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06. Oktober 2010Rüdiger Krisch
db

Insellösung

Das ehemalige Hafengelände südlich der Innenstadt verliert seinen industriellen Charakter und wandelt sich zum Wohnquartier. Das Wasser hat Badequalität und wird von den Anwohnern entsprechend genutzt. Die knapp 120 Sozial- und auch Eigentumswohnungen am sogenannten Ziegelwerkshafen stehen teils auf einer Aufschüttung, teils auf Stützen im Wasser. Die Architekten konnten dadurch nicht nur die reflektierenden Eigenschaften der Wasseroberfläche nutzen, sondern auch attraktive Räume nah am Wasser und mit hohem Freizeitwert schaffen.

Das ehemalige Hafengelände südlich der Innenstadt verliert seinen industriellen Charakter und wandelt sich zum Wohnquartier. Das Wasser hat Badequalität und wird von den Anwohnern entsprechend genutzt. Die knapp 120 Sozial- und auch Eigentumswohnungen am sogenannten Ziegelwerkshafen stehen teils auf einer Aufschüttung, teils auf Stützen im Wasser. Die Architekten konnten dadurch nicht nur die reflektierenden Eigenschaften der Wasseroberfläche nutzen, sondern auch attraktive Räume nah am Wasser und mit hohem Freizeitwert schaffen.

Wohnen am Wasser – wer denkt bei diesem Begriff nicht gleich an grandiose Villen (vielleicht entworfen von Richard Meier) mit riesigen Glasfronten, davor ein penibel gepflegter Rasen, der sanft zum Strand hin abfällt … Man kann allerdings auch anders am Wasser wohnen: bescheiden, dicht – und angemessen in einer Zeit, die uns die Begrenztheit der Ressourcen ins Bewusstsein ruft.

In Google Maps sucht man sie (noch) vergeblich: Wo seit 2008 die hier vorgestellte Wohnanlage steht, ist auf dem Luftbild nichts als Wasser zu sehen. Am südlich gegenüberliegenden Ufer sind die Bauarbeiten an den künstlich angelegten Kanälen für das (inzwischen längst fertiggestellte) Quartier Sluseholmen erkennbar, am westlichen Rand des Hafenbeckens gibt es bereits mehrere große Bürogebäude. Der großen zentralen Halbinsel des Südhafens hingegen ist ihre alte, industriell geprägte Struktur in weiten Teilen noch anzumerken – einzelne kleine Wohnanlagen sind erste Zeichen des auch dort beginnenden Strukturwandels. An ihrem westlichen Rand fehlt es aber nicht nur an Wohngebäuden, sondern auch an Land dafür.

Bauland auf dem Wasser

Die Diskrepanz zwischen Luftbild und Lageplan beschreibt die zentrale Besonderheit des Projekts, die bereits im Frühjahr 2003 – und somit lange vor dem Beginn der baulichen Entwicklung des Südhafens – in der Auslobung zum Wettbewerb auftauchte: Zwei Drittel der zu überplanenden Fläche waren nicht Gelände, sondern Wasserfläche – kostenlos zur Verfügung gestellt von der Hafenbehörde, die sich hier ein Modellprojekt als Initialzündung für die Entwicklung dieses Teils des Hafens erhoffte. Grundgedanke der Schenkung war, dass durch die gesparten Grundstückskosten eine Auffüllung finanzierbar würde, auf der dann die gewünschten Wohngebäude samt zugeordneten Parkplätzen Platz finden könnten.

Das Büro Tegnestuen Vandkunsten hatte eine andere, bessere Idee, die ihm den Wettbewerbsgewinn sicherte. Es schlug vor, anstelle einer Auffüllung vor der Wasserkante ein Parkdeck auf einer künstlichen Insel in das Hafenbecken hineinzubauen und als Basis für vier zeilenförmige, viergeschossige Wohngebäude zu nutzen. Zwei weitere identische Zeilen stehen nördlich davon auf dem kleinen Stück Festland, das ebenfalls zum Wettbewerbsgelände gehörte. Ein durchlaufender Fußweg, der zwei Geschosse hoch durch die Gebäude geschnitten wurde, führt von dort aus auf die Park-Insel und erschließt die gesamte Wohnanlage in Längsrichtung. Die südlichen Zeilen sitzen jeweils mit einer Hälfte auf der Garage, die andere Hälfte ragt über das Hafenbecken hinaus und ist auf einzelnen Stützen und kurzen aussteifenden Wandscheiben direkt im Hafenbecken gegründet. Dort ergibt sich unter den Häusern (auf der Ebene der angrenzenden Parkgarage) ein Luftgeschoss, das man als Wasser-Loggia bezeichnen könnte. Es ist von den Stellplätzen aus fast ebenengleich erreichbar und über Treppen an die Laubengänge der Wohngeschosse angebunden.

Die Wasser-Loggia wirkt auf den ersten Blick sehr nüchtern und exponiert, und tatsächlich findet der Wind dort wenig Widerstand. Der zweite Blick offenbart dagegen eine erstaunliche Liebe zum Detail, die dem vorherrschenden Sichtbeton einen sehr menschlichen Maßstab verleiht. So sind die vier Loggien an jeweils beiden Schmalseiten durch hölzerne Stege miteinander verbunden, von denen aus gelegentlich breite Stufen den Höhenversatz zur Wasseroberfläche verkleinern. Jede Loggia verfügt über ein aus Ortbeton gegossenes Ausgussbecken mit Arbeitsfläche, das sich bestens zur Reinigung von Wassersportgeräten eignet.

