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29. März 2002Dorothee Frank
ORF.at

The Times, They Are Changing

Das Gespräch mit Dietmar Eberle führte Dorothee Frank.

Das Gespräch mit Dietmar Eberle führte Dorothee Frank.

Im Interview mit dem Ö1 Kulturjournal plädiert Dietmar Eberle einmal mehr für Nachhaltigkeit in der Planung. Das bezieht sich nicht nur auf verwendete Materialien, sondern auf das Konzept als solches. Gebäude, meint Eberle, sollten nicht mehr bloß für die 30 oder 40 Jahre ihrer Abschreibungsdauer geplant werden. Der Entwurf muss so daher flexibel sein, dass sich ein Gebäude mit wechselnden Anforderungen mit verändern kann.

kultur.ORF.at: Der Marke „Baumschlager & Eberle“ hat man früher vor allem Wohnbauten, Hotels und kleineren Industrieobjekten zugeordnet. Da war besonders die Detail-Qualität, also auch die Wohnqualität, ein starkes Plus. Jetzt scheinen Sie zu Großobjekten überzugehen.

Dietmar Eberle: Das aktuellste Beispiel ist vielleicht, dass wir im Moment in München ein Bürogebäude für die Münchner Rückversicherung fertiggestellt haben. Es wird im Mai offiziell eröffnet und ist ein Bürogebäude mit ca. 800 Arbeitsplätzen.

kultur.ORF.at: Wie macht mein ein Bürogebäude, in dem man sich nicht hierarchisch unterdrückt fühlt?

Dietmar Eberle: Zum Beispiel, indem es keinen Flur gibt, der 150 Meter lang ist, mit nichts als Türen links und rechts. Oder, indem innerhalb dieses Bürogebäudes Materialien vorkommen, die man aus der eigenen Wohnumgebung kennt. Die Eingangshalle dieses Gebäudes etwa besteht aus Holz.

kultur.ORF.at: Gebäude, wie ein Flughafen, sind für lange Nutzungsdauern angelegt. Außerdem ändern sich die Rahmenbedingungen, das Check-in zum Beispiel, ständig. Wie kann man ein Gebäude auf solche Anforderungen zuschneiden?

Dietmar Eberle: Wir vergleichen das immer mit einem 500 Jahre alten Kloster, in dem vielleicht früher ein Hospital war, heute aber eine Universität oder nur Büroräumlichkeiten. Auf solche Art versuchen wir so große Gebäude heute zu projektieren und zu verstehen.

kultur.ORF.at: Was bedeuten würde, dass ein Flughafen unter Umständen irgendwann einmal auch anders genutzt werden kann?

Dietmar Eberle: Es könnte sein, dass ein Flughafen zum Beispiel - was sich ja in der Entwicklung abzeichnet - ein Einkaufszentrum wird, oder langfristig vielleicht ein Innovationszentrum für junge Technologiefirmen oder eben nur ein Verwaltungszentrum.

kultur.ORF.at: Ein Grundproblem solcher Gebäudetypen ist, dass die Nutzer dazu neigen, die Architektur zu verhütteln. Wie kann man verhindern, dass die Klarheit des Entwurfs von kleinräumigen Nutzungen überwuchert wird?

Dietmar Eberle: Um das zu verhindern, haben wir das gesamte Gebäude in unterschiedliche Zonen eingeteilt. In eine sehr große hohe Halle, einen Mittelteil der mit normalen Geschossen für kleinteilige Nutzungen gut geeignet ist und eine zweite Halle, die sozusagen auf der Luftseite die Aussicht und die Großzügigkeit, den freien Blick auf das Flugfeld, gewährleistet.

ORF.at, Fr., 2002.03.29

28. September 2001Dorothee Frank
ORF.at

Haus mit Narrenkappe

„Die Kremser haben es bereits das Haus mit der Narrenkappe getauft“, erzählt Gustav Peichl.

„Die Kremser haben es bereits das Haus mit der Narrenkappe getauft“, erzählt Gustav Peichl.

Das neue Museum des Architekten Gustav Peichl sieht ein bisschen aus, als hätte es der Karikaturist Gustav Peichl alis Ironimus gezeichnet. Es ist ein einstöckiger, breiter heller Bau mit einem Dach aus verwackelten Zacken.

„Die Dachlandschaft des Hauses ist dem alten Zentrum in Stein nachempfunden. Das habe ich studiert und habe es nun zitiert. Aber mit ein bisschen Ironie: Das ist eine wackelige Landschaft und hat Dachhüte“, erzählt Peichl über das Karikaturmuseum, das am Samstag eröffnet wird. „Krems wird zum Nabel der grafischen Welt“. Nach Städten in Deutschland, Frankreich, Polen und der Schweiz haben London und Turin ein ähnliches Projekt ins Auge gefasst, erklärte der Karikatur-Fachmann und künstlerische Leiter Severin Heinisch. Zur Eröffnung wird viel Prominenz aus dem Bereich der spitzen Feder erwartet.


Deix und Internationales

Ein Hauptziel des Projekts war es, für das Werk von Manfred Deix eine permanente Ausstellungsfläche zu schaffen. Im Obergeschoß kann der Besucher die Welt des radikalsten aller österreichischen Karikaturisten entdecken, Manfred Deix.

Im Erdgeschoß gibt es zur Eröffnung einen satirischen Querschnitt durch das 20. Jahrhundert. Politik und Alltagsleben, gezeichnet von den größten Karikaturisten: Originale von Olaf Gulbransson, Sempé, Saul Steinberg, Ronald Searle, Bartak und vielen anderen sind zu sehen. Ein Teil der Leihgaben kommt aus der Collection Spiesshofer, der größten privaten Karikaturensammlung der Welt.


