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02. September 2025newroom

Breathe Earth Collective – Natürlich kühlen

Karlheinz Boiger ist Architekt, Partner bei Hohensinn Architektur und Teil des interdisziplinären Breathe Earth Collective, das 2015 den österreichischen Pavillon auf der Expo in Mailand gestaltete. Im Mittelpunkt stand die Klimaleistung des Waldes. Um diese für die Besucher:innen spürbar zu machen, konnte man in dem Expo-Pavillon durch einen echten Wald flanieren.
Es folgten kleinere Pavillons, die das Kollektiv für die Österreich Werbung entwickelte: der Klima Kultur Pavillon für das Kulturjahr in Graz 2020 und kürzlich für Sankt Pölten eine Brunnenskulptur, der sogenannte Windfänger. Im Mittelpunkt seiner Bemühungen steht immer das Interesse, den Hitzeinseln in der Stadt und damit auch dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen. Karlheinz Boiger erzählt im Gespräch, warum ihn die Klimaleistung des Waldes so fasziniert und wie das Kollektiv eine neue Klimakultur formen und dazu Menschen zum Gespräch und Informationsaustausch zusammenbringen will.
Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

Karlheinz Boiger ist Architekt, Partner bei Hohensinn Architektur und Teil des interdisziplinären Breathe Earth Collective, das 2015 den österreichischen Pavillon auf der Expo in Mailand gestaltete. Im Mittelpunkt stand die Klimaleistung des Waldes. Um diese für die Besucher:innen spürbar zu machen, konnte man in dem Expo-Pavillon durch einen echten Wald flanieren.
Es folgten kleinere Pavillons, die das Kollektiv für die Österreich Werbung entwickelte: der Klima Kultur Pavillon für das Kulturjahr in Graz 2020 und kürzlich für Sankt Pölten eine Brunnenskulptur, der sogenannte Windfänger. Im Mittelpunkt seiner Bemühungen steht immer das Interesse, den Hitzeinseln in der Stadt und damit auch dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen. Karlheinz Boiger erzählt im Gespräch, warum ihn die Klimaleistung des Waldes so fasziniert und wie das Kollektiv eine neue Klimakultur formen und dazu Menschen zum Gespräch und Informationsaustausch zusammenbringen will.
Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

„Wir vom Breathe Earth Collective haben uns an der TU Graz am Institut für Architektur und Landschaft kennengelernt, wo wir als Lehrbeauftragte gearbeitet haben. Wir waren mit den Studierenden in Istanbul, im Belgrader Wald. Das große Waldgebiet nordöstlich von Istanbul ist die grüne Lunge der Stadt und versorgt sie mit kühler Luft und Wasser. Diese riesige natürliche Ressource der Stadt hat uns fasziniert. Gemeinsam haben wir dann bei der Ausschreibung für den Expo-Pavillon in Mailand mitgemacht. Wir wollten diese Leistung des Waldes in den Mittelpunkt unseres Pavillons stellen und die Architektur mit der Natur verknüpfen. Mit dem Konzept haben wir den Wettbewerb gewonnen. So ist das Breathe Earth Collective entstanden.

Im Zentrum des Expo-Pavillons stand ein echter, lebender Wald. Wir haben ihn technisch unterstützt, mit Sprühnebel angeregt und konnten damit einen Temperaturunterschied von 6 bis 10 Grad gegenüber der Außentemperatur erzeugen. Wir waren selbst erstaunt, dass es so gut funktioniert hat. Das war dann auch der ausschlaggebende Punkt, warum wir als Kollektiv weitermachen wollten.
Wir haben im Auftrag der Österreich Werbung mobile Pavillons entwickelt. Das Airship 01 – eine von uns designte Struktur mit einem kleinen Wald im Inneren – wurde in Padua, Mailand und Rom aufgestellt. Vor zehn Jahren wurde der Heat-Island-Effekt noch nicht so breit diskutiert wie heute. Inzwischen spüren wir tagtäglich, dass die Überhitzung in den Städten zu einem großen Problem geworden ist. Wir aber wollten schon damals darauf aufmerksam machen.

Den Begriff der Klimakultur haben wir das erste Mal im Kulturjahr 2020 in Graz verwendet, als wir auf dem Freiheitsplatz den Klima Kultur Pavillon aufgestellt haben. Wir brauchen eine neue Kultur, um mit dem Thema Klima und Klimawandel anders umzugehen. Viele Leute erkennen, dass wir ein großes Problem mit unserem Klima haben, wissen aber nicht, was sie tun sollen. Das Thema ist so global und komplex, dass man sich als einzelner Mensch schwertut, irgendwas zu tun. Wir wollen eine Plattform schaffen, auf der wir über die Themen diskutieren, uns austauschen und gemeinsam Lösungsansätze generieren. Letztlich sind unsere Pavillons ja Versuche, so etwas zu tun. Wir sind nicht nur ein Thinktank, sondern auch ein Dotank. Wir versuchen, dort etwas umzusetzen, wo andere – und das kritisieren wir auch immer ein bisschen – viele Tonnen Papier produzieren. Wir haben nicht mehr 20 Jahre Zeit, Papier zu produzieren, wir müssen ins Tun kommen.
Letztlich sind die Stadt oder die urbanen Ballungsräume die großen Impact-Flächen, wo viel Überhitzung produziert wird. Der öffentliche Raum wird leider nach wie vor zu mehr als 80 Prozent für den ruhenden Verkehr verwendet. Das können wir ändern. Der öffentliche Raum gehört uns allen. Das ist die Fläche, die wir verwenden können, um das Stadtklima zu drehen.“

Karlheinz Boiger ist Architekt und CEO von Hohensinn Architektur. Boiger verbindet klassische Architektur mit innovativen, ökologischen Ansätzen – sichtbar in seiner Mitgründung des interdisziplinären Breathe Earth Collective und dessen internationalen Präsentationen wie in Montreal und Mailand. Für die dortige Expo konzipierte und gestaltete das Breathe Earth Collective 2015 den österreichischen Pavillon.
Es folgten einige kleinere Pavillons für die Österreich Werbung und der Klima Kultur Pavillon in Graz im Kulturjahr 2020.
Zuletzt baute das Breathe Earth Collective gemeinsam mit Hohensinn Architektur in Graz-Reininghaus die unter Denkmalschutz stehende Tennenmälzerei für eine temporäre Nutzung um und verwendete dabei Re-Use-Materialien.
Zum Breath Earth Collective gehören Karlheinz Boiger,  Lisa Maria Enzenhofer, Markus Jeschaunig, Andreas Goritschnig und Bernhard König.

05. August 2025newroom

AbbrechenAbbrechen – Umbau statt Abriss

Das Strafjustizzentrum in München ist ein brutalistisches Gebäude-Ensemble aus den 1970er-Jahren. Seit bekannt wurde, dass die Strafjustiz 2026 von ihrem jetzigen Standort an der Nymphenburger Straße in einen Neubau umziehen wird, herrscht Unklarheit über die Zukunft des bestehenden Gebäudes – auch ein Abriss steht im Raum. Als Reaktion auf diese Pläne formierte sich im Oktober 2022 die Initiative JustizzentrumErhalten/AbbrechenAbbrechen. Ihr zentrales Anliegen ist der Erhalt des Bestandsbaus. In einem offenen Diskussionsprozess will sie alternative Nutzungsmöglichkeiten aufzeigen und eine breitere Debatte anstoßen. Jan Fries und Laura Höpfner, Aktivist:innen der Initiative, erklären im Gespräch, warum man anhand des Strafjustizzentrums viele Themen rund um die Bauwende aushandeln kann, warum für den Erhalt solcher Gebäude breite Allianzen gefunden werden müssen und welchen Zweck Kartierungsspaziergänge in diesem Kontext haben. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

Das Strafjustizzentrum in München ist ein brutalistisches Gebäude-Ensemble aus den 1970er-Jahren. Seit bekannt wurde, dass die Strafjustiz 2026 von ihrem jetzigen Standort an der Nymphenburger Straße in einen Neubau umziehen wird, herrscht Unklarheit über die Zukunft des bestehenden Gebäudes – auch ein Abriss steht im Raum. Als Reaktion auf diese Pläne formierte sich im Oktober 2022 die Initiative JustizzentrumErhalten/AbbrechenAbbrechen. Ihr zentrales Anliegen ist der Erhalt des Bestandsbaus. In einem offenen Diskussionsprozess will sie alternative Nutzungsmöglichkeiten aufzeigen und eine breitere Debatte anstoßen. Jan Fries und Laura Höpfner, Aktivist:innen der Initiative, erklären im Gespräch, warum man anhand des Strafjustizzentrums viele Themen rund um die Bauwende aushandeln kann, warum für den Erhalt solcher Gebäude breite Allianzen gefunden werden müssen und welchen Zweck Kartierungsspaziergänge in diesem Kontext haben. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

„Als Reaktion auf einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung Ende 2022 hat sich die Initiative AbbrechenAbbrechen gegründet. In dem Artikel hieß es, dass das Strafjustizzentrum aus dem Gebäudeensemble ausziehen soll und die Zukunft des Bestands unklar ist. Ein Abriss schien wahrscheinlich. Wir wollen einen Abriss verhindern und in einem offenen Prozess eine gemeinwohlorientierte Nutzung des Gebäudes verhandeln. In unserem Positionspapier stehen drei Kernforderungen: Erstens soll es keinen Abriss geben, sondern einen Umbau. Zweitens soll hier ein „offenes Haus“ entstehen, was wir als Chiffre für eine gemeinwohlorientierte Nutzung verstehen. Und drittens fordern wir einen offenen Prozess. Die Bauwende ist ein fundamentales Thema und unumgänglich. Wir müssen neu verhandeln, wie wir mit unseren Gebäuden umgehen wollen.
Weil niemand anders sich für diesen Aushandlungsprozess zuständig fühlte, haben wir damit begonnen. Im Endeffekt aber ist es eine Angelegenheit der Stadtgesellschaft von München. Jede Person, die betroffen ist und sich angesprochen fühlt, sollte dabei mitsprechen dürfen. Das beginnt beim unmittelbar umgebenden Viertel, dem St.-Benno-Viertel, und geht dann in konzentrischen Kreisen weiter über die angrenzende Innenstadt, die ganze Stadt und darüber hinaus.

Konkret geht es uns um die Ideenfindung und die Bedarfsermittlung für das Objekt. Wir haben versucht, die Bedürfnisse und Wünsche mit Workshops, Infoveranstaltungen mit Bürger*innen und einem Open Call, also einem offenen Ideenwettbewerb für die Nachnutzung des Gebäudes, zu ermitteln. Auf den Open Call bekamen wir über 100 sehr vielseitige Einreichungen. Dadurch sind ganz verschiedene Bilder und Visionen für dieses Gebäude entstanden. Diese Vielfalt müsste auch im weiteren Prozess aufgegriffen werden.
Wir haben von verschiedenen Stellen gespiegelt bekommen, dass es zwischen dem zuständigen Ministerium und weiteren Stellen Gespräche gab und dass der Beschluss vom bayerischen Ministerrat, eine Machbarkeitsstudie zu machen, schon mal ein Erfolg für unsere Initiative ist. Uns geht es im Allgemeinen um eine Diskursverschiebung. Grundsätzlich muss man raus aus der Fachbubble und mit den Menschen reden, die betroffen sind oder betroffen sein könnten. Man muss breite Allianzen schließen. Die Dondorf-Druckerei in Frankfurt am Main ist ein Erfolgsbeispiel. Sie haben es wirklich geschafft, dass das Gebäude nun erhalten und umgenutzt wird. Menschen aus dem linken Spektrum haben mit Bürger*innen aus einem eher konservativen Bereich zusammengefunden und waren mithilfe ganz unterschiedlicher Taktiken, die den jeweiligen Milieus eigen sind, erfolgreich. Bei uns hingegen ist die Zukunft des Münchner Justizzentrums noch ungewiss.

Darüber hinaus versuchen wir, eine bestandsorientierte Bauwende mit verschiedenen Formaten allgemein zu platzieren. Ein gutes Werkzeug, um Raumpotenziale in der Stadt sichtbar zu machen, ist zum Beispiel das gemeinschaftliche Kartieren. Wir haben in Zusammenarbeit mit der Hans Sauer Stiftung in zwei Stadtteilen von München Kartierungsspaziergänge veranstaltet. Dabei werden gemeinschaftlich mit der Stadtbevölkerung Leerstand und Brachen erfasst. Diese Orte oder Räume werden dann gemeinschaftlich neu gedacht: Was kann dort in Zukunft passieren? Wie könnte man mit dem Bestand umgehen? Welche Bedarfe gibt es aus der lokalen Bevölkerung? Da sind spannende Ideen zustande gekommen.
Die dominante Erzählung bei uns in der Bundesrepublik ist noch immer: „Bauen hilft“. Vor diesem Hintergrund sind Kartierungsspaziergänge ein Weg, um Druck von unten aufzubauen, die Potenziale im Bestand zu nutzen. Abriss und Leerstand sind oft ein Symptom von Immobilienspekulation, also dem Priorisieren des Profits Einzelner vor den Interessen der Stadtgesellschaft
Wir sehen einen Mehrwert darin, wenn Bürger:innen verstehen, dass es auch jetzt schon im Viertel Platz für ihre Bedürfnisse gibt. Nur wird der Raum noch nicht richtig und gemeinwohlorientiert genutzt.“


Das Justizzentrum München wird in absehbarer Zeit von seinem jetzigen Standort an der Nymphenburger Straße in einen Neubau am nördlich gelegenen Leonrodplatz umziehen. Über die Zukunft des bestehenden Ensembles aus dem Jahr 1977 herrscht Unklarheit – ein Abriss steht im Raum. Als Reaktion auf diese Pläne formierte sich im Oktober 2022 die Initiative AbbrechenAbbrechen. Ihr zentrales Anliegen ist der Erhalt des Bestandsbaus. In einem offenen Diskussionsprozess will sie alternative Nutzungsmöglichkeiten aufzeigen und eine breitere Debatte anstoßen. Der Eigentümer, der Freistaat Bayern, prüft derzeit, ob „maximal viel bezahlbarer Wohnraum“ entweder durch einen Umbau oder im Rahmen eines Neubaus realisiert werden kann.

Jan Fries ist Urbanist, Regionalplaner, GIS-Spezialist und Mitinitiator von AbbrechenAbbrechen. Er ist zurzeit bei der Regierung von Oberbayern als Landes- und Regionalplaner tätig.

Laura Maria Höpfner ist Architektin und Stadtgestalterin und neben ihrer selbstständigen Tätigkeit bei der Landeshauptstadt München als Projektkoordinatorin für die IBA „Räume der Mobilität“ zuständig. Sie ist zudem aktiv bei AbbrechenAbbrechen.

01. Juli 2025newroom

Robert Temel – Die Lösung liegt in guter Baukultur

Die Plattform Baukulturpolitik wurde 2002 gegründet mit dem Ziel, die Rahmenbedingungen für Baukultur zu verbessern. In den ersten Jahren wurden ein Beirat für Baukultur und der regelmäßige Baukulturreport erreicht. Heute bemüht sich die Plattform um die Einrichtung einer österreichischen Agentur für Baukultur und um ein jährliches Förderbudget zur Initiierung und Unterstützung von Baukulturprojekten in Städten und Gemeinden. Robert Temel, der gemeinsam mit Caren Ohrhallinger und Rupert Halbartschlager Sprecher der Plattform Baukulturpolitik ist, erzählt hier, warum diese Baukulturförderung sich am Vorbild der deutschen Städtebauförderung orientiert und warum sie so wichtig wäre für die weitere Entwicklung von Österreichs Städten und Gemeinden.

Die Plattform Baukulturpolitik wurde 2002 gegründet mit dem Ziel, die Rahmenbedingungen für Baukultur zu verbessern. In den ersten Jahren wurden ein Beirat für Baukultur und der regelmäßige Baukulturreport erreicht. Heute bemüht sich die Plattform um die Einrichtung einer österreichischen Agentur für Baukultur und um ein jährliches Förderbudget zur Initiierung und Unterstützung von Baukulturprojekten in Städten und Gemeinden. Robert Temel, der gemeinsam mit Caren Ohrhallinger und Rupert Halbartschlager Sprecher der Plattform Baukulturpolitik ist, erzählt hier, warum diese Baukulturförderung sich am Vorbild der deutschen Städtebauförderung orientiert und warum sie so wichtig wäre für die weitere Entwicklung von Österreichs Städten und Gemeinden.

„Die Plattform Baukulturpolitik gibt es seit mehr als 20 Jahren. Am Beginn brachten Barbara Feller, Roland Gruber und Volker Dienst verschiedene relevante Institutionen zusammen mit dem Ziel, die Rahmenbedingungen für Baukultur zu verbessern, insbesondere auf bundespolitischer Ebene. 2004 wurde dann im Nationalrat beschlossen, einen Beirat für Baukultur einzurichten und alle fünf Jahre Baukulturreports über den Stand der Baukultur in Österreich zu verfassen. Heute sind wir ein Verein mit an die 40 institutionellen Mitgliedern. Caren Ohrhallinger, Rupert Halbschlager und ich sind die Sprecher*innen.
Das Ziel der Plattform ist, die politischen Rahmenbedingungen für Baukultur zu verbessern. Die Grundidee war schon von Beginn an, dass öffentliche Mittel fürs Bauen an Qualitätskriterien gebunden sein sollen. Da das schwierig umzusetzen ist, sind wir in den letzten Jahren bei einer spezifischen Forderung gelandet: Es braucht in Österreich ein Baukulturförderprogramm für Städte und Gemeinden nach dem Vorbild der deutschen Städtebauförderung. Den Begriff Städtebauförderung finde ich in Österreich schwierig, weil die österreichischen Gemeinden sehr kleinteilig strukturiert sind und viele sich vom Begriff ‚Städtebau‘ nicht angesprochen fühlen. Deswegen sprechen wir von einer Baukulturförderung für Städte und Gemeinden. Die Idee ist, dass es vom Bund in Kooperation mit den Ländern Geld gibt, das direkt in die Gemeinden fließt und dort für hochqualitative Planung und Umsetzungsprozesse ausgegeben wird: für eine Neugestaltung des Ortskerns, für die Umplanung des öffentlichen Raums, für Verkehrsberuhigung, für zentral gelegenes Wohnen und so weiter. Es gibt bereits hervorragende Beispiele in Österreich, aber leider zu wenige, weil es wirklich schwierig ist, solche Projekte umzusetzen.
Elias Molitschnig, heute Leiter der Abteilung Architektur, Baukultur und Denkmalschutz im Bundesministerium Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport, hat jahrelang in Kärnten die Gemeinden bei der Umsetzung solcher Projekte unterstützt. Fährt man in die Gemeinden und fragt nach, wie sie entstanden sind, kommt man darauf, dass für ein Miniprojekt, das vielleicht zwei Millionen Euro gekostet hat, zehn verschiedene Förderprogramme notwendig waren. Eine Gemeinde mit ein paar tausend Einwohnern hat aber nicht die Strukturen, um so etwas zu organisieren. Es gibt so wenige gute Projekte, nicht weil die Leute kein Verständnis für Baukultur haben, sondern weil sie den Aufwand nicht tragen können. So eine Förderung, das sieht man auch bei der deutschen Städtebauförderung, finanziert sich quasi von selbst. Es gibt Untersuchungen über die Wirksamkeit der Städtebauförderung in Deutschland, die zeigen, dass ein Euro Städtebauförderung sieben weitere Euro Investitionen hervorruft. Das kommt vor allem der regionalen Wertschöpfung zugute. Kein anderes Förderprogramm ist so effektiv.
Die Plattform für Baukulturpolitik ist eine Plattform des Austauschs. Diese enge Kooperation, der laufende Austausch über all diese Themen, ist eine wesentliche Grundlage dafür, dass wir es schaffen werden, dieses Förderprogramm umzusetzen. Hier fallen diese Vorschläge auf fruchtbaren Boden und werden als sinnvoll wahrgenommen.“

Die Plattform Baukulturpolitik ist ein gemeinnütziger Verein, der jene Institutionen vereint, die sich in Österreich mit Architektur und Baukultur befassen und diesen Themen eine politische Dimension beimessen. Die Plattform hat es sich zum Ziel gesetzt, Bewusstsein für Baukultur speziell dort zu schaffen, wo Verantwortungsträger:innen weitreichende Beschlüsse fassen. Im Wesentlichen agieren die Mitglieder der Plattform in drei Wirkungskreisen: In der Architektur- & Baukulturvermittlung, in der Ausbildung, Lehre, Forschung und als Standesvertretungen und Interessengemeinschaften. Rupert Halbartschlager, Caren Ohrhallinger und Robert Temel sind derzeit die Sprecher*innen der Plattform Baukulturpolitik.