Die Nutzbarkeit und Nutzung dieser Loggien konnte ich bei meinem Besuch an einem sonnigen, aber kühlen Sonntag im Frühjahr direkt beobachten, als eine vierköpfige Familie in Neopren-Anzügen ihre Kajaks aus der Tiefgarage holte, sie von den Stegen aus zu Wasser ließ und zu einem Ausflug in den Hafen aufbrach. Dass dies kein Einzelfall war, dokumentieren die Bilder, auf denen nach Angaben von Tegnestuen Vandkunsten keine Fotomodelle, sondern ausschließlich Bewohner der Anlage zu sehen sind. Auch berichten die Architekten von zahlreichen Festen am Wasser und von einzelnen Fischern, die ihrem Hobby vom Balkon aus nachgehen.

Dass zwischen Wettbewerb und Fertigstellung mehr als fünf Jahre ins Land gingen, lag vor allem an den Herausforderungen der technisch und logistisch schwierigen Baustelle. Zur Herstellung der rechteckigen Insel, auf der die östlichen Hälften der Wohnzeilen stehen, wurden zunächst Spundwände als Begrenzung der Ränder in den Hafenboden gerammt, anschließend der Zwischenraum leergepumpt und mit Kies aufgefüllt. Das UG, in dem das Parkdeck und die Kellerräume untergebracht sind, besteht aus wasserundurchlässigem Ortbeton und lagert auf Pfählen, die bis zu 10 m tief durch den aufgefüllten Kies hindurch im Boden verankert sind. Ähnliches gilt für die Einzelstützen und Wandscheiben, auf denen die westlichen Gebäudeteile stehen.

Grundvoraussetzung der Finanzierung des Projekts war die Annahme, dass die künstliche Park-Insel zu ähnlichen Kosten realisierbar ist wie die ursprünglich geplante großflächige Auffüllung. Ob diese Rechnung letztlich aufgegangen ist, lässt sich angesichts der langen Planungs- und Bauzeit nur schwer beurteilen. Unabhängig davon erwies sich die Wohnanlage aufgrund ihrer klaren Geometrie und des einfachen oberirdischen Tragwerks insgesamt als erfreulich kostengünstig. Dazu dürfte auch der aufgrund der schwierigen Zugänglichkeit der Baustelle erforderliche hohe Vorfertigungsgrad seinen Teil beigetragen haben: sogar die Sanitärzellen wurden komplett am Stück geliefert und mit dem Kran versetzt.

Soziale Mischung

Das Bauen (nahezu) ohne Grundstück war nicht die einzige Besonderheit dieses Wettbewerbsverfahrens. Ähnlich ungewöhnlich war die Vorgabe, dass die Wohnanlage jeweils zur Hälfte (d. h. je drei Zeilen) als Eigentumswohnungen und als sozialer Mietwohnungsbau errichtet und vermarktet werden sollte. Dies ist in Dänemark ähnlich ungewöhnlich wie hierzulande und machte – trotz allem sozialpolitischen Vorbildcharakter – die Vermarktung der frei finanzierten Wohnungen nicht einfacher.

Vor diesem Hintergrund ist es vermutlich kein Zufall, dass die Bauherrschaft der Eigentumswohnungen im Lauf der Planung dreimal wechselte. Letztlich fiel die Vermarktung der Wohnungen noch unglücklich zusammen mit dem Einbruch des Kopenhagener Immobilienmarkts. Daher wohnen heute auch in den frei finanzierten Einheiten nur wenige Eigentümer, die meisten sind ebenso vermietet wie die Sozialwohnungen. Da letztere am oberen Ende des geförderten Wohnungsangebots rangieren, hat sich vorerst eine relativ homogene soziale Mischung ergeben. Es bleibt allerdings abzuwarten, welche Auswirkungen die künftige Marktentwicklung haben wird.

Im Gegensatz zur Mischung der Eigentumsformen ist die Wohnungstypologie überraschend homogen: Es gibt ausschließlich 3-Zimmer-Wohnungen (davon 81 Stück) und 4-Zimmer-Wohnungen (37 Stück), letztere als Maisonette-Typen gleichmäßig über die ganze Anlage verteilt. Die Erschließung der Wohnungen vom Zugangsweg aus erfolgt über jeweils zwei innenliegende Treppenhäuser, von denen aus die östlichen Einheiten als Zweispänner direkt, die westlichen Einheiten über nordseitige Laubengänge zugänglich sind. Durch die geringen Gebäudetiefen können alle Innenräume großzügig natürlich belichtet werden. Die großen, raumhohen Fenster liegen meist bündig an den Querwänden, um die (im skandinavischen Winter spärliche) Helligkeit möglichst weit in die Räume hinein zu bringen und die Reflexionen des Wassers optimal einzufangen.

