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03. Januar 2008Mateja Medvedic
db

Einheit trotz Vielfalt

Die Bücherei des kleinen, südöstlich von Ljubljana gelegenen Ortes war lange Zeit in einem ehemaligen herrschaftlichen Haus untergebracht. Der wachsende Raumbedarf führte zur Erweiterung um einen signalhaften Funktionsbau, der mit Elementen des disparaten Umfeldes spielt und dabei der Ortsmitte wie auch dem altehrwürdigen Gebäude neue Wertigkeit zukommen lässt.

Die Bücherei des kleinen, südöstlich von Ljubljana gelegenen Ortes war lange Zeit in einem ehemaligen herrschaftlichen Haus untergebracht. Der wachsende Raumbedarf führte zur Erweiterung um einen signalhaften Funktionsbau, der mit Elementen des disparaten Umfeldes spielt und dabei der Ortsmitte wie auch dem altehrwürdigen Gebäude neue Wertigkeit zukommen lässt.

Slowenien ist in den letzten Jahren reicher geworden an einigen ausgezeichneten Beispielen zeitgenössischer Architektur, die von der Regierung oder den Kommunen mitfinanziert wurden. Bei vorgeschriebenen Wettbewerben wird die Jury im Allgemeinen vom Verband der Architekten und Raumplaner bestimmt. Dies war jedoch bei der Sanierung und Erweiterung der Stadtbibliothek in Grosuplje durch Miloš Florijancic und Matej Blenkuš, den Gründern des Architekturbüros A.Biro, nicht der Fall. Das Preisgericht wurde vom ehrgeizigen Bürgermeister von Grosuplje selbst ernannt. Trotzdem fiel das Ergebnis überaus positiv aus. Nach diesem und anderen Beispielen zeitgenössischer Architektur in Slowenien zu urteilen, lässt sich kaum mehr sagen, die öffentlichen Auftraggeber seien untätig, eher das Gegenteil ist der Fall.

Wie bei allen mit Geldern der öffentlichen Hand errichteten Gebäuden war auch der Bau der Bücherei stark durch Vorschriften eingeschränkt, die den Architekten wenig bis keinen gestalterischen Spielraum ließen. Aber dieser Nachteil wirkt sich nicht bei allen Auftraggebern gleich aus und hängt vom Ausmaß ihres Engagements, ihrem Interesse am Bauen und vom Gebäudetyp ab. Der für Grosuplje ausgewählte Entwurf entsprach den strengen funktionalen Forderungen heutiger Bibliotheksregeln, bot aber auch erstklassige Architektur innerhalb eines maßvollen Kostenrahmens von 1500 Euro pro Quadratmeter. Auch der Druck der verschiedenen Auftraggeber – Stadtverwaltung und Regierungsbehörden – auf den Zeitablauf vom Wettbewerb bis zur Eröffnungsfeier war ungewöhnlich groß. Die Bücherei von Grosuplje wurde in einer Rekordzeit von zweieinhalb Jahren fertiggestellt, während die durchschnittliche Bauzeit für Projekte der öffentlichen Hand vier bis sechs Jahre beträgt. Das berüchtigteste solcher Bauvorhaben ist die Staatsbibliothek in Ljubljana, mit deren Bau nach einem Wettbewerb aus dem Jahre 1989 jetzt vermutlich in diesem Jahr begonnen wird!
Die Bedeutung, die die Bauherren ihrem neuen Gebäude beimessen, lässt sich an der gut gestalteten Werbebroschüre der Bibliothek von Grosuplje ablesen, in welcher der Bürgermeister schreibt: »Die Entscheidung für diese außergewöhnliche Lösung, die moderne mit traditioneller Architektur verbindet, war mutig und im bestehenden, aber noch nicht weit entwickelten städtischen Kontext von Grosuplje sehr innovativ und provozierend. Heute kann ich sagen, dass wir erfolgreich waren, weil die neue Bücherei einen maßgeblichen Beitrag zur Architektur im Zentrum von Grosuplje verkörpert und eine visuelle Auffrischung der Stadtmitte bedeutet.« Damit hat er in jeder Beziehung Recht.

