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27. Januar 2012Roland Bärtschi
TEC21

Tiefgaragen überprüfen

Tiefgaragen sind oft unattraktive Orte. Die Unübersichtlichkeit mancher Anlagen und die beschränkte Anzahl Fluchtwege fördern die Angst vor unangenehmen Begegnungen. Oft wird diese noch durch den schlechten Zustand der Oberflächen verstärkt, denn Garagen altern wegen der Belastung durch Abgase, Öl und Salzwasser rasch. Letzteres kann auch die Tragkonstruktion angreifen und die Tragsicherheit vermindern. Regelmässige Zustandserfassungen sind deshalb angezeigt. Ein Bauingenieur, der bereits über 350 Tiefgaragen in der Schweiz überprüft hat, spricht von seinen Erfahrungen.

Tiefgaragen sind oft unattraktive Orte. Die Unübersichtlichkeit mancher Anlagen und die beschränkte Anzahl Fluchtwege fördern die Angst vor unangenehmen Begegnungen. Oft wird diese noch durch den schlechten Zustand der Oberflächen verstärkt, denn Garagen altern wegen der Belastung durch Abgase, Öl und Salzwasser rasch. Letzteres kann auch die Tragkonstruktion angreifen und die Tragsicherheit vermindern. Regelmässige Zustandserfassungen sind deshalb angezeigt. Ein Bauingenieur, der bereits über 350 Tiefgaragen in der Schweiz überprüft hat, spricht von seinen Erfahrungen.

Tiefgaragen gehören zu den Bauwerken, bei denen mit der Zeit am ehesten Tragsicherheitsprobleme auftreten können. Sie sind über Jahrzehnte sehr aggressiven chemischen Bedingungen ausgesetzt und tragen zum Teil weit höhere Lasten als vorgesehen (vgl. «Böse Überraschung», S. 26). Eine sofortige flächendeckende Überprüfung oder Instandsetzung aller gegen 100 000 in der Schweiz bestehenden Einstellhallen und Parkhäuser wäre aber unverhältnismässig. Sinnvoller ist es, möglichst viele in mehrstufigen Verfahren so weit zu überprüfen, bis entweder die Schwachstellen behoben sind oder Entwarnung gegeben werden kann. Viele verantwortungsvolle Eigentümer führen deshalb ein nach Dringlichkeit sortiertes Inventar, das dazu dient, die vorhandenen Unterhaltsbudgets gezielt auf die Objekte mit grösstem Risiko zu lenken.

Einflüsse eruieren und Diagnose stellen

Um mit angemessenem Aufwand eine aussagekräftige Diagnose stellen zu können, brauchen Ingenieure und Ingenieurinnen vertiefte Kenntnisse über Konstruktionsweisen von Bauwerken – insbesondere über solche, die früher gängig waren und heute nicht mehr eingesetzt werden. Grundsätzlich lassen sich die Ursachen für eine ungenügende Tragsicherheit auf drei in der Praxis meist kombinierte Einflüsse zurückführen: erhöhte Einwirkungen, reduzierte Tragwiderstände und Tragsicherheitsdefizite seit Betriebsbeginn («Geburtsfehler»). Zu hohe Einwirkungen entstehen beispielsweise, wenn bereits beim Neubau mehr Erde auf die Decke aufgebracht wird als vorgesehen – entweder flächig, wie es bei der Tiefgarage in Gretzenbach der Fall war, oder mit Spielhügeln. Auch bei späteren Umgebungs- und Gartenarbeiten wurde und wird die Erdauflast oft unzulässig erhöht.

Der häufigste Grund für einen reduzierten Tragwiderstand bei Stahlbetonbauteilen ist die Korrosion. Sie entsteht dort, wo Bauteile vorübergehend mit Wasser in Kontakt kommen, insbesondere wenn das Wasser wegen Tausalzen chloridhaltig ist. Besonders anfällig für Korrosionsschäden sind Stahlbetondecken unter Park- und Verkehrsflächen sowie Zwischendecken und Zufahrtsrampen von Tiefgaragen (vgl. «Kathodisch Schützen», S. 28). Gerade bei Decken und Unterzügen führen Korrosionsschäden oft zu teilweise gravierenden Sicherheitsdefiziten, da dort die Bewehrung statisch erforderlich ist; bei Bodenplatten, Wänden und Stützenfüssen hingegen sind sie selten kritisch, da hier die Bewehrung im korrosionsgefährdeten Bereich meist nur konstruktiv zur Risssicherung eingelegt wurde.