An der südlichen Stirnseite der Wohnanlage befinden sich mehrere Bootsanleger, eine nach Süden ausgerichtete Freitreppe mit Blick über das Hafenbecken zum Quartier Sluseholmen sowie ein kleines gemeinschaftliches Haus mit einem zweigeschossigen Veranstaltungsraum. Letzteres gehört formal zu den Sozialwohnungen, kann aber jederzeit von den Bewohnern der Eigentumswohnungen gemietet werden. Zudem entstehen derzeit im Rahmen des Strukturwandels des Hafen-Areals neben weiteren Wohnanlagen auch eine neue Schule, ein Kindergarten und mehrere Brücken, die den Wohnstandort aufwerten und in seine Umgebung einbinden.

Alltägliche Qualitäten

Insgesamt liegen die besonderen Eigenschaften dieses Projekts nicht nur in der (zweifellos guten und der Aufgabe angemessenen) Typologie oder in der gelungenen Gestaltung der Gebäude. Vielmehr ist die Art und Weise, wie der Entwurf vom städtebaulichen Ansatz bis ins Detail das Beste aus dem ungewöhnlichen Standort am Hafenrand herausholt, auf eine ganz selbstverständliche Art rundum überzeugend. Erst auf den zweiten Blick sieht man der Anlage ihre erstaunliche Wohn- und Freiraumqualität an, deren Angebote von den Menschen im Alltag intensiv genutzt werden. Leben am Wasser, ganz ohne den Hauch des Exklusiven – auch hier nicht für alle, aber zumindest für einige.

db, Mi., 2010.10.06



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db 2010|10 Auf dem Wasser

03. Januar 2008Rüdiger Krisch
db

Urlaub für alle Sinne

Die neu gestalteten Uferpromenaden an der kroatischen Mittelmeerküste sind mehr als nur schön anzusehen: In Zadar beeindruckt eine Meeresorgel die Wahrnehmung der Besucher, in Split sind es unter anderem haptische und olfaktorische Faktoren, die die sogenannte Riva prägen.

Die neu gestalteten Uferpromenaden an der kroatischen Mittelmeerküste sind mehr als nur schön anzusehen: In Zadar beeindruckt eine Meeresorgel die Wahrnehmung der Besucher, in Split sind es unter anderem haptische und olfaktorische Faktoren, die die sogenannte Riva prägen.

Es ist noch gar nicht lange her, dass mir der Werbespruch »Urlaub für alle Sinne« in einer Zeitschrift auffiel. Wirklich werbewirksam war er nicht, denn ich erinnere mich nicht, welches Land oder welche Region damit auf sich aufmerksam machen wollte. Der Slogan selbst aber blieb mir in Erinnerung, und im vergangenen Sommer kam er mir wieder in den Sinn. Wir waren zum Segeln an der kroatischen Küste und mussten wegen eines Schadens am Boot mehrere Tage in Split und Zadar verbringen und hatten dadurch Gelegenheit, diese Städte sehr ausführlich zu erleben – eben nicht nur anzuschauen. Die Promenaden, die sich zwischen den beiden Altstädten und der Adria erstrecken, wurden in den letzten Jahren mit hohem Anspruch neu gestaltet, und beide sind ein Fest für die Sinne – nicht nur für die Augen.

Die Aufgabe war groß, die Ambition ebenso: Nach den Zerstörungen während des kroatischen Unabhängigkeitskrieges zwischen 1991 und 1995, den damit verbundenen Umsatzausfällen und vor allem dem schweren Imageschaden arbeitet Kroatien seit dem Kriegsende 1995 an seiner Rehabilitation als Urlaubsland: eine Überlebensfrage für den kleinen Staat, denn der Tourismus erwirtschaftet über zwanzig Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der Erfolg der Bemühungen lässt sich seit einigen Jahren in stetig steigenden Besucherzahlen und Umsätzen messen.

Es ist erfreulich, dass ganz offensichtlich erkleckliche Teile dieser Umsätze in die Erneuerung der Infrastruktur und auch in die Aufwertung des öffentlichen Raums in den Städten entlang der Küste investiert werden. Mehr noch: Die Maßnahmen, die ich im vergangenen Sommer sah, erfüllen höchste gestalterische Ansprüche – eine davon, die Uferpromenade von Zadar mit der Meeresorgel, wurde bereits beim renommierten Mies van der Rohe Award in die engere Wahl genommen. Diese Ehrung dürfte nicht zuletzt darauf zurückzuführen sein, dass die Urheber dieses Projekts sich nicht damit begnügt haben, einen optisch ansprechenden und zum Verweilen anregenden Übergang zwischen Land und Meer zu schaffen. Vielmehr wurde der Begriff Ästhetik hier in seiner Wortbedeutung (Wahrnehmung) umfassender interpretiert: Die eigens erfundene »Meeresorgel« – nach stolzer Angabe der Planer das größte Musikinstrument der Welt – übersetzt die Brandung des Meeres in Klang.