Bezugnahme und Abgrenzung zugleich

Das kleine Grundstück hinter dem Altbau von 1889, dem einzigen denkmalgeschützten Gebäude der Stadt, umgeben von gesichtslosen sozialistischen Wohnblocks der sechziger Jahre und mit Blick auf die geneigten Dächer von Einfamilienhäusern weiter hinten, kann kaum als Traumlage bezeichnet werden. Da die Architekten von A.Biro eine respektvolle Haltung gegenüber dem bestehenden Kontext vertreten, sahen sie ihre Aufgabe darin, der vorgefundenen Vielfalt gerecht zu werden und zugleich entgegenzuwirken, eine Verbindung zur Planlosigkeit der städtischen Situation herzustellen und sich zugleich von ihr zu distanzieren. Die im Zickzack gefaltete Betonschale bot dafür viele Spielarten. Der Bau ist als selbstständiges Volumen konzipiert, das der historischen Bibliothek den ihr gebührenden Respekt zollt, mit der er nur durch eine verglaste Brücke verbunden ist. Blickt man von der Hauptstraße auf den Neubau, scheinen die einheitlichen Glasflächen mit dem Hintergrund aus den sechziger Jahren zu verschmelzen und stellen zugleich das Innere zur Schau.
Die Schale wirkt auf der den Wohnblocks zugewandten Rückseite kompakt und sichert deren Bewohnern ihre Privatsphäre. Das Farbsystem in Rot und Beige entspricht den Farben und Materialien des Altbaus. Das gefaltete Dach nimmt die Form der Satteldächer von der benachbarten Bebauung auf.

Die Wettbewerbsausschreibung forderte für das Innere des neuen Gebäudes offene Räume, um dem Bibliothekspersonal die Aufsicht zu erleichtern. Die Mehrzahl der Bücher und sonstigen Medien sollte auf für die Besucher zugänglichen Regalen untergebracht werden. Besonders zu berücksichtigen waren junge Leser. Die Lösung für diese unterschiedlichen Forderungen lag in einer genau überlegten Organisation der Raumfolge. Der Eingang im Erdgeschoss mit dem geschäftigen Schalterbereich ist optisch mit den tiefer liegenden, abgestuften Ebenen der Kinderabteilung verbunden. Über der stark strukturierten Betondecke der Halle im Erdgeschoss sind die wichtigsten Funktionen der Bibliothek angeordnet. Hier wurde der Raum vertikal in zwei Bereiche geteilt: Der große, zweigeschossige Lesesaal liegt an der Ostseite, während die Westseite dicht gestapelte, mit Bücherregalen angefüllte Ebenen enthält. Das verbindende Element zwischen der ausgedehnten Leere des Lesesaals und der Dichte des Buchbestands bildet ein liebevoll gestaltetes Treppenhaus mit zusätzlichen Podesten, die als weitere intime Lesebereiche dienen. Die Materialien und Details sind schlicht und minimalistisch, natürliche Belichtung wird maximal genutzt.
Der gewaltige Raum des Lesesaals wirkt luxuriös und ausschweifend. Doch in Verbindung mit der Wärme des Fußbodens und der Möblierung aus Eiche, den neutralen, weiß verputzten Wänden und den groben Sichtbetondecken entsteht auch ein flüchtiges Spiel zwischen Respekt einflößender Monumentalität und spielerischer Heiterkeit. Anstelle der normalerweise in Arbeitsräumen herrschenden Grabesstille lebt der Raum hier von den Geräuschen der Menschen, die ihn als städtischen Wohnraum nutzen.

db, Do., 2008.01.03



verknüpfte Bauwerke
Stadtbibliothek Grosuplje



verknüpfte Zeitschriften
db 2008|01 Slowenien und Kroatien

30. Juni 2007Mateja Medvedic
db

Inspirierende Einschränkungen

Slowenien, das kleine Land am Schnittpunkt zwischen Ost-, Süd- und Mitteleuropa, macht mit einer Generation junger Architekten auf sich aufmerksam, die jene Lücken zu füllen wissen, welche der Zerfall Jugoslawiens aufgerissen hatte. Mit dabei sind seit einiger Zeit Ofis arhitekti. Restriktive Rahmenbedingungen betrachten sie nicht als Störung ihrer Kreativität, sondern erheben sie zu hehren Leitlinien ihrer Arbeit – historischer Bestand oder Sozialer Wohnungsbau, je komplexer die Aufgabe umso besser.

Slowenien, das kleine Land am Schnittpunkt zwischen Ost-, Süd- und Mitteleuropa, macht mit einer Generation junger Architekten auf sich aufmerksam, die jene Lücken zu füllen wissen, welche der Zerfall Jugoslawiens aufgerissen hatte. Mit dabei sind seit einiger Zeit Ofis arhitekti. Restriktive Rahmenbedingungen betrachten sie nicht als Störung ihrer Kreativität, sondern erheben sie zu hehren Leitlinien ihrer Arbeit – historischer Bestand oder Sozialer Wohnungsbau, je komplexer die Aufgabe umso besser.