03. Juni 2025newroom

Mario Abl und Erich Biberich – Ortskerne stärken

Wenn Stadt- und Dorfzentren veröden, ist das ein schleichender Prozess, der schwer aufzuhalten ist. Längst sind es nicht mehr nur die Einkaufszentren an den Stadträndern, sondern auch der Onlinehandel, der zu Leerständen im Zentrum führt. Wer dem etwas entgegensetzen will, braucht einen langen Atem. Die Stadt Trofaiach in der Steiermark begann vor genau zehn Jahren, sich aktiv um die Belebung ihrer Stadtmitte zu kümmern, und schuf dafür eine eigene Stelle. Bürgermeister Mario Abl erzählt, warum die Gemeinde aktiv und als Vorbild vorangehen muss. Innenstadtkoordinator Erich Biberich, der den Prozess vom ersten Bürgerbeteiligungsprozess an begleitet, berichtet, wie er konkret gegen den Leerstand vorgeht. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

Wenn Stadt- und Dorfzentren veröden, ist das ein schleichender Prozess, der schwer aufzuhalten ist. Längst sind es nicht mehr nur die Einkaufszentren an den Stadträndern, sondern auch der Onlinehandel, der zu Leerständen im Zentrum führt. Wer dem etwas entgegensetzen will, braucht einen langen Atem. Die Stadt Trofaiach in der Steiermark begann vor genau zehn Jahren, sich aktiv um die Belebung ihrer Stadtmitte zu kümmern, und schuf dafür eine eigene Stelle. Bürgermeister Mario Abl erzählt, warum die Gemeinde aktiv und als Vorbild vorangehen muss. Innenstadtkoordinator Erich Biberich, der den Prozess vom ersten Bürgerbeteiligungsprozess an begleitet, berichtet, wie er konkret gegen den Leerstand vorgeht. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

Mario Abl, Bürgermeister von Trofaiach:
„Spätestens als die Banken und die Apotheke aus der ehemaligen Hauptstraße wegzogen, kehrte Tristesse ein. Es gab immer mehr Leerstände und uns war klar, dass wir dem in irgendeiner Form entgegenwirken müssen. Wir haben dann 2015, vor genau zehn Jahren, einen Bürgerbeteiligungsprozess gestartet. Rund 2.000 Menschen nahmen teil und brachten ihre Ideen ein. Das war der Start für den Veränderungsprozess.
Auch als Stadt haben wir in die Hauptstraße investiert: Wir haben eine alte Bank ankaufen können und dort unsere Musikschule angesiedelt. Wir haben den Trofaiach Tandler aufgemacht, einen neuen Busterminal errichtet und ein Jugendzentrum eröffnet. Und plötzlich haben die Leute gesagt: ‚Na ja, der Stadt ist das auch wichtig. Sie investieren selbst.‘ Dann gab es auch ein paar private Initiativen. Aber es funktioniert leider nicht immer alles. Man hat einen Erfolg und ein bisschen später sperrt doch wieder wer zu. Da muss man ständig dranbleiben. Auch die Rahmenbedienungen können sich plötzlich komplett verändern: erst die Pandemie, jetzt die schwierige Finanzsituation. Das spielt alles zusammen in so einem Entwicklungsprozess. Man muss nachjustieren und sich wieder etwas Neues überlegen. Und dazu braucht es eben auch jemanden, der das professionell tut, und das ist in unserem Fall Erich Biberich, unser Innenstadtkoordinator.“

Erich Biberich, Innenstadtkoordinator von Trofaiach:
„Die Bevölkerung wünschte sich eine Veränderung. Das war unbestritten. Sie wollte, dass sich das Stadtbild verändert, dass die beginnende Verwahrlosung aufhört. Der wichtigste Punkt war aber die Steigerung der Aufenthaltsqualität. Zuallererst haben wir eine Bestandserhebung gemacht. Zu Beginn ist der Leerstand ja nur ein Gefühl. Es ist leer, es ist schmutzig, es kümmert sich niemand mehr. Wir haben für das definierte Innenstadtgebiet den Katasterplan aus dem Bauamt ausgehoben und sind dann von Geschäft zu Geschäft, von Haus zu Haus gegangen, um uns zu informieren über den Zustand, die Größe, die Besitzverhältnisse, eventuelle Vorhaben und so weiter. Das Teuflische am Leerstand ist ja, dass er schleichend ist. Er fällt nicht auf, zumindest am Anfang nicht. Man sagt ja, ab 10 Prozent Leerstand beginnt er aufzufallen. Bei der Analyse der Geschäfte habe ich bemerkt, dass im Jahr nur ein Geschäft weggefallen ist. In zehn Jahren aber sind das zehn Geschäfte, und wenn sich keiner kümmert, bald auch zwanzig.

Grundsätzlich möchte natürlich jeder Eigentümer sein Geschäft vermieten. In einer solchen historischen Hauptstraße ist das aber nicht mehr so einfach möglich. Bis heute weisen einige Mietflächen, genau genommen ganze Objekte, gar nicht den erforderlichen technischen Zustand auf, um sie vermieten zu können: verschachtelte Grundfläche, Feuchtigkeit, schlechte Bausubstanz und so weiter und so fort.
Für mich war es deshalb ein Meilenstein, als ich ein paar Jahre nach Beginn des Prozesses erkannt habe, dass ich mich vor allem darum kümmern muss, dass die Gebäude saniert werden. Das betrifft nicht nur die Geschäfte, sondern auch die Wohnungen darüber. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass jedes Objekt an einen meist öffentlichen Raum grenzt. Auch der gehört drastisch verändert. Darum gefällt mir der Fokus rein auf das Leerflächenmanagement nicht. Leerflächenmanagement ist dann fast ein Nebeneffekt und Zusatznutzen aus den Hausaufgaben, die zu machen sind.
Das Durchhalten als Gemeinde ist die Kunst an der Sache. Es reicht nicht, einfach eine Funktion zu schaffen wie meine Stelle als Innenstadtkoordinator, sie muss in der Gemeinde auch eingebettet sein in den Willen und die Zusammenarbeit vom Bürgermeister bis zur Verwaltung. Nur dann funktioniert es.“

Trofaiach ist mit ca. 11.000 Einwohner:innen die zweitgrößte Stadt in der Region Leoben. Sie nennt sich Lebensmittelpunktgemeinde, weil die Menschen hier vor allem wohnen, zur Arbeit aber vielfach pendeln. 2015 startete die Stadt einen Prozess, um die Innenstadt wieder zu beleben.
Dafür wurden der Gemeinde zahlreiche Preise verliehen, unter anderem der Baukulturgemeindepreis, der ÖGUT-Umweltpreis und der VCÖ-Mobilitätspreis.

Mario Abl ist seit 2013 Bürgermeister der Stadtgemeinde Trofaiach und Mitglied des Bundesparteivorstands der SPÖ. Schon vor der damaligen Neugründung und Zusammenlegung von Trofaiach mit den Nachbargemeinden Hafning bei Trofaiach und Gai war er seit 2009 Bürgermeister der Stadt Trofaiach gewesen.
Erich Biberich ist seit 2015 Innenstadtkoordinator der Stadt Trofaiach.

06. Mai 2025newroom

Daniel Baur – Zu 100 % Reuse

Daniel Baur ist Landschaftsarchitekt in Basel. Mit seinem Büro Bryum hat er für den Energieanbieter Primeo Energie in Münchenstein bei Basel einen Vorplatz gestaltet aus 100 % wiederverwendetem Material. Da sie nicht wussten, mit welchen Materialien sie bauen würden, erstellten sie anstelle einer Visualisierung Regeln: Alle benötigten Materialien sollten aus einem Umkreis von maximal 10 km kommen oder das Material sollte zu 100 % verwendet werden und nicht teilweise wieder weggeworfen werden, nur weil es nicht in das Gestaltungskonzept passt oder einen kleinen Makel hat. Reuse-Konzepte erfordern einen flexiblen Entwurfs- und Planungsprozess. In diesem Fall ermöglichte das flexible Konzept der Streifen Änderungen im Materialbezug und im Bauprozess. Daniel Baur erzählt im Gespräch, warum bei Reuse-Projekten neue Kompetenzen von Planenden und Ausführenden gefordert sind, warum sich das Verhältnis von Entwurf und Planung radikal verändert und warum die schöne Visualisierung kontraproduktiv für Reuse-Projekte ist. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

Daniel Baur ist Landschaftsarchitekt in Basel. Mit seinem Büro Bryum hat er für den Energieanbieter Primeo Energie in Münchenstein bei Basel einen Vorplatz gestaltet aus 100 % wiederverwendetem Material. Da sie nicht wussten, mit welchen Materialien sie bauen würden, erstellten sie anstelle einer Visualisierung Regeln: Alle benötigten Materialien sollten aus einem Umkreis von maximal 10 km kommen oder das Material sollte zu 100 % verwendet werden und nicht teilweise wieder weggeworfen werden, nur weil es nicht in das Gestaltungskonzept passt oder einen kleinen Makel hat. Reuse-Konzepte erfordern einen flexiblen Entwurfs- und Planungsprozess. In diesem Fall ermöglichte das flexible Konzept der Streifen Änderungen im Materialbezug und im Bauprozess. Daniel Baur erzählt im Gespräch, warum bei Reuse-Projekten neue Kompetenzen von Planenden und Ausführenden gefordert sind, warum sich das Verhältnis von Entwurf und Planung radikal verändert und warum die schöne Visualisierung kontraproduktiv für Reuse-Projekte ist. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

„Das fertige Bild funktioniert in der Wieder- und Weiterverwendung nicht, weil man nicht weiß, welches Material man bekommt. Für den Energieanbieter Primeo Energie haben wir in Münchenstein bei Basel einen kompletten Platz im Sinne des Reuse-Gedankens neu gestaltet. Wir haben Regeln aufgestellt und diese auch simuliert. Eine Regel war: Wir wollten nicht nur eine 100 %ige Wiederverwendung von Material, sondern wir wollten das Material, das wir bekommen, auch zu 100 % verwenden. Wir wollten nicht die Hälfte der Chargen wegschmeißen. Man sieht dem Platz an, dass es ein Reuse-Projekt ist. Es gibt zwar ein erkennbares Gestaltungskonzept, aber es ist schon ein bunter Hund geworden. Es ist ein Zeitzeuge und wir würden sehr vieles heute anders machen. Aber ich glaube, es ist wichtig, so etwas auszuprobieren.
Ich denke, in Zukunft wird es nicht mehr nötig sein, solch bunte Hunde zu bauen. Wenn wir die Materialströme besser kennen, dann können wir eigentlich bauen, wie wir das gewohnt sind. Wenn man diese Netzwerke aufbaut, dann weiß man ziemlich genau, welches Objekt wann zurückgebaut wird oder wo welche Ressourcen frei werden. Das ist planbar. Das ist eine Erkenntnis aus diesem Projekt. Zuerst hatten wir Angst, dass wir auf eBay Platten kaufen müssen, und dann kommt die ganze Zeit der DHL-Wagen und lädt Paletten ab. In der Diskussion mit den Baufirmen haben wir gemerkt, dass es viel planbarer ist als gedacht. Was auch noch interessant ist, ist, dass viel Material weggeworfen wird, das eigentlich ein Restposten ist oder Material mit einem Schaden. Das kann eine kleine Kalkausblühung sein, die nach zwei Jahren weg ist, aber die Platten kann man heute nicht mehr verkaufen. Das hat uns sehr überrascht und auch erschreckt.
Das zirkuläre Bauen erfordert einen anderen Entwurfsprozess. Wenn ich nicht mehr das Objekt erschaffe, sondern die Regeln bestimme, wie das Objekt aussieht, muss ich mich eigentlich mit den Regeln identifizieren. Das braucht extrem viel Mut. Und dieser Mut ist ein Widerspruch zum Schöpferischen. Das fertige Bild, die Visualisierung funktioniert in der Wieder- oder Weiterverwendung nicht, weil man nicht weiß, mit welchem Material man arbeiten wird. Die Schöpfung ist nicht mehr der Entwurf, sondern die Schöpfung ist der Prozess des Entstehens und des Zusammensetzens. Und da merken wir, dass die Architektur im Moment noch mit der hohen Qualität des Bildes, der Nachvollziehbarkeit, wie es genau aussehen soll, ganz woanders steht, als wir es für das zirkuläre Bauen brauchen. Ich würde überhaupt nicht sagen, dass man die Gestaltung hintanstellen muss, sondern dass durch das Momentum der Ressource sich auch ganz tolle räumliche Qualitäten ergeben, die nie entstanden wären, wenn man auf dem Reißbrett anfängt, den perfekten Raum zu zeichnen.“

Daniel Baur ist Landschaftsarchitekt und Stadtentwickler. Er ist Inhaber und Mitglied der Geschäftsleitung von Bryum, einem Büro für urbane Interventionen und Landschaftsarchitektur mit Sitz in Basel, und Professor für Landschaftsarchitektur an der Berner Fachhochschule für Architektur, Holz und Bau. In Lehre wie Praxis legt er immer wieder einen Fokus auf das Thema Reuse und auf die Bedeutung für Entwurf und Ausführung.

01. April 2025newroom

Ulrike Schartner – Leistbarer Wohnraum für alle

Vor etwa zwei Jahren gründeten Mitglieder der Kammer der ZiviltechnikerInnen für Wien, Niederösterreich und Burgenland den Ausschuss für Wohnbau und Leistbarkeit. Das Angebot an leistbarem Wohnraum geht seit Jahren zurück – auch wegen der hohen Baukosten und der geringeren Neubauproduktion. Rechtzeitig zur Landtagswahl in Wien hat der Ausschuss ein Schreiben an PolitikerInnen initiiert, um aufzuzeigen, wie es gelingen kann, günstigen Wohnraum für alle zu schaffen und zugleich die Klimaschutzziele einzuhalten. Architektin Ulrike Schartner, Vorsitzende des Ausschusses Wohnbau und Leistbarkeit, erklärt, warum im Stadtumbau eine Chance liegt, mehr leistbaren Wohnraum zu schaffen, und warum es dafür eine Umbauordnung braucht. Denn der Umbau bestehender Bauten muss konkurrenzfähig zum Neubau sein.

Vor etwa zwei Jahren gründeten Mitglieder der Kammer der ZiviltechnikerInnen für Wien, Niederösterreich und Burgenland den Ausschuss für Wohnbau und Leistbarkeit. Das Angebot an leistbarem Wohnraum geht seit Jahren zurück – auch wegen der hohen Baukosten und der geringeren Neubauproduktion. Rechtzeitig zur Landtagswahl in Wien hat der Ausschuss ein Schreiben an PolitikerInnen initiiert, um aufzuzeigen, wie es gelingen kann, günstigen Wohnraum für alle zu schaffen und zugleich die Klimaschutzziele einzuhalten. Architektin Ulrike Schartner, Vorsitzende des Ausschusses Wohnbau und Leistbarkeit, erklärt, warum im Stadtumbau eine Chance liegt, mehr leistbaren Wohnraum zu schaffen, und warum es dafür eine Umbauordnung braucht. Denn der Umbau bestehender Bauten muss konkurrenzfähig zum Neubau sein.

„Unser Ausschuss heißt Wohnbau und Leistbarkeit. Wir haben diesen Bauausschuss vor zwei Jahren gegründet, als es überall Baustopps gab, vor allem im Wohnbau, egal ob frei finanziert oder gemeinnützig. Wir wollten die Leistbarkeit im Wohnbau unter die Lupe nehmen und schauen, welche Hebel es gibt, damit Wohnen wieder günstiger wird. Ein erster Hebel, um leistbares Wohnen zu gewährleisten, ist unserer Ansicht nach die Baupreis-Transparenz. Inzwischen haben sich die Baupreise zwar beruhigt, aber dennoch wird immer mehr funktionell ausgeschrieben. Das macht es der Bauherrschaft und uns Architekten und Architektinnen schwer zu sehen, wo Einsparungsmöglichkeiten liegen. Deshalb fordern wir eine konstruktive Leistungsbeschreibung anstatt einer funktionellen.

Bei den Bemühungen um leistbares Wohnen dürfen wir den Klimaschutz nicht außer Acht lassen. Wenn wir weiter wie bisher neu statt im Bestand bauen, werden wir die Klimaziele nicht erreichen, egal wie ökologisch der Neubau ist. Wir müssen den Leerstand aktivieren und die Rahmenbedingungen für das Bauen im Bestand verbessern. Unsere Bauordnung ist eine Neubauordnung. Wir aber brauchen eine Umbauordnung, denn Wien ist eine Bestands- und keine Neubaustadt.

Durch einen Stadtumbau können wir wieder zu einer Leistbarkeit des Wohnens kommen. Wir müssen uns darauf konzentrieren, mehr aus dem zu machen, was bereits da ist. Durch Umbau und Nachverdichtung vermeiden wir Abbruch. Damit Sanierung günstiger wird als Neubau, muss der Bestand neu bewertet werden, indem auch ökologische Werte wie die Lebenszykluskosten und die graue Energie mit in die Betrachtung einfließen. Wir müssen Umbau in den Ausschreibungen priorisieren und in die Förderungen einbringen. Die Einführung einer Umbauordnung und des Gebäudetyps E würde zudem die Rahmenbedingungen für das Bauen im Bestand deutlich verbessern.

Unser zweites Hauptthema neben dem Stadtumbau sind Quartiere für leistbares und gesundes Leben. Wir müssen hier Synergien schaffen durch Förderung liegenschaftsübergreifender Sanierungen und Weiterentwicklungen und wir müssen innovative, alternative Wohnmodelle und deren Finanzierung fördern. Wenn wir wieder mehr leistbaren Wohnraum schaffen und zugleich etwas für den Klimaschutz tun wollen, reicht es nicht, nur an einer Schraube zu drehen. Wir müssen die Gesamtzusammenhänge erkennen.“

Ulrike Schartner führt mit Alexander Hagner das Architekturbüro gaupenraub+/-. Sie lehrt an verschiedenen Universitäten und ist im Sektionsvorstand ArchitektInnen der Kammer der ZiviltechnikerInnen der ArchitektInnen und IngenieurInnen für Wien, Niederösterreich und Burgenland. Sie ist Vorsitzende des Ausschusses Wohnbau und Leistbarkeit.

04. März 2025newroom

Martin Mackowitz – Bauen mit Lehm

Der Vorarlberger Architekt Martin Mackowitz arbeitet bei Lehm Ton Erde, einem Unternehmen, das der Lehmbaupionier Martin Rauch in den 1980er Jahren in Vorarlberg gründete. Das Unternehmen errichtet weltweit Stampflehmbauten und arbeitet dabei mit renommierten Architekturbüros zusammen. Martin Mackowitz, der hier für Architektur und Marketing zuständig ist, ist zudem Mitbegründer von Erden Studio, einem auf Lehmbau spezialisierten Entwurfsstudio und von der Lehmit GmbH, einem Unternehmen, das die Entwicklung von Holz- und Lehmbausystemen fokussiert. Im Gespräch erzählt er, was ihn am Werkstoff Lehm so fasziniert und wie er die Industrialisierung dieser Bauweise vorantreiben und Lehmbau für alle leistbar machen will. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

Der Vorarlberger Architekt Martin Mackowitz arbeitet bei Lehm Ton Erde, einem Unternehmen, das der Lehmbaupionier Martin Rauch in den 1980er Jahren in Vorarlberg gründete. Das Unternehmen errichtet weltweit Stampflehmbauten und arbeitet dabei mit renommierten Architekturbüros zusammen. Martin Mackowitz, der hier für Architektur und Marketing zuständig ist, ist zudem Mitbegründer von Erden Studio, einem auf Lehmbau spezialisierten Entwurfsstudio und von der Lehmit GmbH, einem Unternehmen, das die Entwicklung von Holz- und Lehmbausystemen fokussiert. Im Gespräch erzählt er, was ihn am Werkstoff Lehm so fasziniert und wie er die Industrialisierung dieser Bauweise vorantreiben und Lehmbau für alle leistbar machen will. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

„Mich fasziniert die Verfügbarkeit: Lehm gibt es auf der ganzen Welt. Es ist ein erodiertes Gestein, ein einfaches Material, das man anfeuchten und dann formen kann.
Eine Mischung aus etwa zwei Drittel Steinen und einem Drittel Lehm ist sehr druckfest. Man kann mit einer 35 Zentimeter dicken Stampflehmwand drei- bis viergeschossige Gebäude bauen. Man kann mit Lehm aber auch feinere Oberflächen herstellen. Lehmöfen zum Beispiel werden mit einer feineren Körnung gestampft und haben eine glattere Oberfläche. Mischt man Kasein, Lehm, Kalk und Flachsfaser, entsteht eine Spachtelung für sehr feine Oberflächen. Kombiniert man diese mit farbigen Pigmenten, kann man sogar Ornamente damit herstellen. Dieses Spektrum des Werkstoffs Lehm ist unglaublich spannend.

Unseren Standort in Schlins sehen wir als Forschungs- und Entwicklungszentrum. Der Holzbau hat den Schritt zur Industrialisierung schon geschafft. Wir wollen jetzt Lehmbauteile so entwickeln, dass auch sie skalierbar sind. Gerade an der Schnittstelle von Lehm und Holz gibt es viel zu entwickeln. Wie wird ein Holzelement mit Lehm gefüllt, um Masse in den Holzbau zu bringen? Wo sind die Schnittstellen zwischen Baumeister, Lehm- und Holzbauer? Zusammen mit dem Holzbauunternehmen Blumer Lehmann und der gbd Holding haben wir eine neue Firma gegründet, die Lehmit. Wir wollen mit großen Partnern die Systeme so weiterentwickeln, dass sie skalierbar und dann auch leistbar sind.

Um effizienter zu werden, müssen wir auch die Maschinen weiterentwickeln. In unserer Werkhalle haben wir eine Maschine namens Roberta. Eine zweite Maschine, die Roberta 2.0, steht gerade in Bordeaux und stampft dort ein Weingut mit schöner bordeauxroter Erde. Das ist eine mobile Maschine, die auf zwei Lkws passt und im Frühjahr zurückkommt. Die Idee dabei ist, dass man bei großen Bauvorhaben mit lokalem Aushubmaterial vorgefertigt produzieren kann. Eine Feldfabrik wird aufgebaut und aus dem lokalen Aushubmaterial eine Rezeptur erstellt. Diese wird so komponiert, dass die Druckfestigkeit zertifiziert werden kann. Und mit dieser Mischung werden Fertigteile gestampft, die dann versetzt werden können.

Der Wunsch ist ja, dass man das schwere Material nicht in der Gegend herumfahren muss. Martin Rauch sagt immer, es wäre toll, wenn es etwa alle 400 Kilometer eine Lehmsteine- oder Stampflehmelemente-Produktion gäbe. Aber es ist eben auch möglich, die Maschine zum Bauvorhaben zu bringen, um dort mit dem lokalen Aushubmaterial zu arbeiten.

Obwohl wir wissen, dass wir genügend Aushubmaterial zur Verfügung haben, dass das Leben in einem Lehm- und Holzbau angenehm ist und dass diese Gebäude rückbaubar sind, wird eine Tonne Erde um 40 Euro entsorgt. Diesen Gap wollen wir überbrücken.

Momentan werden so viele apokalyptische Bilder kommuniziert, wenn man über die Bauindustrie spricht. Es heißt, man darf nicht mehr bauen, es gibt einen Baustopp. Ich bin total dafür, dass man nicht auf der grünen Wiese und keine Einfamilienhäuser mehr bauen darf. Wenn wir mit Lehm bauen, haben wir die Chance, weiter bauen zu dürfen. Denn grundsätzlich ist Bauen eine der schönsten kollektiven Aufgaben.“

Martin Mackowitz ist als Architekt tätig bei dem Unternehmens Lehm Ton Erde Baukunst GmbH, das von Martin Rauch gegründet wurde. Er ist dort für den Bereich Strategische Ausrichtung, Innovation und Unternehmenskultur zuständig. Zudem ist er Mitbegründer von Erden Studio, einem Entwurfsstudio, das auf Lehmbau spezialisiert ist, und von Lehmit, einem Unternehmen, das Bausystemen aus einer Kombination von Holz- und Lehmbau entwickelt. Als Dozent an der Universität Liechtenstein baut Martin Mackowitz gemeinsam mit der Architektin Anna Heringer ein neues Kompetenzzentrum für Lehmbau auf.