Die Funktionsweise der Orgel ist ganz einfach: Die Wellen dringen durch Einlässe unterhalb der Wasseroberfläche in ein Röhrensystem und komprimieren dort Luftsäulen, die durch ihre Bewegung Orgelpfeifen zum Klingen bringen. Daraus entsteht ein unsteter, dumpfer und doch sehr angenehmer Akkord, der durch unauffällige kleine Löcher im Bodenbelag nach oben dringt. Ganz unterbewusst erfasst der Passant, dass die Musik mit der Bewegung des Meeres in direktem Zusammenhang steht. An der Grenze zwischen Stadt und Natur entsteht so gewissermaßen eine vierte Dimension des Raumes.
Vor lauter Begeisterung über den Klang der Meeresorgel kann man fast übersehen, dass die gleichzeitig als Meerestreppe neu gestaltete Hafenmole ihre Funktion als Schwelle zwischen Land und Wasser sehr ansprechend erfüllt und gleichzeitig auf unprätentiöse Weise einfach gut aussieht. Nicht nur Touristen, gerade auch die Einwohner von Zadar – insbesondere die Jugendlichen – bevölkern die breite Treppe in Scharen, lümmeln in der Sonne, stürzen sich mit akrobatischen Sprüngen ins Meer oder gehen einfach nur gemütlich zum Baden – all dies in Abwesenheit der üblichen Ausstattung wie Sonnenschirme, Bänke oder Liegestühle. Die alte Weisheit, dass schlichte, ansprechend gestaltete Orte dem mündigen Nutzer Raum zur Entfaltung seiner eigenen Persönlichkeit lassen, ist hier beispielhaft angewendet.

Rund 120 kilometer weiter südlich …

In Split war eine ganz andere Aufgabe zu lösen: Zwischen der seeseitigen Stadtmauer, die in großen Teilen identisch ist mit der Befestigung des Diokletianspalastes aus dem 4. Jahrhundert, und dem Hafenbecken erstreckte sich eine konventionelle Promenade mit Rasenflächen, Blumenrabatten, Parkbänken und zahllosen, verschiedenen Sonnenschirmen der einzelnen Straßencafés. Ziel der aktuellen Neugestaltung der »Riva« war ganz offensichtlich einerseits die Anpassung an den Zeitgeist des frühen 21. Jahrhunderts, andererseits auch die Vertreibung des kommerziellen Wildwuchses zugunsten einer zentral vorgegebenen, starken formalen Idee.
Zwar ist die Promenade über ihre Länge von 250 Metern in mehrere zurückhaltend differenzierte Bereiche gegliedert, doch die verbindenden Elemente schaffen ein einheitliches Erscheinungsbild, vor allem durch einen durchgehend breiten Weg zwischen dem Palmenhain und der langen Gebäudefront der ehemaligen Stadtmauer. Zum Wasser hin setzen expressiv gestaltete Leuchten einen konstanten Rhythmus – besonders nachts –, zur Stadt hin stehen in unregelmäßigen Abständen – als Antwort auf die Nutzung der Erdgeschosse – hohe Masten, aus denen sich durch einen raffinierten Klapp- und Rollmechanismus textile Beschattungselemente ausklappen und -rollen lassen. Diese neu interpretierten Sonnenschirme engen im eingepackten Zustand den öffentlichen Raum kaum ein, geben der gastronomisch nutzbaren Zone zwischen Fußweg und Gebäuden somit nur zu Zeiten ihrer tatsächlichen Nutzung die notwendige räumliche Definition.
Im Gegensatz zur Meerestreppe in Zadar, die überwiegend aus rauem, gebrochenem Naturstein besteht, kamen auf der Riva in Split als Bodenbelag glatte quadratische Fertigteile aus einem hell, fast weiß durchgefärbten Beton zur Anwendung. Sie verleihen der Promenade durch ein gleichmäßiges Verlegeraster und durch ihre schiere Größe (1,5 x 1,5 m) eine ruhige, selbstverständliche Großzügigkeit. Gleichzeitig bieten sie erstaunliche gestalterische Möglichkeiten, beispielsweise spielerisch gekippte oder nach oben gebogene Elemente, auf denen hölzerne Sitzbänke befestigt sind. Noch dazu ist es ein wunderbares Gefühl, auf diesen Platten barfuß zu gehen: Bei aller physischen Härte fühlt sich die dichte, glatte Oberfläche unter den Fußsohlen seidenweich an – und warm, zumindest im Sommer. Wenn allerdings das Meer aus dem Hafenbecken auf die Riva spritzt, wird es schnell rutschig, mit und ohne Schuhe. An verregneten Herbsttagen ist dieser Bodenbelag sicherlich nur mit Vorsicht zu genießen.

Schließlich spricht die gärtnerische Ausstattung der Promenade eine weitere Sinneswahrnehmung an: Anstelle konventioneller Rasenflächen und Blumenrabatten, die vor der Neugestaltung als eigenständige Elemente die Promenade prägten, folgt die heutige Bepflanzung dem Raster der Gesamtanlage und füllt verschiedene gezielt gesetzte Fehlstellen im Bodenbelag. Unter den alten Palmen, die in das neue Konzept integriert wurden, wachsen in üppigen Büscheln überwiegend ganz gewöhnliche Küchenkräuter wie Salbei, Rosmarin und Thymian. Deren Schönheit stach uns mitteleuropäische Balkon-Gärtner ganz unerwartet nicht nur ins Auge, sondern auch in die Nase, denn die Geruchskulisse der vielen kleinen Beete war betörend und ließ uns zu jeder Tageszeit das Wasser im Mund zusammenlaufen. Man wird es uns verzeihen, dass wir im Schatten der Abenddämmerung einige Büschel dieser Kräuter geerntet haben, die anschließend der geschmacklichen Abrundung unseres Abendessens sehr nützlich waren. »Urlaub für alle Sinne« – vielleicht war es doch die kroatische Küste, für die dieser Werbeslogan warb.

db, Do., 2008.01.03



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Riva Split



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db 2008|01 Slowenien und Kroatien

Presseschau 12

06. Oktober 2010Rüdiger Krisch
db

Insellösung

Das ehemalige Hafengelände südlich der Innenstadt verliert seinen industriellen Charakter und wandelt sich zum Wohnquartier. Das Wasser hat Badequalität und wird von den Anwohnern entsprechend genutzt. Die knapp 120 Sozial- und auch Eigentumswohnungen am sogenannten Ziegelwerkshafen stehen teils auf einer Aufschüttung, teils auf Stützen im Wasser. Die Architekten konnten dadurch nicht nur die reflektierenden Eigenschaften der Wasseroberfläche nutzen, sondern auch attraktive Räume nah am Wasser und mit hohem Freizeitwert schaffen.

