verlorenen nationalen Kunstschätzen nachtrauern: „Nationales kulturelles Eigentum ist eine politische Konstruktion. Die großen Schätze der antiken Kunst gehören allen von uns als Erben eines gemeinsames Erbes. Sie sollten über die ganze Welt verteilt werden, um Neugier an diesem gemeinsamen Erbe zu wecken.“

Schlecht geschützte Schätze

Andererseits hat zumindest Griechenland mit dem Bau des Akropolis-Museums ein Argument entkräftet, das lange Geltung hatte: Der Parthenon und der ganze Akropolis-Komplex war lange Zeit schlecht vor modernen Umwelteinflüssen geschützt, die Kunstwerke waren schlecht präsentiert. Das alte Museum oben auf der Akropolis war ein Schuppen. Der Neubau (eine Architekturkritik folgt im ALBUM) bringt erst die sonstigen Schätze abseits des politisch aufgeladenen Parthenon-Frieses brillant zur Geltung. Vor allem der Saal mit den vorklassischen, archaischen Statuen ist eine Neuentdeckung.

Die Koren (Mädchengestalten) mit ihrem archaischen Lächeln oder die ersten Meisterwerke der „bewegten“ Skulptur wie der Kritias-Knabe lassen den politischen Streit um den Fries fast nebensächlich erscheinen. Die innere Architektur erlaubt den großen Blick.

Vom Inhalt her ist dies ein erstklassiges Museum mit erstklassiger Präsentation in transparenter, großzügiger Manier.

Der Standard, Mo., 2009.06.22



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Akropolis-Museum

04. August 1999Hans Rauscher
Der Standard

Gebautes Glaubensbekenntnis

Der Unterehmer Karl Heinz Essl (Baumax) und seine Frau Agnes errichten in Klosterneuburg Österreichs einziges Privatmuseum für zeitgenössische Kunst. Hans Rauscher sprach mit dem Sammler.

Der Unterehmer Karl Heinz Essl (Baumax) und seine Frau Agnes errichten in Klosterneuburg Österreichs einziges Privatmuseum für zeitgenössische Kunst. Hans Rauscher sprach mit dem Sammler.

Standard: Herr Essl, zur Eröffnung im November wird Sie der Bau ein paar Hundert Millionen gekostet haben.

Essl: Über die Kosten spreche ich nicht. Dieses Museum ist so groß wie das Whitney-Museum in New York oder das Modern Art Museum in Los Angeles. Das ist sehr gute internationale Mittelklasse Es hat die ideale Größe. Alles andere ist überdimensioniert.

STANDARD: Sie bauen sich für Ihre Sammlung ein eigenes Museum in Klosterneuburg, weil man Ihnen in Wien keine Möglichkeit gegeben hat.

Essl: Die Diskussion, ein Museum in Wien zu errichten, war für uns abgeschlossen, wir haben uns ja nie aufgedrängt und sind einmal von Busek angesprochen worden, wegen des Turms im Museumsquartier, ein anderes Mal vom Künstlerhaus, aber beides hat sich nicht realisieren lassen. So haben wir ein Depot geplant. Bis wir gefragt, haben, warum nicht ein Museum in Klosterneuburg bauen? Wir sind heute froh, daß das Museum hier steht, wir fühlen uns von der Bevölkerung angenommen. Und wir haben uns nie vorstellen können, uns unter staatliche Führung zu stellen, da wäre der Charme dieser Sammlung verschwunden. Was die Sammlung ausmacht, ist, dass meine Frau und ich unsere unterschiedlichen Geschmäcker einbringen.

STANDARD: Der Architekt Heinz Tesar hat bereits Ihren Firmensitz „Schömerhaus“ gebaut. Was bestimmt den Museums-Neubau?

Essl: Wir haben uns um eine gute Strukturierung bemüht, was die Typologie der Ausstellungsräume betrifft. Jeder Raum hat eine klare, abgeschlossene Struktur: Die Oberlicht-Galerien zur Straße hin, die 1300 Quadratmeter große Ausstellungshalle, eine 800 Quadratmeter große freitragende Halle ohne Stütze - eine kühne Konstruktion. Alles ist in sich geschlossen, aber da und dort gibt es den Blick hinaus in die Natur. Man hat dann die Weite wieder, kann sich regenerieren und sich darauf wieder umso besser der Kunst widmen.

STANDARD: Der Bau steht zwischen der stark befahrenen Wiener Straße und der Au, oben von der Rampe sieht man das Stift Klosterneuburg.

Essl: Das ist eben diese Kombination aus Urbanität und totaler Natur, dazwischen schiebt sich wie ein Keil das Kunsthaus. Man könnte zu schwärmen beginnen über die Verbindung zwischen dem Leben, in dem wir stehen, und der Natur, wie sie Gott geschaffen hat.

STANDARD: Was ist die Philosophie dieses Museums? Die bekannte österreichische zeitgenössische Kunst ist hier vertreten, Rainer, Brus, Pichler, Nitsch, Attersee . . .

Essl: Ja, und wir wollen sehen, was danach kommt, wir wollen die jungen Künstler mit Ausstellungen fördern.

STANDARD: Aber im Kern ist es eine Gesamtschau der österreichischen Kunst nach dem Krieg, wie es sie bisher nicht gegeben hat?

Essl: Wir sammeln seit Beginn der 90er Jahre auch internationale Kunst, was zu einer sehr interessanten Konfrontation führt: Jetzt einmal österreichische Künstler mit einem Baselitz auszustellen, mit den Amerikanern, mit Sam Francis oder Sean Scully, das wird die große Herausforderung für die Österreicher.

STANDARD: Sie sind das einzige große Privatmuseum bildender Kunst in Österreich. Sie haben das amerikanische Konzept übernommen.

Essl: Ein deutsches. Aber ich würde sagen, wir haben eigentlich gar kein Konzept übernommen, weil alles geworden ist, evolutionär hat sich das Kunsthaus entwickelt. Zuerst haben wir privat gesammelt, dann habe ich bewusst Erträge des Unternehmens in die Kunst investiert, dann das Schömer-Haus gebaut, und da kam dann die Idee, moderne Galerie und Bürohaus zusammenzubringen. Der letzte Schritt eines Museumbaus war logisch. Wir kamen zur Überzeugung, dass wir die Kunst nicht in Depots verstauben lassen dürfen. Wir haben eine Beziehung zu unserem Schöpfer, wir sind Protestanten und aus dieser Glaubensethik sehen wir immer wieder eine Beauftragung, etwas zu tun, das nicht nur einem selbst gut tut, sondern auch andere miteinbezieht. Ich bin ein bewusster Christ, auch im Geschäftlichen. Ich denke, dass, wenn ich die Bibel lese, meine Interpretation über das Persönliche hinausgeht, es gibt diese Verantwortung, die einem gegeben wurde, etwas daraus zu machen, die man letztendlich zurückgeben muss.

STANDARD: Sie hätten ja auch eine Schule in Afrika spenden können, warum Kunst?

Essl: Ich bin der Meinung, dass Kunst das Leben bereichert, ohne Kunst würden den Menschen existenzielle, fundamentale Werte abgehen. Mein Leben ist durch die Kunst bereichert worden, das will ich weitergeben. Natürlich, die Schule im Kongo wäre wichtig. Aber ich glaube, es ist besser, etwas zu tun, wo man einen persönlichen Zugang dazu hat.


Ein stolzer Karl-Heinz Essl diskutiert mit Architekt Heinz Tesar sein künftiges Museum der internationalen Mittelgröße. Foto: Reuters

Der Standard, Mi., 1999.08.04



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