Das Palais Auersperg inmitten des denkmalgeschützten Zentrums der slowenischen Hauptstadt Ljubljana, um 1650 erbaut, wurde im Laufe der Jahrhunderte immer wieder von Grund auf umgestaltet. 1998 beschloss das im Hause residierende Stadtmuseum, das Gebäude bedürfe einiger größerer baulicher Veränderungen, um den Ansprüchen des Museumsbetriebs gerecht zu werden. Das über Jahre entstandene Labyrinth aus kleinen, oft unzusammenhängenden Raumfolgen und seine sackgassenähnliche Erschließung boten als Ausstellungsraum kaum Möglichkeiten. Die Anforderungen des im Folgenden ausgeschriebenen Wettbewerbs lauteten dementsprechend, den Bestand »aufzuräumen«, das alte Palais zu sanieren und im Hof an eine Blendfassade einen Anbau anzufügen. Die Ausschreibung barg jedoch einige diffizile Herausforderungen, denn die Archäologen vermuteten im Boden historische Überreste, ohne deren Art oder Lage voraussagen zu können. Als entwerferisches Puzzle bot sich daher folgende Situation: ein Sanierungsobjekt der höchsten Denkmalschutzstufe, eine unbekannte aber heikle Befundlage im Untergrund und ein Bauherr, der wünschte, die vermuteten Ausgrabungsergebnisse innerhalb des musealen Kontextes zeigen und mit der übrigen Ausstellung vernetzen zu können.

Das junge Büro Ofis arhitekti fand mit seinem Siegerentwurf eine ebenso simple wie einleuchtende Lösung; eine Spirale, die sich aus dem archäologischen Grabungsfeld im Untergeschoss hinauf ins Erdgeschoss windet, die Funde damit sicht- und erlebbar macht und in den Rest des Gebäudes einbezieht. Als Dach über dem ersten Spiralabschnitt erhebt sich aus der Hofebene eine gepflasterte Rampe und führt zum ersten Stockwerk hinauf, wo sie scheinbar in einen Balkon über dem Foyer des Altbaus übergeht.

Das Motiv der Spirale begleitet den Besucher durch die Ausstellungsbereiche im Inneren des Palais in Form einer abgehängten Decke, die den Schwung der Rampe durch das gesamte Museum weiterführt. In dieser Decke ist die gesamte Haustechnik wie Elektroleitungen, Sprinklersysteme, Belüftung und Beleuchtung unauffällig integriert. Diese durchgängige Gestaltung wirkt wie ein geschichtliches Band, entlang dessen der Besucher die vielschichtigen Zeugnisse der Stadtgeschichte erlebt, über die das Palais und sein Untergrund selbst beredt Auskunft geben, – eine Zeitreise, die von der prähistorischen über die römische Zeit, Mittelalter und Barock bis in die Gegenwart reicht.

Die Stärke des Entwurfs liegt darin, dass die Struktur flexibel genug ist, sich den archäologischen Bedingtheiten anzupassen, ohne dabei ihre Aussagekraft zu verlieren. Keines der Fundamente beeinträchtigt die unschätzbaren archäologischen Funde, die selbst während der Bauzeit nicht ausgelagert wurden, kein einziger Stein wurde entfernt oder verrückt. Im etwa ¬einen Meter unter der Geländeoberfläche gelegenen Museumscafé wurden sogar die original mittelalterlichen Pflastersteine als Bodenbelag verwendet. Von zart geschwungenen Glaswänden umgeben kann man hier den Blick auf die Arkadenreihen des Palais Auersperg genießen oder ihn weiter auf die Überreste einer römischen Straße einige Meter tiefer schweifen lassen.

Was verblüfft, ist, mit welcher Selbstverständlichkeit und Klarheit sich die Spirale, in Glas, Beton oder auch Metall verkleidet in den historischen Rahmen einfügt. Diese klare und maßvolle Detaillierung der Innenräume wäre eines erfahrenen Architekten würdig. Die zugleich bescheidene und auch mutige Gestaltung ist das Resultat der konsequenten und vollständigen ¬Akzeptanz aller einschränkenden Auflagen seitens der Bauherren.

Aufsteiger

Rok Oman und Špela Videcnik, beide Absolventen der Architekturschule in Ljubljana, gründeten 1996 das Büro Ofis Arhitekti. Noch bevor sie 2000 ihr Aufbaustudium an der AA in London abschlossen, waren sie schon durch einige gewonnene Wettbewerbe bekannt geworden. Seither haben sie nicht nur national, sondern auch international Anerkennung erfahren und sich einen Namen gemacht. Im Januar dieses Jahres wurde ihr Sozialwohnungsprojekt »30 apartments« an der slowenischen Küste für den Mies van der Rohe Preis nominiert, 2006 siegten sie im European Grand Prix for Innovation, 2005 bekam ihre Villa in Bled eine Anerkennung bei der Biennale in Miami. Und schon 2004 war die Architectural Review bei den AR D awards voll des Lobes über ihr Stadtmuseum Ljubljana.