Das ehemalige Hafengelände südlich der Innenstadt verliert seinen industriellen Charakter und wandelt sich zum Wohnquartier. Das Wasser hat Badequalität und wird von den Anwohnern entsprechend genutzt. Die knapp 120 Sozial- und auch Eigentumswohnungen am sogenannten Ziegelwerkshafen stehen teils auf einer Aufschüttung, teils auf Stützen im Wasser. Die Architekten konnten dadurch nicht nur die reflektierenden Eigenschaften der Wasseroberfläche nutzen, sondern auch attraktive Räume nah am Wasser und mit hohem Freizeitwert schaffen.

Wohnen am Wasser – wer denkt bei diesem Begriff nicht gleich an grandiose Villen (vielleicht entworfen von Richard Meier) mit riesigen Glasfronten, davor ein penibel gepflegter Rasen, der sanft zum Strand hin abfällt … Man kann allerdings auch anders am Wasser wohnen: bescheiden, dicht – und angemessen in einer Zeit, die uns die Begrenztheit der Ressourcen ins Bewusstsein ruft.

In Google Maps sucht man sie (noch) vergeblich: Wo seit 2008 die hier vorgestellte Wohnanlage steht, ist auf dem Luftbild nichts als Wasser zu sehen. Am südlich gegenüberliegenden Ufer sind die Bauarbeiten an den künstlich angelegten Kanälen für das (inzwischen längst fertiggestellte) Quartier Sluseholmen erkennbar, am westlichen Rand des Hafenbeckens gibt es bereits mehrere große Bürogebäude. Der großen zentralen Halbinsel des Südhafens hingegen ist ihre alte, industriell geprägte Struktur in weiten Teilen noch anzumerken – einzelne kleine Wohnanlagen sind erste Zeichen des auch dort beginnenden Strukturwandels. An ihrem westlichen Rand fehlt es aber nicht nur an Wohngebäuden, sondern auch an Land dafür.

Bauland auf dem Wasser

Die Diskrepanz zwischen Luftbild und Lageplan beschreibt die zentrale Besonderheit des Projekts, die bereits im Frühjahr 2003 – und somit lange vor dem Beginn der baulichen Entwicklung des Südhafens – in der Auslobung zum Wettbewerb auftauchte: Zwei Drittel der zu überplanenden Fläche waren nicht Gelände, sondern Wasserfläche – kostenlos zur Verfügung gestellt von der Hafenbehörde, die sich hier ein Modellprojekt als Initialzündung für die Entwicklung dieses Teils des Hafens erhoffte. Grundgedanke der Schenkung war, dass durch die gesparten Grundstückskosten eine Auffüllung finanzierbar würde, auf der dann die gewünschten Wohngebäude samt zugeordneten Parkplätzen Platz finden könnten.

Das Büro Tegnestuen Vandkunsten hatte eine andere, bessere Idee, die ihm den Wettbewerbsgewinn sicherte. Es schlug vor, anstelle einer Auffüllung vor der Wasserkante ein Parkdeck auf einer künstlichen Insel in das Hafenbecken hineinzubauen und als Basis für vier zeilenförmige, viergeschossige Wohngebäude zu nutzen. Zwei weitere identische Zeilen stehen nördlich davon auf dem kleinen Stück Festland, das ebenfalls zum Wettbewerbsgelände gehörte. Ein durchlaufender Fußweg, der zwei Geschosse hoch durch die Gebäude geschnitten wurde, führt von dort aus auf die Park-Insel und erschließt die gesamte Wohnanlage in Längsrichtung. Die südlichen Zeilen sitzen jeweils mit einer Hälfte auf der Garage, die andere Hälfte ragt über das Hafenbecken hinaus und ist auf einzelnen Stützen und kurzen aussteifenden Wandscheiben direkt im Hafenbecken gegründet. Dort ergibt sich unter den Häusern (auf der Ebene der angrenzenden Parkgarage) ein Luftgeschoss, das man als Wasser-Loggia bezeichnen könnte. Es ist von den Stellplätzen aus fast ebenengleich erreichbar und über Treppen an die Laubengänge der Wohngeschosse angebunden.

Die Wasser-Loggia wirkt auf den ersten Blick sehr nüchtern und exponiert, und tatsächlich findet der Wind dort wenig Widerstand. Der zweite Blick offenbart dagegen eine erstaunliche Liebe zum Detail, die dem vorherrschenden Sichtbeton einen sehr menschlichen Maßstab verleiht. So sind die vier Loggien an jeweils beiden Schmalseiten durch hölzerne Stege miteinander verbunden, von denen aus gelegentlich breite Stufen den Höhenversatz zur Wasseroberfläche verkleinern. Jede Loggia verfügt über ein aus Ortbeton gegossenes Ausgussbecken mit Arbeitsfläche, das sich bestens zur Reinigung von Wassersportgeräten eignet.