04. Februar 2025newroom

Barbara Pampe – Bildung verbindet

Acht Bildungseinrichtungen mitten in Köln hatten Sanierungs- oder Neubaubedarf: Anstatt jede Einrichtung für sich zu betrachten, entschied sich die Stadt Köln gemeinsam mit den Montag Stiftungen, diese zur Bildungslandschaft Altstadt Nord zusammenzufassen.
In zahlreichen partizipativen Workshops, auch mit dem Stadtteil und vor allem den Kindern und Jugendlichen, wurden die Bedarfe ermittelt. Heute teilen sich die Einrichtungen räumliche, personelle und inhaltliche Ressourcen. Dank der kristallinen, kleinteiligeren Gestaltung durch das Architekturbüro gernot schulz : architektur fügen sich die Neubauten sehr gut in die bestehende Stadtstruktur ein.
Barbara Pampe ist Vorständin der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft und begleitete den Prozess über viele Jahre. Sie erzählt hier, wie es gelang, dass sich hier acht Bildungseinrichtungen räumliche und personelle Ressourcen miteinander teilen und inwiefern Stadt und Schule von den offenen Strukturen profitieren. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

Acht Bildungseinrichtungen mitten in Köln hatten Sanierungs- oder Neubaubedarf: Anstatt jede Einrichtung für sich zu betrachten, entschied sich die Stadt Köln gemeinsam mit den Montag Stiftungen, diese zur Bildungslandschaft Altstadt Nord zusammenzufassen.
In zahlreichen partizipativen Workshops, auch mit dem Stadtteil und vor allem den Kindern und Jugendlichen, wurden die Bedarfe ermittelt. Heute teilen sich die Einrichtungen räumliche, personelle und inhaltliche Ressourcen. Dank der kristallinen, kleinteiligeren Gestaltung durch das Architekturbüro gernot schulz : architektur fügen sich die Neubauten sehr gut in die bestehende Stadtstruktur ein.
Barbara Pampe ist Vorständin der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft und begleitete den Prozess über viele Jahre. Sie erzählt hier, wie es gelang, dass sich hier acht Bildungseinrichtungen räumliche und personelle Ressourcen miteinander teilen und inwiefern Stadt und Schule von den offenen Strukturen profitieren. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

„Die Bildungslandschaft Altstadt Nord ist ein Verbund von acht Bildungs- und Jugendeinrichtungen. Wir haben das Projekt vor 18 Jahren gemeinsam mit der Stadt Köln gestartet. All diese Einrichtungen hatten einen Sanierungs- oder Neubaubedarf. Die Idee war, nicht jede Einrichtung für sich zu betrachten, sondern alle im Verbund, auch weil sie in räumlicher Nähe zueinander liegen.
Obwohl es eigenständige Schulen und Jugendeinrichtungen sind, teilt man heute nicht nur räumliche, sondern auch personelle und inhaltliche Ressourcen miteinander. Zum Beispiel bieten die Schulen und Jugendeinrichtungen gemeinsame AGs an, in denen sich alle Kinder und Jugendlichen aus den unterschiedlichen Einrichtungen begegnen. Die Idee ist, über den ganzen Bildungsweg Verbindungen zu schaffen. Auch der Stadtteil und der Park dienen dabei als Lernmöglichkeit.

Wir haben in einem sogenannten Phase-Null-Prozess die Bedarfe ermittelt: Wer braucht welche Räumlichkeiten und Flächen? Welche davon können auch gemeinsam genutzt werden? Dabei haben wir Eigen-, Misch- und Verbundnutzungen ermittelt. So ist das Raumprogramm entstanden. In der Realschule zum Beispiel gibt es die Lehrküche, die von allen Einrichtungen mitbenutzt werden kann. Zu den sogenannten Verbundnutzungen zählen das Studienhaus und die Mensa, die zentral und gut erreichbar für alle sind. Da die Mensa von allen Einrichtungen genutzt wird, war es möglich, eine Frischkochküche einzurichten. Diese sogenannten Synergieeffekte haben sich im Laufe des Prozesses herauskristallisiert.
In der Planung von Bildungseinrichtungen kommt so viel zusammen, gerade an so einem Standort. Es gibt die Belange des Quartiers, der Politik, die Vorgaben der Stadt und des Landes und natürlich die spezifischen Anforderungen der Einrichtungen. Zusätzlich braucht es noch den Blick in die Zukunft, der in den Regularien nie abgebildet ist. Dafür ist die Bereitschaft aller nötig, sich an einen Tisch zu setzen, die Dinge miteinander zu verhandeln. Für unsere Stiftung ist es ein ganz besonderes Projekt, weil es die Anfänge der pädagogischen Architektur bedeutete und weil wir es über einen so langen Zeitraum, fast 18 Jahre, begleiteten.
Ein Gewinn aus diesem ganzen Prozess ist auch der gemeinsam von den Bildungseinrichtungen und dem Stadtteil genutzte Außenraum. Der Park wurde dabei aufgewertet: Von einem sauberen Park mit mehr Spiel-, Aufenthalts- und Bewegungsangeboten profitieren alle.
Der Entwurf für die Neubauten von gernot schulz : architektur überzeugte die Jury. Die polygonalen Stadtbausteine führen dazu, dass der öffentliche Raum durch die Bildungslandschaft fließt. Ich glaube, das Neue und Überzeugende ist, dass dadurch eine Kommunikation zwischen Schule und öffentlichem Raum entsteht. Die Menschen, die an den Gebäuden vorbeilaufen, können in die Schule reingucken. Und genauso sind auch die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen in den Einrichtungen immer mit dem Stadtteil verbunden. Das ist der Mehrwert des Ortes und des Entwurfs der Neubauten.
In Zukunft geht es nun darum, diese Verknüpfung, diese Kooperationen und räumlichen Synergien mit dem Quartier weiterzuentwickeln.“

Barbara Pampe ist Vorständin der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft. Sie hat Architektur und Internationales Projektmanagement in Bordeaux, Weimar, Delft und Stuttgart studiert, im Bereich Schulbau geforscht und gelehrt. Sie ist Autorin und Initiatorin diverser Publikationen und Projekte zum Thema zukunftsfähiger Schulbau. Parallel zu ihrer Tätigkeit in den Montag Stiftungen lehrte sie an verschiedenen Hochschulen im In- und Ausland.

Die Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft ist eine unabhängige gemeinnützige Stiftung, die zur Gruppe der Montag Stiftungen in Bonn gehört. Sie engagiert sich für eine chancengerechte Alltagswelt, die Kindern und Jugendlichen bestmögliche Entwicklungs- und Bildungschancen eröffnet.

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Publikationen

Presseschau 12

02. September 2025newroom

Breathe Earth Collective – Natürlich kühlen

Karlheinz Boiger ist Architekt, Partner bei Hohensinn Architektur und Teil des interdisziplinären Breathe Earth Collective, das 2015 den österreichischen Pavillon auf der Expo in Mailand gestaltete. Im Mittelpunkt stand die Klimaleistung des Waldes. Um diese für die Besucher:innen spürbar zu machen, konnte man in dem Expo-Pavillon durch einen echten Wald flanieren.
Es folgten kleinere Pavillons, die das Kollektiv für die Österreich Werbung entwickelte: der Klima Kultur Pavillon für das Kulturjahr in Graz 2020 und kürzlich für Sankt Pölten eine Brunnenskulptur, der sogenannte Windfänger. Im Mittelpunkt seiner Bemühungen steht immer das Interesse, den Hitzeinseln in der Stadt und damit auch dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen. Karlheinz Boiger erzählt im Gespräch, warum ihn die Klimaleistung des Waldes so fasziniert und wie das Kollektiv eine neue Klimakultur formen und dazu Menschen zum Gespräch und Informationsaustausch zusammenbringen will.
Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

Karlheinz Boiger ist Architekt, Partner bei Hohensinn Architektur und Teil des interdisziplinären Breathe Earth Collective, das 2015 den österreichischen Pavillon auf der Expo in Mailand gestaltete. Im Mittelpunkt stand die Klimaleistung des Waldes. Um diese für die Besucher:innen spürbar zu machen, konnte man in dem Expo-Pavillon durch einen echten Wald flanieren.
Es folgten kleinere Pavillons, die das Kollektiv für die Österreich Werbung entwickelte: der Klima Kultur Pavillon für das Kulturjahr in Graz 2020 und kürzlich für Sankt Pölten eine Brunnenskulptur, der sogenannte Windfänger. Im Mittelpunkt seiner Bemühungen steht immer das Interesse, den Hitzeinseln in der Stadt und damit auch dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen. Karlheinz Boiger erzählt im Gespräch, warum ihn die Klimaleistung des Waldes so fasziniert und wie das Kollektiv eine neue Klimakultur formen und dazu Menschen zum Gespräch und Informationsaustausch zusammenbringen will.
Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

„Wir vom Breathe Earth Collective haben uns an der TU Graz am Institut für Architektur und Landschaft kennengelernt, wo wir als Lehrbeauftragte gearbeitet haben. Wir waren mit den Studierenden in Istanbul, im Belgrader Wald. Das große Waldgebiet nordöstlich von Istanbul ist die grüne Lunge der Stadt und versorgt sie mit kühler Luft und Wasser. Diese riesige natürliche Ressource der Stadt hat uns fasziniert. Gemeinsam haben wir dann bei der Ausschreibung für den Expo-Pavillon in Mailand mitgemacht. Wir wollten diese Leistung des Waldes in den Mittelpunkt unseres Pavillons stellen und die Architektur mit der Natur verknüpfen. Mit dem Konzept haben wir den Wettbewerb gewonnen. So ist das Breathe Earth Collective entstanden.

Im Zentrum des Expo-Pavillons stand ein echter, lebender Wald. Wir haben ihn technisch unterstützt, mit Sprühnebel angeregt und konnten damit einen Temperaturunterschied von 6 bis 10 Grad gegenüber der Außentemperatur erzeugen. Wir waren selbst erstaunt, dass es so gut funktioniert hat. Das war dann auch der ausschlaggebende Punkt, warum wir als Kollektiv weitermachen wollten.
Wir haben im Auftrag der Österreich Werbung mobile Pavillons entwickelt. Das Airship 01 – eine von uns designte Struktur mit einem kleinen Wald im Inneren – wurde in Padua, Mailand und Rom aufgestellt. Vor zehn Jahren wurde der Heat-Island-Effekt noch nicht so breit diskutiert wie heute. Inzwischen spüren wir tagtäglich, dass die Überhitzung in den Städten zu einem großen Problem geworden ist. Wir aber wollten schon damals darauf aufmerksam machen.

Den Begriff der Klimakultur haben wir das erste Mal im Kulturjahr 2020 in Graz verwendet, als wir auf dem Freiheitsplatz den Klima Kultur Pavillon aufgestellt haben. Wir brauchen eine neue Kultur, um mit dem Thema Klima und Klimawandel anders umzugehen. Viele Leute erkennen, dass wir ein großes Problem mit unserem Klima haben, wissen aber nicht, was sie tun sollen. Das Thema ist so global und komplex, dass man sich als einzelner Mensch schwertut, irgendwas zu tun. Wir wollen eine Plattform schaffen, auf der wir über die Themen diskutieren, uns austauschen und gemeinsam Lösungsansätze generieren. Letztlich sind unsere Pavillons ja Versuche, so etwas zu tun. Wir sind nicht nur ein Thinktank, sondern auch ein Dotank. Wir versuchen, dort etwas umzusetzen, wo andere – und das kritisieren wir auch immer ein bisschen – viele Tonnen Papier produzieren. Wir haben nicht mehr 20 Jahre Zeit, Papier zu produzieren, wir müssen ins Tun kommen.
Letztlich sind die Stadt oder die urbanen Ballungsräume die großen Impact-Flächen, wo viel Überhitzung produziert wird. Der öffentliche Raum wird leider nach wie vor zu mehr als 80 Prozent für den ruhenden Verkehr verwendet. Das können wir ändern. Der öffentliche Raum gehört uns allen. Das ist die Fläche, die wir verwenden können, um das Stadtklima zu drehen.“

Karlheinz Boiger ist Architekt und CEO von Hohensinn Architektur. Boiger verbindet klassische Architektur mit innovativen, ökologischen Ansätzen – sichtbar in seiner Mitgründung des interdisziplinären Breathe Earth Collective und dessen internationalen Präsentationen wie in Montreal und Mailand. Für die dortige Expo konzipierte und gestaltete das Breathe Earth Collective 2015 den österreichischen Pavillon.
Es folgten einige kleinere Pavillons für die Österreich Werbung und der Klima Kultur Pavillon in Graz im Kulturjahr 2020.
Zuletzt baute das Breathe Earth Collective gemeinsam mit Hohensinn Architektur in Graz-Reininghaus die unter Denkmalschutz stehende Tennenmälzerei für eine temporäre Nutzung um und verwendete dabei Re-Use-Materialien.
Zum Breath Earth Collective gehören Karlheinz Boiger,  Lisa Maria Enzenhofer, Markus Jeschaunig, Andreas Goritschnig und Bernhard König.

05. August 2025newroom

AbbrechenAbbrechen – Umbau statt Abriss

Das Strafjustizzentrum in München ist ein brutalistisches Gebäude-Ensemble aus den 1970er-Jahren. Seit bekannt wurde, dass die Strafjustiz 2026 von ihrem jetzigen Standort an der Nymphenburger Straße in einen Neubau umziehen wird, herrscht Unklarheit über die Zukunft des bestehenden Gebäudes – auch ein Abriss steht im Raum. Als Reaktion auf diese Pläne formierte sich im Oktober 2022 die Initiative JustizzentrumErhalten/AbbrechenAbbrechen. Ihr zentrales Anliegen ist der Erhalt des Bestandsbaus. In einem offenen Diskussionsprozess will sie alternative Nutzungsmöglichkeiten aufzeigen und eine breitere Debatte anstoßen. Jan Fries und Laura Höpfner, Aktivist:innen der Initiative, erklären im Gespräch, warum man anhand des Strafjustizzentrums viele Themen rund um die Bauwende aushandeln kann, warum für den Erhalt solcher Gebäude breite Allianzen gefunden werden müssen und welchen Zweck Kartierungsspaziergänge in diesem Kontext haben. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

Das Strafjustizzentrum in München ist ein brutalistisches Gebäude-Ensemble aus den 1970er-Jahren. Seit bekannt wurde, dass die Strafjustiz 2026 von ihrem jetzigen Standort an der Nymphenburger Straße in einen Neubau umziehen wird, herrscht Unklarheit über die Zukunft des bestehenden Gebäudes – auch ein Abriss steht im Raum. Als Reaktion auf diese Pläne formierte sich im Oktober 2022 die Initiative JustizzentrumErhalten/AbbrechenAbbrechen. Ihr zentrales Anliegen ist der Erhalt des Bestandsbaus. In einem offenen Diskussionsprozess will sie alternative Nutzungsmöglichkeiten aufzeigen und eine breitere Debatte anstoßen. Jan Fries und Laura Höpfner, Aktivist:innen der Initiative, erklären im Gespräch, warum man anhand des Strafjustizzentrums viele Themen rund um die Bauwende aushandeln kann, warum für den Erhalt solcher Gebäude breite Allianzen gefunden werden müssen und welchen Zweck Kartierungsspaziergänge in diesem Kontext haben. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

„Als Reaktion auf einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung Ende 2022 hat sich die Initiative AbbrechenAbbrechen gegründet. In dem Artikel hieß es, dass das Strafjustizzentrum aus dem Gebäudeensemble ausziehen soll und die Zukunft des Bestands unklar ist. Ein Abriss schien wahrscheinlich. Wir wollen einen Abriss verhindern und in einem offenen Prozess eine gemeinwohlorientierte Nutzung des Gebäudes verhandeln. In unserem Positionspapier stehen drei Kernforderungen: Erstens soll es keinen Abriss geben, sondern einen Umbau. Zweitens soll hier ein „offenes Haus“ entstehen, was wir als Chiffre für eine gemeinwohlorientierte Nutzung verstehen. Und drittens fordern wir einen offenen Prozess. Die Bauwende ist ein fundamentales Thema und unumgänglich. Wir müssen neu verhandeln, wie wir mit unseren Gebäuden umgehen wollen.
Weil niemand anders sich für diesen Aushandlungsprozess zuständig fühlte, haben wir damit begonnen. Im Endeffekt aber ist es eine Angelegenheit der Stadtgesellschaft von München. Jede Person, die betroffen ist und sich angesprochen fühlt, sollte dabei mitsprechen dürfen. Das beginnt beim unmittelbar umgebenden Viertel, dem St.-Benno-Viertel, und geht dann in konzentrischen Kreisen weiter über die angrenzende Innenstadt, die ganze Stadt und darüber hinaus.

Konkret geht es uns um die Ideenfindung und die Bedarfsermittlung für das Objekt. Wir haben versucht, die Bedürfnisse und Wünsche mit Workshops, Infoveranstaltungen mit Bürger*innen und einem Open Call, also einem offenen Ideenwettbewerb für die Nachnutzung des Gebäudes, zu ermitteln. Auf den Open Call bekamen wir über 100 sehr vielseitige Einreichungen. Dadurch sind ganz verschiedene Bilder und Visionen für dieses Gebäude entstanden. Diese Vielfalt müsste auch im weiteren Prozess aufgegriffen werden.
Wir haben von verschiedenen Stellen gespiegelt bekommen, dass es zwischen dem zuständigen Ministerium und weiteren Stellen Gespräche gab und dass der Beschluss vom bayerischen Ministerrat, eine Machbarkeitsstudie zu machen, schon mal ein Erfolg für unsere Initiative ist. Uns geht es im Allgemeinen um eine Diskursverschiebung. Grundsätzlich muss man raus aus der Fachbubble und mit den Menschen reden, die betroffen sind oder betroffen sein könnten. Man muss breite Allianzen schließen. Die Dondorf-Druckerei in Frankfurt am Main ist ein Erfolgsbeispiel. Sie haben es wirklich geschafft, dass das Gebäude nun erhalten und umgenutzt wird. Menschen aus dem linken Spektrum haben mit Bürger*innen aus einem eher konservativen Bereich zusammengefunden und waren mithilfe ganz unterschiedlicher Taktiken, die den jeweiligen Milieus eigen sind, erfolgreich. Bei uns hingegen ist die Zukunft des Münchner Justizzentrums noch ungewiss.

Darüber hinaus versuchen wir, eine bestandsorientierte Bauwende mit verschiedenen Formaten allgemein zu platzieren. Ein gutes Werkzeug, um Raumpotenziale in der Stadt sichtbar zu machen, ist zum Beispiel das gemeinschaftliche Kartieren. Wir haben in Zusammenarbeit mit der Hans Sauer Stiftung in zwei Stadtteilen von München Kartierungsspaziergänge veranstaltet. Dabei werden gemeinschaftlich mit der Stadtbevölkerung Leerstand und Brachen erfasst. Diese Orte oder Räume werden dann gemeinschaftlich neu gedacht: Was kann dort in Zukunft passieren? Wie könnte man mit dem Bestand umgehen? Welche Bedarfe gibt es aus der lokalen Bevölkerung? Da sind spannende Ideen zustande gekommen.
Die dominante Erzählung bei uns in der Bundesrepublik ist noch immer: „Bauen hilft“. Vor diesem Hintergrund sind Kartierungsspaziergänge ein Weg, um Druck von unten aufzubauen, die Potenziale im Bestand zu nutzen. Abriss und Leerstand sind oft ein Symptom von Immobilienspekulation, also dem Priorisieren des Profits Einzelner vor den Interessen der Stadtgesellschaft
Wir sehen einen Mehrwert darin, wenn Bürger:innen verstehen, dass es auch jetzt schon im Viertel Platz für ihre Bedürfnisse gibt. Nur wird der Raum noch nicht richtig und gemeinwohlorientiert genutzt.“


Das Justizzentrum München wird in absehbarer Zeit von seinem jetzigen Standort an der Nymphenburger Straße in einen Neubau am nördlich gelegenen Leonrodplatz umziehen. Über die Zukunft des bestehenden Ensembles aus dem Jahr 1977 herrscht Unklarheit – ein Abriss steht im Raum. Als Reaktion auf diese Pläne formierte sich im Oktober 2022 die Initiative AbbrechenAbbrechen. Ihr zentrales Anliegen ist der Erhalt des Bestandsbaus. In einem offenen Diskussionsprozess will sie alternative Nutzungsmöglichkeiten aufzeigen und eine breitere Debatte anstoßen. Der Eigentümer, der Freistaat Bayern, prüft derzeit, ob „maximal viel bezahlbarer Wohnraum“ entweder durch einen Umbau oder im Rahmen eines Neubaus realisiert werden kann.

Jan Fries ist Urbanist, Regionalplaner, GIS-Spezialist und Mitinitiator von AbbrechenAbbrechen. Er ist zurzeit bei der Regierung von Oberbayern als Landes- und Regionalplaner tätig.

Laura Maria Höpfner ist Architektin und Stadtgestalterin und neben ihrer selbstständigen Tätigkeit bei der Landeshauptstadt München als Projektkoordinatorin für die IBA „Räume der Mobilität“ zuständig. Sie ist zudem aktiv bei AbbrechenAbbrechen.

01. Juli 2025newroom

Robert Temel – Die Lösung liegt in guter Baukultur

Die Plattform Baukulturpolitik wurde 2002 gegründet mit dem Ziel, die Rahmenbedingungen für Baukultur zu verbessern. In den ersten Jahren wurden ein Beirat für Baukultur und der regelmäßige Baukulturreport erreicht. Heute bemüht sich die Plattform um die Einrichtung einer österreichischen Agentur für Baukultur und um ein jährliches Förderbudget zur Initiierung und Unterstützung von Baukulturprojekten in Städten und Gemeinden. Robert Temel, der gemeinsam mit Caren Ohrhallinger und Rupert Halbartschlager Sprecher der Plattform Baukulturpolitik ist, erzählt hier, warum diese Baukulturförderung sich am Vorbild der deutschen Städtebauförderung orientiert und warum sie so wichtig wäre für die weitere Entwicklung von Österreichs Städten und Gemeinden.