Die Anfänge des Büros datieren in die gleichwohl spannende wie auch schwierige Aufbruchszeit Mitte der neunziger Jahre, als sich die ehemaligen jugoslawischen Republiken wirtschaftlich wie kulturell neu orientieren und mitunter ganz von vorn anfangen mussten. In dieser Zeit schlossen viele ehemals auch durch staatliche Förderung etablierte große Architekturbüros oder verkleinerten sich radikal. Hier bot sich für jüngere Architekten Raum, bei Wettbewerben zu reüssieren. Oman und Videcnik konnten in solchen Wettbewerben die Juroren häufig mit originellen Gedankengängen und klaren Konzepten beeindrucken.

In den letzten zehn Jahren haben sie so viele Erfahrungen im Umgang mit den unterschiedlichsten Auftraggebern, vom privaten Bauherrn über Gewerbetreibende bis hin zu staatlichen Stellen und deren jeweils sehr eigenen Abläufen, Kostenrahmen und Problemstellungen machen können.

Womöglich resultiert daraus die sehr eigene Methodik des Büros, die auch seine Eigenart ausmacht. Wie sie selbst sagen, suchen sie bei jeder Bauaufgabe immer den Kernpunkt der Ausschreibung, die einschränkenden Bedingungen. Statt diese zu missachten, werden sie als entwurfsbestimmendes Element inszeniert, wortwörtlich »befolgt« und – wenn möglich – sogar überzeichnet. In diesem Sinne ist ihr Tun sogar subversiv, indem »Gehorsam« als kreatives »Arbeitsinstrument« interpretiert und seine Grenzen exzessiv ausgelotet werden. Aus einer architektonischen Zwangsjacke wird dann plötzlich ein Abendkleid.

Weniger ist mehr – neu interpretiert

So geschehen beim öffentlich geförderten Wohnungsbauprojekt »650 apartments« für den Slowenischen Wohnbau-Fonds: Verständlicher Wunsch des Bauherrn war es, so viele Quadratmeter Wohnfläche auf dem Grundstück unterzubringen wie nur eben zulässig und möglich. Die Architekten sahen dies als Herausforderung an, ihrem Auftraggeber noch mehr zu geben als er verlangt hatte. Auch in Slowenien ist der Soziale Wohnungsbau von starren Vorgaben und Regularien geprägt, die wenig Spielraum für architektonischen Ausdruck oder Experimente lassen. Auf der Suche nach dem »Mehr« an möglichem Raum entdeckten Ofis arhitekti die Außenhaut als den einzig nicht durch Vorgaben reglementierten Bereich des Gebäudes. Sie entwickelten eine »zweischichtige« Fassade und teilten den Zwischenraum abwechselnd in Wintergärten, Loggien oder Terrassen, was dem Bauherrn zusätzliche 15  000 Quadratmeter Wohnfläche einbrachte. Architektonischer Einfallsreichtum bis zum Äußersten getrieben, resultierte in einer Fassade, die, einer Laubsägearbeit ähnlich, hell, farbenfroh und zeitgenössisch daherkommt. Bei einem ganz ähnlichen Sozialwohnungsbauprojekt in der Küstenstadt Izola konnten sie das Konzept ein weiteres Mal umsetzen. Den Wettbewerb gewannen sie, weil sie wiederum den meisten Wohnraum für die geringsten Kosten anbieten konnten, auch hier bot einzig die Fassade Freiraum für Experimente.

Ein ganz anderes Projekt, die Erweiterung einer Villa in Bled, stellte die Ofis arhitekti vor eine auf den ersten Blick nicht lösbare Aufgabe. Die Wohn¬fläche einer denkmalgeschützten Villa aus dem 19. Jahrhundert inmitten eines als nationales Kulturerbe geschützten und mit strengen Auflagen versehenen Gebietes sollte verdoppelt werden – natürlich unter Erhalt der freien Sicht auf den See. Die Auflagen buchstäblich befolgend, entdeckten die Architekten, dass der einzig »diskret antastbare« Bereich unterhalb des ¬Gebäudes lag. Das Ergebnis ist ein atemberaubendes Glasband unterhalb des Altbaus – eine reichlich dreiste Tat, die dennoch nahezu unsichtbar bleibt.

db, Sa., 2007.06.30



verknüpfte Bauwerke
Stadtmuseum Ljubljana



verknüpfte Akteure
Ofis arhitekti



verknüpfte Zeitschriften
db 2007|07 Junge Architekten

Presseschau 12

03. Januar 2008Mateja Medvedic
db

Einheit trotz Vielfalt

Die Bücherei des kleinen, südöstlich von Ljubljana gelegenen Ortes war lange Zeit in einem ehemaligen herrschaftlichen Haus untergebracht. Der wachsende Raumbedarf führte zur Erweiterung um einen signalhaften Funktionsbau, der mit Elementen des disparaten Umfeldes spielt und dabei der Ortsmitte wie auch dem altehrwürdigen Gebäude neue Wertigkeit zukommen lässt.