Die Nutzbarkeit und Nutzung dieser Loggien konnte ich bei meinem Besuch an einem sonnigen, aber kühlen Sonntag im Frühjahr direkt beobachten, als eine vierköpfige Familie in Neopren-Anzügen ihre Kajaks aus der Tiefgarage holte, sie von den Stegen aus zu Wasser ließ und zu einem Ausflug in den Hafen aufbrach. Dass dies kein Einzelfall war, dokumentieren die Bilder, auf denen nach Angaben von Tegnestuen Vandkunsten keine Fotomodelle, sondern ausschließlich Bewohner der Anlage zu sehen sind. Auch berichten die Architekten von zahlreichen Festen am Wasser und von einzelnen Fischern, die ihrem Hobby vom Balkon aus nachgehen.

Dass zwischen Wettbewerb und Fertigstellung mehr als fünf Jahre ins Land gingen, lag vor allem an den Herausforderungen der technisch und logistisch schwierigen Baustelle. Zur Herstellung der rechteckigen Insel, auf der die östlichen Hälften der Wohnzeilen stehen, wurden zunächst Spundwände als Begrenzung der Ränder in den Hafenboden gerammt, anschließend der Zwischenraum leergepumpt und mit Kies aufgefüllt. Das UG, in dem das Parkdeck und die Kellerräume untergebracht sind, besteht aus wasserundurchlässigem Ortbeton und lagert auf Pfählen, die bis zu 10 m tief durch den aufgefüllten Kies hindurch im Boden verankert sind. Ähnliches gilt für die Einzelstützen und Wandscheiben, auf denen die westlichen Gebäudeteile stehen.

Grundvoraussetzung der Finanzierung des Projekts war die Annahme, dass die künstliche Park-Insel zu ähnlichen Kosten realisierbar ist wie die ursprünglich geplante großflächige Auffüllung. Ob diese Rechnung letztlich aufgegangen ist, lässt sich angesichts der langen Planungs- und Bauzeit nur schwer beurteilen. Unabhängig davon erwies sich die Wohnanlage aufgrund ihrer klaren Geometrie und des einfachen oberirdischen Tragwerks insgesamt als erfreulich kostengünstig. Dazu dürfte auch der aufgrund der schwierigen Zugänglichkeit der Baustelle erforderliche hohe Vorfertigungsgrad seinen Teil beigetragen haben: sogar die Sanitärzellen wurden komplett am Stück geliefert und mit dem Kran versetzt.

Soziale Mischung

Das Bauen (nahezu) ohne Grundstück war nicht die einzige Besonderheit dieses Wettbewerbsverfahrens. Ähnlich ungewöhnlich war die Vorgabe, dass die Wohnanlage jeweils zur Hälfte (d. h. je drei Zeilen) als Eigentumswohnungen und als sozialer Mietwohnungsbau errichtet und vermarktet werden sollte. Dies ist in Dänemark ähnlich ungewöhnlich wie hierzulande und machte – trotz allem sozialpolitischen Vorbildcharakter – die Vermarktung der frei finanzierten Wohnungen nicht einfacher.

Vor diesem Hintergrund ist es vermutlich kein Zufall, dass die Bauherrschaft der Eigentumswohnungen im Lauf der Planung dreimal wechselte. Letztlich fiel die Vermarktung der Wohnungen noch unglücklich zusammen mit dem Einbruch des Kopenhagener Immobilienmarkts. Daher wohnen heute auch in den frei finanzierten Einheiten nur wenige Eigentümer, die meisten sind ebenso vermietet wie die Sozialwohnungen. Da letztere am oberen Ende des geförderten Wohnungsangebots rangieren, hat sich vorerst eine relativ homogene soziale Mischung ergeben. Es bleibt allerdings abzuwarten, welche Auswirkungen die künftige Marktentwicklung haben wird.

Im Gegensatz zur Mischung der Eigentumsformen ist die Wohnungstypologie überraschend homogen: Es gibt ausschließlich 3-Zimmer-Wohnungen (davon 81 Stück) und 4-Zimmer-Wohnungen (37 Stück), letztere als Maisonette-Typen gleichmäßig über die ganze Anlage verteilt. Die Erschließung der Wohnungen vom Zugangsweg aus erfolgt über jeweils zwei innenliegende Treppenhäuser, von denen aus die östlichen Einheiten als Zweispänner direkt, die westlichen Einheiten über nordseitige Laubengänge zugänglich sind. Durch die geringen Gebäudetiefen können alle Innenräume großzügig natürlich belichtet werden. Die großen, raumhohen Fenster liegen meist bündig an den Querwänden, um die (im skandinavischen Winter spärliche) Helligkeit möglichst weit in die Räume hinein zu bringen und die Reflexionen des Wassers optimal einzufangen.