Zu den klassischen «Geburtsfehlern» von Tiefgaragen gehört die mangelhafte Durchstanzsicherheit von Flachdecken. Es droht die Gefahr, dass die Decke plötzlich mit einem Sprödbruch zwischen den Stützen herunterfällt. Die unzureichenden Sicherheiten sind meist nicht auf Fehler zurückzuführen. Im Gegenteil, die Erfahrung zeigt, dass Tiefgaragen üblicherweise gut nach den damaligen Regeln der Baukunde geplant und ausgeführt worden sind. Vielmehr basierten die während des Baus aktuellen und gültigen Bemessungsmodelle auf zu optimistischen Annahmen. Diese wurden seither aufgrund neuer Erkenntnisse angepasst und sind in den gegenwärtig gültigen Normen deutlich vorsichtiger.

Normenwahl im Brandschutz

Die Tragsicherheit von Bauwerken ist nicht nur im Kaltzustand, sondern auch im Brandfall sicherzustellen. Die meisten vor 1990 erbauten Einstellhallen und Parkhäuser erfüllen die Brandschutzanforderung der SIA-Norm 262 (2003) bezüglich Bewehrungsüberdeckung nicht. Diese ist allerdings für Neubauten geschrieben und auf bestehende Tragwerke nur beschränkt anwendbar. In der Norm SIA 269 fehlen weitere Angaben zum baulichen Brandschutz. Nach den Brandschutzvorschriften der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (VKF) darf der Nachweis des baulichen Brandschutzes – vor allem von bestehenden Bauwerken – nach der deutschen DIN-Norm 4102-4 (1994) erfolgen. Diese nimmt anders als die SIA-Norm 262 keine Rücksicht auf die für die Dauerhaftigkeit bei Neubauten ohnehin erforderlichen Berwehrungsüberdeckungen und begnügt sich mit zum Teil deutlich geringeren Massen. Eingeschossige, erdüberdeckte Hallen mit Feuerwiderstandsanforderung R30 erfüllen diese Norm praktisch immer, und mehrgeschossige, überbaute Tiefgaragen mit R60 meistens. Allein die Wahl der anwendbaren Norm spielt also für die Entscheidung, ob eine Instandsetzung bezüglich Brandschutz erforderlich ist oder nicht, eine wesentliche Rolle. Viele der in den letzten Jahren ausgeführten Massnahmen zur Verbesserung des baulichen Brandschutzes wären bei Anwendung der DIN 4102-4 nicht nötig gewesen.

Die Personensicherheit im Brandfall kann meist mit geringem Aufwand gesteigert werden. Visuell kontrolliert werden Signalisation, Beleuchtung sowie Durchgängigkeit von Fluchtwegen, ferner wird geprüft, ob Brandlasten vorhanden sind und ob Entrauchung, Be- und Entlüftung funktionieren. Diese Untersuchungen ersetzen aber nicht die feuerpolizeilichen Kontrollen.