Die Bücherei des kleinen, südöstlich von Ljubljana gelegenen Ortes war lange Zeit in einem ehemaligen herrschaftlichen Haus untergebracht. Der wachsende Raumbedarf führte zur Erweiterung um einen signalhaften Funktionsbau, der mit Elementen des disparaten Umfeldes spielt und dabei der Ortsmitte wie auch dem altehrwürdigen Gebäude neue Wertigkeit zukommen lässt.

Slowenien ist in den letzten Jahren reicher geworden an einigen ausgezeichneten Beispielen zeitgenössischer Architektur, die von der Regierung oder den Kommunen mitfinanziert wurden. Bei vorgeschriebenen Wettbewerben wird die Jury im Allgemeinen vom Verband der Architekten und Raumplaner bestimmt. Dies war jedoch bei der Sanierung und Erweiterung der Stadtbibliothek in Grosuplje durch Miloš Florijancic und Matej Blenkuš, den Gründern des Architekturbüros A.Biro, nicht der Fall. Das Preisgericht wurde vom ehrgeizigen Bürgermeister von Grosuplje selbst ernannt. Trotzdem fiel das Ergebnis überaus positiv aus. Nach diesem und anderen Beispielen zeitgenössischer Architektur in Slowenien zu urteilen, lässt sich kaum mehr sagen, die öffentlichen Auftraggeber seien untätig, eher das Gegenteil ist der Fall.

Wie bei allen mit Geldern der öffentlichen Hand errichteten Gebäuden war auch der Bau der Bücherei stark durch Vorschriften eingeschränkt, die den Architekten wenig bis keinen gestalterischen Spielraum ließen. Aber dieser Nachteil wirkt sich nicht bei allen Auftraggebern gleich aus und hängt vom Ausmaß ihres Engagements, ihrem Interesse am Bauen und vom Gebäudetyp ab. Der für Grosuplje ausgewählte Entwurf entsprach den strengen funktionalen Forderungen heutiger Bibliotheksregeln, bot aber auch erstklassige Architektur innerhalb eines maßvollen Kostenrahmens von 1500 Euro pro Quadratmeter. Auch der Druck der verschiedenen Auftraggeber – Stadtverwaltung und Regierungsbehörden – auf den Zeitablauf vom Wettbewerb bis zur Eröffnungsfeier war ungewöhnlich groß. Die Bücherei von Grosuplje wurde in einer Rekordzeit von zweieinhalb Jahren fertiggestellt, während die durchschnittliche Bauzeit für Projekte der öffentlichen Hand vier bis sechs Jahre beträgt. Das berüchtigteste solcher Bauvorhaben ist die Staatsbibliothek in Ljubljana, mit deren Bau nach einem Wettbewerb aus dem Jahre 1989 jetzt vermutlich in diesem Jahr begonnen wird!
Die Bedeutung, die die Bauherren ihrem neuen Gebäude beimessen, lässt sich an der gut gestalteten Werbebroschüre der Bibliothek von Grosuplje ablesen, in welcher der Bürgermeister schreibt: »Die Entscheidung für diese außergewöhnliche Lösung, die moderne mit traditioneller Architektur verbindet, war mutig und im bestehenden, aber noch nicht weit entwickelten städtischen Kontext von Grosuplje sehr innovativ und provozierend. Heute kann ich sagen, dass wir erfolgreich waren, weil die neue Bücherei einen maßgeblichen Beitrag zur Architektur im Zentrum von Grosuplje verkörpert und eine visuelle Auffrischung der Stadtmitte bedeutet.« Damit hat er in jeder Beziehung Recht.