Ironimus-Kabinett

Gegenüber diesem Schauraum befindet sich das Ironimus-Kabinett. Hier werden anlässlich der Museums-Eröffnung Karikaturen aus den 50er und 60er Jahren ausgestellt: Österreich im zeitlichen Umfeld des Staatsvertrags. „Die Zeichnungen zeigen, in der Zeit gezeichnet, wie es wirklich war. Karikaturen sind ja die wirklichen Zeitzeugen, nicht jene, die man im TV und sonst überall so groß propagiert“, meint Ironimus-Peichl.


[Tipp:
Anläßlich der Eröffnung erscheint ein Katalog mit zahlreichen Abbildungen, NP-Verlag, ATS 342,60 / Euro 24,90, ISBN 385326199x.]

ORF.at, Fr., 2001.09.28



verknüpfte Bauwerke
Karikaturmuseum

27. November 2000Dorothee Frank
ORF.at

Avantgarde in Mexikos Farben

Sofort ist man in der Luis-Barragán-Schau von den intensiven visuellen Eindrücken gefesselt. Ungewöhnlich hohe und lange Stellwände, weiß oder purpurrot, gliedern die MAK-Ausstellungshalle in ein Gefüge von schrägen Räumen und Durchblicken. Diese Ausstellungsarchitektur entspricht ganz den Projekten von Luis Barragán.

Sofort ist man in der Luis-Barragán-Schau von den intensiven visuellen Eindrücken gefesselt. Ungewöhnlich hohe und lange Stellwände, weiß oder purpurrot, gliedern die MAK-Ausstellungshalle in ein Gefüge von schrägen Räumen und Durchblicken. Diese Ausstellungsarchitektur entspricht ganz den Projekten von Luis Barragán.

Alles an seinen Landhäusern, Landschaftsgärten, Türmen und Sakralbauten ist große, weiträumige, elegante Geste, und das bei einfachsten, ornamentlosen, reduzierten geometrischen Formen.


Farbige Moderne

Der 1902 in Guadalajara geborene Barragán ist aber kein Repräsentant der sogenannten weißen Moderne. Typische Farben Mexikos - Terrakotta, intensives Blau, Rot, Hellbraun oder Ocker - waren integraler Bestandteil seiner Entwürfe.
"Es sind die Farben, die man im mexikanischen Alltag dauernd sieht, an der Kleidung der Leute, am folkloristischen Spielzeug, an der traditionellen Architektur, sagt Kuratorin Emilia Terragni.


De Chiricos Einfluss

Das Titelfoto der Ausstellung zeigt eine Ansicht aus dem Urbanisierungsprojekt Los Clubes. Das locker gefügte Spiel farbiger, hoher, langer Mauern bildet einen umfriedeten Raum. „Barragán hat immer gesagt, es wäre bei dem heißen und sonnenreichen mexikanischen Klima ein Fehler, den Schutz der Mauern aufzugeben zugunsten der großen Glasfronten, wie sie in der europäischen Bau-Avantgarde üblich geworden sind.“, sagt Kuratorin Terragni. „Er war ein sehr moderner Architekt, aber er modifizierte das Vokabular der Moderne, indem er auf die mexikanische Tradition einging.“

Barragáns Entwürfe haben einen leicht entrückten, surrealen Charakter. Sie verbinden die Klarheit mexikanischer Klosterarchitektur mit der Atmosphäre der Architekturszenarien auf Bildern von de Chirico, der Luis Barragán wesentlich beeinflusst hat.

Licht und Schatten und der Blick auf den weiten, blauen Himmel sind wichtige Komponenten der Inszenierung. Architektur mit Dach (Häuser) oder ohne Dach (Landschaftsgestaltung), das machte für ihn keinen essentiellen Unterschied.


Architektur ohne Dach

Barragán hat mehrfach Gartenstadt-Gebiete und Erholungsareale geplant. Sein größtes derartiges Projekt, die Jardines del Pedregal entstanden auf Lavaland südlich von Mexiko City. Gemeinsam mit einem Kompagnon kaufte er sechs Millionen Quadratmeter sozusagen für ein paar Cent. Das Land war ökonomisch vorher nichts wert, konnte aber nach der Erschließung mit Gewinn weiterverkauft werden. „Barragán betrachtete diese Landschaft mit ihren bizarren Felsen und ihrer ungewöhnlichen Vegetation als typisch für Mexiko - hier konnte er eine genuin mexikanische Gartenlandschaft realisieren.“, sagt Emilia Terragni.


Übergreifender Gestaltungswille

Die Jardines del Pedregal sind durch Mauern, Gitter, Skulpturen, Teiche und Fontänen auf eine grandiose Art im Wechselspiel mit der Natur gestaltet. Das Land wurde dann parzelliert und als Baugrund für Villen verkauft - mit der Auflage, dass nur in einer modernen Formensprache gebaut werden durfte.

Barragán, als Architekt gleichzeitig auch Eigentümer und urbaner Entwickler des Geländes, konnte also die Spielregeln selbst festlegen und behielt die Kontrolle über das Gesamt-Erscheinungsbild. In Europa würde man da von einem seltenen glücklichen Zusammentreffen sprechen - in Mexiko ist das nichts ungewöhnliches: Viele Architekten sind hier ihrer eigenen Auftraggeber.

„Barragan sagte, er wäre kein Architekt, sondern Immobilien-Developer, was natürlich so nicht stimmt. Er war vieles in einem - auch Poet, Geschäftsmann, Katholik.....“, schwärmt die Kuratorin. Für das Kloster von Tlalpan hat Barragán eine Kapelle errichtet - auf eigene Kosten, als Geschenk an die dortigen Ordensschwestern.


Kinetische Skulpturen

Wie der Brunnen, die Fontäne, die Mauer, so ist auch der Turm ein Hauptelement in Barragáns symbolisch aufgeladenem Formenrepertoire.