Schritt für Schritt zum sicheren Bauwerk

Bei der Überprüfung von Bauwerken werden in einem ersten Schritt die vermutlich massgebenden Probleme ermittelt. Die datenbankbasierte Auswertung von Bauwerksdaten, mit Bayes’schen Netzen aus der Wahrscheinlichkeitsrechnung, erlaubt dabei eine differenzierte und rationale Risikobeurteilung. In einem zweiten Schritt werden Objekte in der Reihenfolge ihrer Dringlichkeit detailliert auf ihren Zustand hin untersucht, und in einem dritten Schritt wo nötig Konzepte für Massnahmen entwickelt sowie deren Ausführung geplant und umgesetzt. Dabei stehen Sofortmassnahmen zur Erhöhung der Personensicherheit wie Fluchtwege räumen, unzulässige Brandlasten entfernen und Schliesszylinder durch Panikschlösser ersetzen sowie und kurzfristig umsetzbare Massnahmen wie die Reparatur und Ergänzung von Beleuchtung und Signalisationen im Vordergrund. Erst dann wird ein Konzept zur Erhöhung der baulichen Sicherheit entwickelt – unter Berücksichtigung aller relevanten Punkte wie Tragwiderstand, Dauerhaftigkeit, Brandschutz, Gebrauchstauglichkeit und Kosten. Bauwerke sind erst dann sicher, wenn Tragsicherheitsprobleme in jedem Fall vermieden werden und die Flucht von Personen bei aussergewöhnlichen Ereignissen sichergestellt ist. Bestehende Bauten sind dafür auch mit der nötigen Sorgfalt zu pflegen.

TEC21, Fr., 2012.01.27



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2012|5-6 Verkehr in die Tiefe

08. April 2011Roland Bärtschi
TEC21

Investition in Sicherheit

Gefühlte und objektive Sicherheit liegen oft weit auseinander. Auch im Bauwesen sollte die objektive Sicherheit so hoch wie vernünftigerweise möglich sein. Risiken sind dabei auf ein gesellschaftlich akzeptiertes Mass zu beschränken, unsinnig riskante Sparübungen hingegen zu vermeiden.

Gefühlte und objektive Sicherheit liegen oft weit auseinander. Auch im Bauwesen sollte die objektive Sicherheit so hoch wie vernünftigerweise möglich sein. Risiken sind dabei auf ein gesellschaftlich akzeptiertes Mass zu beschränken, unsinnig riskante Sparübungen hingegen zu vermeiden.

Menschen streben meist möglichst viel Sicherheit an. Dabei wird jedoch nicht unbedingt die wissenschaftlich fundierte, objektive Sicherheit, sondern die emotional gewichtete Sicherheit beachtet. So haben viele Menschen im Flugzeug Angst, fühlen sich aber hinter dem Steuer sicher. Objektiv gesehen müsste es umgekehrt sein. Subjektive und objektive Sicherheit können also sehr stark voneinander abweichen. Unsere Bauwerke beispielsweise sind sehr sicher, aber nicht absolut sicher. Absolute Sicherheit gibt es nicht. Mit steigendem Aufwand können Risiken zwar reduziert, aber nie ganz eliminiert werden. Wie hoch das Sicherheitsbedürfnis in einer Gesellschaft ist, hängt stark von den kulturellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ab. Zwar ist ein Menschenleben in unserer Kultur unermesslich viel Wert, aber es stehen nicht unbegrenzte Mittel bereit, um Menschenleben zu schützen. Die heutigen Normen bieten einfache Regeln, die das von Bauwerken ausgehende Risiko auf ein gesellschaftlich akzeptables Mass beschränken sollen. Dabei sind aber grosse Unterschiede in den verschiedenen Aspekten von Bauwerken festzustellen. So werden Risiken, die von Elektroinstallationen ausgehen, ganz anders bewertet als Risiken infolge von Brand oder statische Risiken.

Bei den klassischen Tragwerksnormen werden die Einwirkungen mit Lastfaktoren versehen und die Tragwiderstände mit Widerstandsbeiwerten abgemindert. Mit erhöhten Lasten und reduzierten Widerständen wird dann der Nachweis geführt, der eindeutig zeigt, dass «es hält» oder eben nicht. In vielen Fällen, insbesondere bei der Erhaltung von Bauwerken, ist diese Methode aber kaum brauchbar. Hier empfiehlt es sich, die vorhandene Sicherheit mit der durch die Normen geforderten zu vergleichen und daraus abzuschätzen, wie dringend eine Massnahme ist. Der SIA hat mit dem Merkblatt SIA 2018 eine solche Risikoabschätzung für die Erdbebensicherheit bestehender Bauwerke dokumentiert. Hierzu wurde auf Grundlage von Artikel 58 des Obligationenrechts die Verhältnismässigkeit von Massnahmen zur Verbesserung der Erdbebensicherheit beurteilt. Als Kriterium wurde die auch beim Bau der Zürcher S-Bahn angewandte Regel verwendet, wonach eine Massnahme ergriffen werden soll, falls pro 10 Mio. Franken Investition statistisch gesehen mindestens ein Menschenleben gerettet werden kann. Heute bieten spezialisierte Ingenieurbüros auch für weitere Themenbereiche ein «Risk Based Design» an, bei dem probabilistische statt klassischer Nachweise geführt werden.