Bezugnahme und Abgrenzung zugleich

Das kleine Grundstück hinter dem Altbau von 1889, dem einzigen denkmalgeschützten Gebäude der Stadt, umgeben von gesichtslosen sozialistischen Wohnblocks der sechziger Jahre und mit Blick auf die geneigten Dächer von Einfamilienhäusern weiter hinten, kann kaum als Traumlage bezeichnet werden. Da die Architekten von A.Biro eine respektvolle Haltung gegenüber dem bestehenden Kontext vertreten, sahen sie ihre Aufgabe darin, der vorgefundenen Vielfalt gerecht zu werden und zugleich entgegenzuwirken, eine Verbindung zur Planlosigkeit der städtischen Situation herzustellen und sich zugleich von ihr zu distanzieren. Die im Zickzack gefaltete Betonschale bot dafür viele Spielarten. Der Bau ist als selbstständiges Volumen konzipiert, das der historischen Bibliothek den ihr gebührenden Respekt zollt, mit der er nur durch eine verglaste Brücke verbunden ist. Blickt man von der Hauptstraße auf den Neubau, scheinen die einheitlichen Glasflächen mit dem Hintergrund aus den sechziger Jahren zu verschmelzen und stellen zugleich das Innere zur Schau.
Die Schale wirkt auf der den Wohnblocks zugewandten Rückseite kompakt und sichert deren Bewohnern ihre Privatsphäre. Das Farbsystem in Rot und Beige entspricht den Farben und Materialien des Altbaus. Das gefaltete Dach nimmt die Form der Satteldächer von der benachbarten Bebauung auf.

Die Wettbewerbsausschreibung forderte für das Innere des neuen Gebäudes offene Räume, um dem Bibliothekspersonal die Aufsicht zu erleichtern. Die Mehrzahl der Bücher und sonstigen Medien sollte auf für die Besucher zugänglichen Regalen untergebracht werden. Besonders zu berücksichtigen waren junge Leser. Die Lösung für diese unterschiedlichen Forderungen lag in einer genau überlegten Organisation der Raumfolge. Der Eingang im Erdgeschoss mit dem geschäftigen Schalterbereich ist optisch mit den tiefer liegenden, abgestuften Ebenen der Kinderabteilung verbunden. Über der stark strukturierten Betondecke der Halle im Erdgeschoss sind die wichtigsten Funktionen der Bibliothek angeordnet. Hier wurde der Raum vertikal in zwei Bereiche geteilt: Der große, zweigeschossige Lesesaal liegt an der Ostseite, während die Westseite dicht gestapelte, mit Bücherregalen angefüllte Ebenen enthält. Das verbindende Element zwischen der ausgedehnten Leere des Lesesaals und der Dichte des Buchbestands bildet ein liebevoll gestaltetes Treppenhaus mit zusätzlichen Podesten, die als weitere intime Lesebereiche dienen. Die Materialien und Details sind schlicht und minimalistisch, natürliche Belichtung wird maximal genutzt.
Der gewaltige Raum des Lesesaals wirkt luxuriös und ausschweifend. Doch in Verbindung mit der Wärme des Fußbodens und der Möblierung aus Eiche, den neutralen, weiß verputzten Wänden und den groben Sichtbetondecken entsteht auch ein flüchtiges Spiel zwischen Respekt einflößender Monumentalität und spielerischer Heiterkeit. Anstelle der normalerweise in Arbeitsräumen herrschenden Grabesstille lebt der Raum hier von den Geräuschen der Menschen, die ihn als städtischen Wohnraum nutzen.

db, Do., 2008.01.03



verknüpfte Bauwerke
Stadtbibliothek Grosuplje



verknüpfte Zeitschriften
db 2008|01 Slowenien und Kroatien

30. Juni 2007Mateja Medvedic
db

Inspirierende Einschränkungen

Slowenien, das kleine Land am Schnittpunkt zwischen Ost-, Süd- und Mitteleuropa, macht mit einer Generation junger Architekten auf sich aufmerksam, die jene Lücken zu füllen wissen, welche der Zerfall Jugoslawiens aufgerissen hatte. Mit dabei sind seit einiger Zeit Ofis arhitekti. Restriktive Rahmenbedingungen betrachten sie nicht als Störung ihrer Kreativität, sondern erheben sie zu hehren Leitlinien ihrer Arbeit – historischer Bestand oder Sozialer Wohnungsbau, je komplexer die Aufgabe umso besser.

Slowenien, das kleine Land am Schnittpunkt zwischen Ost-, Süd- und Mitteleuropa, macht mit einer Generation junger Architekten auf sich aufmerksam, die jene Lücken zu füllen wissen, welche der Zerfall Jugoslawiens aufgerissen hatte. Mit dabei sind seit einiger Zeit Ofis arhitekti. Restriktive Rahmenbedingungen betrachten sie nicht als Störung ihrer Kreativität, sondern erheben sie zu hehren Leitlinien ihrer Arbeit – historischer Bestand oder Sozialer Wohnungsbau, je komplexer die Aufgabe umso besser.