An der Zufahrt zum neuen Stadtteil Ciudad Satélite in Mexiko City setzte er Ende der fünfziger Jahre mit den „Torres Satélite“ ein markantes urbanes Zeichen. „Diese Türme sind wie eine kinetische Skulptur. Sie haben keine Nutzfunktion. Sie bestehen aus Stahlbeton, haben dreieckige Grundrisse und sind innen leer. Wenn man mit dem Auto auf sie zufährt, sieht man sie als messerschafe Klingen. Von der Seite, im Vorbeifahren, nimmt man sie als flache Oberflächen wahr; und zuletzt, im Zurückschauen, sehen sie rechteckig aus.“, erläutert Emilia Terragni. Barragán selbst bekannte einmal, dass ihn die Türme von San Gimigniano in der Toskana zu diesem Entwurf inspiriert hätten.


Überzeugende Präsentation

Die Projekte des 1988 verstorbenen Luis Barragán sind in ungewöhnlich hoher ästhetischer Qualität dokumentiert - nämlich in den Vintage Prints des Fotokünstlers Armando Salas Portugal. Mit ihm hat er Zeit seine Lebens gearbeitet.

Emilia Terragni: „Salas Portugal wurde das fotografische Auge von Luis Barragán. Es war nicht so wie üblich - erst baut der Architekt, dann wird fotografiert. Nein: Portugal machte schon im Vorfeld der Planung Bilder von dem betreffenden Gelände. Manchmal zeichnete er Barragán den Plan einer Grundstückserschließung direkt auf das Foto. Aufgrund der Bilder, die dann während des Bauprozesses entstanden, modifizierte er die Projekte immer wieder. Es war ein ständiger Dialog zwischen Fotografie und Architektur.“


[ Die Ausstellung Luis Barragán - The Quiet Revolution (zusammengestellt von der Barragán Foundation im schweizerischen Birsfelden in Zusammenarbeit mit dem Vitra Design Museum) bleibt bis zum 28. Jänner geöffnet. ]

ORF.at, Mo., 2000.11.27

03. Oktober 2000Dorothee Frank
ORF.at

Pauschalschutz im Umbruch

In Österreich werden Denkmäler seit dem 1. Weltkrieg geschützt. Aus Geldmangel jedoch immer weniger.

In Österreich werden Denkmäler seit dem 1. Weltkrieg geschützt. Aus Geldmangel jedoch immer weniger.

Das österreichische Denkmalschutzgesetz, das in seinen Grundzügen bis heute gilt, stammt aus dem Jahr 1923. Damit war Österreich vergleichsweise spät dran. In Frankreich etwa wurden unter dem Eindruck der schrecklichen Zerstörungen der Französischen Revolution noch viel früher rechtliche Maßnahmen zum Schutz historischer Bausubstanz gesetzt, nämlich schon vor 1850.

In Deutschland gab es ab den 1870er Jahren Denkmalschutz, dort gehörte die Erhaltung von Monumenten wie dem Kölner Dom oder der Wartburg zur Konstruktion des nationaldeutschen Geschichtsmythos im durch Bismarck geeinten Reich.


Alles was Kultur ist

In Österreich wurde also das bereits um die Jahrhundertwende angedachte Denkmalschutzgesetz erst nach dem Ersten Weltkrieg Wirklichkeit. Was ist eigentlich das Kriterium dafür, dass ein Gebäude unter Schutz gestellt wird? Warum ist der eine Biedermeierbau denkmalgeschützt, der andere nicht?

Ernst Bacher, der Generalkonservator für Österreich, erklärt: „Was Denkmal ist, deklariert unser Denkmalschutzgesetz sehr gut, das braucht eine entsprechende geschichtliche, künstlerische und kulturelle Bedeutung. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass diese Gebäude heute noch künstlerisch so bedeutend sind, dass sie geschützt werden müssen.“


Klimt-Villa ist nicht schützenswert

Es gibt in Wien einen aktuellen Fall, der die Bedeutung dieses Gesetzestextes gut illustiert. Eine Bürgerinitiative pocht auf Denkmalschutz für die so genannte Klimt-Villa in Hietzing, weil der Maler dort in den letzten Lebensjahren sein Atelier hatte. Das Bundesdenkmalamt will die Villa trotzdem nicht unter Schutz stellen, weil das Haus architektonisch nicht die entsprechende Qualität aufweise und von seiner sinnlichen Erscheinung her die wesentlichen Merkmale des Klimt-Ateliers verloren habe, so die Argumentationslinie des Denkmalamtes.

Mit dem Denkmalschutzgesetz von 1923 wurden bei weitem nicht nur Gebäude unter Schutz gestellt, sondern zumindest bei Bauten der öffentlichen Hand auch deren gesamter Inhalt, auch bewegliche Kulturgüter. Das war in Kriegszeiten ein gutes Sicherheitsnetz, vor allem im Zusammenwirken mit dem Ausfuhrverbotsgesetz, wonach denkmalgeschützte Gegenstände, auch wenn sie im Privateigentum stehen, nicht ausgeführt werden dürfen.


Kunsthandel schützen

Derzeit ist aber dieser strenge Pauschalschutz im Umbruch. Mit einer Novelle, die Anfang dieses Jahres in Kraft trat, wurde das Ausfuhrverbotsgesetz gelockert, auch um die Konkurrenzfähigkeit des österreichischen Kunsthandels nicht zu gefährden.

Und, was ebenfalls große Tragweite hat: Das Denkmalamt unternimmt die große Arbeit, das denkmalgeschützte Gut der öffentlichen Hand Stück um Stück zu katalogisieren, die Deadline dafür ist der 1. Jänner 2010. Dann wird nicht mehr einfach das Schloss Schönbrunn samt nicht näher bezeichnetem Inhalt geschützt sein, sondern man wird genau wissen, was da im Einzelnen schutzwürdig ist und wieviel die Erhaltung dessen kostet.

Das Denkmalamt forciert dieses Vorhaben trotz des großen Aufwandes, denn mit den genauen Listen wird man ein wichtiges Argument gegenüber dem Finanzminister in der Hand haben. Der Geldbedarf für den Denkmalschutz und das zur Verfügung stehende Budget klaffen immer weiter auseinander.