Die Plattform Baukulturpolitik wurde 2002 gegründet mit dem Ziel, die Rahmenbedingungen für Baukultur zu verbessern. In den ersten Jahren wurden ein Beirat für Baukultur und der regelmäßige Baukulturreport erreicht. Heute bemüht sich die Plattform um die Einrichtung einer österreichischen Agentur für Baukultur und um ein jährliches Förderbudget zur Initiierung und Unterstützung von Baukulturprojekten in Städten und Gemeinden. Robert Temel, der gemeinsam mit Caren Ohrhallinger und Rupert Halbartschlager Sprecher der Plattform Baukulturpolitik ist, erzählt hier, warum diese Baukulturförderung sich am Vorbild der deutschen Städtebauförderung orientiert und warum sie so wichtig wäre für die weitere Entwicklung von Österreichs Städten und Gemeinden.

„Die Plattform Baukulturpolitik gibt es seit mehr als 20 Jahren. Am Beginn brachten Barbara Feller, Roland Gruber und Volker Dienst verschiedene relevante Institutionen zusammen mit dem Ziel, die Rahmenbedingungen für Baukultur zu verbessern, insbesondere auf bundespolitischer Ebene. 2004 wurde dann im Nationalrat beschlossen, einen Beirat für Baukultur einzurichten und alle fünf Jahre Baukulturreports über den Stand der Baukultur in Österreich zu verfassen. Heute sind wir ein Verein mit an die 40 institutionellen Mitgliedern. Caren Ohrhallinger, Rupert Halbschlager und ich sind die Sprecher*innen.
Das Ziel der Plattform ist, die politischen Rahmenbedingungen für Baukultur zu verbessern. Die Grundidee war schon von Beginn an, dass öffentliche Mittel fürs Bauen an Qualitätskriterien gebunden sein sollen. Da das schwierig umzusetzen ist, sind wir in den letzten Jahren bei einer spezifischen Forderung gelandet: Es braucht in Österreich ein Baukulturförderprogramm für Städte und Gemeinden nach dem Vorbild der deutschen Städtebauförderung. Den Begriff Städtebauförderung finde ich in Österreich schwierig, weil die österreichischen Gemeinden sehr kleinteilig strukturiert sind und viele sich vom Begriff ‚Städtebau‘ nicht angesprochen fühlen. Deswegen sprechen wir von einer Baukulturförderung für Städte und Gemeinden. Die Idee ist, dass es vom Bund in Kooperation mit den Ländern Geld gibt, das direkt in die Gemeinden fließt und dort für hochqualitative Planung und Umsetzungsprozesse ausgegeben wird: für eine Neugestaltung des Ortskerns, für die Umplanung des öffentlichen Raums, für Verkehrsberuhigung, für zentral gelegenes Wohnen und so weiter. Es gibt bereits hervorragende Beispiele in Österreich, aber leider zu wenige, weil es wirklich schwierig ist, solche Projekte umzusetzen.
Elias Molitschnig, heute Leiter der Abteilung Architektur, Baukultur und Denkmalschutz im Bundesministerium Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport, hat jahrelang in Kärnten die Gemeinden bei der Umsetzung solcher Projekte unterstützt. Fährt man in die Gemeinden und fragt nach, wie sie entstanden sind, kommt man darauf, dass für ein Miniprojekt, das vielleicht zwei Millionen Euro gekostet hat, zehn verschiedene Förderprogramme notwendig waren. Eine Gemeinde mit ein paar tausend Einwohnern hat aber nicht die Strukturen, um so etwas zu organisieren. Es gibt so wenige gute Projekte, nicht weil die Leute kein Verständnis für Baukultur haben, sondern weil sie den Aufwand nicht tragen können. So eine Förderung, das sieht man auch bei der deutschen Städtebauförderung, finanziert sich quasi von selbst. Es gibt Untersuchungen über die Wirksamkeit der Städtebauförderung in Deutschland, die zeigen, dass ein Euro Städtebauförderung sieben weitere Euro Investitionen hervorruft. Das kommt vor allem der regionalen Wertschöpfung zugute. Kein anderes Förderprogramm ist so effektiv.
Die Plattform für Baukulturpolitik ist eine Plattform des Austauschs. Diese enge Kooperation, der laufende Austausch über all diese Themen, ist eine wesentliche Grundlage dafür, dass wir es schaffen werden, dieses Förderprogramm umzusetzen. Hier fallen diese Vorschläge auf fruchtbaren Boden und werden als sinnvoll wahrgenommen.“

Die Plattform Baukulturpolitik ist ein gemeinnütziger Verein, der jene Institutionen vereint, die sich in Österreich mit Architektur und Baukultur befassen und diesen Themen eine politische Dimension beimessen. Die Plattform hat es sich zum Ziel gesetzt, Bewusstsein für Baukultur speziell dort zu schaffen, wo Verantwortungsträger:innen weitreichende Beschlüsse fassen. Im Wesentlichen agieren die Mitglieder der Plattform in drei Wirkungskreisen: In der Architektur- & Baukulturvermittlung, in der Ausbildung, Lehre, Forschung und als Standesvertretungen und Interessengemeinschaften. Rupert Halbartschlager, Caren Ohrhallinger und Robert Temel sind derzeit die Sprecher*innen der Plattform Baukulturpolitik.

03. Juni 2025newroom

Mario Abl und Erich Biberich – Ortskerne stärken

Wenn Stadt- und Dorfzentren veröden, ist das ein schleichender Prozess, der schwer aufzuhalten ist. Längst sind es nicht mehr nur die Einkaufszentren an den Stadträndern, sondern auch der Onlinehandel, der zu Leerständen im Zentrum führt. Wer dem etwas entgegensetzen will, braucht einen langen Atem. Die Stadt Trofaiach in der Steiermark begann vor genau zehn Jahren, sich aktiv um die Belebung ihrer Stadtmitte zu kümmern, und schuf dafür eine eigene Stelle. Bürgermeister Mario Abl erzählt, warum die Gemeinde aktiv und als Vorbild vorangehen muss. Innenstadtkoordinator Erich Biberich, der den Prozess vom ersten Bürgerbeteiligungsprozess an begleitet, berichtet, wie er konkret gegen den Leerstand vorgeht. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

Wenn Stadt- und Dorfzentren veröden, ist das ein schleichender Prozess, der schwer aufzuhalten ist. Längst sind es nicht mehr nur die Einkaufszentren an den Stadträndern, sondern auch der Onlinehandel, der zu Leerständen im Zentrum führt. Wer dem etwas entgegensetzen will, braucht einen langen Atem. Die Stadt Trofaiach in der Steiermark begann vor genau zehn Jahren, sich aktiv um die Belebung ihrer Stadtmitte zu kümmern, und schuf dafür eine eigene Stelle. Bürgermeister Mario Abl erzählt, warum die Gemeinde aktiv und als Vorbild vorangehen muss. Innenstadtkoordinator Erich Biberich, der den Prozess vom ersten Bürgerbeteiligungsprozess an begleitet, berichtet, wie er konkret gegen den Leerstand vorgeht. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

Mario Abl, Bürgermeister von Trofaiach:
„Spätestens als die Banken und die Apotheke aus der ehemaligen Hauptstraße wegzogen, kehrte Tristesse ein. Es gab immer mehr Leerstände und uns war klar, dass wir dem in irgendeiner Form entgegenwirken müssen. Wir haben dann 2015, vor genau zehn Jahren, einen Bürgerbeteiligungsprozess gestartet. Rund 2.000 Menschen nahmen teil und brachten ihre Ideen ein. Das war der Start für den Veränderungsprozess.
Auch als Stadt haben wir in die Hauptstraße investiert: Wir haben eine alte Bank ankaufen können und dort unsere Musikschule angesiedelt. Wir haben den Trofaiach Tandler aufgemacht, einen neuen Busterminal errichtet und ein Jugendzentrum eröffnet. Und plötzlich haben die Leute gesagt: ‚Na ja, der Stadt ist das auch wichtig. Sie investieren selbst.‘ Dann gab es auch ein paar private Initiativen. Aber es funktioniert leider nicht immer alles. Man hat einen Erfolg und ein bisschen später sperrt doch wieder wer zu. Da muss man ständig dranbleiben. Auch die Rahmenbedienungen können sich plötzlich komplett verändern: erst die Pandemie, jetzt die schwierige Finanzsituation. Das spielt alles zusammen in so einem Entwicklungsprozess. Man muss nachjustieren und sich wieder etwas Neues überlegen. Und dazu braucht es eben auch jemanden, der das professionell tut, und das ist in unserem Fall Erich Biberich, unser Innenstadtkoordinator.“

Erich Biberich, Innenstadtkoordinator von Trofaiach:
„Die Bevölkerung wünschte sich eine Veränderung. Das war unbestritten. Sie wollte, dass sich das Stadtbild verändert, dass die beginnende Verwahrlosung aufhört. Der wichtigste Punkt war aber die Steigerung der Aufenthaltsqualität. Zuallererst haben wir eine Bestandserhebung gemacht. Zu Beginn ist der Leerstand ja nur ein Gefühl. Es ist leer, es ist schmutzig, es kümmert sich niemand mehr. Wir haben für das definierte Innenstadtgebiet den Katasterplan aus dem Bauamt ausgehoben und sind dann von Geschäft zu Geschäft, von Haus zu Haus gegangen, um uns zu informieren über den Zustand, die Größe, die Besitzverhältnisse, eventuelle Vorhaben und so weiter. Das Teuflische am Leerstand ist ja, dass er schleichend ist. Er fällt nicht auf, zumindest am Anfang nicht. Man sagt ja, ab 10 Prozent Leerstand beginnt er aufzufallen. Bei der Analyse der Geschäfte habe ich bemerkt, dass im Jahr nur ein Geschäft weggefallen ist. In zehn Jahren aber sind das zehn Geschäfte, und wenn sich keiner kümmert, bald auch zwanzig.

Grundsätzlich möchte natürlich jeder Eigentümer sein Geschäft vermieten. In einer solchen historischen Hauptstraße ist das aber nicht mehr so einfach möglich. Bis heute weisen einige Mietflächen, genau genommen ganze Objekte, gar nicht den erforderlichen technischen Zustand auf, um sie vermieten zu können: verschachtelte Grundfläche, Feuchtigkeit, schlechte Bausubstanz und so weiter und so fort.
Für mich war es deshalb ein Meilenstein, als ich ein paar Jahre nach Beginn des Prozesses erkannt habe, dass ich mich vor allem darum kümmern muss, dass die Gebäude saniert werden. Das betrifft nicht nur die Geschäfte, sondern auch die Wohnungen darüber. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass jedes Objekt an einen meist öffentlichen Raum grenzt. Auch der gehört drastisch verändert. Darum gefällt mir der Fokus rein auf das Leerflächenmanagement nicht. Leerflächenmanagement ist dann fast ein Nebeneffekt und Zusatznutzen aus den Hausaufgaben, die zu machen sind.
Das Durchhalten als Gemeinde ist die Kunst an der Sache. Es reicht nicht, einfach eine Funktion zu schaffen wie meine Stelle als Innenstadtkoordinator, sie muss in der Gemeinde auch eingebettet sein in den Willen und die Zusammenarbeit vom Bürgermeister bis zur Verwaltung. Nur dann funktioniert es.“

Trofaiach ist mit ca. 11.000 Einwohner:innen die zweitgrößte Stadt in der Region Leoben. Sie nennt sich Lebensmittelpunktgemeinde, weil die Menschen hier vor allem wohnen, zur Arbeit aber vielfach pendeln. 2015 startete die Stadt einen Prozess, um die Innenstadt wieder zu beleben.
Dafür wurden der Gemeinde zahlreiche Preise verliehen, unter anderem der Baukulturgemeindepreis, der ÖGUT-Umweltpreis und der VCÖ-Mobilitätspreis.

Mario Abl ist seit 2013 Bürgermeister der Stadtgemeinde Trofaiach und Mitglied des Bundesparteivorstands der SPÖ. Schon vor der damaligen Neugründung und Zusammenlegung von Trofaiach mit den Nachbargemeinden Hafning bei Trofaiach und Gai war er seit 2009 Bürgermeister der Stadt Trofaiach gewesen.
Erich Biberich ist seit 2015 Innenstadtkoordinator der Stadt Trofaiach.

06. Mai 2025newroom

Daniel Baur – Zu 100 % Reuse

Daniel Baur ist Landschaftsarchitekt in Basel. Mit seinem Büro Bryum hat er für den Energieanbieter Primeo Energie in Münchenstein bei Basel einen Vorplatz gestaltet aus 100 % wiederverwendetem Material. Da sie nicht wussten, mit welchen Materialien sie bauen würden, erstellten sie anstelle einer Visualisierung Regeln: Alle benötigten Materialien sollten aus einem Umkreis von maximal 10 km kommen oder das Material sollte zu 100 % verwendet werden und nicht teilweise wieder weggeworfen werden, nur weil es nicht in das Gestaltungskonzept passt oder einen kleinen Makel hat. Reuse-Konzepte erfordern einen flexiblen Entwurfs- und Planungsprozess. In diesem Fall ermöglichte das flexible Konzept der Streifen Änderungen im Materialbezug und im Bauprozess. Daniel Baur erzählt im Gespräch, warum bei Reuse-Projekten neue Kompetenzen von Planenden und Ausführenden gefordert sind, warum sich das Verhältnis von Entwurf und Planung radikal verändert und warum die schöne Visualisierung kontraproduktiv für Reuse-Projekte ist. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

Daniel Baur ist Landschaftsarchitekt in Basel. Mit seinem Büro Bryum hat er für den Energieanbieter Primeo Energie in Münchenstein bei Basel einen Vorplatz gestaltet aus 100 % wiederverwendetem Material. Da sie nicht wussten, mit welchen Materialien sie bauen würden, erstellten sie anstelle einer Visualisierung Regeln: Alle benötigten Materialien sollten aus einem Umkreis von maximal 10 km kommen oder das Material sollte zu 100 % verwendet werden und nicht teilweise wieder weggeworfen werden, nur weil es nicht in das Gestaltungskonzept passt oder einen kleinen Makel hat. Reuse-Konzepte erfordern einen flexiblen Entwurfs- und Planungsprozess. In diesem Fall ermöglichte das flexible Konzept der Streifen Änderungen im Materialbezug und im Bauprozess. Daniel Baur erzählt im Gespräch, warum bei Reuse-Projekten neue Kompetenzen von Planenden und Ausführenden gefordert sind, warum sich das Verhältnis von Entwurf und Planung radikal verändert und warum die schöne Visualisierung kontraproduktiv für Reuse-Projekte ist. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

„Das fertige Bild funktioniert in der Wieder- und Weiterverwendung nicht, weil man nicht weiß, welches Material man bekommt. Für den Energieanbieter Primeo Energie haben wir in Münchenstein bei Basel einen kompletten Platz im Sinne des Reuse-Gedankens neu gestaltet. Wir haben Regeln aufgestellt und diese auch simuliert. Eine Regel war: Wir wollten nicht nur eine 100 %ige Wiederverwendung von Material, sondern wir wollten das Material, das wir bekommen, auch zu 100 % verwenden. Wir wollten nicht die Hälfte der Chargen wegschmeißen. Man sieht dem Platz an, dass es ein Reuse-Projekt ist. Es gibt zwar ein erkennbares Gestaltungskonzept, aber es ist schon ein bunter Hund geworden. Es ist ein Zeitzeuge und wir würden sehr vieles heute anders machen. Aber ich glaube, es ist wichtig, so etwas auszuprobieren.
Ich denke, in Zukunft wird es nicht mehr nötig sein, solch bunte Hunde zu bauen. Wenn wir die Materialströme besser kennen, dann können wir eigentlich bauen, wie wir das gewohnt sind. Wenn man diese Netzwerke aufbaut, dann weiß man ziemlich genau, welches Objekt wann zurückgebaut wird oder wo welche Ressourcen frei werden. Das ist planbar. Das ist eine Erkenntnis aus diesem Projekt. Zuerst hatten wir Angst, dass wir auf eBay Platten kaufen müssen, und dann kommt die ganze Zeit der DHL-Wagen und lädt Paletten ab. In der Diskussion mit den Baufirmen haben wir gemerkt, dass es viel planbarer ist als gedacht. Was auch noch interessant ist, ist, dass viel Material weggeworfen wird, das eigentlich ein Restposten ist oder Material mit einem Schaden. Das kann eine kleine Kalkausblühung sein, die nach zwei Jahren weg ist, aber die Platten kann man heute nicht mehr verkaufen. Das hat uns sehr überrascht und auch erschreckt.
Das zirkuläre Bauen erfordert einen anderen Entwurfsprozess. Wenn ich nicht mehr das Objekt erschaffe, sondern die Regeln bestimme, wie das Objekt aussieht, muss ich mich eigentlich mit den Regeln identifizieren. Das braucht extrem viel Mut. Und dieser Mut ist ein Widerspruch zum Schöpferischen. Das fertige Bild, die Visualisierung funktioniert in der Wieder- oder Weiterverwendung nicht, weil man nicht weiß, mit welchem Material man arbeiten wird. Die Schöpfung ist nicht mehr der Entwurf, sondern die Schöpfung ist der Prozess des Entstehens und des Zusammensetzens. Und da merken wir, dass die Architektur im Moment noch mit der hohen Qualität des Bildes, der Nachvollziehbarkeit, wie es genau aussehen soll, ganz woanders steht, als wir es für das zirkuläre Bauen brauchen. Ich würde überhaupt nicht sagen, dass man die Gestaltung hintanstellen muss, sondern dass durch das Momentum der Ressource sich auch ganz tolle räumliche Qualitäten ergeben, die nie entstanden wären, wenn man auf dem Reißbrett anfängt, den perfekten Raum zu zeichnen.“

Daniel Baur ist Landschaftsarchitekt und Stadtentwickler. Er ist Inhaber und Mitglied der Geschäftsleitung von Bryum, einem Büro für urbane Interventionen und Landschaftsarchitektur mit Sitz in Basel, und Professor für Landschaftsarchitektur an der Berner Fachhochschule für Architektur, Holz und Bau. In Lehre wie Praxis legt er immer wieder einen Fokus auf das Thema Reuse und auf die Bedeutung für Entwurf und Ausführung.

01. April 2025newroom

Ulrike Schartner – Leistbarer Wohnraum für alle

Vor etwa zwei Jahren gründeten Mitglieder der Kammer der ZiviltechnikerInnen für Wien, Niederösterreich und Burgenland den Ausschuss für Wohnbau und Leistbarkeit. Das Angebot an leistbarem Wohnraum geht seit Jahren zurück – auch wegen der hohen Baukosten und der geringeren Neubauproduktion. Rechtzeitig zur Landtagswahl in Wien hat der Ausschuss ein Schreiben an PolitikerInnen initiiert, um aufzuzeigen, wie es gelingen kann, günstigen Wohnraum für alle zu schaffen und zugleich die Klimaschutzziele einzuhalten. Architektin Ulrike Schartner, Vorsitzende des Ausschusses Wohnbau und Leistbarkeit, erklärt, warum im Stadtumbau eine Chance liegt, mehr leistbaren Wohnraum zu schaffen, und warum es dafür eine Umbauordnung braucht. Denn der Umbau bestehender Bauten muss konkurrenzfähig zum Neubau sein.

Vor etwa zwei Jahren gründeten Mitglieder der Kammer der ZiviltechnikerInnen für Wien, Niederösterreich und Burgenland den Ausschuss für Wohnbau und Leistbarkeit. Das Angebot an leistbarem Wohnraum geht seit Jahren zurück – auch wegen der hohen Baukosten und der geringeren Neubauproduktion. Rechtzeitig zur Landtagswahl in Wien hat der Ausschuss ein Schreiben an PolitikerInnen initiiert, um aufzuzeigen, wie es gelingen kann, günstigen Wohnraum für alle zu schaffen und zugleich die Klimaschutzziele einzuhalten. Architektin Ulrike Schartner, Vorsitzende des Ausschusses Wohnbau und Leistbarkeit, erklärt, warum im Stadtumbau eine Chance liegt, mehr leistbaren Wohnraum zu schaffen, und warum es dafür eine Umbauordnung braucht. Denn der Umbau bestehender Bauten muss konkurrenzfähig zum Neubau sein.

„Unser Ausschuss heißt Wohnbau und Leistbarkeit. Wir haben diesen Bauausschuss vor zwei Jahren gegründet, als es überall Baustopps gab, vor allem im Wohnbau, egal ob frei finanziert oder gemeinnützig. Wir wollten die Leistbarkeit im Wohnbau unter die Lupe nehmen und schauen, welche Hebel es gibt, damit Wohnen wieder günstiger wird. Ein erster Hebel, um leistbares Wohnen zu gewährleisten, ist unserer Ansicht nach die Baupreis-Transparenz. Inzwischen haben sich die Baupreise zwar beruhigt, aber dennoch wird immer mehr funktionell ausgeschrieben. Das macht es der Bauherrschaft und uns Architekten und Architektinnen schwer zu sehen, wo Einsparungsmöglichkeiten liegen. Deshalb fordern wir eine konstruktive Leistungsbeschreibung anstatt einer funktionellen.

Bei den Bemühungen um leistbares Wohnen dürfen wir den Klimaschutz nicht außer Acht lassen. Wenn wir weiter wie bisher neu statt im Bestand bauen, werden wir die Klimaziele nicht erreichen, egal wie ökologisch der Neubau ist. Wir müssen den Leerstand aktivieren und die Rahmenbedingungen für das Bauen im Bestand verbessern. Unsere Bauordnung ist eine Neubauordnung. Wir aber brauchen eine Umbauordnung, denn Wien ist eine Bestands- und keine Neubaustadt.

Durch einen Stadtumbau können wir wieder zu einer Leistbarkeit des Wohnens kommen. Wir müssen uns darauf konzentrieren, mehr aus dem zu machen, was bereits da ist. Durch Umbau und Nachverdichtung vermeiden wir Abbruch. Damit Sanierung günstiger wird als Neubau, muss der Bestand neu bewertet werden, indem auch ökologische Werte wie die Lebenszykluskosten und die graue Energie mit in die Betrachtung einfließen. Wir müssen Umbau in den Ausschreibungen priorisieren und in die Förderungen einbringen. Die Einführung einer Umbauordnung und des Gebäudetyps E würde zudem die Rahmenbedingungen für das Bauen im Bestand deutlich verbessern.