Unsichere Bauwerke?

Bei statischen Bewertungen von bestehenden Bauwerken zeigt sich oft, dass ein beträchtlicher Anteil nicht die Normsicherheiten aufweist. So erfüllen z. B. nur etwa 1⁄3 der untersuchten Einstellhallen die heutigen Normen. Einzelne weisen weniger als 50 % des von den heutigen Normen geforderten Tragwiderstands auf. Bei der Ermittlung der Erdbebensicherheit von Gebäuden sind gar Erfüllungsgrade von unter 10 % nicht selten. Das durchschnittliche Wohnhaus liegt im Bereich zwischen 30 und 50 % des Erfüllungsgrades.1 Bei Neubauten werden wirtschaftliche Aspekte stark in Betracht gezogen. Nebst der sinnvollen Suche nach günstigen Lösungen sind leider auch «Optimierungsmassnahmen» häufig, die die Sicherheit stark vermindern können. Wenn sich Ingenieure zu einer um einige Franken günstigeren Durchstanzlösung drängen lassen, kann der Bauherrschaft durch die reduzierte Robustheit ein erheblich höheres Risiko entstehen. Bei der Erhaltung solcher Bauwerke wird dann deutlich, dass durch Zusatzinvestitionen von wenigen hundert Franken beim Neubau spätere Sanierungskosten von mehreren hunderttausend Franken hätten vermieden werden können. Solche kurzsichtigen Fehlentscheide müssen in Zukunft weitsichtigeren Lebenszyklusbetrachtungen weichen.

Sicherheitsorientiertes Portfoliomanagement

Institutionelle Bauherren sehen sich angesichts veränderter Randbedingungen und begrenzter Unterhaltsbudgets grossen Herausforderungen im Portfoliomanagement gegenüber. Gängig sind etwa periodische Arbeiten an Gebäudehülle und Haustechnik oder Abdichtungsarbeiten und Korrosionsbehandlungen. Als Folge von neueren Erkenntnissen, die erst teilweise in die aktuellen Tragwerksnormen eingeflossen sind, müssen auch statische Gesichtspunkte vermehrt berücksichtigt werden. Daher suchen institutionelle Eigentümer nach Möglichkeiten, bereits in einem früheren Untersuchungsstadium unnötige Investitionen zu vermeiden und die verfügbaren Mittel gezielt auf besonders risikobehaftete Objekte im Portfolio zu lenken. Aufgeschlossene Eigentümer führen bereits heute Triagelisten, auf denen die Objekte nach statischem Risikopotenzial sortiert sind. Solche Listen können mit Aufwendungen von wenigen hundert Franken pro Objekt erstellt werden und helfen bei der sicherheitsorientierten Investitionsplanung.

Die jüngsten Ereignisse in Neuseeland und Japan weisen darauf hin, dass sich Art und Ausmass gesellschaftlich akzeptierter Risiken und die zur Gewährleistung der geforderten Sicherheit nötigen Vorkehrungen verändern können. Wissenschafter und Ingenieure sind gefragt, aufgrund von rationalen Sicherheitsüberlegungen zur Sicherheit beizutragen. Eigentümer und letztlich die Gesellschaft tragen die von Bauwerken ausgehenden Risiken. Diese Verantwortung sollte sich vermehrt auch in der guten Ausbildung und sorgfältigen Auswahl geeigneter Planer und in sicherheitsorientiertem Portfoliomanagement niederschlagen. Nur mit gemeinsamen, vorbehaltlosen Anstrengungen können Risiken soweit möglich reduziert werden.