Wenig Geld für Denkmalschutz

Bei denkmalgeschützen Objekten im Privatbesitz tragen die Eigentümer wie etwa die Kirche oder private Schlossbesitzer die Hauptlast des Erhaltungsaufwandes. Zuschüsse gibt es u.a. vom Bund: noch vor einigen Jahren waren das insgesamt 200 Millionen. Auch schon wenig, wenn man bedenkt, wie viele kleine Schlösser, Kirchen oder denkmalgeschütze Villen es in Österreich gibt. Im Vorjahr gab es dafür schon nur mehr 153 Millionen vom Bund, heuer sind es nur mehr 133 Millionen.


Werbeträger Denkmal

Inzwischen wird manch ein privat Betroffener in der Not erfinderisch. Der Pfarrer der dringend sanierungsbedürftigen Votivkirche, Joseph Farrugia, hat in den letzten Jahren Geld durch Werbung beschafft, diverse Firmen brachten große Transparente an der Kirchenfassade an.

Anfangs wurde Pfarrer Farrugia wegen der Werbung an der Kirchenfassade etwas angefeindet, inzwischen haben andere Pfarren die Idee übernommen. An der Votivkirche sieht man momentan aber keine Transparente, denn jetzt fehlt sogar schon das Geld, um ein Baugerüst aufzustellen.

Auch die zuständige Ministerin Elisabeth Gehrer will Aktionen starten, etwa eine Rubbellosaktion zugunsten des Denkmalschutzes, um die Budgetlöcher zu stopfen - diese Idee hat aber laut Auskunft im Ministerium das Stadium des Konkreten noch nicht erreicht.

ORF.at, Di., 2000.10.03

02. Juni 2000Dorothee Frank
ORF.at

Kein Ende in Sicht

Anhand von vier ausgewählten Immobilen gab es am 7. Juni im Architektur Zentrum Wien eine Diskussion über die Restitution jüdischen Eigentums und darüber, was bisher geschah.

Anhand von vier ausgewählten Immobilen gab es am 7. Juni im Architektur Zentrum Wien eine Diskussion über die Restitution jüdischen Eigentums und darüber, was bisher geschah.

Seit einiger Zeit lädt das Architektur Zentrum Wien immer mittwochs zur Diskussion brisanter Themen. In der Ausgabe 09 am 7. Juni mutierte österreichische Architekturhistorie zu einer Geschichte über Raub, Vertreibung und Nicht-Restitution. Denn viele baukünstlerisch wertvolle Immobilien in Wien, viele Ikonen der architektonischen Moderne wurden in der Nazizeit arisiert oder beschlagnahmt und nach dem Krieg nicht zurückgegeben.

Ein Beispiel: Der von den Nazis vertriebene Komponist Egon Wellesz besaß ein Haus in Josef Hoffmanns Kaasgrabensiedlung. Später stellte Wellesz einen Rückgabeantrag, hatte aber damit keinen Erfolg - warum, lässt sich heute gar nicht mehr sagen. Denn die Restitutionsakten aus der Nachkriegszeit sind im Jahr 1986 widerrechtlich vernichtet worden.

An diesem Beispiel zeigt sich wieder einmal, wie fragwürdig der Staat Österreich in den Nachkriegsjahren und bis weit in unsere Zeit hinauf mit dem Thema „Restitution“ umgegangen ist. Der Architekturpublizist Stefan Templ erwähnte bei der Diskussion am 7. Juni unter anderem folgendes Detail aus der Zeit nach dem Krieg: „Die jüdische Restitution, die Erblinie wurde stark beschnitten, indem die dritte und vierte Erblinie ausgeschlossen wurde“. Ganz bewusst übrigens, denn wenn die Kernfamilie ermordet wurde, hatten so andere Familienmitglieder keinen Anspruch mehr auf Rückstellung des Geraubten.


Mehr als spektakuläre Einzelfälle

Noch weitere haarsträubende Details und spektakuläre Einzelfälle wurden vor allem von den Publizisten auf dem Podium, Stefan Templ und Hubertus Czernin, aufs Tapet gebracht. Die Vertreter der Historikerkommission wie Clemens Jabloner warnten hingegen davor, die Restitutionsfrage nur über luxuriöse Villen und prominente Naziopfer abzuhandeln, denn die meisten Opfer des Nationalsozialismus waren auch in wirtschaftlicher Hinsicht kleine Leute. „Ihr Schicksal bestand darin, dass sie das Wenige, das sie hatten, verloren“, so Jabloner.


Arisierung durch Exekution

Überhaupt wurde in der Diskussion klar, dass die Materie „Restitution“ viel komplexer ist, als es in den Medien oft dargestellt wird. Allein der Begriff „Arisierung“ kann vieles bedeuten. Der Kauf eines Hauses vom jüdischen Besitzer um ein Spottgeld war eine mögliche Variante. Es gab auch Arisierungen durch Exekution, und zwar durch eine einfache verwaltungsrechtliche Möglichkeit. „Die jüdischen Vorbesitzer waren nicht mehr da, weil sie deportiert worden waren. So konnten sie auch keine Grundsteuer oder Gemeindesteuer mehr bezahlen, weshalb eine Exekution eingeleitet werden konnte. Das betreffende Vermögen oder Haus wurde zur Versteigerung ausgeschrieben und meist von der Gemeinde erworben“, wie Gerhard Baumgartner von der Historikerkommission erklärt.


Was geschieht mit den Kunstgütern?

Auch die Restitution von Kunstgütern kam zur Sprache. Nach dem ersten Elan in den Vorjahren ist es in letzter Zeit um dieses Thema auffallend still geworden, wunderte sich Hubertus Czernin.

Etliche in der Nazizeit enteignete Häuser und Grundstücke befinden sich heute im Staatsbesitz - die Historikerkommission ermittelt. Ob die Ergebnisse auch wirklich politisch in eine Welle von Rückgaben umgesetzt werden? „Ich bin der Meinung, dass die öffentliche Hand solche Sachen herausgeben muss“, ist sich zumindest Clemens Jabloner sicher.