Unser zweites Hauptthema neben dem Stadtumbau sind Quartiere für leistbares und gesundes Leben. Wir müssen hier Synergien schaffen durch Förderung liegenschaftsübergreifender Sanierungen und Weiterentwicklungen und wir müssen innovative, alternative Wohnmodelle und deren Finanzierung fördern. Wenn wir wieder mehr leistbaren Wohnraum schaffen und zugleich etwas für den Klimaschutz tun wollen, reicht es nicht, nur an einer Schraube zu drehen. Wir müssen die Gesamtzusammenhänge erkennen.“

Ulrike Schartner führt mit Alexander Hagner das Architekturbüro gaupenraub+/-. Sie lehrt an verschiedenen Universitäten und ist im Sektionsvorstand ArchitektInnen der Kammer der ZiviltechnikerInnen der ArchitektInnen und IngenieurInnen für Wien, Niederösterreich und Burgenland. Sie ist Vorsitzende des Ausschusses Wohnbau und Leistbarkeit.

04. März 2025newroom

Martin Mackowitz – Bauen mit Lehm

Der Vorarlberger Architekt Martin Mackowitz arbeitet bei Lehm Ton Erde, einem Unternehmen, das der Lehmbaupionier Martin Rauch in den 1980er Jahren in Vorarlberg gründete. Das Unternehmen errichtet weltweit Stampflehmbauten und arbeitet dabei mit renommierten Architekturbüros zusammen. Martin Mackowitz, der hier für Architektur und Marketing zuständig ist, ist zudem Mitbegründer von Erden Studio, einem auf Lehmbau spezialisierten Entwurfsstudio und von der Lehmit GmbH, einem Unternehmen, das die Entwicklung von Holz- und Lehmbausystemen fokussiert. Im Gespräch erzählt er, was ihn am Werkstoff Lehm so fasziniert und wie er die Industrialisierung dieser Bauweise vorantreiben und Lehmbau für alle leistbar machen will. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

Der Vorarlberger Architekt Martin Mackowitz arbeitet bei Lehm Ton Erde, einem Unternehmen, das der Lehmbaupionier Martin Rauch in den 1980er Jahren in Vorarlberg gründete. Das Unternehmen errichtet weltweit Stampflehmbauten und arbeitet dabei mit renommierten Architekturbüros zusammen. Martin Mackowitz, der hier für Architektur und Marketing zuständig ist, ist zudem Mitbegründer von Erden Studio, einem auf Lehmbau spezialisierten Entwurfsstudio und von der Lehmit GmbH, einem Unternehmen, das die Entwicklung von Holz- und Lehmbausystemen fokussiert. Im Gespräch erzählt er, was ihn am Werkstoff Lehm so fasziniert und wie er die Industrialisierung dieser Bauweise vorantreiben und Lehmbau für alle leistbar machen will. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

„Mich fasziniert die Verfügbarkeit: Lehm gibt es auf der ganzen Welt. Es ist ein erodiertes Gestein, ein einfaches Material, das man anfeuchten und dann formen kann.
Eine Mischung aus etwa zwei Drittel Steinen und einem Drittel Lehm ist sehr druckfest. Man kann mit einer 35 Zentimeter dicken Stampflehmwand drei- bis viergeschossige Gebäude bauen. Man kann mit Lehm aber auch feinere Oberflächen herstellen. Lehmöfen zum Beispiel werden mit einer feineren Körnung gestampft und haben eine glattere Oberfläche. Mischt man Kasein, Lehm, Kalk und Flachsfaser, entsteht eine Spachtelung für sehr feine Oberflächen. Kombiniert man diese mit farbigen Pigmenten, kann man sogar Ornamente damit herstellen. Dieses Spektrum des Werkstoffs Lehm ist unglaublich spannend.

Unseren Standort in Schlins sehen wir als Forschungs- und Entwicklungszentrum. Der Holzbau hat den Schritt zur Industrialisierung schon geschafft. Wir wollen jetzt Lehmbauteile so entwickeln, dass auch sie skalierbar sind. Gerade an der Schnittstelle von Lehm und Holz gibt es viel zu entwickeln. Wie wird ein Holzelement mit Lehm gefüllt, um Masse in den Holzbau zu bringen? Wo sind die Schnittstellen zwischen Baumeister, Lehm- und Holzbauer? Zusammen mit dem Holzbauunternehmen Blumer Lehmann und der gbd Holding haben wir eine neue Firma gegründet, die Lehmit. Wir wollen mit großen Partnern die Systeme so weiterentwickeln, dass sie skalierbar und dann auch leistbar sind.

Um effizienter zu werden, müssen wir auch die Maschinen weiterentwickeln. In unserer Werkhalle haben wir eine Maschine namens Roberta. Eine zweite Maschine, die Roberta 2.0, steht gerade in Bordeaux und stampft dort ein Weingut mit schöner bordeauxroter Erde. Das ist eine mobile Maschine, die auf zwei Lkws passt und im Frühjahr zurückkommt. Die Idee dabei ist, dass man bei großen Bauvorhaben mit lokalem Aushubmaterial vorgefertigt produzieren kann. Eine Feldfabrik wird aufgebaut und aus dem lokalen Aushubmaterial eine Rezeptur erstellt. Diese wird so komponiert, dass die Druckfestigkeit zertifiziert werden kann. Und mit dieser Mischung werden Fertigteile gestampft, die dann versetzt werden können.

Der Wunsch ist ja, dass man das schwere Material nicht in der Gegend herumfahren muss. Martin Rauch sagt immer, es wäre toll, wenn es etwa alle 400 Kilometer eine Lehmsteine- oder Stampflehmelemente-Produktion gäbe. Aber es ist eben auch möglich, die Maschine zum Bauvorhaben zu bringen, um dort mit dem lokalen Aushubmaterial zu arbeiten.

Obwohl wir wissen, dass wir genügend Aushubmaterial zur Verfügung haben, dass das Leben in einem Lehm- und Holzbau angenehm ist und dass diese Gebäude rückbaubar sind, wird eine Tonne Erde um 40 Euro entsorgt. Diesen Gap wollen wir überbrücken.

Momentan werden so viele apokalyptische Bilder kommuniziert, wenn man über die Bauindustrie spricht. Es heißt, man darf nicht mehr bauen, es gibt einen Baustopp. Ich bin total dafür, dass man nicht auf der grünen Wiese und keine Einfamilienhäuser mehr bauen darf. Wenn wir mit Lehm bauen, haben wir die Chance, weiter bauen zu dürfen. Denn grundsätzlich ist Bauen eine der schönsten kollektiven Aufgaben.“

Martin Mackowitz ist als Architekt tätig bei dem Unternehmens Lehm Ton Erde Baukunst GmbH, das von Martin Rauch gegründet wurde. Er ist dort für den Bereich Strategische Ausrichtung, Innovation und Unternehmenskultur zuständig. Zudem ist er Mitbegründer von Erden Studio, einem Entwurfsstudio, das auf Lehmbau spezialisiert ist, und von Lehmit, einem Unternehmen, das Bausystemen aus einer Kombination von Holz- und Lehmbau entwickelt. Als Dozent an der Universität Liechtenstein baut Martin Mackowitz gemeinsam mit der Architektin Anna Heringer ein neues Kompetenzzentrum für Lehmbau auf.

04. Februar 2025newroom

Barbara Pampe – Bildung verbindet

Acht Bildungseinrichtungen mitten in Köln hatten Sanierungs- oder Neubaubedarf: Anstatt jede Einrichtung für sich zu betrachten, entschied sich die Stadt Köln gemeinsam mit den Montag Stiftungen, diese zur Bildungslandschaft Altstadt Nord zusammenzufassen.
In zahlreichen partizipativen Workshops, auch mit dem Stadtteil und vor allem den Kindern und Jugendlichen, wurden die Bedarfe ermittelt. Heute teilen sich die Einrichtungen räumliche, personelle und inhaltliche Ressourcen. Dank der kristallinen, kleinteiligeren Gestaltung durch das Architekturbüro gernot schulz : architektur fügen sich die Neubauten sehr gut in die bestehende Stadtstruktur ein.
Barbara Pampe ist Vorständin der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft und begleitete den Prozess über viele Jahre. Sie erzählt hier, wie es gelang, dass sich hier acht Bildungseinrichtungen räumliche und personelle Ressourcen miteinander teilen und inwiefern Stadt und Schule von den offenen Strukturen profitieren. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

Acht Bildungseinrichtungen mitten in Köln hatten Sanierungs- oder Neubaubedarf: Anstatt jede Einrichtung für sich zu betrachten, entschied sich die Stadt Köln gemeinsam mit den Montag Stiftungen, diese zur Bildungslandschaft Altstadt Nord zusammenzufassen.
In zahlreichen partizipativen Workshops, auch mit dem Stadtteil und vor allem den Kindern und Jugendlichen, wurden die Bedarfe ermittelt. Heute teilen sich die Einrichtungen räumliche, personelle und inhaltliche Ressourcen. Dank der kristallinen, kleinteiligeren Gestaltung durch das Architekturbüro gernot schulz : architektur fügen sich die Neubauten sehr gut in die bestehende Stadtstruktur ein.
Barbara Pampe ist Vorständin der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft und begleitete den Prozess über viele Jahre. Sie erzählt hier, wie es gelang, dass sich hier acht Bildungseinrichtungen räumliche und personelle Ressourcen miteinander teilen und inwiefern Stadt und Schule von den offenen Strukturen profitieren. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

„Die Bildungslandschaft Altstadt Nord ist ein Verbund von acht Bildungs- und Jugendeinrichtungen. Wir haben das Projekt vor 18 Jahren gemeinsam mit der Stadt Köln gestartet. All diese Einrichtungen hatten einen Sanierungs- oder Neubaubedarf. Die Idee war, nicht jede Einrichtung für sich zu betrachten, sondern alle im Verbund, auch weil sie in räumlicher Nähe zueinander liegen.
Obwohl es eigenständige Schulen und Jugendeinrichtungen sind, teilt man heute nicht nur räumliche, sondern auch personelle und inhaltliche Ressourcen miteinander. Zum Beispiel bieten die Schulen und Jugendeinrichtungen gemeinsame AGs an, in denen sich alle Kinder und Jugendlichen aus den unterschiedlichen Einrichtungen begegnen. Die Idee ist, über den ganzen Bildungsweg Verbindungen zu schaffen. Auch der Stadtteil und der Park dienen dabei als Lernmöglichkeit.

Wir haben in einem sogenannten Phase-Null-Prozess die Bedarfe ermittelt: Wer braucht welche Räumlichkeiten und Flächen? Welche davon können auch gemeinsam genutzt werden? Dabei haben wir Eigen-, Misch- und Verbundnutzungen ermittelt. So ist das Raumprogramm entstanden. In der Realschule zum Beispiel gibt es die Lehrküche, die von allen Einrichtungen mitbenutzt werden kann. Zu den sogenannten Verbundnutzungen zählen das Studienhaus und die Mensa, die zentral und gut erreichbar für alle sind. Da die Mensa von allen Einrichtungen genutzt wird, war es möglich, eine Frischkochküche einzurichten. Diese sogenannten Synergieeffekte haben sich im Laufe des Prozesses herauskristallisiert.
In der Planung von Bildungseinrichtungen kommt so viel zusammen, gerade an so einem Standort. Es gibt die Belange des Quartiers, der Politik, die Vorgaben der Stadt und des Landes und natürlich die spezifischen Anforderungen der Einrichtungen. Zusätzlich braucht es noch den Blick in die Zukunft, der in den Regularien nie abgebildet ist. Dafür ist die Bereitschaft aller nötig, sich an einen Tisch zu setzen, die Dinge miteinander zu verhandeln. Für unsere Stiftung ist es ein ganz besonderes Projekt, weil es die Anfänge der pädagogischen Architektur bedeutete und weil wir es über einen so langen Zeitraum, fast 18 Jahre, begleiteten.
Ein Gewinn aus diesem ganzen Prozess ist auch der gemeinsam von den Bildungseinrichtungen und dem Stadtteil genutzte Außenraum. Der Park wurde dabei aufgewertet: Von einem sauberen Park mit mehr Spiel-, Aufenthalts- und Bewegungsangeboten profitieren alle.
Der Entwurf für die Neubauten von gernot schulz : architektur überzeugte die Jury. Die polygonalen Stadtbausteine führen dazu, dass der öffentliche Raum durch die Bildungslandschaft fließt. Ich glaube, das Neue und Überzeugende ist, dass dadurch eine Kommunikation zwischen Schule und öffentlichem Raum entsteht. Die Menschen, die an den Gebäuden vorbeilaufen, können in die Schule reingucken. Und genauso sind auch die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen in den Einrichtungen immer mit dem Stadtteil verbunden. Das ist der Mehrwert des Ortes und des Entwurfs der Neubauten.
In Zukunft geht es nun darum, diese Verknüpfung, diese Kooperationen und räumlichen Synergien mit dem Quartier weiterzuentwickeln.“

Barbara Pampe ist Vorständin der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft. Sie hat Architektur und Internationales Projektmanagement in Bordeaux, Weimar, Delft und Stuttgart studiert, im Bereich Schulbau geforscht und gelehrt. Sie ist Autorin und Initiatorin diverser Publikationen und Projekte zum Thema zukunftsfähiger Schulbau. Parallel zu ihrer Tätigkeit in den Montag Stiftungen lehrte sie an verschiedenen Hochschulen im In- und Ausland.

Die Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft ist eine unabhängige gemeinnützige Stiftung, die zur Gruppe der Montag Stiftungen in Bonn gehört. Sie engagiert sich für eine chancengerechte Alltagswelt, die Kindern und Jugendlichen bestmögliche Entwicklungs- und Bildungschancen eröffnet.

31. Dezember 2024newroom

ALLIANZ FÜR SUBSTANZ – Verbindlicher Substanzschutz

ALLIANZ FÜR SUBSTANZ ist eine österreichische Initiative, die sich für einen verbindlichen Substanzschutz einsetzt. In einem offenen Brief an das Klimaschutzministerium hat sie ihre Forderungen formuliert. Damit knüpfen die Initiator:innen an die Initiativen aus den Nachbarländern an wie das Abrissmoratorium Deutschland, Countdown 2030 oder architects4future Deutschland. Anne Isopp trifft Carina Sacher, Martin Hess und Georg Scherer, drei Vertreter:innen der Allianz für Substanz, in einem der Hörsäle der Alten WU in Wien. Hier erzählen sie über ihre Motivation, Ziele und Aktionen und warum es neben Änderungen auf struktureller Ebene auch immer wieder konkrete Anlassfälle braucht.

ALLIANZ FÜR SUBSTANZ ist eine österreichische Initiative, die sich für einen verbindlichen Substanzschutz einsetzt. In einem offenen Brief an das Klimaschutzministerium hat sie ihre Forderungen formuliert. Damit knüpfen die Initiator:innen an die Initiativen aus den Nachbarländern an wie das Abrissmoratorium Deutschland, Countdown 2030 oder architects4future Deutschland. Anne Isopp trifft Carina Sacher, Martin Hess und Georg Scherer, drei Vertreter:innen der Allianz für Substanz, in einem der Hörsäle der Alten WU in Wien. Hier erzählen sie über ihre Motivation, Ziele und Aktionen und warum es neben Änderungen auf struktureller Ebene auch immer wieder konkrete Anlassfälle braucht.

„Wir haben vor etwa einem Jahr den offenen Brief „Bestand als ökosoziale Ressource“ mit acht Forderungen für einen verbindlichen Substanzschutz an das Klimaschutzministerium geschrieben. Es geht uns um einen Paradigmenwechsel, bei dem Abriss zur Ausnahme und Sanieren, Umbauen und Weiternutzen zur Regel werden.

Es reicht nicht mehr aus, punktuell gegen den Abriss von Gebäuden zu kämpfen, es muss sich etwas auf der strukturellen Ebene ändern. Österreich wird sein CO2 Restbudget Mitte 2025 aufgebraucht haben. Es braucht also einen effektiven Hebel. Diesen sehen wir in einem verbindlichen Substanzschutz, bei dem Maßnahmen den Abriss drastisch minimieren und das Transformieren von bestehenden Gebäuden zur Selbstverständlichkeit wird. In der Architektur, der Baukultur und in den Klimagerechtigkeitsbewegungen ist das bereits Konsens. Das zeigte auch die breite Unterstützung unserer Forderungen seitens vieler österreichischer Institutionen und Initiativen. Wir brauchen einen raschen Stopp der Ressourcenverschwendung, die mit dem Zyklus von Abriss und Neubau einhergeht. Deshalb benötigt es dringend Überarbeitungen von Gesetzen und Förderungen. Wir sind davon überzeugt, daß Umbauen auch zu mehr Qualität in der Architektur führt. Die Nutzung spielt eine entscheidende Rolle, dass Gebäude erhalten und gepflegt werden.

Auch den Bodenschutz können wir nicht ohne den Substanzschutz denken und vice versa. Sobald wir Boden schützen, wird der Druck auf den Bestand erhöht. Und andersrum. Deshalb ist beides zusammenzudenken. Bauen ohne Boden zu verbrauchen, impliziert umzubauen und den Bestand bestmöglich zu nutzen. Ein wesentlicher Punkt ist somit nicht nur die Mobilisierung von Leerstand, sondern auch die Umverteilung von Raumressourcen und das kluge Programmieren von bestehenden Strukturen. Wenn Raumprogramme ohne Bestand entworfen werden, dann werden sie zum Argument für den Abriss und Neubau.

Es gibt leerstehende oder vielfach untergenutzte Gebäude, die für bestimmte Funktionen errichtet wurden wie die alte Wirtschaftsuniversität Wien (WU Wien). Für den Erhalt der gerade einmal 42 Jahre jungen Struktur setzt sich nun die Allianz alte WU ein. Die alte WU könnte ein Leuchtturmprojekt für Umbaukultur und ein Testlabor für neues Handwerk werden. Die öffentliche Hand sollte vorbildhaft agieren und Wettbewerbsausschreibungen dezidiert auf das Um- und Weiterbauen ausrichten.“

ALLIANZ FÜR SUBSTANZ versteht sich als Impulsgeberin und Plattform zur Verknüpfung relevanter Themen und Akteur:innen für einen Paradigmenwechsel im Bauwesen, der Bestand als ökosoziale Ressource begreift. Die Petition an das Klimaministerium mit den Forderungen für den Substanzerhalt ist auf der Webseite der Initiative nachzulesen. Am 12. Dezember 2024 übergab ALLIANZ FÜR SUBSTANZ – vertreten durch Architetcts4Future, Architekturzentrum Wien, IG Architektur, Plattform Baukulturpolitik und LobauBleibt – die Petition an Ministerin Leonore Gewessler. Die Forderungen werden ebenfalls an die kommende Regierung gestellt. Die Petition wurde verfasst von Christian Eibel, Martin Hess, Norbert Mayr, Maik Novotny, Jürgen Radatz, Carina Sacher und Lukas Vejnik.

03. Dezember 2024newroom

Andreas Hofer – Im Gewerbegebiet leben

Die Internationale Bauausstellung 2027, die IBA’27, findet in der Stadtregion Stuttgart statt. Ihr Fokus liegt auf der Transformation von reinen Gewerbe- und Wohnvierteln sowie monofunktionalen Großstrukturen in eine durchmischte produktive Stadt.
Künstlerischer Leiter der IBA’27 ist der Schweizer Architekt Andreas Hofer. Als Mitbegründer der Zürcher Bau- und Wohngenossenschaft „Kraftwerk1“ und Koordinator der Baugenossenschaft „mehr als wohnen“ war er maßgeblich an der Entwicklung und Renaissance des genossenschaftlichen Wohnungsbaus in Zürich beteiligt. Für die Stadt der Zukunft sieht er ein großes Potenzial in der Weiterentwicklung von Gewerbegebieten. Gerade in der von Hochtechnologie geprägten Region Stuttgart, in der es noch immer viel produzierendes Gewerbe gibt, bietet die Nutzungsdurchmischung von Arbeit und Wohnen in Gewerbegebieten neue Möglichkeiten. Sie würde nicht nur Impulse gegen die Wohnungsnot setzen, sondern auch die Entwicklung von produktiven und zukunftsfähigen Stadtquartieren forcieren. Andreas Hofer erklärt, warum er in der produktiven Stadt die Stadt der Zukunft sieht und wie er diese Mischgebiete vor Gentrifizierung schützen will. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

Die Internationale Bauausstellung 2027, die IBA’27, findet in der Stadtregion Stuttgart statt. Ihr Fokus liegt auf der Transformation von reinen Gewerbe- und Wohnvierteln sowie monofunktionalen Großstrukturen in eine durchmischte produktive Stadt.
Künstlerischer Leiter der IBA’27 ist der Schweizer Architekt Andreas Hofer. Als Mitbegründer der Zürcher Bau- und Wohngenossenschaft „Kraftwerk1“ und Koordinator der Baugenossenschaft „mehr als wohnen“ war er maßgeblich an der Entwicklung und Renaissance des genossenschaftlichen Wohnungsbaus in Zürich beteiligt. Für die Stadt der Zukunft sieht er ein großes Potenzial in der Weiterentwicklung von Gewerbegebieten. Gerade in der von Hochtechnologie geprägten Region Stuttgart, in der es noch immer viel produzierendes Gewerbe gibt, bietet die Nutzungsdurchmischung von Arbeit und Wohnen in Gewerbegebieten neue Möglichkeiten. Sie würde nicht nur Impulse gegen die Wohnungsnot setzen, sondern auch die Entwicklung von produktiven und zukunftsfähigen Stadtquartieren forcieren. Andreas Hofer erklärt, warum er in der produktiven Stadt die Stadt der Zukunft sieht und wie er diese Mischgebiete vor Gentrifizierung schützen will. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

„Für uns sind die Gewerbegebiete die interessanten Orte der Zukunft. Im Moment haben sie mit ihren riesige asphaltierte Parkierungsflächen keine Qualität. In Fellbach, unmittelbar angrenzend an die Stadt Stuttgart, liegen 110 Hektar Gewerbegebiet mit angrenzender intensiver Landwirtschaft. Die intensive Landwirtschaft verbraucht zu viel Trinkwasser von der Kommune, die Gewächshäuser werden fossil beheizt. Im Gewerbegebiet auf der anderen Straßenseite hat man hingegen ein Überflutungs- und ein Überhitzungsproblem, wenig Aufenthaltsqualität und Produktionsanlagen, die die Abwärme wegkühlen. Da sind wir jetzt in einer spannenden Diskussion, wie man die Dinge zusammenbringt. Das hat ökologische, soziale und ökonomische Gesichtspunkte. Das Stichwort ist immer ‚Potenziale schöpfen‘ – mehr machen als vorher.