TEC21, Fr., 2011.04.08



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2011|15 Normiert und präzisiert

Presseschau 12

27. Januar 2012Roland Bärtschi
TEC21

Tiefgaragen überprüfen

Tiefgaragen sind oft unattraktive Orte. Die Unübersichtlichkeit mancher Anlagen und die beschränkte Anzahl Fluchtwege fördern die Angst vor unangenehmen Begegnungen. Oft wird diese noch durch den schlechten Zustand der Oberflächen verstärkt, denn Garagen altern wegen der Belastung durch Abgase, Öl und Salzwasser rasch. Letzteres kann auch die Tragkonstruktion angreifen und die Tragsicherheit vermindern. Regelmässige Zustandserfassungen sind deshalb angezeigt. Ein Bauingenieur, der bereits über 350 Tiefgaragen in der Schweiz überprüft hat, spricht von seinen Erfahrungen.

Tiefgaragen sind oft unattraktive Orte. Die Unübersichtlichkeit mancher Anlagen und die beschränkte Anzahl Fluchtwege fördern die Angst vor unangenehmen Begegnungen. Oft wird diese noch durch den schlechten Zustand der Oberflächen verstärkt, denn Garagen altern wegen der Belastung durch Abgase, Öl und Salzwasser rasch. Letzteres kann auch die Tragkonstruktion angreifen und die Tragsicherheit vermindern. Regelmässige Zustandserfassungen sind deshalb angezeigt. Ein Bauingenieur, der bereits über 350 Tiefgaragen in der Schweiz überprüft hat, spricht von seinen Erfahrungen.

Tiefgaragen gehören zu den Bauwerken, bei denen mit der Zeit am ehesten Tragsicherheitsprobleme auftreten können. Sie sind über Jahrzehnte sehr aggressiven chemischen Bedingungen ausgesetzt und tragen zum Teil weit höhere Lasten als vorgesehen (vgl. «Böse Überraschung», S. 26). Eine sofortige flächendeckende Überprüfung oder Instandsetzung aller gegen 100 000 in der Schweiz bestehenden Einstellhallen und Parkhäuser wäre aber unverhältnismässig. Sinnvoller ist es, möglichst viele in mehrstufigen Verfahren so weit zu überprüfen, bis entweder die Schwachstellen behoben sind oder Entwarnung gegeben werden kann. Viele verantwortungsvolle Eigentümer führen deshalb ein nach Dringlichkeit sortiertes Inventar, das dazu dient, die vorhandenen Unterhaltsbudgets gezielt auf die Objekte mit grösstem Risiko zu lenken.

Einflüsse eruieren und Diagnose stellen

Um mit angemessenem Aufwand eine aussagekräftige Diagnose stellen zu können, brauchen Ingenieure und Ingenieurinnen vertiefte Kenntnisse über Konstruktionsweisen von Bauwerken – insbesondere über solche, die früher gängig waren und heute nicht mehr eingesetzt werden. Grundsätzlich lassen sich die Ursachen für eine ungenügende Tragsicherheit auf drei in der Praxis meist kombinierte Einflüsse zurückführen: erhöhte Einwirkungen, reduzierte Tragwiderstände und Tragsicherheitsdefizite seit Betriebsbeginn («Geburtsfehler»). Zu hohe Einwirkungen entstehen beispielsweise, wenn bereits beim Neubau mehr Erde auf die Decke aufgebracht wird als vorgesehen – entweder flächig, wie es bei der Tiefgarage in Gretzenbach der Fall war, oder mit Spielhügeln. Auch bei späteren Umgebungs- und Gartenarbeiten wurde und wird die Erdauflast oft unzulässig erhöht.

Der häufigste Grund für einen reduzierten Tragwiderstand bei Stahlbetonbauteilen ist die Korrosion. Sie entsteht dort, wo Bauteile vorübergehend mit Wasser in Kontakt kommen, insbesondere wenn das Wasser wegen Tausalzen chloridhaltig ist. Besonders anfällig für Korrosionsschäden sind Stahlbetondecken unter Park- und Verkehrsflächen sowie Zwischendecken und Zufahrtsrampen von Tiefgaragen (vgl. «Kathodisch Schützen», S. 28). Gerade bei Decken und Unterzügen führen Korrosionsschäden oft zu teilweise gravierenden Sicherheitsdefiziten, da dort die Bewehrung statisch erforderlich ist; bei Bodenplatten, Wänden und Stützenfüssen hingegen sind sie selten kritisch, da hier die Bewehrung im korrosionsgefährdeten Bereich meist nur konstruktiv zur Risssicherung eingelegt wurde.