ORF.at, Fr., 2000.06.02

Presseschau 12

29. März 2002Dorothee Frank
ORF.at

The Times, They Are Changing

Das Gespräch mit Dietmar Eberle führte Dorothee Frank.

Das Gespräch mit Dietmar Eberle führte Dorothee Frank.

Im Interview mit dem Ö1 Kulturjournal plädiert Dietmar Eberle einmal mehr für Nachhaltigkeit in der Planung. Das bezieht sich nicht nur auf verwendete Materialien, sondern auf das Konzept als solches. Gebäude, meint Eberle, sollten nicht mehr bloß für die 30 oder 40 Jahre ihrer Abschreibungsdauer geplant werden. Der Entwurf muss so daher flexibel sein, dass sich ein Gebäude mit wechselnden Anforderungen mit verändern kann.

kultur.ORF.at: Der Marke „Baumschlager & Eberle“ hat man früher vor allem Wohnbauten, Hotels und kleineren Industrieobjekten zugeordnet. Da war besonders die Detail-Qualität, also auch die Wohnqualität, ein starkes Plus. Jetzt scheinen Sie zu Großobjekten überzugehen.

Dietmar Eberle: Das aktuellste Beispiel ist vielleicht, dass wir im Moment in München ein Bürogebäude für die Münchner Rückversicherung fertiggestellt haben. Es wird im Mai offiziell eröffnet und ist ein Bürogebäude mit ca. 800 Arbeitsplätzen.

kultur.ORF.at: Wie macht mein ein Bürogebäude, in dem man sich nicht hierarchisch unterdrückt fühlt?

Dietmar Eberle: Zum Beispiel, indem es keinen Flur gibt, der 150 Meter lang ist, mit nichts als Türen links und rechts. Oder, indem innerhalb dieses Bürogebäudes Materialien vorkommen, die man aus der eigenen Wohnumgebung kennt. Die Eingangshalle dieses Gebäudes etwa besteht aus Holz.

kultur.ORF.at: Gebäude, wie ein Flughafen, sind für lange Nutzungsdauern angelegt. Außerdem ändern sich die Rahmenbedingungen, das Check-in zum Beispiel, ständig. Wie kann man ein Gebäude auf solche Anforderungen zuschneiden?

Dietmar Eberle: Wir vergleichen das immer mit einem 500 Jahre alten Kloster, in dem vielleicht früher ein Hospital war, heute aber eine Universität oder nur Büroräumlichkeiten. Auf solche Art versuchen wir so große Gebäude heute zu projektieren und zu verstehen.

kultur.ORF.at: Was bedeuten würde, dass ein Flughafen unter Umständen irgendwann einmal auch anders genutzt werden kann?

Dietmar Eberle: Es könnte sein, dass ein Flughafen zum Beispiel - was sich ja in der Entwicklung abzeichnet - ein Einkaufszentrum wird, oder langfristig vielleicht ein Innovationszentrum für junge Technologiefirmen oder eben nur ein Verwaltungszentrum.

kultur.ORF.at: Ein Grundproblem solcher Gebäudetypen ist, dass die Nutzer dazu neigen, die Architektur zu verhütteln. Wie kann man verhindern, dass die Klarheit des Entwurfs von kleinräumigen Nutzungen überwuchert wird?

Dietmar Eberle: Um das zu verhindern, haben wir das gesamte Gebäude in unterschiedliche Zonen eingeteilt. In eine sehr große hohe Halle, einen Mittelteil der mit normalen Geschossen für kleinteilige Nutzungen gut geeignet ist und eine zweite Halle, die sozusagen auf der Luftseite die Aussicht und die Großzügigkeit, den freien Blick auf das Flugfeld, gewährleistet.

ORF.at, Fr., 2002.03.29

28. September 2001Dorothee Frank
ORF.at

Haus mit Narrenkappe

„Die Kremser haben es bereits das Haus mit der Narrenkappe getauft“, erzählt Gustav Peichl.

„Die Kremser haben es bereits das Haus mit der Narrenkappe getauft“, erzählt Gustav Peichl.

Das neue Museum des Architekten Gustav Peichl sieht ein bisschen aus, als hätte es der Karikaturist Gustav Peichl alis Ironimus gezeichnet. Es ist ein einstöckiger, breiter heller Bau mit einem Dach aus verwackelten Zacken.

„Die Dachlandschaft des Hauses ist dem alten Zentrum in Stein nachempfunden. Das habe ich studiert und habe es nun zitiert. Aber mit ein bisschen Ironie: Das ist eine wackelige Landschaft und hat Dachhüte“, erzählt Peichl über das Karikaturmuseum, das am Samstag eröffnet wird. „Krems wird zum Nabel der grafischen Welt“. Nach Städten in Deutschland, Frankreich, Polen und der Schweiz haben London und Turin ein ähnliches Projekt ins Auge gefasst, erklärte der Karikatur-Fachmann und künstlerische Leiter Severin Heinisch. Zur Eröffnung wird viel Prominenz aus dem Bereich der spitzen Feder erwartet.


Deix und Internationales

Ein Hauptziel des Projekts war es, für das Werk von Manfred Deix eine permanente Ausstellungsfläche zu schaffen. Im Obergeschoß kann der Besucher die Welt des radikalsten aller österreichischen Karikaturisten entdecken, Manfred Deix.

Im Erdgeschoß gibt es zur Eröffnung einen satirischen Querschnitt durch das 20. Jahrhundert. Politik und Alltagsleben, gezeichnet von den größten Karikaturisten: Originale von Olaf Gulbransson, Sempé, Saul Steinberg, Ronald Searle, Bartak und vielen anderen sind zu sehen. Ein Teil der Leihgaben kommt aus der Collection Spiesshofer, der größten privaten Karikaturensammlung der Welt.