Erst seit 2017 gibt es im deutschen Planungsrecht die Kategorie ‚Urbanes Gebiet‘, die eine intensive Nutzungsmischung ermöglicht. Wohnen und Gewerbe sind meistens verträglich. Aber natürlich hat der Gewerbetreibende Angst, dass er herausgeklagt wird. Die Wohnenden befürchten, dass es lärmig ist. Wenn man das aber auf eine clevere Art und Weise strukturiert, kriegt man das in den Griff. Da hilft mir persönlich die Erfahrung aus Zürich, weil wir ja immer an unmöglichen Orten gebaut haben. Unsere Strategie war „arm, aber clever“. Wir bauten auf Grundstücken, die niemand haben will. Da mussten wir auch Wohnungstypologien erfinden, die vor Lärm schützen. Der große Vorteil des Gewerbegebiets ist, dass es Parzellengrößen hat, bei denen man sich auch typologisch vor Lärm schützen kann. Man kann das dann sogar in Bebauungs-Plänen verrechtlichen, dafür braucht es clevere Juristen sowie eine Verwaltung und eine Kommunalpolitik, die bereit sind, neue Wege zu gehen. Dafür gibt es jetzt erste Beispiele. Das ist alles sehr anspruchsvoll und kompliziert, aber ich glaube, dass das die richtige Richtung ist.

Es geht sicher nicht überall und mit allen Formen des Gewerbes. Aber es gibt einen interessanten Zwischenbereich – von Forschung und Entwicklung über Prototyping, Softwareentwicklung und kleinteilige Hightech-Produktion bis hin zu lokalen Handwerkern und Gewerbe –, in dem spannende Kombinationen mit Wohnen, Freizeit und Kultur entstehen können, mit einem Nutzen für alle Seiten. Da wird es auch ökonomisch spannend. Allerdings besteht die Gefahr, dass diese Projekte so erfolgreich sind, dass sie zur Gentrifizierung in Gewerbegebieten führen. Wir brauchen dafür neue Instrumente, um diese Nutzungsmischung dauerhaft zu sichern.

Es gibt eine Initiative in Zürich, die eine neue Gebietskategorie für urbane Produktion einführen möchte. Hier könnte ein kreatives Miteinander entstehen, in dem die Grenzen zwischen Wohnen, Arbeiten und Kultur aufgeweicht werden. Das sind dann sehr dynamische, komplexe Systeme, die man auch gut verwalten, betreiben und entwickeln muss. Aber der Gewinn an Qualität ist hoch. Die Zehn-Minuten-Stadt geht nur so.“

Andreas Hofer ist künstlerischer Leiter der Internationalen Bauausstellung IBA’27, die 2027 in der Stadtregion Stuttgart stattfindet. Er hat an der ETH Zürich Architektur studiert. Als Mitbegründer und Projektleiter der Genossenschaften „mehr als wohnen“ und „Kraftwerk1“ war er maßgeblich an der Entwicklung und Renaissance des genossenschaftlichen Wohnungsbaus in Zürich beteiligt.

05. November 2024newroom

Olaf Grawert – No to Demolition

HouseEurope! ist eine europäische Bürgerinitiative, die Renovierung und Umbau zur Norm machen will. Die Initiative braucht eine Millionen Stimmen, damit das Thema von der Europäischen Kommission behandelt wird. Schon jetzt kann man sich für den Newsletter anmelden und ab Januar 2025 können alle ihre Stimme dafür abgeben. Olaf Grawert ist Mitinitiator von HouseEurope!. Er ist Architekt, Lehrender und Forschender an der ETH Zürich und führt gemeinsam mit Arno Brandlhuber, Jonas Janke and Roberta Jurčić das Designbüro b+ (bplus.xyz). Hier erzählt er, wie die Idee zu HouseEurope! entstand und mit welchen Forderungen die Initiative an die Europäische Kommission herantreten wird. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

HouseEurope! ist eine europäische Bürgerinitiative, die Renovierung und Umbau zur Norm machen will. Die Initiative braucht eine Millionen Stimmen, damit das Thema von der Europäischen Kommission behandelt wird. Schon jetzt kann man sich für den Newsletter anmelden und ab Januar 2025 können alle ihre Stimme dafür abgeben. Olaf Grawert ist Mitinitiator von HouseEurope!. Er ist Architekt, Lehrender und Forschender an der ETH Zürich und führt gemeinsam mit Arno Brandlhuber, Jonas Janke and Roberta Jurčić das Designbüro b+ (bplus.xyz). Hier erzählt er, wie die Idee zu HouseEurope! entstand und mit welchen Forderungen die Initiative an die Europäische Kommission herantreten wird. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

„HouseEurope! ist eine Initiative, die Renovierung und Umbau zur Norm machen will. Die Idee dazu entstand aus unserer Praxis. b+ ist ein kollaboratives Designbüro, das sich auf die adaptive Umnutzung bestehender Gebäude konzentriert. Ein Beispiel dafür ist der Mäusebunker. Das ist ein riesiges Gebäude in Berlin, ein ehemaliges Tierlabor. Dieses Labor hätte abgerissen werden sollen. Wir von b+ haben einen Gegenvorschlag gemacht, wie man das Gebäude erhalten und nachnutzen kann. Während der Arbeit daran hat aber unser Banker zu uns gesagt, dass wir das aufgrund der finanziellen Hürden nicht schaffen können.
In dem Moment haben wir realisiert: Es reicht nicht mehr, dass wir als ArchitektInnen beweisen, dass man ein Gebäude nachnutzen kann, sondern wir müssen darüber hinaus etwas an den Gesetzen und am System ändern. Deswegen haben wir HouseEurope!, eine europäische Bürgerinitiative, gegründet. Die EU ermöglicht ihren BürgerInnen, selbst einen Gesetzesvorschlag einzubringen. Wir haben ein Jahr Zeit, eine Million Stimmen zu sammeln. Wenn uns das gelingt, kommt der Gesetzesvorschlag in die EU-Gremien, und diese verpflichten sich dann, ihn zu bearbeiten und umzusetzen.

Renovierung statt Abriss ist einfach ein größeres Thema, das über Wahlzyklen, Legislaturperioden und Parteibücher hinaus behandelt werden muss. Deswegen heben wir es auf europäische Ebene und sammeln eine Million Stimmen für unsere drei Gesetzesvorschläge. Im Oktober reichen wir diese ein. Drei Monate später, im Januar 2025, kommen sie zur Abstimmung. Dann haben wir ein Jahr Zeit, die Stimmen zu sammeln. Das Ziel der Initiative ist, Renovierung und Umbau zur Norm zu machen. Renovierung und Umbau sind einfacher, sozialer und ökologisch verträglicher als neu zu bauen. Wir schlagen kein Verbot von Abriss vor, sondern bieten mit unseren drei Gesetzesvorschlägen ein Anreizmodell.

In unserem ersten Gesetzesvorschlag fordern wir eine Reduktion oder die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Renovierung, das beinhaltet sowohl die Renovierungsarbeiten als auch das Material. Das gibt es bereits in verschiedenen europäischen Ländern. In Italien zum Beispiel kosten alle Dinge, die mit Renovierung von bestehenden Gebäuden zu tun haben, nur 10 statt 22 Prozent Mehrwertsteuer. Auf Secondhand-Material, das neu genutzt wird, wird gar keine Steuer eingehoben, weil in der Vergangenheit die Mehrwertsteuer ja schon bezahlt wurde. Es soll zur europäischen Norm werden, dass Renovierungsarbeiten und wiederverwendetes Material deutlich günstiger und damit konkurrenzfähiger sind.
Zweitens fordern wir transparente Regeln bei Gutachten. Es ist ein Unterschied, ob ExpertInnen alle Risiken oder alle Potenziale eines Gebäudes aufschreiben. Diese Listen sind die Grundlage für die Bank zu entscheiden, ob sie einen Kredit vergeben oder nicht. Im Fall des Mäusebunkers hat unser Banker gesagt, dass er für ein Renovierungsprojekt ein Drittel mehr Kapitalsicherheit braucht. Also wollen wir mit unserem zweiten Vorschlag die Entscheidungsgrundlage für solche Gutachten verändern. Auch das gibt es schon in anderen Ländern, wo man sich auf die Potenziale konzentriert bzw. auch die Risiken eines Neubaus auflistet. Der dritte Vorschlag umfasst viele Punkte, zusammenfassend geht es darum, der Energie, die im Gebäude steckt, einen Wert zu geben, um aus den Konsequenzen unseres vergangenen Handelns ein Potenzial für die Zukunft zu machen. Dazu zählt, dass das CO₂, das in den Gebäuden steckt, ermittelt werden muss. Das ist die Grundlage für die Schaffung eines Anreizmodells, um den Bestand zu erhalten.

Damit diese Gesetzvorlagen von der Europäischen Kommission behandelt werden, brauchen wir eine Millionen Stimmen. Schon jetzt kann man sich auf der Website www.houseeurope.eu für den Newsletter anmelden oder freiwillige Helferin oder Helfer werden – ab Januar 2025 kann man seine Stimme abgeben. Wir brauchen dann jeden Tag 3.000 Unterschriften. 3.000 mal 365 ist eine Million. So gelingt es uns, Renovierung und Umbau zur Norm zu machen.“

Olaf Grawert ist Gründungspartner und Architekt des kollaborativen Designbüros b+ (bplus.xyz), das sich auf die adaptive Umnutzung bestehender Gebäude konzentriert. Er ist Forscher und Programmdirektor bei s+ (station.plus), dem Lehrstuhl für Architektur und Storytelling an der ETH Zürich, sowie Mitinitiator und Kampagnenmanager von HouseEurope! (houseeurope.eu), einem Non-Profit-Policy-Lab und einer europäischen Bürgerinitiative für die Renovierung und gegen den Abriss von bestehenden Gebäuden.

24. September 2024newroom

Simon Pories – Für einen verbindlichen Bodenschutz

Simon Pories ist beim WWF zuständig für die Bodenschutzkampagne. Er fordert vor der Nationalratswahl alle Parteien auf, sich für einen verbindlichen Bodenschutz einzusetzen. Bei der Veranstaltung „Baukultur im Nationalrat?“, die Anfang September 2024 im Architekturzentrum Wien stattfand, konnte er gemeinsam mit der Plattform Baukulturpolitik und Allianz für Substanz Fragen an die anwesenden PolitikerInnen von Grünen, Neos und SPÖ (ÖVP und FPÖ sagten ihre Teilnahme ab) richten zum Thema Bodenschutz, Bestandserhaltung, Baukulturförderung. Er erzählt hier, warum das 2,5-Hektar-Ziel nicht mehr ausreicht und der WWF einen maximalen Bodenverbrauch von 1 Hektar pro Tag fordert, welche Maßnahmen für den Bodenschutz erforderlich sind und wie diese umgesetzt werden sollen.

Simon Pories ist beim WWF zuständig für die Bodenschutzkampagne. Er fordert vor der Nationalratswahl alle Parteien auf, sich für einen verbindlichen Bodenschutz einzusetzen. Bei der Veranstaltung „Baukultur im Nationalrat?“, die Anfang September 2024 im Architekturzentrum Wien stattfand, konnte er gemeinsam mit der Plattform Baukulturpolitik und Allianz für Substanz Fragen an die anwesenden PolitikerInnen von Grünen, Neos und SPÖ (ÖVP und FPÖ sagten ihre Teilnahme ab) richten zum Thema Bodenschutz, Bestandserhaltung, Baukulturförderung. Er erzählt hier, warum das 2,5-Hektar-Ziel nicht mehr ausreicht und der WWF einen maximalen Bodenverbrauch von 1 Hektar pro Tag fordert, welche Maßnahmen für den Bodenschutz erforderlich sind und wie diese umgesetzt werden sollen.

„Ich bin seit zwei Jahren beim WWF Sprecher und Experte für das Thema Bodenschutz. Der WWF führt seit einigen Jahren eine Kampagne für den Bodenschutz. Damit setzen wir einen Schwerpunkt auf das Thema, um das Bewusstsein dafür zu schärfen und Druck auf die Politik auszuüben. Auf der einen Seite zeigen wir Probleme und Negativbeispiele auf, wie zum Beispiel den Sonnenweiher Grafenwörth oder das Chaletdorf auf der Turracher Höhe. Solche konkreten Projekte können wir nur schwer verhindern. Aber wir zeigen daran auf, was strukturell schiefläuft, und können dann hoffentlich in Zukunft weiteren ähnlichen Verbauungsprojekten vorbeugen. Denn anscheinend ist es für Gewerbetreibende immer noch billiger und einfacher, auf der grünen Wiese zu bauen, anstatt Bestand zu nutzen oder im Ortskern zu bauen. Das liegt an der Raumordnung, die hier nur unzureichende Grenzen setzt, aber auch am Steuersystem. Das ist ein österreichweites strukturelles Problem.

Wir sehen deshalb in drei Bereichen große Hebel für den Bodenschutz. Der eine ist das Steuersystem. Eine Studie der Technische Universität Wien zeigt auf, dass das Steuersystem keine wirklichen Anreize für eine flächensparende Nutzung bietet.
Ein weiterer Hebel besteht auf Landesebene. Hier müssen die konkreten Raumordnungsprogramme und -gesetze verbessert werden. Der dritte Hebel ist ein strengerer Naturschutz. Die Schutzgebiete müssen ausgeweitet und zugleich strenger vor Verbauung geschützt werden. Und ganz allgemein wäre es wichtig, österreichweit eine Obergrenze für den Bodenverbrauch festzulegen. Wir fordern eine Reduktion auf 1 Hektar pro Tag, denn in den letzten 20 Jahren lag der Verbrauch übermäßig hoch über dem schon seit längerem geforderten 2,5 Hektar-Ziel.

Die Diskussion mit den VertreterInnen von SPÖ, Grünen und Neos im Architekturzentrum fand ich konstruktiv. Das Thema Bodenschutz ist inzwischen so weit etabliert, dass die Parteien, zumindest die, die anwesend waren, nicht mehr daran vorbeikommen. Würden ihre Ankündigungen, die sie im Architekturzentrum gemacht haben, auch umsetzen, wären wir einen großen Schritt weiter. Da wurde ja das Steuersystem angesprochen, eine Reform der Kommunalsteuer, die Notwendigkeit, Leerstand zu bekämpfen und die Errichtung von Einkaufszentren auf der grünen Wiese zu unterbinden. Darüber hinaus braucht es aber noch andere strukturelle Maßnahmen. Was ich sehr schade finde, ist, dass ÖVP und FPÖ niemanden zu der Veranstaltung geschickt haben. Das zeigt für mich eine geringe Priorität für dieses Thema.

Wir müssen endlich Verbindlichkeiten schaffen. Wer auch immer in den nächsten fünf Jahren in der Bundesregierung ist: Es braucht ein klares Bekenntnis zum Bodenschutz und es braucht auf Bundesebene ein Maßnahmenpaket, das es Österreich leichter macht, diesen Flächenfraß einzudämmen. Da geht es einfach um die Sicherheit und die Lebensqualität von uns allen.
Es liegen Lösungen auf dem Tisch. Ich glaube, die Bevölkerung ist bereit für echten Bodenschutz. Jetzt liegt es an der Politik, die strukturellen Maßnahmen so zu setzen, damit das auch wirklich passiert.“

Simon Pories ist Bodenschutz-Campaigner beim WWF. Er war vorher aktiv in der Fridays-for-Future-Bewegung und studiert derzeit Raumplanung an der TU Wien. Er war einer der ersten, der mit einem Tweet auf die Missstände bei der Umwidmung in Grafenwörth aufmerksam machte.

03. September 2024newroom

Maria Auböck – Klimagerechter Stadtumbau

Der Umbau des Michaelerplatzes in Wien zu einem klimafitten Platz rief internationale Kritik hervor, die in einen offenen Protestbrief an den Bürgermeister mündete. Obwohl die Bauarbeiten schon im Gange sind, fanden im Frühjahr 2024 weitere Gespräche zwischen Befürworter:innen und Kritiker:innen statt. Dabei entbrannte eine spannende Diskussion darüber, wie das historische Stadtbild mit einem klimagerechten Stadtumbau zusammenkommen kann. Die Wiener Landschaftsarchitektin Maria Auböck ist in diese Gespräche immer wieder eingebunden. Im Gespräch erzählt sie, wie man die Stadt in all ihren Dimensionen klimafit machen kann und warum es nicht einzelne Maßnahmen, sondern ein Regelwerk für die Begrünung der Stadt braucht. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

Der Umbau des Michaelerplatzes in Wien zu einem klimafitten Platz rief internationale Kritik hervor, die in einen offenen Protestbrief an den Bürgermeister mündete. Obwohl die Bauarbeiten schon im Gange sind, fanden im Frühjahr 2024 weitere Gespräche zwischen Befürworter:innen und Kritiker:innen statt. Dabei entbrannte eine spannende Diskussion darüber, wie das historische Stadtbild mit einem klimagerechten Stadtumbau zusammenkommen kann. Die Wiener Landschaftsarchitektin Maria Auböck ist in diese Gespräche immer wieder eingebunden. Im Gespräch erzählt sie, wie man die Stadt in all ihren Dimensionen klimafit machen kann und warum es nicht einzelne Maßnahmen, sondern ein Regelwerk für die Begrünung der Stadt braucht. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

„Ich habe lange in Deutschland gearbeitet. Ich hatte in München eine Professur und konnte viele Projekte mit meinem Mann János Kárász in Deutschland machen. Dort ist es ganz üblich, dass die Stadtverwaltungen nach einem gewissen Regelwerk vorgehen, wie sie die Stadt bepflanzen. Die Forderung hier in Wien von vielen Kolleginnen und Kollegen ist, dass es auch hier solche Regelwerke für die Begrünung der Stadt geben muss.

Im letzten Jahr formierte sich die Initiative SOS Michaelerplatz aus Fachleuten, professionellen Kollegen aus Denkmalpflege, Architekturgeschichte und Architektur. Diese Gruppierung schrieb einen offenen Brief an den Wiener Bürgermeister Michael Ludwig, mit etwa 450 Unterschriften aus dem In- und Ausland. Dieser Brief wurde leider nicht beantwortet. In einem Gespräch Ende Juni 2024 bestätigte Stadträtin Ulli Sima, dass eine Nachdenkpause gar nicht mehr möglich sei, weil die Baustelle bereits läuft. Aber sie akzeptierte doch eine Abänderung des Projekts. Es wird keine Wasserspiele vor dem Looshaus geben, die Möblierungen und die Beleuchtungskörper werden überplant. Und die Baumgruppe inmitten der archäologischen Grabung wird ebenfalls durch Bäume einer anderen Art ersetzt.

Ich meine, dass es hier in Zukunft um verträgliche Entscheidungen für neue Gestaltungen gehen muss, damit eine richtige Verteilung von Licht und Schatten auf den Plätzen der Stadt stattfindet. Und dass ein Ort wie der Michaelerplatz, eine symbolträchtige und historisch bedeutende Örtlichkeit, nicht dazu geeignet ist, ein Fanal für den Klimawandel zu bilden. Ich glaube, dass es an anderen Stellen der Stadt weitaus sinnvoller ist, klimafitte Bepflanzungen zu machen, wie es die großen Ausfallstraßen in Wien sein könnten. Diese Baumpflanzungen verbessern das Leben in den Außenbezirken.

Die Abteilungen, die für die Straßengestaltung, für die Stadtkultur im öffentlichen Raum zuständig sind, sollten Programmierungen wie einen Masterplan mit Materialhandbuch haben, in dem steht, in welchen Gebieten der Stadt welche Art von Gestaltung sinnvoll ist. Damit könnte man in Zukunft Aufregungen wie die um den Michaelerplatz minimieren, denn ein Großteil der Bevölkerung hat bereits verstanden: „Für Pessimismus ist es zu spät.“ Das ist ein Zitat von Helga Kromp-Kolb, einer bekannten Klimaforscherin. Wir müssen etwas tun, wenn wir unser Leben in der Stadt aktuell fit machen wollen. Man weiß aus der Wissenschaft, dass wir hier in Wien bis 2040 das Klima von Neapel haben werden. Wir müssen vorsorgen, dass die heißen Sonnentage, die immer mehr werden und für die Menschen eine große gesundheitliche Belastung darstellen, minimiert oder zumindest mit Schattenwirkungen erträglicher werden.

Die Stadt München entwickelte bereits ab 2021 ein Rahmenkonzept für die historischen Grünflächen der Innenstadt. Wir können genauso gut auch Maßnahmen der Städte wie Paris oder Barcelona betrachten. Seit mehreren Jahren formuliert man in Barcelona das Rastersystem von dem Stadtplaner Ildefons Cerdà zu nachbarschaftsorientierten Begegnungsinseln um. Diese Herangehensweise in Barcelona nennt man taktischen Urbanismus, weil es gar nicht darum geht, die alte Stadt zu überformen, sondern Taktiken zu entwickeln, wie man das Klima in den alten Städten kanalisiert, ordnet und verbessert.

Mein Mann und ich arbeiten an zahlreichen Projekten, bei denen es um alle Ebenen der Stadt geht. Das Dach als fünfte Fassade und Fassadenbegrünungen sind große Themen. Wir haben auch viele Projekte gemacht, bei denen wir Regenwasser in Zisternen sammeln. Ich könnte mir gut vorstellen, in den Straßenräumen Regenwasserzisternen anzulegen. Was das Regenwasser uns bietet, ist ein Geschenk. Dasselbe gilt auch für Geothermie, bei der man in Straßen und Plätzen genauso wie in Gärten und anderen Naturräumen Tiefenbohrungen in die Erde führt, um so für eine nachhaltigere Energieversorgung zu sorgen. Wenn wir alle diese Bausteine zusammenstellen, dann können wir die Stadt klimafit in die Zukunft bringen.“

Maria Auböck ist Landschaftsarchitektin und führt gemeinsam mit János Kárász das Büro Auböck + Kárász Landscape Architects. Maria Auböck war von 1999 bis 2017 Professorin an der Akademie der Bildenden Künste in München. Sie ist Präsidentin der Zentralvereinigung der Architekt:innen für Wien, Niederösterreich, Burgenland. 2015 erhielt sie das Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien. 2023 bekamen Maria Auböck und János Kárász den österreichischen Hans-Hollein-Kunstpreis für Architektur verliehen.