Das Palais Auersperg inmitten des denkmalgeschützten Zentrums der slowenischen Hauptstadt Ljubljana, um 1650 erbaut, wurde im Laufe der Jahrhunderte immer wieder von Grund auf umgestaltet. 1998 beschloss das im Hause residierende Stadtmuseum, das Gebäude bedürfe einiger größerer baulicher Veränderungen, um den Ansprüchen des Museumsbetriebs gerecht zu werden. Das über Jahre entstandene Labyrinth aus kleinen, oft unzusammenhängenden Raumfolgen und seine sackgassenähnliche Erschließung boten als Ausstellungsraum kaum Möglichkeiten. Die Anforderungen des im Folgenden ausgeschriebenen Wettbewerbs lauteten dementsprechend, den Bestand »aufzuräumen«, das alte Palais zu sanieren und im Hof an eine Blendfassade einen Anbau anzufügen. Die Ausschreibung barg jedoch einige diffizile Herausforderungen, denn die Archäologen vermuteten im Boden historische Überreste, ohne deren Art oder Lage voraussagen zu können. Als entwerferisches Puzzle bot sich daher folgende Situation: ein Sanierungsobjekt der höchsten Denkmalschutzstufe, eine unbekannte aber heikle Befundlage im Untergrund und ein Bauherr, der wünschte, die vermuteten Ausgrabungsergebnisse innerhalb des musealen Kontextes zeigen und mit der übrigen Ausstellung vernetzen zu können.

Das junge Büro Ofis arhitekti fand mit seinem Siegerentwurf eine ebenso simple wie einleuchtende Lösung; eine Spirale, die sich aus dem archäologischen Grabungsfeld im Untergeschoss hinauf ins Erdgeschoss windet, die Funde damit sicht- und erlebbar macht und in den Rest des Gebäudes einbezieht. Als Dach über dem ersten Spiralabschnitt erhebt sich aus der Hofebene eine gepflasterte Rampe und führt zum ersten Stockwerk hinauf, wo sie scheinbar in einen Balkon über dem Foyer des Altbaus übergeht.

Das Motiv der Spirale begleitet den Besucher durch die Ausstellungsbereiche im Inneren des Palais in Form einer abgehängten Decke, die den Schwung der Rampe durch das gesamte Museum weiterführt. In dieser Decke ist die gesamte Haustechnik wie Elektroleitungen, Sprinklersysteme, Belüftung und Beleuchtung unauffällig integriert. Diese durchgängige Gestaltung wirkt wie ein geschichtliches Band, entlang dessen der Besucher die vielschichtigen Zeugnisse der Stadtgeschichte erlebt, über die das Palais und sein Untergrund selbst beredt Auskunft geben, – eine Zeitreise, die von der prähistorischen über die römische Zeit, Mittelalter und Barock bis in die Gegenwart reicht.

Die Stärke des Entwurfs liegt darin, dass die Struktur flexibel genug ist, sich den archäologischen Bedingtheiten anzupassen, ohne dabei ihre Aussagekraft zu verlieren. Keines der Fundamente beeinträchtigt die unschätzbaren archäologischen Funde, die selbst während der Bauzeit nicht ausgelagert wurden, kein einziger Stein wurde entfernt oder verrückt. Im etwa ¬einen Meter unter der Geländeoberfläche gelegenen Museumscafé wurden sogar die original mittelalterlichen Pflastersteine als Bodenbelag verwendet. Von zart geschwungenen Glaswänden umgeben kann man hier den Blick auf die Arkadenreihen des Palais Auersperg genießen oder ihn weiter auf die Überreste einer römischen Straße einige Meter tiefer schweifen lassen.

Was verblüfft, ist, mit welcher Selbstverständlichkeit und Klarheit sich die Spirale, in Glas, Beton oder auch Metall verkleidet in den historischen Rahmen einfügt. Diese klare und maßvolle Detaillierung der Innenräume wäre eines erfahrenen Architekten würdig. Die zugleich bescheidene und auch mutige Gestaltung ist das Resultat der konsequenten und vollständigen ¬Akzeptanz aller einschränkenden Auflagen seitens der Bauherren.

Aufsteiger

Rok Oman und Špela Videcnik, beide Absolventen der Architekturschule in Ljubljana, gründeten 1996 das Büro Ofis Arhitekti. Noch bevor sie 2000 ihr Aufbaustudium an der AA in London abschlossen, waren sie schon durch einige gewonnene Wettbewerbe bekannt geworden. Seither haben sie nicht nur national, sondern auch international Anerkennung erfahren und sich einen Namen gemacht. Im Januar dieses Jahres wurde ihr Sozialwohnungsprojekt »30 apartments« an der slowenischen Küste für den Mies van der Rohe Preis nominiert, 2006 siegten sie im European Grand Prix for Innovation, 2005 bekam ihre Villa in Bled eine Anerkennung bei der Biennale in Miami. Und schon 2004 war die Architectural Review bei den AR D awards voll des Lobes über ihr Stadtmuseum Ljubljana.