Ironimus-Kabinett

Gegenüber diesem Schauraum befindet sich das Ironimus-Kabinett. Hier werden anlässlich der Museums-Eröffnung Karikaturen aus den 50er und 60er Jahren ausgestellt: Österreich im zeitlichen Umfeld des Staatsvertrags. „Die Zeichnungen zeigen, in der Zeit gezeichnet, wie es wirklich war. Karikaturen sind ja die wirklichen Zeitzeugen, nicht jene, die man im TV und sonst überall so groß propagiert“, meint Ironimus-Peichl.


[Tipp:
Anläßlich der Eröffnung erscheint ein Katalog mit zahlreichen Abbildungen, NP-Verlag, ATS 342,60 / Euro 24,90, ISBN 385326199x.]

ORF.at, Fr., 2001.09.28



verknüpfte Bauwerke
Karikaturmuseum

27. November 2000Dorothee Frank
ORF.at

Avantgarde in Mexikos Farben

Sofort ist man in der Luis-Barragán-Schau von den intensiven visuellen Eindrücken gefesselt. Ungewöhnlich hohe und lange Stellwände, weiß oder purpurrot, gliedern die MAK-Ausstellungshalle in ein Gefüge von schrägen Räumen und Durchblicken. Diese Ausstellungsarchitektur entspricht ganz den Projekten von Luis Barragán.

Sofort ist man in der Luis-Barragán-Schau von den intensiven visuellen Eindrücken gefesselt. Ungewöhnlich hohe und lange Stellwände, weiß oder purpurrot, gliedern die MAK-Ausstellungshalle in ein Gefüge von schrägen Räumen und Durchblicken. Diese Ausstellungsarchitektur entspricht ganz den Projekten von Luis Barragán.

Alles an seinen Landhäusern, Landschaftsgärten, Türmen und Sakralbauten ist große, weiträumige, elegante Geste, und das bei einfachsten, ornamentlosen, reduzierten geometrischen Formen.


Farbige Moderne

Der 1902 in Guadalajara geborene Barragán ist aber kein Repräsentant der sogenannten weißen Moderne. Typische Farben Mexikos - Terrakotta, intensives Blau, Rot, Hellbraun oder Ocker - waren integraler Bestandteil seiner Entwürfe.
"Es sind die Farben, die man im mexikanischen Alltag dauernd sieht, an der Kleidung der Leute, am folkloristischen Spielzeug, an der traditionellen Architektur, sagt Kuratorin Emilia Terragni.


De Chiricos Einfluss

Das Titelfoto der Ausstellung zeigt eine Ansicht aus dem Urbanisierungsprojekt Los Clubes. Das locker gefügte Spiel farbiger, hoher, langer Mauern bildet einen umfriedeten Raum. „Barragán hat immer gesagt, es wäre bei dem heißen und sonnenreichen mexikanischen Klima ein Fehler, den Schutz der Mauern aufzugeben zugunsten der großen Glasfronten, wie sie in der europäischen Bau-Avantgarde üblich geworden sind.“, sagt Kuratorin Terragni. „Er war ein sehr moderner Architekt, aber er modifizierte das Vokabular der Moderne, indem er auf die mexikanische Tradition einging.“

Barragáns Entwürfe haben einen leicht entrückten, surrealen Charakter. Sie verbinden die Klarheit mexikanischer Klosterarchitektur mit der Atmosphäre der Architekturszenarien auf Bildern von de Chirico, der Luis Barragán wesentlich beeinflusst hat.

Licht und Schatten und der Blick auf den weiten, blauen Himmel sind wichtige Komponenten der Inszenierung. Architektur mit Dach (Häuser) oder ohne Dach (Landschaftsgestaltung), das machte für ihn keinen essentiellen Unterschied.


Architektur ohne Dach

Barragán hat mehrfach Gartenstadt-Gebiete und Erholungsareale geplant. Sein größtes derartiges Projekt, die Jardines del Pedregal entstanden auf Lavaland südlich von Mexiko City. Gemeinsam mit einem Kompagnon kaufte er sechs Millionen Quadratmeter sozusagen für ein paar Cent. Das Land war ökonomisch vorher nichts wert, konnte aber nach der Erschließung mit Gewinn weiterverkauft werden. „Barragán betrachtete diese Landschaft mit ihren bizarren Felsen und ihrer ungewöhnlichen Vegetation als typisch für Mexiko - hier konnte er eine genuin mexikanische Gartenlandschaft realisieren.“, sagt Emilia Terragni.


Übergreifender Gestaltungswille

Die Jardines del Pedregal sind durch Mauern, Gitter, Skulpturen, Teiche und Fontänen auf eine grandiose Art im Wechselspiel mit der Natur gestaltet. Das Land wurde dann parzelliert und als Baugrund für Villen verkauft - mit der Auflage, dass nur in einer modernen Formensprache gebaut werden durfte.

Barragán, als Architekt gleichzeitig auch Eigentümer und urbaner Entwickler des Geländes, konnte also die Spielregeln selbst festlegen und behielt die Kontrolle über das Gesamt-Erscheinungsbild. In Europa würde man da von einem seltenen glücklichen Zusammentreffen sprechen - in Mexiko ist das nichts ungewöhnliches: Viele Architekten sind hier ihrer eigenen Auftraggeber.

„Barragan sagte, er wäre kein Architekt, sondern Immobilien-Developer, was natürlich so nicht stimmt. Er war vieles in einem - auch Poet, Geschäftsmann, Katholik.....“, schwärmt die Kuratorin. Für das Kloster von Tlalpan hat Barragán eine Kapelle errichtet - auf eigene Kosten, als Geschenk an die dortigen Ordensschwestern.


Kinetische Skulpturen

Wie der Brunnen, die Fontäne, die Mauer, so ist auch der Turm ein Hauptelement in Barragáns symbolisch aufgeladenem Formenrepertoire.