06. August 2024newroom

Barbara Feller – Baukulturelle Bildung geht uns alle an

Bink ist eine österreichweite Initiative, die Kindern und Jugendlichen Baukultur vermittelt und das Interesse und Verständnis für die gestaltete Umwelt stärken will. Der gemeinnützige Verein, ein Zusammenschluss von Initiativen und Projekten in Österreich, erarbeitet didaktisches Material für den Unterricht, organisiert Symposien und Vernetzungstreffen. Seit der Gründung des Vereins 2010 ist Barbara Feller die Obfrau. Sie war von 1996 bis 2021 auch Geschäftsführerin der Architekturstiftung Österreich und erzählt im Gespräch, warum Baukulturelle Bildung mehr ist als eine rein ästhetische Bildung, warum sie in viele Unterrichtsgegenstände integriert werden kann und warum Baukultur uns alle angeht.

Bink ist eine österreichweite Initiative, die Kindern und Jugendlichen Baukultur vermittelt und das Interesse und Verständnis für die gestaltete Umwelt stärken will. Der gemeinnützige Verein, ein Zusammenschluss von Initiativen und Projekten in Österreich, erarbeitet didaktisches Material für den Unterricht, organisiert Symposien und Vernetzungstreffen. Seit der Gründung des Vereins 2010 ist Barbara Feller die Obfrau. Sie war von 1996 bis 2021 auch Geschäftsführerin der Architekturstiftung Österreich und erzählt im Gespräch, warum Baukulturelle Bildung mehr ist als eine rein ästhetische Bildung, warum sie in viele Unterrichtsgegenstände integriert werden kann und warum Baukultur uns alle angeht.

„Bink, die Initiative Baukulturvermittlung für junge Menschen, ist ein Zusammenschluss von Personen, Institutionen, Vereinen, aber auch Universitäten aus ganz Österreich, die sich mit dem Thema der Baukulturellen Bildung auseinandersetzen. Wir haben uns vor knapp 15 Jahren zusammengeschlossen, um gemeinsam Themen zu bearbeiten, die über die konkrete Arbeit vor Ort hinausgehen.
Es geht uns bei Baukultureller Bildung überhaupt nicht um einen Unterricht in Architektur, sondern darum, dass junge Menschen und ihre Pädagoginnen und Pädagogen lernen, ihre Umwelt bewusst wahrzunehmen, und erkennen, dass sie sich bei deren Gestaltung einbringen können. Wo und wie wir wohnen, arbeiten, unsere Freizeit verbringen, ist ja für die gesamte Gesellschaft bedeutsam. Dazu braucht es eine Sprache, in der man miteinander kommunizieren kann. Wenn man von ‚Architektur in der Schule‘ spricht, denken die meisten an eine bildnerische Erziehung, an Stilkunde und so weiter. Natürlich geht es auch darum, Gebäude besser anschauen zu können, aber wichtiger sind mir Fragen der Raumplanung, der Boden- und Ressourcennutzung. Es ist ein breites Themenfeld, das in unterschiedlichen Unterrichtsgegenständen verortet werden kann.

Mehr Baukulturelle Bildung in die Schulen zu bringen, halte ich für sehr wichtig, weil damit viele Themen unserer Zeit verbunden sind, zum Beispiel der Traum vom Einfamilienhaus im Grünen. Vielen Menschen ist nicht klar, dass das einen enormen Bodenverbrauch bedeutet, dass oft zwei bis drei Autos pro Familie verwendet werden und der Allgemeinheit hohe Kosten für den Ausbau und Erhalt der Infrastruktur entstehen. Es ist allerdings ein fest verankertes Traumbild und in solchen Bereichen merken wir, dass wir an unsere Grenzen stoßen. Deshalb scheint es uns auch besonders wichtig, jungen Menschen ein Gefühl dafür zu vermitteln, welche Auswirkungen das für sie persönlich und für die Gesellschaft hat.

Wir von bink verstehen uns als eine gemeinsame Plattform. Wir entwickeln unterstützende Materialien oder organisieren Veranstaltungen. Meine Kollegen und Kolleginnen des Netzwerks setzen das dann konkret um und machen mit Kindern und Jugendlichen Workshops in der Schule oder in der außerschulischen Jugendarbeit. Ich würde mir wünschen, dass wir mit diesem Thema in unserem Bildungsministerium ankommen. Denn wenn wir kleine Förderungen bekommen, dann ist das immer aus dem Kunst- und Kulturministerium oder von den Architektenkammern. Am Bildungsministerium beißen wir uns die Zähne aus.
Ich weiß, die Schule hat viele schwierige Themen zu bewältigen. Und doch finde ich, dass wenig Innovation stattfindet. Mir ist wichtig zu sagen, dass Baukulturelle Bildung eben keine rein ästhetische Bildung ist, sondern in viele Unterrichtsgegenstände und auch in die außerschulische Kinder- und Jugendarbeit integriert werden kann. Sie ist ein Thema, das für ein gutes Leben von uns allen bedeutsam ist.“

Barbara Feller setzt sich schon seit vielen Jahren für die Baukulturvermittlung für junge Menschen ein. Seit 2010 ist sie Obfrau der österreichweiten Initiative bink – Baukulturvermittlung für junge Menschen. Seit 2001 betreut sie den Bereich Architektur beim OeAD – Agentur für Bildung und Internationalisierung. Zudem war sie von 1996 bis 2021 Geschäftsführerin der Architekturstiftung Österreich und von 2003 bis 2009 Sprecherin der Plattform für Architekturpolitik und Baukultur.
Auf der Webseite von bink findet man Informationen, Anregungen und Materialien zu Baukulturprojekten in der Kinder- und Jugendarbeit, zum Beispiel die neun Ausgaben des Baukulturkompasses zu Themen wie Wohnen, Klima, Raumplanung oder Partizipation mit konkreten Projektbeispielen, die direkt im Unterricht angewendet werden können.

09. Juli 2024newroom

Transsolar – Technik minimieren

Transsolar ist ein international tätiges Büro, das auf Klimaengineering von Gebäuden spezialisiert ist. Sein Motto lautet High Comfort – Low Impact, also hoher Nutzerkomfort bei minimalen Auswirkungen auf die Umwelt. Statt aufwendiger Haustechnik setzt es auf die Grundlagen der Physik und gestaltet robuste Systeme, die mit wenig Technik auskommen. Für die Bundesgeschäftsstelle des Deutschen Alpenvereins in München integrierte Transsolar in die Fassade ein Zuluftelement mit Nacherwärmung, das trotz hoher Lärmbelastung und Winddruck eine natürliche und komfortable Lüftung der Büros erlaubt. Dieses Lüftungselement bewährt sich und wurde inzwischen auch bei einer Schule in Tirol eingesetzt. Anne Isopp spricht mit Stefan Holst, dem Leiter des Münchner Büros von Transsolar, darüber, wie man mit weniger Technik im Gebäude auskommt und warum Lowtech mehr Aufwand in der Planung und Baubegleitung bedeutet.

Transsolar ist ein international tätiges Büro, das auf Klimaengineering von Gebäuden spezialisiert ist. Sein Motto lautet High Comfort – Low Impact, also hoher Nutzerkomfort bei minimalen Auswirkungen auf die Umwelt. Statt aufwendiger Haustechnik setzt es auf die Grundlagen der Physik und gestaltet robuste Systeme, die mit wenig Technik auskommen. Für die Bundesgeschäftsstelle des Deutschen Alpenvereins in München integrierte Transsolar in die Fassade ein Zuluftelement mit Nacherwärmung, das trotz hoher Lärmbelastung und Winddruck eine natürliche und komfortable Lüftung der Büros erlaubt. Dieses Lüftungselement bewährt sich und wurde inzwischen auch bei einer Schule in Tirol eingesetzt. Anne Isopp spricht mit Stefan Holst, dem Leiter des Münchner Büros von Transsolar, darüber, wie man mit weniger Technik im Gebäude auskommt und warum Lowtech mehr Aufwand in der Planung und Baubegleitung bedeutet.

„Die Forderung nach Lowtech kommt aus dem Verständnis heraus, dass die globale Klimaentwicklung so weit vorangeschritten ist, dass wir im Gebäudebereich radikal anders agieren müssen. Wir müssen nicht nur mit der Energie, sondern auch mit den Ressourcen haushalten. Hinzu kommt, dass die klassischen Systeme, die mit sehr viel Technik arbeiten, fehleranfällig sind.
In den letzten zwei Jahren, seit die Energiepreise durch die Decke gingen, kamen viele Bauherren zu uns und sagten: „Lasst uns mal ein Monitoring für unser Gebäude machen. Wir bezahlen inzwischen ein Vielfaches für Energie.“ Diese Effekte führen dazu, dass man sich darüber Gedanken macht, wie es einfacher gehen kann. Wir haben dazu ein Motto entwickelt, das heißt High Comfort – Low Impact, also hoher Nutzerkomfort bei minimalen Auswirkungen auf die Umwelt. Wir hinterfragen derzeit, ob High Comfort noch die richtige Formulierung ist. In Zukunft müssen wir schauen, wie wir ein sinnvolles Komfortlevel mit einfachen Methoden erreichen können.
Man muss ja nicht jeden Raum mit einem Idealklima über eine Klimaanlage ausstatten, sondern kann auch gewisse Dinge, die das Gebäude in seiner Struktur schon bietet, wieder freilegen, indem man zum Beispiel Abhangdecken entfernt. Damit können wir auch in der Sanierung – wir machen sehr viele Sanierungsprojekte – den Bauherren zeigen, dass die Struktur, die sie gekauft haben, viel mehr kann als das, was sie in den letzten zehn Jahren damit gemacht haben. Wir müssen Dinge wieder herausnehmen und eine gewisse Akzeptanz dafür schaffen, dass die Decke nicht perfekt gespachtelt ist, sondern nur gestrichen, dass sie dadurch aber wieder ihre thermisch-aktive Funktion bekommt.
Auch im Alpenverein wurden die Betondecken freigelegt. Es gibt keine Abhangdecke mehr. Über die von uns entwickelten Dauerluft-Elemente in der Fassade haben wir im Prinzip eine Art passive Klimatisierung. Im Sommer, wenn die Temperaturen 28 Grad erreicht haben, können die Mitarbeitenden den Deckenventilator einschalten. Diese klassische kühle Brise, die wir über einfache, langsam drehende Ventilatoren erzeugen, senkt die Temperatur dann gefühlt um 2 Grad wieder ab.
Lowtech heißt zwar, dass man weniger Komponenten braucht, aber diese aufeinander abzustimmen, ist komplexer. Die natürlich angetriebenen Prozesse und die sehr einfachen, auch ohne doppelte Absicherung errichteten Gebäude muss man gewerkeübergreifend sehr viel besser planen und auch in der Umsetzung begleiten. Der Aufwand liegt in der Planung am Anfang und im Dabeibleiben bei der Umsetzung. Das ist notwendig, weil man die eingebauten Sicherheiten aus Gründen der Ressourceneinsparung und Optimierung herausnimmt. Was nicht wirklich nützt, wird weggelassen.“

Stefan Holst leitet das Münchener Büro von Transsolar, einem international tätigen, auf Klimaengineering von Gebäuden spezialisierten Büro. Er ist ausgebildeter Physiker mit jahrzehntelanger Erfahrung im Bereich Energieforschung und energieoptimiertem Bauen.
Für die Geschäftsstelle des Deutschen Alpenvereins in Münchner entwickelte Transsolar ein Lüftungskonzept, das mit wenig Technik auskommt und stattdessen auf die Grundlagen der Physik setzt. Das Gebäude wurde 2023 mit dem Deutschen Holzbaupreis ausgezeichnet und war für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis nominiert.

28. Mai 2024newroom

Smartvoll Architekten – Umnutzen statt abreißen

In Bergheim bei Salzburg wurde ein Versandlager zu einem lebendigen Komplex für produzierende Unternehmen, Büros und Gastronomie umgestaltet. Um das großzügige Raumgefühl und die Nutzungsoffenheit der Hallen zu erhalten, durchzogen smartvoll Architekten die Räume mit nutzungsoffenen Plattformen und verdichteten die Nutzfläche im Handelszentrum 16 von 43.000 auf circa 57.000 Quadratmeter. Gemeinsam mit dem Bauherrn Marco Sillaber zeigten sie, dass es sich lohnt, solche Bestandsbauten zu erhalten. So wurde der Bestand klug umgenutzt. Durch die minimalinvasive Herangehensweise blieb der Geist des Industriebaus erhalten und rückte zugleich in einen neuen ästhetischen Kontext.
Im Gespräch erzählen Christian Kircher und Philipp Buxbaum von smartvoll, worin das Potenzial solcher Industrieareale liegt und warum deren Umnutzungen nicht lineare Prozesse erfordern. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

In Bergheim bei Salzburg wurde ein Versandlager zu einem lebendigen Komplex für produzierende Unternehmen, Büros und Gastronomie umgestaltet. Um das großzügige Raumgefühl und die Nutzungsoffenheit der Hallen zu erhalten, durchzogen smartvoll Architekten die Räume mit nutzungsoffenen Plattformen und verdichteten die Nutzfläche im Handelszentrum 16 von 43.000 auf circa 57.000 Quadratmeter. Gemeinsam mit dem Bauherrn Marco Sillaber zeigten sie, dass es sich lohnt, solche Bestandsbauten zu erhalten. So wurde der Bestand klug umgenutzt. Durch die minimalinvasive Herangehensweise blieb der Geist des Industriebaus erhalten und rückte zugleich in einen neuen ästhetischen Kontext.
Im Gespräch erzählen Christian Kircher und Philipp Buxbaum von smartvoll, worin das Potenzial solcher Industrieareale liegt und warum deren Umnutzungen nicht lineare Prozesse erfordern. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

„Die Wiederbelebung von Industriebrachen ist zu einem unserer Steckenpferde geworden. Im Gewerbegebiet von Bergheim gibt es das ehemalige Universal-Versand-Zentrallager. Ein Konglomerat von Gebäuden, das seit 2002 mehr oder weniger leer steht, weil sich die Nutzungsbedingungen der Logistik geändert haben. Für die Umwandlung solcher Industriebauten braucht es einen experimentellen, nicht linearen Zugang, einen nutzungsoffenen Prozess vom ersten Schritt weg. Kein Entwickler hat gleich eine Antwort darauf, was daraus werden soll. Das ist ein iterativer Prozess, bei dem man Sachen ausprobiert. Dann bekommt man langsam ein Gefühl dafür, was an diesem Ort möglich ist.

Der Startpunkt ist immer der gleiche: Wir kommen zu Projekten, die im Nirgendwo sind. Sie sind heruntergewirtschaftet, sehen desolat aus, mit eingeschlagenen Fenstern und so weiter. Da will keiner hin. Selbst der beste Entwickler kann damit schwer etwas machen. Deswegen muss man in Vorleistung gehen, ohne dass man den Nutzer, das Nutzerprofil oder die Funktion kennt. Man muss nutzungsoffen planen. Von Chronologie und Linearität kann man sich in diesen Prozessen wirklich verabschieden. Man schiebt alles parallel an. Die leichtesten Flächen, die gut belichtet sind, werden zuerst transformiert. Dort ziehen dann die ersten Mieter ein, währenddessen baut man woanders weiter. So arbeitet man sich zu den schwieriger zu transformierenden Flächen vor. Wir haben hier im Handelszentrum 16 die Nutzfläche von circa 43.000 auf circa 57.000 Quadratmeter nachverdichtet, indem wir neue Ebenen eingezogen haben. Wir bauen diese Gebäude minimalinvasiv um und generieren dabei einzigartige Räume. Das sind Attraktoren, die den Nutzer ansprechen. Dadurch entsteht ein Will-haben-Effekt, der notwendig ist.

Unter Adaptive Reuse verstehen wir die Wiederbelebung eines Gebäudes. Es ist enorm wichtig, dass wir solche Gebäude nicht abbrechen oder leer stehen lassen, sondern mit unseren Ressourcen schonend umgehen. Und dafür ist das Handelszentrum 16 ein super Beispiel.
Allein die Entscheidung, dieses Gebäude nicht abzubrechen, hat ein halbes Prozent der österreichischen Bau- und Abbruchleistung von einem Jahr eingespart. In diesen Häusern steckt so viel Substanz! Das sind 75.000 Tonnen Beton. Deshalb muss man solche Gebäude minimalinvasiv umbauen und den Nutzermix gut aufteilen. Das Problem ist einfach, dass dieser Umnutzungsprozess den meisten Entwicklern fremd ist. Wir müssen ihnen die Ängste nehmen und Aufklärungsarbeit leisten.“

Smartvoll Architekten wurde 2013 von Christian Kircher und Philipp Buxbaum gegründet. Ihr Motto lautet „Alles bleibt anders“. Mit dem Salzburger Investor und Projektentwickler Marco Sillaber arbeiteten sie das erste Mal als eines von mehreren Salzburger Architekturbüros bei der Panzerhalle in Maxglan (2015) zusammen. Dort gestalteten sie das Loft, die Markthalle, ein Restaurant, einige Außenanlagen und das Beauty und Style Loft.

07. Mai 2024newroom

Leona Lynen – Gemeinwohlorientierte Stadtplanung

Über viele Jahre stand das Haus der Statistik mitten in Berlin leer. Auf Hinwirken einer Gruppe engagierter Künstler:innen, Architekt:innen, Kulturschaffender und Politiker:innen wurden 2015 die bisherigen Pläne für den Verkauf an Investoren und der geplante Abriss verhindert. Leona Lynen ist gemeinwohlorientierte Projektentwicklerin und seit 2018 aktiv an der Gestaltung des Transformationsprozesses des Modellprojekts Haus der Statistik beteiligt. Sie ist im Vorstand der Genossenschaft ZUsammenKUNFT Berlin (ZKB eG), die gemeinsam mit vier Kooperationspartnern der öffentlichen Hand das Haus der Statistik in Berlin zu einem gemeinwohlorientierten Stadtteil umbaut. Im Gespräch erzählt sie aus Sicht der Initiative, warum sie sich beim Haus der Statistik engagieren und was sie dort konkret vorhaben.

Über viele Jahre stand das Haus der Statistik mitten in Berlin leer. Auf Hinwirken einer Gruppe engagierter Künstler:innen, Architekt:innen, Kulturschaffender und Politiker:innen wurden 2015 die bisherigen Pläne für den Verkauf an Investoren und der geplante Abriss verhindert. Leona Lynen ist gemeinwohlorientierte Projektentwicklerin und seit 2018 aktiv an der Gestaltung des Transformationsprozesses des Modellprojekts Haus der Statistik beteiligt. Sie ist im Vorstand der Genossenschaft ZUsammenKUNFT Berlin (ZKB eG), die gemeinsam mit vier Kooperationspartnern der öffentlichen Hand das Haus der Statistik in Berlin zu einem gemeinwohlorientierten Stadtteil umbaut. Im Gespräch erzählt sie aus Sicht der Initiative, warum sie sich beim Haus der Statistik engagieren und was sie dort konkret vorhaben.

„Ich bin damals mehr durch Zufall zum allerersten Vernetzungstreffen zur Zukunft des Hauses der Statistik gegangen und fand es einerseits chaotisch, andererseits höchst spannend, weil es so ein demokratischer Moment war: Gut 200 Leute aus den Bereichen Kunst, Kultur, Soziales, Bildung und Stadtentwicklung saßen in einem Raum und diskutierten darüber, wie sie in der Stadt zusammenleben wollen und welche Räume sie dafür benötigen. Ich war dann an anderer Stelle in der Stadt tätig und habe die ersten Jahre der Sicherung und Aktivierung des Hauses nicht aus nächster Nähe verfolgt.
Durch den Erwerb der Liegenschaft durch das Land Berlin wurde der Weg frei für eine gemeinwohlorientierte Entwicklung des Quartiers. 2018 schrieb mich ein Kollege an und sagte: „Jetzt geht es hier im Haus der Statistik richtig los. Willst du mitmachen?“ Nach Jahren der eher theoretischen Beschäftigung mit kreativem Stadtmachen und neuen Wegen der Stadtentwicklung hatte ich Lust, selbst ins Tun zu kommen.
Mittlerweile bin ich im Vorstand der ZUsammenKUNFT Berlin eG (ZKB eG), dem zivilgesellschaftlichen Partner innerhalb der Kooperationsgemeinschaft Koop5. Diese Genossenschaft hat sich 2016 aus dem Kern der Initiative Haus der Statistik gegründet. Meine Vorstandskolleginnen haben sich teilweise seit Tag eins für den Erhalt des Hauses der Statistik engagiert und treiben das Projekt bis heute unermüdlich voran.
Das Haus der Statistik stand seit 2008 leer. 2015 war dann ein besonderer Moment, weil plötzlich noch mehr Menschen in die Stadt kamen und sich fragten: „Wo sind eigentlich die Orte, wo wir uns begegnen können? Wo ist bezahlbarer Wohnraum? Wo sind soziale Einrichtungen? Das Haus der Statistik war die perfekte Projektionsfläche für die Beantwortung dieser Fragen: 50.000 m2 stehen leer, mitten in der Stadt, während anderswo darüber diskutiert wird, wo eigentlich all die Menschen, die neu in unsere Stadt kommen, untergebracht werden können. Und zugleich geht es hier auch um die Frage: Wie gehen wir eigentlich mit Bestand um? Im ehemaligen Ost-Berlin sind sehr viele Bauten der DDR abgerissen worden, ohne jegliche Achtung vor der DDR-Baukultur. Das Haus der Statistik ist zwar kein besonders schönes Objekt, aber natürlich steht es in dieser Reihe und hat damit auch einen emotionalen Wert für Menschen aus der Umgebung – auch aufgrund seiner Lage direkt am Alexanderplatz, als Entrée zur Karl-Marx-Allee. Der andere Punkt ist die immense graue Energie, die in diesem Gebäude steckt. Es sind einfach so viele Themen, die sich in diesem Objekt kristallisieren. Ich denke, das Zusammenspiel aller dieser Themen hat letztlich dazu beigetragen, dass die Initiative Haus der Statistik ein stadtweiter Zusammenschluss von Akteur:innen war und sich nicht auf die unmittelbare Nachbarschaft begrenzte.