Zu den klassischen «Geburtsfehlern» von Tiefgaragen gehört die mangelhafte Durchstanzsicherheit von Flachdecken. Es droht die Gefahr, dass die Decke plötzlich mit einem Sprödbruch zwischen den Stützen herunterfällt. Die unzureichenden Sicherheiten sind meist nicht auf Fehler zurückzuführen. Im Gegenteil, die Erfahrung zeigt, dass Tiefgaragen üblicherweise gut nach den damaligen Regeln der Baukunde geplant und ausgeführt worden sind. Vielmehr basierten die während des Baus aktuellen und gültigen Bemessungsmodelle auf zu optimistischen Annahmen. Diese wurden seither aufgrund neuer Erkenntnisse angepasst und sind in den gegenwärtig gültigen Normen deutlich vorsichtiger.

Normenwahl im Brandschutz

Die Tragsicherheit von Bauwerken ist nicht nur im Kaltzustand, sondern auch im Brandfall sicherzustellen. Die meisten vor 1990 erbauten Einstellhallen und Parkhäuser erfüllen die Brandschutzanforderung der SIA-Norm 262 (2003) bezüglich Bewehrungsüberdeckung nicht. Diese ist allerdings für Neubauten geschrieben und auf bestehende Tragwerke nur beschränkt anwendbar. In der Norm SIA 269 fehlen weitere Angaben zum baulichen Brandschutz. Nach den Brandschutzvorschriften der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (VKF) darf der Nachweis des baulichen Brandschutzes – vor allem von bestehenden Bauwerken – nach der deutschen DIN-Norm 4102-4 (1994) erfolgen. Diese nimmt anders als die SIA-Norm 262 keine Rücksicht auf die für die Dauerhaftigkeit bei Neubauten ohnehin erforderlichen Berwehrungsüberdeckungen und begnügt sich mit zum Teil deutlich geringeren Massen. Eingeschossige, erdüberdeckte Hallen mit Feuerwiderstandsanforderung R30 erfüllen diese Norm praktisch immer, und mehrgeschossige, überbaute Tiefgaragen mit R60 meistens. Allein die Wahl der anwendbaren Norm spielt also für die Entscheidung, ob eine Instandsetzung bezüglich Brandschutz erforderlich ist oder nicht, eine wesentliche Rolle. Viele der in den letzten Jahren ausgeführten Massnahmen zur Verbesserung des baulichen Brandschutzes wären bei Anwendung der DIN 4102-4 nicht nötig gewesen.

Die Personensicherheit im Brandfall kann meist mit geringem Aufwand gesteigert werden. Visuell kontrolliert werden Signalisation, Beleuchtung sowie Durchgängigkeit von Fluchtwegen, ferner wird geprüft, ob Brandlasten vorhanden sind und ob Entrauchung, Be- und Entlüftung funktionieren. Diese Untersuchungen ersetzen aber nicht die feuerpolizeilichen Kontrollen.