An der Zufahrt zum neuen Stadtteil Ciudad Satélite in Mexiko City setzte er Ende der fünfziger Jahre mit den „Torres Satélite“ ein markantes urbanes Zeichen. „Diese Türme sind wie eine kinetische Skulptur. Sie haben keine Nutzfunktion. Sie bestehen aus Stahlbeton, haben dreieckige Grundrisse und sind innen leer. Wenn man mit dem Auto auf sie zufährt, sieht man sie als messerschafe Klingen. Von der Seite, im Vorbeifahren, nimmt man sie als flache Oberflächen wahr; und zuletzt, im Zurückschauen, sehen sie rechteckig aus.“, erläutert Emilia Terragni. Barragán selbst bekannte einmal, dass ihn die Türme von San Gimigniano in der Toskana zu diesem Entwurf inspiriert hätten.


Überzeugende Präsentation

Die Projekte des 1988 verstorbenen Luis Barragán sind in ungewöhnlich hoher ästhetischer Qualität dokumentiert - nämlich in den Vintage Prints des Fotokünstlers Armando Salas Portugal. Mit ihm hat er Zeit seine Lebens gearbeitet.

Emilia Terragni: „Salas Portugal wurde das fotografische Auge von Luis Barragán. Es war nicht so wie üblich - erst baut der Architekt, dann wird fotografiert. Nein: Portugal machte schon im Vorfeld der Planung Bilder von dem betreffenden Gelände. Manchmal zeichnete er Barragán den Plan einer Grundstückserschließung direkt auf das Foto. Aufgrund der Bilder, die dann während des Bauprozesses entstanden, modifizierte er die Projekte immer wieder. Es war ein ständiger Dialog zwischen Fotografie und Architektur.“


[ Die Ausstellung Luis Barragán - The Quiet Revolution (zusammengestellt von der Barragán Foundation im schweizerischen Birsfelden in Zusammenarbeit mit dem Vitra Design Museum) bleibt bis zum 28. Jänner geöffnet. ]

ORF.at, Mo., 2000.11.27

03. Oktober 2000Dorothee Frank
ORF.at

Pauschalschutz im Umbruch

In Österreich werden Denkmäler seit dem 1. Weltkrieg geschützt. Aus Geldmangel jedoch immer weniger.

In Österreich werden Denkmäler seit dem 1. Weltkrieg geschützt. Aus Geldmangel jedoch immer weniger.

Das österreichische Denkmalschutzgesetz, das in seinen Grundzügen bis heute gilt, stammt aus dem Jahr 1923. Damit war Österreich vergleichsweise spät dran. In Frankreich etwa wurden unter dem Eindruck der schrecklichen Zerstörungen der Französischen Revolution noch viel früher rechtliche Maßnahmen zum Schutz historischer Bausubstanz gesetzt, nämlich schon vor 1850.

In Deutschland gab es ab den 1870er Jahren Denkmalschutz, dort gehörte die Erhaltung von Monumenten wie dem Kölner Dom oder der Wartburg zur Konstruktion des nationaldeutschen Geschichtsmythos im durch Bismarck geeinten Reich.


Alles was Kultur ist

In Österreich wurde also das bereits um die Jahrhundertwende angedachte Denkmalschutzgesetz erst nach dem Ersten Weltkrieg Wirklichkeit. Was ist eigentlich das Kriterium dafür, dass ein Gebäude unter Schutz gestellt wird? Warum ist der eine Biedermeierbau denkmalgeschützt, der andere nicht?

Ernst Bacher, der Generalkonservator für Österreich, erklärt: „Was Denkmal ist, deklariert unser Denkmalschutzgesetz sehr gut, das braucht eine entsprechende geschichtliche, künstlerische und kulturelle Bedeutung. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass diese Gebäude heute noch künstlerisch so bedeutend sind, dass sie geschützt werden müssen.“


Klimt-Villa ist nicht schützenswert

Es gibt in Wien einen aktuellen Fall, der die Bedeutung dieses Gesetzestextes gut illustiert. Eine Bürgerinitiative pocht auf Denkmalschutz für die so genannte Klimt-Villa in Hietzing, weil der Maler dort in den letzten Lebensjahren sein Atelier hatte. Das Bundesdenkmalamt will die Villa trotzdem nicht unter Schutz stellen, weil das Haus architektonisch nicht die entsprechende Qualität aufweise und von seiner sinnlichen Erscheinung her die wesentlichen Merkmale des Klimt-Ateliers verloren habe, so die Argumentationslinie des Denkmalamtes.

Mit dem Denkmalschutzgesetz von 1923 wurden bei weitem nicht nur Gebäude unter Schutz gestellt, sondern zumindest bei Bauten der öffentlichen Hand auch deren gesamter Inhalt, auch bewegliche Kulturgüter. Das war in Kriegszeiten ein gutes Sicherheitsnetz, vor allem im Zusammenwirken mit dem Ausfuhrverbotsgesetz, wonach denkmalgeschützte Gegenstände, auch wenn sie im Privateigentum stehen, nicht ausgeführt werden dürfen.


Kunsthandel schützen

Derzeit ist aber dieser strenge Pauschalschutz im Umbruch. Mit einer Novelle, die Anfang dieses Jahres in Kraft trat, wurde das Ausfuhrverbotsgesetz gelockert, auch um die Konkurrenzfähigkeit des österreichischen Kunsthandels nicht zu gefährden.

Und, was ebenfalls große Tragweite hat: Das Denkmalamt unternimmt die große Arbeit, das denkmalgeschützte Gut der öffentlichen Hand Stück um Stück zu katalogisieren, die Deadline dafür ist der 1. Jänner 2010. Dann wird nicht mehr einfach das Schloss Schönbrunn samt nicht näher bezeichnetem Inhalt geschützt sein, sondern man wird genau wissen, was da im Einzelnen schutzwürdig ist und wieviel die Erhaltung dessen kostet.

Das Denkmalamt forciert dieses Vorhaben trotz des großen Aufwandes, denn mit den genauen Listen wird man ein wichtiges Argument gegenüber dem Finanzminister in der Hand haben. Der Geldbedarf für den Denkmalschutz und das zur Verfügung stehende Budget klaffen immer weiter auseinander.