An der südlichen Stirnseite der Wohnanlage befinden sich mehrere Bootsanleger, eine nach Süden ausgerichtete Freitreppe mit Blick über das Hafenbecken zum Quartier Sluseholmen sowie ein kleines gemeinschaftliches Haus mit einem zweigeschossigen Veranstaltungsraum. Letzteres gehört formal zu den Sozialwohnungen, kann aber jederzeit von den Bewohnern der Eigentumswohnungen gemietet werden. Zudem entstehen derzeit im Rahmen des Strukturwandels des Hafen-Areals neben weiteren Wohnanlagen auch eine neue Schule, ein Kindergarten und mehrere Brücken, die den Wohnstandort aufwerten und in seine Umgebung einbinden.

Alltägliche Qualitäten

Insgesamt liegen die besonderen Eigenschaften dieses Projekts nicht nur in der (zweifellos guten und der Aufgabe angemessenen) Typologie oder in der gelungenen Gestaltung der Gebäude. Vielmehr ist die Art und Weise, wie der Entwurf vom städtebaulichen Ansatz bis ins Detail das Beste aus dem ungewöhnlichen Standort am Hafenrand herausholt, auf eine ganz selbstverständliche Art rundum überzeugend. Erst auf den zweiten Blick sieht man der Anlage ihre erstaunliche Wohn- und Freiraumqualität an, deren Angebote von den Menschen im Alltag intensiv genutzt werden. Leben am Wasser, ganz ohne den Hauch des Exklusiven – auch hier nicht für alle, aber zumindest für einige.

db, Mi., 2010.10.06



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db 2010|10 Auf dem Wasser

03. Januar 2008Rüdiger Krisch
db

Urlaub für alle Sinne

Die neu gestalteten Uferpromenaden an der kroatischen Mittelmeerküste sind mehr als nur schön anzusehen: In Zadar beeindruckt eine Meeresorgel die Wahrnehmung der Besucher, in Split sind es unter anderem haptische und olfaktorische Faktoren, die die sogenannte Riva prägen.

Die neu gestalteten Uferpromenaden an der kroatischen Mittelmeerküste sind mehr als nur schön anzusehen: In Zadar beeindruckt eine Meeresorgel die Wahrnehmung der Besucher, in Split sind es unter anderem haptische und olfaktorische Faktoren, die die sogenannte Riva prägen.

Es ist noch gar nicht lange her, dass mir der Werbespruch »Urlaub für alle Sinne« in einer Zeitschrift auffiel. Wirklich werbewirksam war er nicht, denn ich erinnere mich nicht, welches Land oder welche Region damit auf sich aufmerksam machen wollte. Der Slogan selbst aber blieb mir in Erinnerung, und im vergangenen Sommer kam er mir wieder in den Sinn. Wir waren zum Segeln an der kroatischen Küste und mussten wegen eines Schadens am Boot mehrere Tage in Split und Zadar verbringen und hatten dadurch Gelegenheit, diese Städte sehr ausführlich zu erleben – eben nicht nur anzuschauen. Die Promenaden, die sich zwischen den beiden Altstädten und der Adria erstrecken, wurden in den letzten Jahren mit hohem Anspruch neu gestaltet, und beide sind ein Fest für die Sinne – nicht nur für die Augen.

Die Aufgabe war groß, die Ambition ebenso: Nach den Zerstörungen während des kroatischen Unabhängigkeitskrieges zwischen 1991 und 1995, den damit verbundenen Umsatzausfällen und vor allem dem schweren Imageschaden arbeitet Kroatien seit dem Kriegsende 1995 an seiner Rehabilitation als Urlaubsland: eine Überlebensfrage für den kleinen Staat, denn der Tourismus erwirtschaftet über zwanzig Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der Erfolg der Bemühungen lässt sich seit einigen Jahren in stetig steigenden Besucherzahlen und Umsätzen messen.

Es ist erfreulich, dass ganz offensichtlich erkleckliche Teile dieser Umsätze in die Erneuerung der Infrastruktur und auch in die Aufwertung des öffentlichen Raums in den Städten entlang der Küste investiert werden. Mehr noch: Die Maßnahmen, die ich im vergangenen Sommer sah, erfüllen höchste gestalterische Ansprüche – eine davon, die Uferpromenade von Zadar mit der Meeresorgel, wurde bereits beim renommierten Mies van der Rohe Award in die engere Wahl genommen. Diese Ehrung dürfte nicht zuletzt darauf zurückzuführen sein, dass die Urheber dieses Projekts sich nicht damit begnügt haben, einen optisch ansprechenden und zum Verweilen anregenden Übergang zwischen Land und Meer zu schaffen. Vielmehr wurde der Begriff Ästhetik hier in seiner Wortbedeutung (Wahrnehmung) umfassender interpretiert: Die eigens erfundene »Meeresorgel« – nach stolzer Angabe der Planer das größte Musikinstrument der Welt – übersetzt die Brandung des Meeres in Klang.