Schritt für Schritt zum sicheren Bauwerk

Bei der Überprüfung von Bauwerken werden in einem ersten Schritt die vermutlich massgebenden Probleme ermittelt. Die datenbankbasierte Auswertung von Bauwerksdaten, mit Bayes’schen Netzen aus der Wahrscheinlichkeitsrechnung, erlaubt dabei eine differenzierte und rationale Risikobeurteilung. In einem zweiten Schritt werden Objekte in der Reihenfolge ihrer Dringlichkeit detailliert auf ihren Zustand hin untersucht, und in einem dritten Schritt wo nötig Konzepte für Massnahmen entwickelt sowie deren Ausführung geplant und umgesetzt. Dabei stehen Sofortmassnahmen zur Erhöhung der Personensicherheit wie Fluchtwege räumen, unzulässige Brandlasten entfernen und Schliesszylinder durch Panikschlösser ersetzen sowie und kurzfristig umsetzbare Massnahmen wie die Reparatur und Ergänzung von Beleuchtung und Signalisationen im Vordergrund. Erst dann wird ein Konzept zur Erhöhung der baulichen Sicherheit entwickelt – unter Berücksichtigung aller relevanten Punkte wie Tragwiderstand, Dauerhaftigkeit, Brandschutz, Gebrauchstauglichkeit und Kosten. Bauwerke sind erst dann sicher, wenn Tragsicherheitsprobleme in jedem Fall vermieden werden und die Flucht von Personen bei aussergewöhnlichen Ereignissen sichergestellt ist. Bestehende Bauten sind dafür auch mit der nötigen Sorgfalt zu pflegen.

TEC21, Fr., 2012.01.27



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TEC21 2012|5-6 Verkehr in die Tiefe

08. April 2011Roland Bärtschi
TEC21

Investition in Sicherheit

Gefühlte und objektive Sicherheit liegen oft weit auseinander. Auch im Bauwesen sollte die objektive Sicherheit so hoch wie vernünftigerweise möglich sein. Risiken sind dabei auf ein gesellschaftlich akzeptiertes Mass zu beschränken, unsinnig riskante Sparübungen hingegen zu vermeiden.

Gefühlte und objektive Sicherheit liegen oft weit auseinander. Auch im Bauwesen sollte die objektive Sicherheit so hoch wie vernünftigerweise möglich sein. Risiken sind dabei auf ein gesellschaftlich akzeptiertes Mass zu beschränken, unsinnig riskante Sparübungen hingegen zu vermeiden.

Menschen streben meist möglichst viel Sicherheit an. Dabei wird jedoch nicht unbedingt die wissenschaftlich fundierte, objektive Sicherheit, sondern die emotional gewichtete Sicherheit beachtet. So haben viele Menschen im Flugzeug Angst, fühlen sich aber hinter dem Steuer sicher. Objektiv gesehen müsste es umgekehrt sein. Subjektive und objektive Sicherheit können also sehr stark voneinander abweichen. Unsere Bauwerke beispielsweise sind sehr sicher, aber nicht absolut sicher. Absolute Sicherheit gibt es nicht. Mit steigendem Aufwand können Risiken zwar reduziert, aber nie ganz eliminiert werden. Wie hoch das Sicherheitsbedürfnis in einer Gesellschaft ist, hängt stark von den kulturellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ab. Zwar ist ein Menschenleben in unserer Kultur unermesslich viel Wert, aber es stehen nicht unbegrenzte Mittel bereit, um Menschenleben zu schützen. Die heutigen Normen bieten einfache Regeln, die das von Bauwerken ausgehende Risiko auf ein gesellschaftlich akzeptables Mass beschränken sollen. Dabei sind aber grosse Unterschiede in den verschiedenen Aspekten von Bauwerken festzustellen. So werden Risiken, die von Elektroinstallationen ausgehen, ganz anders bewertet als Risiken infolge von Brand oder statische Risiken.

Bei den klassischen Tragwerksnormen werden die Einwirkungen mit Lastfaktoren versehen und die Tragwiderstände mit Widerstandsbeiwerten abgemindert. Mit erhöhten Lasten und reduzierten Widerständen wird dann der Nachweis geführt, der eindeutig zeigt, dass «es hält» oder eben nicht. In vielen Fällen, insbesondere bei der Erhaltung von Bauwerken, ist diese Methode aber kaum brauchbar. Hier empfiehlt es sich, die vorhandene Sicherheit mit der durch die Normen geforderten zu vergleichen und daraus abzuschätzen, wie dringend eine Massnahme ist. Der SIA hat mit dem Merkblatt SIA 2018 eine solche Risikoabschätzung für die Erdbebensicherheit bestehender Bauwerke dokumentiert. Hierzu wurde auf Grundlage von Artikel 58 des Obligationenrechts die Verhältnismässigkeit von Massnahmen zur Verbesserung der Erdbebensicherheit beurteilt. Als Kriterium wurde die auch beim Bau der Zürcher S-Bahn angewandte Regel verwendet, wonach eine Massnahme ergriffen werden soll, falls pro 10 Mio. Franken Investition statistisch gesehen mindestens ein Menschenleben gerettet werden kann. Heute bieten spezialisierte Ingenieurbüros auch für weitere Themenbereiche ein «Risk Based Design» an, bei dem probabilistische statt klassischer Nachweise geführt werden.