Wenig Geld für Denkmalschutz

Bei denkmalgeschützen Objekten im Privatbesitz tragen die Eigentümer wie etwa die Kirche oder private Schlossbesitzer die Hauptlast des Erhaltungsaufwandes. Zuschüsse gibt es u.a. vom Bund: noch vor einigen Jahren waren das insgesamt 200 Millionen. Auch schon wenig, wenn man bedenkt, wie viele kleine Schlösser, Kirchen oder denkmalgeschütze Villen es in Österreich gibt. Im Vorjahr gab es dafür schon nur mehr 153 Millionen vom Bund, heuer sind es nur mehr 133 Millionen.


Werbeträger Denkmal

Inzwischen wird manch ein privat Betroffener in der Not erfinderisch. Der Pfarrer der dringend sanierungsbedürftigen Votivkirche, Joseph Farrugia, hat in den letzten Jahren Geld durch Werbung beschafft, diverse Firmen brachten große Transparente an der Kirchenfassade an.

Anfangs wurde Pfarrer Farrugia wegen der Werbung an der Kirchenfassade etwas angefeindet, inzwischen haben andere Pfarren die Idee übernommen. An der Votivkirche sieht man momentan aber keine Transparente, denn jetzt fehlt sogar schon das Geld, um ein Baugerüst aufzustellen.

Auch die zuständige Ministerin Elisabeth Gehrer will Aktionen starten, etwa eine Rubbellosaktion zugunsten des Denkmalschutzes, um die Budgetlöcher zu stopfen - diese Idee hat aber laut Auskunft im Ministerium das Stadium des Konkreten noch nicht erreicht.

ORF.at, Di., 2000.10.03

02. Juni 2000Dorothee Frank
ORF.at

Kein Ende in Sicht

Anhand von vier ausgewählten Immobilen gab es am 7. Juni im Architektur Zentrum Wien eine Diskussion über die Restitution jüdischen Eigentums und darüber, was bisher geschah.

Anhand von vier ausgewählten Immobilen gab es am 7. Juni im Architektur Zentrum Wien eine Diskussion über die Restitution jüdischen Eigentums und darüber, was bisher geschah.

Seit einiger Zeit lädt das Architektur Zentrum Wien immer mittwochs zur Diskussion brisanter Themen. In der Ausgabe 09 am 7. Juni mutierte österreichische Architekturhistorie zu einer Geschichte über Raub, Vertreibung und Nicht-Restitution. Denn viele baukünstlerisch wertvolle Immobilien in Wien, viele Ikonen der architektonischen Moderne wurden in der Nazizeit arisiert oder beschlagnahmt und nach dem Krieg nicht zurückgegeben.

Ein Beispiel: Der von den Nazis vertriebene Komponist Egon Wellesz besaß ein Haus in Josef Hoffmanns Kaasgrabensiedlung. Später stellte Wellesz einen Rückgabeantrag, hatte aber damit keinen Erfolg - warum, lässt sich heute gar nicht mehr sagen. Denn die Restitutionsakten aus der Nachkriegszeit sind im Jahr 1986 widerrechtlich vernichtet worden.

An diesem Beispiel zeigt sich wieder einmal, wie fragwürdig der Staat Österreich in den Nachkriegsjahren und bis weit in unsere Zeit hinauf mit dem Thema „Restitution“ umgegangen ist. Der Architekturpublizist Stefan Templ erwähnte bei der Diskussion am 7. Juni unter anderem folgendes Detail aus der Zeit nach dem Krieg: „Die jüdische Restitution, die Erblinie wurde stark beschnitten, indem die dritte und vierte Erblinie ausgeschlossen wurde“. Ganz bewusst übrigens, denn wenn die Kernfamilie ermordet wurde, hatten so andere Familienmitglieder keinen Anspruch mehr auf Rückstellung des Geraubten.


Mehr als spektakuläre Einzelfälle

Noch weitere haarsträubende Details und spektakuläre Einzelfälle wurden vor allem von den Publizisten auf dem Podium, Stefan Templ und Hubertus Czernin, aufs Tapet gebracht. Die Vertreter der Historikerkommission wie Clemens Jabloner warnten hingegen davor, die Restitutionsfrage nur über luxuriöse Villen und prominente Naziopfer abzuhandeln, denn die meisten Opfer des Nationalsozialismus waren auch in wirtschaftlicher Hinsicht kleine Leute. „Ihr Schicksal bestand darin, dass sie das Wenige, das sie hatten, verloren“, so Jabloner.


Arisierung durch Exekution

Überhaupt wurde in der Diskussion klar, dass die Materie „Restitution“ viel komplexer ist, als es in den Medien oft dargestellt wird. Allein der Begriff „Arisierung“ kann vieles bedeuten. Der Kauf eines Hauses vom jüdischen Besitzer um ein Spottgeld war eine mögliche Variante. Es gab auch Arisierungen durch Exekution, und zwar durch eine einfache verwaltungsrechtliche Möglichkeit. „Die jüdischen Vorbesitzer waren nicht mehr da, weil sie deportiert worden waren. So konnten sie auch keine Grundsteuer oder Gemeindesteuer mehr bezahlen, weshalb eine Exekution eingeleitet werden konnte. Das betreffende Vermögen oder Haus wurde zur Versteigerung ausgeschrieben und meist von der Gemeinde erworben“, wie Gerhard Baumgartner von der Historikerkommission erklärt.


Was geschieht mit den Kunstgütern?

Auch die Restitution von Kunstgütern kam zur Sprache. Nach dem ersten Elan in den Vorjahren ist es in letzter Zeit um dieses Thema auffallend still geworden, wunderte sich Hubertus Czernin.

Etliche in der Nazizeit enteignete Häuser und Grundstücke befinden sich heute im Staatsbesitz - die Historikerkommission ermittelt. Ob die Ergebnisse auch wirklich politisch in eine Welle von Rückgaben umgesetzt werden? „Ich bin der Meinung, dass die öffentliche Hand solche Sachen herausgeben muss“, ist sich zumindest Clemens Jabloner sicher.

ORF.at, Fr., 2000.06.02

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