Die Funktionsweise der Orgel ist ganz einfach: Die Wellen dringen durch Einlässe unterhalb der Wasseroberfläche in ein Röhrensystem und komprimieren dort Luftsäulen, die durch ihre Bewegung Orgelpfeifen zum Klingen bringen. Daraus entsteht ein unsteter, dumpfer und doch sehr angenehmer Akkord, der durch unauffällige kleine Löcher im Bodenbelag nach oben dringt. Ganz unterbewusst erfasst der Passant, dass die Musik mit der Bewegung des Meeres in direktem Zusammenhang steht. An der Grenze zwischen Stadt und Natur entsteht so gewissermaßen eine vierte Dimension des Raumes.
Vor lauter Begeisterung über den Klang der Meeresorgel kann man fast übersehen, dass die gleichzeitig als Meerestreppe neu gestaltete Hafenmole ihre Funktion als Schwelle zwischen Land und Wasser sehr ansprechend erfüllt und gleichzeitig auf unprätentiöse Weise einfach gut aussieht. Nicht nur Touristen, gerade auch die Einwohner von Zadar – insbesondere die Jugendlichen – bevölkern die breite Treppe in Scharen, lümmeln in der Sonne, stürzen sich mit akrobatischen Sprüngen ins Meer oder gehen einfach nur gemütlich zum Baden – all dies in Abwesenheit der üblichen Ausstattung wie Sonnenschirme, Bänke oder Liegestühle. Die alte Weisheit, dass schlichte, ansprechend gestaltete Orte dem mündigen Nutzer Raum zur Entfaltung seiner eigenen Persönlichkeit lassen, ist hier beispielhaft angewendet.

Rund 120 kilometer weiter südlich …

In Split war eine ganz andere Aufgabe zu lösen: Zwischen der seeseitigen Stadtmauer, die in großen Teilen identisch ist mit der Befestigung des Diokletianspalastes aus dem 4. Jahrhundert, und dem Hafenbecken erstreckte sich eine konventionelle Promenade mit Rasenflächen, Blumenrabatten, Parkbänken und zahllosen, verschiedenen Sonnenschirmen der einzelnen Straßencafés. Ziel der aktuellen Neugestaltung der »Riva« war ganz offensichtlich einerseits die Anpassung an den Zeitgeist des frühen 21. Jahrhunderts, andererseits auch die Vertreibung des kommerziellen Wildwuchses zugunsten einer zentral vorgegebenen, starken formalen Idee.
Zwar ist die Promenade über ihre Länge von 250 Metern in mehrere zurückhaltend differenzierte Bereiche gegliedert, doch die verbindenden Elemente schaffen ein einheitliches Erscheinungsbild, vor allem durch einen durchgehend breiten Weg zwischen dem Palmenhain und der langen Gebäudefront der ehemaligen Stadtmauer. Zum Wasser hin setzen expressiv gestaltete Leuchten einen konstanten Rhythmus – besonders nachts –, zur Stadt hin stehen in unregelmäßigen Abständen – als Antwort auf die Nutzung der Erdgeschosse – hohe Masten, aus denen sich durch einen raffinierten Klapp- und Rollmechanismus textile Beschattungselemente ausklappen und -rollen lassen. Diese neu interpretierten Sonnenschirme engen im eingepackten Zustand den öffentlichen Raum kaum ein, geben der gastronomisch nutzbaren Zone zwischen Fußweg und Gebäuden somit nur zu Zeiten ihrer tatsächlichen Nutzung die notwendige räumliche Definition.
Im Gegensatz zur Meerestreppe in Zadar, die überwiegend aus rauem, gebrochenem Naturstein besteht, kamen auf der Riva in Split als Bodenbelag glatte quadratische Fertigteile aus einem hell, fast weiß durchgefärbten Beton zur Anwendung. Sie verleihen der Promenade durch ein gleichmäßiges Verlegeraster und durch ihre schiere Größe (1,5 x 1,5 m) eine ruhige, selbstverständliche Großzügigkeit. Gleichzeitig bieten sie erstaunliche gestalterische Möglichkeiten, beispielsweise spielerisch gekippte oder nach oben gebogene Elemente, auf denen hölzerne Sitzbänke befestigt sind. Noch dazu ist es ein wunderbares Gefühl, auf diesen Platten barfuß zu gehen: Bei aller physischen Härte fühlt sich die dichte, glatte Oberfläche unter den Fußsohlen seidenweich an – und warm, zumindest im Sommer. Wenn allerdings das Meer aus dem Hafenbecken auf die Riva spritzt, wird es schnell rutschig, mit und ohne Schuhe. An verregneten Herbsttagen ist dieser Bodenbelag sicherlich nur mit Vorsicht zu genießen.

Schließlich spricht die gärtnerische Ausstattung der Promenade eine weitere Sinneswahrnehmung an: Anstelle konventioneller Rasenflächen und Blumenrabatten, die vor der Neugestaltung als eigenständige Elemente die Promenade prägten, folgt die heutige Bepflanzung dem Raster der Gesamtanlage und füllt verschiedene gezielt gesetzte Fehlstellen im Bodenbelag. Unter den alten Palmen, die in das neue Konzept integriert wurden, wachsen in üppigen Büscheln überwiegend ganz gewöhnliche Küchenkräuter wie Salbei, Rosmarin und Thymian. Deren Schönheit stach uns mitteleuropäische Balkon-Gärtner ganz unerwartet nicht nur ins Auge, sondern auch in die Nase, denn die Geruchskulisse der vielen kleinen Beete war betörend und ließ uns zu jeder Tageszeit das Wasser im Mund zusammenlaufen. Man wird es uns verzeihen, dass wir im Schatten der Abenddämmerung einige Büschel dieser Kräuter geerntet haben, die anschließend der geschmacklichen Abrundung unseres Abendessens sehr nützlich waren. »Urlaub für alle Sinne« – vielleicht war es doch die kroatische Küste, für die dieser Werbeslogan warb.

db, Do., 2008.01.03



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