Die Anfänge des Büros datieren in die gleichwohl spannende wie auch schwierige Aufbruchszeit Mitte der neunziger Jahre, als sich die ehemaligen jugoslawischen Republiken wirtschaftlich wie kulturell neu orientieren und mitunter ganz von vorn anfangen mussten. In dieser Zeit schlossen viele ehemals auch durch staatliche Förderung etablierte große Architekturbüros oder verkleinerten sich radikal. Hier bot sich für jüngere Architekten Raum, bei Wettbewerben zu reüssieren. Oman und Videcnik konnten in solchen Wettbewerben die Juroren häufig mit originellen Gedankengängen und klaren Konzepten beeindrucken.

In den letzten zehn Jahren haben sie so viele Erfahrungen im Umgang mit den unterschiedlichsten Auftraggebern, vom privaten Bauherrn über Gewerbetreibende bis hin zu staatlichen Stellen und deren jeweils sehr eigenen Abläufen, Kostenrahmen und Problemstellungen machen können.

Womöglich resultiert daraus die sehr eigene Methodik des Büros, die auch seine Eigenart ausmacht. Wie sie selbst sagen, suchen sie bei jeder Bauaufgabe immer den Kernpunkt der Ausschreibung, die einschränkenden Bedingungen. Statt diese zu missachten, werden sie als entwurfsbestimmendes Element inszeniert, wortwörtlich »befolgt« und – wenn möglich – sogar überzeichnet. In diesem Sinne ist ihr Tun sogar subversiv, indem »Gehorsam« als kreatives »Arbeitsinstrument« interpretiert und seine Grenzen exzessiv ausgelotet werden. Aus einer architektonischen Zwangsjacke wird dann plötzlich ein Abendkleid.

Weniger ist mehr – neu interpretiert

So geschehen beim öffentlich geförderten Wohnungsbauprojekt »650 apartments« für den Slowenischen Wohnbau-Fonds: Verständlicher Wunsch des Bauherrn war es, so viele Quadratmeter Wohnfläche auf dem Grundstück unterzubringen wie nur eben zulässig und möglich. Die Architekten sahen dies als Herausforderung an, ihrem Auftraggeber noch mehr zu geben als er verlangt hatte. Auch in Slowenien ist der Soziale Wohnungsbau von starren Vorgaben und Regularien geprägt, die wenig Spielraum für architektonischen Ausdruck oder Experimente lassen. Auf der Suche nach dem »Mehr« an möglichem Raum entdeckten Ofis arhitekti die Außenhaut als den einzig nicht durch Vorgaben reglementierten Bereich des Gebäudes. Sie entwickelten eine »zweischichtige« Fassade und teilten den Zwischenraum abwechselnd in Wintergärten, Loggien oder Terrassen, was dem Bauherrn zusätzliche 15  000 Quadratmeter Wohnfläche einbrachte. Architektonischer Einfallsreichtum bis zum Äußersten getrieben, resultierte in einer Fassade, die, einer Laubsägearbeit ähnlich, hell, farbenfroh und zeitgenössisch daherkommt. Bei einem ganz ähnlichen Sozialwohnungsbauprojekt in der Küstenstadt Izola konnten sie das Konzept ein weiteres Mal umsetzen. Den Wettbewerb gewannen sie, weil sie wiederum den meisten Wohnraum für die geringsten Kosten anbieten konnten, auch hier bot einzig die Fassade Freiraum für Experimente.

Ein ganz anderes Projekt, die Erweiterung einer Villa in Bled, stellte die Ofis arhitekti vor eine auf den ersten Blick nicht lösbare Aufgabe. Die Wohn¬fläche einer denkmalgeschützten Villa aus dem 19. Jahrhundert inmitten eines als nationales Kulturerbe geschützten und mit strengen Auflagen versehenen Gebietes sollte verdoppelt werden – natürlich unter Erhalt der freien Sicht auf den See. Die Auflagen buchstäblich befolgend, entdeckten die Architekten, dass der einzig »diskret antastbare« Bereich unterhalb des ¬Gebäudes lag. Das Ergebnis ist ein atemberaubendes Glasband unterhalb des Altbaus – eine reichlich dreiste Tat, die dennoch nahezu unsichtbar bleibt.

db, Sa., 2007.06.30



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