Unsichere Bauwerke?

Bei statischen Bewertungen von bestehenden Bauwerken zeigt sich oft, dass ein beträchtlicher Anteil nicht die Normsicherheiten aufweist. So erfüllen z. B. nur etwa 1⁄3 der untersuchten Einstellhallen die heutigen Normen. Einzelne weisen weniger als 50 % des von den heutigen Normen geforderten Tragwiderstands auf. Bei der Ermittlung der Erdbebensicherheit von Gebäuden sind gar Erfüllungsgrade von unter 10 % nicht selten. Das durchschnittliche Wohnhaus liegt im Bereich zwischen 30 und 50 % des Erfüllungsgrades.1 Bei Neubauten werden wirtschaftliche Aspekte stark in Betracht gezogen. Nebst der sinnvollen Suche nach günstigen Lösungen sind leider auch «Optimierungsmassnahmen» häufig, die die Sicherheit stark vermindern können. Wenn sich Ingenieure zu einer um einige Franken günstigeren Durchstanzlösung drängen lassen, kann der Bauherrschaft durch die reduzierte Robustheit ein erheblich höheres Risiko entstehen. Bei der Erhaltung solcher Bauwerke wird dann deutlich, dass durch Zusatzinvestitionen von wenigen hundert Franken beim Neubau spätere Sanierungskosten von mehreren hunderttausend Franken hätten vermieden werden können. Solche kurzsichtigen Fehlentscheide müssen in Zukunft weitsichtigeren Lebenszyklusbetrachtungen weichen.

Sicherheitsorientiertes Portfoliomanagement

Institutionelle Bauherren sehen sich angesichts veränderter Randbedingungen und begrenzter Unterhaltsbudgets grossen Herausforderungen im Portfoliomanagement gegenüber. Gängig sind etwa periodische Arbeiten an Gebäudehülle und Haustechnik oder Abdichtungsarbeiten und Korrosionsbehandlungen. Als Folge von neueren Erkenntnissen, die erst teilweise in die aktuellen Tragwerksnormen eingeflossen sind, müssen auch statische Gesichtspunkte vermehrt berücksichtigt werden. Daher suchen institutionelle Eigentümer nach Möglichkeiten, bereits in einem früheren Untersuchungsstadium unnötige Investitionen zu vermeiden und die verfügbaren Mittel gezielt auf besonders risikobehaftete Objekte im Portfolio zu lenken. Aufgeschlossene Eigentümer führen bereits heute Triagelisten, auf denen die Objekte nach statischem Risikopotenzial sortiert sind. Solche Listen können mit Aufwendungen von wenigen hundert Franken pro Objekt erstellt werden und helfen bei der sicherheitsorientierten Investitionsplanung.

Die jüngsten Ereignisse in Neuseeland und Japan weisen darauf hin, dass sich Art und Ausmass gesellschaftlich akzeptierter Risiken und die zur Gewährleistung der geforderten Sicherheit nötigen Vorkehrungen verändern können. Wissenschafter und Ingenieure sind gefragt, aufgrund von rationalen Sicherheitsüberlegungen zur Sicherheit beizutragen. Eigentümer und letztlich die Gesellschaft tragen die von Bauwerken ausgehenden Risiken. Diese Verantwortung sollte sich vermehrt auch in der guten Ausbildung und sorgfältigen Auswahl geeigneter Planer und in sicherheitsorientiertem Portfoliomanagement niederschlagen. Nur mit gemeinsamen, vorbehaltlosen Anstrengungen können Risiken soweit möglich reduziert werden.

TEC21, Fr., 2011.04.08



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