In 80 Prozent der Bestandsgebäude ziehen Verwaltungsnutzungen ein, die restlichen 20 Prozent gehen an das Programm, für das sich die Initiative seit Tag eins einsetzt und das heute durch die ZKB eG weiter fortgeführt wird: Langfristig bezahlbare Räume für Kunst, Kultur, Soziales und Bildung. Hinzu kommen gut 110.000 m2 Neubau: Der Bezirk Berlin-Mitte baut ein neues Rathaus, die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft WBM knapp 300 Wohnungen und wir bauen mit dem aus dem Prozess heraus gegründeten gemeinnützigen Bauträger AndersBauen drei sogenannte Experimentierhäuser. Hier werden Nutzungen aus dem Bereich zirkuläres Wirtschaften (z. B. offene Werkstätten, Bildungsangebote etc.), Kunst- und Kulturproduktion sowie inklusive Wohnformen realisiert.

Transformationsprozesse brauchen Zeit. Durch Modellprojekte wie das Haus der Statistik lernen wir auszuhandeln und auch auszuhalten, dass es Konflikte und unterschiedliche Perspektiven auf Stadt gibt. Die komplexe Quartiersentwicklung erfordert ein hohes Maß an Engagement von allen Beteiligten. Solche kooperativen Prozesse können anstrengend und langwierig sein, aber wir müssen sie einüben – gerade im Sinne neu zu verhandelnder Verantwortlichkeiten zwischen der Stadtgesellschaft und der öffentlichen Hand. Für die langfristige Sicherung der Flächen und die dauerhafte Bezahlbarkeit strebt die ZKB eG eine Public-Civic-Partnership an: Ein Modell der Selbstverwaltung in partnerschaftlicher Kooperation und mit hoher Entscheidungskompetenz bei den Nutzer:innen“.


Leona Lynen ist gemeinwohlorientierte Projektentwicklerin und seit 2018 aktiv an der Gestaltung des Transformationsprozesses des Modellprojekts Haus der Statistik beteiligt. Sie ist im Vorstand von ZUsammenKUNFT Berlin, einer Genossenschaft für Stadtentwicklung.
Sie hat Südostasienstudien und politische Ökonomie studiert und einen Master in Stadt- und Regionalplanung gemacht. Derzeit beschäftigt sie sich mit Strukturen von Trägerorganisationen und damit, wie diese aussehen müssen, um solche gemeinwohlorientierten Prozesse zu befähigen.

09. April 2024newroom

Regula Lüscher – Stadt ist ein Gemeinschaftsprodukt

Regula Lüscher nennt sich Stadtmacherin. Die Schweizer Architektin und Stadtplanerin war von 2007 bis 2021 Senatsbaudirektorin und Staatssekretärin für Stadtentwicklung in Berlin. Zu Beginn ihrer Amtszeit wollte man das Haus der Statistik, direkt am Alexanderplatz in Berlin gelegen, noch abreißen. Inzwischen wird der für die Ostmoderne charakteristische Bau saniert, um Neubauten für Wohnen und Verwaltung erweitert und avancierte zu einem Vorbild für eine gemeinwohlorientierte Stadtplanung. Regula Lüscher übernahm in ihrer Funktion als Senatsbaudirektorin die wichtige Aufgabe der Kommunikation zwischen den beteiligten Gruppen. Sie erzählt im Gespräch, wie es zu dem Sinneswandel im Umgang mit dem Haus der Statistik kam und was sie unter einer nachhaltigen Stadtplanung versteht. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

Regula Lüscher nennt sich Stadtmacherin. Die Schweizer Architektin und Stadtplanerin war von 2007 bis 2021 Senatsbaudirektorin und Staatssekretärin für Stadtentwicklung in Berlin. Zu Beginn ihrer Amtszeit wollte man das Haus der Statistik, direkt am Alexanderplatz in Berlin gelegen, noch abreißen. Inzwischen wird der für die Ostmoderne charakteristische Bau saniert, um Neubauten für Wohnen und Verwaltung erweitert und avancierte zu einem Vorbild für eine gemeinwohlorientierte Stadtplanung. Regula Lüscher übernahm in ihrer Funktion als Senatsbaudirektorin die wichtige Aufgabe der Kommunikation zwischen den beteiligten Gruppen. Sie erzählt im Gespräch, wie es zu dem Sinneswandel im Umgang mit dem Haus der Statistik kam und was sie unter einer nachhaltigen Stadtplanung versteht. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

„Während der Art Week in Berlin hängten Künstlerinnen und Künstler ein riesiges Plakat ans Haus der Statistik und forderten, dass das Haus nicht abgerissen werden soll, sondern Kultur und Soziales dort untergebracht werden sollen. Ich habe dann erlebt, wie diese Initiative, die sehr gut organisiert war, sich sehr schnell mit politischen Akteuren vernetzte und lobbyierte. So bin ich mit dem Projekt und dem Thema in Berührung gekommen.

Alle haben verstanden, dass wir Stadt anders machen müssen. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und damit auch ich als Senatsbaudirektorin hatten die Aufgabe der Koordination für den Gesamtprozess inne. Zusammen haben wir mit dem Bezirk Mitte, der Wohnungsbaugesellschaft Mitte, der Finanzverwaltung und der Initiative die sogenannte Koop5 gegründet, um gemeinsam dieses Quartier zu entwickeln. Wir haben miteinander einen Vertrag über die Art und Weise der Zusammenarbeit geschlossen und natürlich auch über die Frage der Finanzierung.

Dass man öffentliche Bauvorhaben in Kollaboration mit einer privaten Initiative entwickelt und gemeinsam baut, war in Berlin neu und uns auch aus anderen Städten nicht bekannt. Gerade die Finanzierungsfrage war eine der größten Herausforderungen, weil man der Initiative tatsächlich eine Art Erbaurecht erteilen musste, damit sie Kredite aufnehmen kann.

Ein weiteres wichtiges Thema war die Art und Weise, wie man mit dem Bestand umgeht. Das Haus der Statistik ist allein schon aus städtebaulichen Gründen erhaltenswert. Es definiert die Ränder des Alexanderplatzes. Je mehr Bestand am Alexanderplatz erhalten bleibt, desto besser ist die Durchmischung zwischen der DDR-Moderne und dem neuen Maßstab mit den Hochhäusern, die an diesem Ort neu entstehen werden. Ein Gleichgewicht und eine Erkennbarkeit zwischen den unterschiedlichen Zeitschichten herzustellen, ist ganz wichtig. Dafür muss man diese Zeugen der Nachkriegsmoderne und des DDR-Städtebaus auch eher sanft sanieren und nicht mit irgendeiner Außendämmung überziehen und unkenntlich machen.

Für mich ist Stadt ein Gemeinschaftsprodukt von politisch Verantwortlichen, von Verwaltung, von Bürgerinnen und Bürgern, von Planerinnen und Planern. Wenn ein Akteur in dieser Konstellation zu dominant wird, dann entsteht kein nachhaltiges Produkt, weil es dann nicht ausreichend in der Stadtgesellschaft verankert ist. Die Vielfalt ist wichtig für die Nachhaltigkeit. Je monofunktionaler ein Projekt in Bezug auf die Zielgruppe, aber auch in Bezug auf die Nutzung ist, desto größer ist das Risiko, dass es nicht zukunftsfähig ist, weil sich die Nutzungen in der Zukunft verändern.

Heutzutage muss man unterschiedlichstes Wissen in die Entwicklung eines Stadtquartiers einbringen. Ich war gerade im Preisgericht für ein großes Stadtentwicklungsprojekt in Wien, den Klimavorzeigestadtteil Rothneusiedl. Für alle im Preisgericht überraschend war, dass die beste Arbeit mit sehr konventionellen Stadtmustern arbeitet, mit einer Art Blockstruktur. Doch werden diese völlig anders programmiert und besetzt. Wir müssen bekannte Dinge einfach von einem anderen Blickwinkel her denken und umgestalten.“

Regula Lüscher ist Architektin und Stadtplanerin. Die Schweizerin war von 2007 bis 2021 Senatsbaudirektorin und damit auch Staatssekretärin für Stadtentwicklung in Berlin. Als solche war sie verantwortlich für Stadtplanung, Städtebau und Architektur, öffentlichen Hochbau, Baukultur, Denkmalschutz, Regionalentwicklung sowie strategische Stadtentwicklung. Seit 2022 betreibt Regula Lüscher als Expertin für Architektur, Stadtplanung, Management und Frauenförderung wieder ein eigenes, international tätiges Büro.

05. März 2024newroom

Stefan Bendiks – Mehr Platz fürs Rad

Artgineering ist ein Planungsbüro an der Schnittstelle von Verkehrs-, Stadt- und Landschaftsplanung, das Stefan Bendiks und Aglaée Degros 2001 gründeten. Seitdem beschäftigen sie sich mit der Transformation des öffentlichen Raums weg vom Autoverkehr hin zur aktiven Mobilität. Sie gestalteten öffentliche Räume in den Niederlanden und Belgien und waren federführend am Masterplan für die Radoffensive 2030 der Stadt Graz beteiligt, der derzeit Schritt für Schritt umgesetzt wird. Im Gespräch erzählt Stefan Bendiks, warum Verkehrsraum immer auch öffentlicher Raum ist und warum seine Transformation eine völlig neue Denk- und Herangehensweise erfordert. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

Artgineering ist ein Planungsbüro an der Schnittstelle von Verkehrs-, Stadt- und Landschaftsplanung, das Stefan Bendiks und Aglaée Degros 2001 gründeten. Seitdem beschäftigen sie sich mit der Transformation des öffentlichen Raums weg vom Autoverkehr hin zur aktiven Mobilität. Sie gestalteten öffentliche Räume in den Niederlanden und Belgien und waren federführend am Masterplan für die Radoffensive 2030 der Stadt Graz beteiligt, der derzeit Schritt für Schritt umgesetzt wird. Im Gespräch erzählt Stefan Bendiks, warum Verkehrsraum immer auch öffentlicher Raum ist und warum seine Transformation eine völlig neue Denk- und Herangehensweise erfordert. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

„Wir beschäftigen uns seit über zehn Jahren mit dem Thema Radverkehr. Die Sensibilisierung dafür ist essenziell für die Qualität des urbanen Umfelds. Für die Stadt Graz haben wir den Masterplan für die Radoffensive Graz 2030 mitentwickelt. Die Radoffensive wurde noch in der Zeit des ehemaligen Grazer Bürgermeisters Siegfried Nagl gestartet. Das ist ein spannendes Projekt, für das die Stadt Graz gemeinsam mit dem Land Steiermark 100 Millionen Euro für zehn Jahre bereitgestellt hat.
Es gab bereits eine Radnetzstudie, die wir in ein Routennetz mit Hauptrouten übersetzt haben. Und jetzt geht es schrittweise in die Umsetzung. Im Zuge der Realisierung gibt es natürlich größere Widerstände. Die Frage ist immer: Wo nimmt man den Raum für die neuen Radrouten her? Gerade in Graz ist das eine große Herausforderung. Jeder, der Graz kennt, weiß, dass die Einfallstraßen oft sehr schmal sind, sogar zu schmal für nur eine Modalität, also nur fürs Autofahren. Und da soll auch noch ein Radweg dazukommen. Wir haben oft nach alternativen Wegen suchen und Kompromisse finden müssen. Denn es hat natürlich wenig Sinn, wenn die Hauptradroute nicht dort verläuft, wo Kindergarten, Schule und Supermarkt auf dem Weg liegen. Massive Widerstände gibt es vor allem dort, wo wir durch das Wegnehmen von Parkplätzen versuchen, Raum zu schaffen.
Im Masterplan haben wir klar das Ziel formuliert, dass wir nicht dem ÖPNV oder den Fußgängern Platz wegnehmen wollen zugunsten des Radverkehrs, sondern wenn dann eher dem Auto. Das kann natürlich auch kritisiert werden. Warum gerade dem Auto? Wir argumentieren dann, dass dem motorisierten Individualverkehr in den letzten fünfzig Jahren unverhältnismäßig viel Raum zugeteilt wurde. Hier müssen wir ein neues Gleichgewicht finden. Die Politik spricht sogar von der Umkehrung der Verkehrspyramide. Dieser Fachbegriff besagt, dass Fußverkehr, Radverkehr und der öffentliche Verkehr das Fundament bilden. Erst dann kommt der Autoverkehr. Man sollte also den Basismodalitäten, dem Zu-Fuß-gehen, Radfahren und dem ÖPNV mehr Raum geben.

Wir haben vor ein paar Jahren ein Handbuch für die Transformation des öffentlichen Raums herausgegeben. Es nennt sich „Traffic space is public space“. Wir müssen uns wieder bewusst werden, dass jede Verkehrsfläche per definitionem öffentlich ist. Verkehrsraum ist öffentlicher Raum. Und die Nutzung dieses Verkehrsraums müssen wir neu denken, nicht mehr nur vom Auto her. Da geht es gar nicht nur um den Radverkehr, sondern auch um den Fußverkehr, um Verweilräume ebenso wie um ökologische Aspekte. Wir müssen viel mehr Flächen entsiegeln, mehr Bäume und mehr Grünflächen in die Stadt bringen. Auch dafür brauchen wir Platz. Im Verkehrsraum sehen wir dafür das meiste Potenzial. Doch das Auto hat nach wie vor eine starke Lobby. Wir müssen unsere öffentlichen Räume anders wahrnehmen und anders planen. Das stellt alles bisher Gekannte auf den Kopf und erfordert von uns neue Denk- und Herangehensweisen.“

Stefan Bendiks und Aglaée Degros führen das Büro Artgineering mit Bürostandorten in Brüssel und Graz. An der TU Graz ist Aglaée Degros zudem Professorin für Städtebau. Artgineering arbeitet an der Schnittstelle von Verkehrs-, Stadt- und Landschaftsplanung. Für die Stadt Graz entwickelte das Büro den Masterplan für die Radoffensive 2030, der derzeit schrittweise umgesetzt wird. 2019 gaben Stefan Bendiks und Aglaée Degros ein Handbuch zur Transformation mit dem Titel „Traffic space is public space“ heraus.

23. Januar 2024newroom

Robert Härtl – Mit Stroh bauen

Das Münchner Architekturbüro Hirner & Riehl hat in Süddeutschland ein dreigeschossiges Gebäude aus Holz und Stroh gebaut. Das Haus St. Wunibald ergänzt die barocke Klosteranlage Plankstetten und beherbergt Gästezimmer, Büroräume und einen Kindergarten.
Das Holz stammt aus dem klostereigenen Forst, das Stroh von den eigenen Feldern. Während bei Einfamilienhäusern das Stroh meist händisch eingebracht wird, wurden hier die Wand- und Deckenelemente inklusive der Strohdämmung in einer Zimmerei vorgefertigt. Robert Härtl ist Partner im Büro Hirner & Riehl und erzählt, wie das Team überhaupt auf die Idee gekommen sind, mit Stroh zu bauen, welche Erfahrungen sie dabei gemacht haben und warum ihm die Idee, einen Baustoff vom eigenen Feld einzubauen, so gut gefällt. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

Das Münchner Architekturbüro Hirner & Riehl hat in Süddeutschland ein dreigeschossiges Gebäude aus Holz und Stroh gebaut. Das Haus St. Wunibald ergänzt die barocke Klosteranlage Plankstetten und beherbergt Gästezimmer, Büroräume und einen Kindergarten.
Das Holz stammt aus dem klostereigenen Forst, das Stroh von den eigenen Feldern. Während bei Einfamilienhäusern das Stroh meist händisch eingebracht wird, wurden hier die Wand- und Deckenelemente inklusive der Strohdämmung in einer Zimmerei vorgefertigt. Robert Härtl ist Partner im Büro Hirner & Riehl und erzählt, wie das Team überhaupt auf die Idee gekommen sind, mit Stroh zu bauen, welche Erfahrungen sie dabei gemacht haben und warum ihm die Idee, einen Baustoff vom eigenen Feld einzubauen, so gut gefällt. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

„Seit 2019 sind wir mit der Generalsanierung der Benediktinerabtei Plankstetten betraut. Als ersten Baustein haben wir ein Seminargebäude errichtet. Der Neubau beherbergt 30 Gästezimmer und im Gebäudesockel einen zweigruppigen Kindergarten.
Die Benediktinermönche wollten ein Gebäude bauen, das einen Meilenstein in Bezug auf Nachhaltigkeit setzt – auch um entsprechende Förderungen zu bekommen. Erst dachten wir an einen Lehmbau. Dann aber haben wir geschaut, was die Mönche in ihrer eigenen Landwirtschaft haben. Wir konnten das Holz aus dem klostereigenen Forst und das eigene Stroh verwenden. Das war eine ideale Lösung.

Der Strohbau ist ja eine Bauweise, die in erster Linie im Einfamilienhaus beheimatet ist. Wir fanden es interessant, diesen Baustoff aus der Öko-Kiste herauszuholen und zu zeigen, dass es ein ganz normaler Baustoff ist.

Im Einfamilienhausbau wird das Stroh meist händisch in die Holzkonstruktion eingebracht. Uns aber war es wichtig, so viel wie möglich vorzufertigen, um dann die fertigen Elemente auf der Baustelle so schnell wie möglich aufstellen zu können.
Der Zimmerer hat jeden Rahmen zweimal abgebunden und aneinandergeschraubt, damit dieser den 36 Zentimeter dicken Strohballen aufnehmen konnte. Schwierig für uns war die Maßungenauigkeit. Zum Zeitpunkt der Planung stand das Strohballenmaß nur ungefähr fest. Wir mussten später die Werkstattpläne noch einmal anpassen, damit der Strohballen ohne Lücke passgenau im Rahmen sitzt. Die Strohballenmit einem mobilen Gerät vor Ort gepresst. Diese Maschine ist eine umgebaute alte Feldpressmaschine, die aus runden Strohballen rechteckige presst. Feldstroh wiegt ungefähr 45 Kilo pro Kubikmeter und muss auf 85 Kubikmeter verdichtet werden, damit man es als Baustroh verwenden kann.

Schön wäre es, wenn es für das Bauen mit Strohballen Normgrößen gäbe. Der Baustoff hat dafür aber keine Lobby und wird deshalb immer ein Nischenprodukt bleiben. Es gibt auch Einblasstroh, mit dem man einfacher bauen kann. Ich aber finde das Bauen mit Ballen charmanter, weil es so ursprünglich ist. Man kann das Stroh damit mehr oder weniger, wie es vom Feld kommt, einbauen. Auch der Lehmputz kann direkt auf das Stroh aufgebracht werden. Wenn man das Haus später einmal wieder abbauen will, dann kann man die Dämmung, so wie sie ist, wieder aufs Feld schmeißen und einackern.“

Robert Härtl ist Architekt und Partner im Münchner Architekturbüro Hirner & Riehl. Das Büro ist bekannt für seine Holzbauten und das Bauen im Bestand.
Das Haus St. Wunibald, ein Seminargebäude im Kloster Plankstetten, ist der erste Holzstrohbau des Büros und wurde bereits mit mehreren Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Bayerischen Klimaschutzpreis 2022 und dem Förderpreis nachwachsende Rohstoffe 2021.

07. November 2023newroom

Kim Le Roux – Das zirkuläre Büro

Das Berliner Architekturbüro LXSY hat in Berlin einen Coworking-Space mit überwiegend gebrauchten Materialien ausgebaut. Dieser Impact Hub liegt im CRCLR Haus, einer ehemaligen Fasslagerhalle auf dem Gelände der Berliner-Kindl-Brauerei, deren Umbau ganz im Zeichen der Kreislaufwirtschaft stand. Die Architektinnen von LXSY, Kim Le Roux und Margit Sichrovsky, haben beim Innenausbau auch auf eine einfache Rückbaubarkeit und Demontage geachtet, sodass die Materialien auch darüber hinaus noch weiterverwendet werden können.
Im Gespräch erklärt Kim Le Roux, wo sie die gebrauchten Materialien gefunden haben, wie sie eine neue Ästhetik entwickelt haben und inwiefern sich dabei ihr Aufgabenfeld verändert hat. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

Das Berliner Architekturbüro LXSY hat in Berlin einen Coworking-Space mit überwiegend gebrauchten Materialien ausgebaut. Dieser Impact Hub liegt im CRCLR Haus, einer ehemaligen Fasslagerhalle auf dem Gelände der Berliner-Kindl-Brauerei, deren Umbau ganz im Zeichen der Kreislaufwirtschaft stand. Die Architektinnen von LXSY, Kim Le Roux und Margit Sichrovsky, haben beim Innenausbau auch auf eine einfache Rückbaubarkeit und Demontage geachtet, sodass die Materialien auch darüber hinaus noch weiterverwendet werden können.
Im Gespräch erklärt Kim Le Roux, wo sie die gebrauchten Materialien gefunden haben, wie sie eine neue Ästhetik entwickelt haben und inwiefern sich dabei ihr Aufgabenfeld verändert hat. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

„Das Impact Hub Berlin war unser erster Auftraggeber, als wir 2015 unser Büro gegründet haben. 2018 kam Leon Reiner, der Gründer des Coworking-Space, zu uns und meinte, er brauche jetzt einen größeren, noch nachhaltigeren Space. Wie aber geht das? Man muss auf jeden Fall in Bestand einziehen und darf nicht neu bauen. Da ist Leon Reiner das CRCLR Haus eingefallen, ein Vorzeigeprojekt des zirkulären Bauens. Es steht im Vollgut-Areal, dem ehemaligen Areal der Berliner-Kindl-Brauerei.
Wir haben schon relativ viele Coworking-Spaces gebaut. Normalerweise kommt man in einen Bestand und schmeißt erst einmal haufenweise Rigips weg. Es wird nicht versucht, dieses Material wiederzuverwenden. Und dann kommen wieder neue Rigipswände hinein. Das ist doch Wahnsinn!
Um im Innenausbau vom linearen Bauen zum zirkulären Bauen zu kommen, muss man sich genau überlegen, welche Materialien man einsetzt und wie man sie auch wiederverwenden kann.
Wir standen vor der Frage, wie man so ein Bauwerk entwirft, ohne zu wissen, welche Materialien wir finden würden. Wir haben dann Raumqualität definiert: Der eine Raum sollte durchlässig und transparent werden, der andere eher geschlossen und mit guter Akustik. Wir haben Wände qualifiziert in blickdicht, transparent oder transluzent und sind dann auf Materialsuche gegangen. Wir waren auf Abrissbaustellen, wir haben mit Bauteilbörsen wie Concular zusammengearbeitet, wir haben auf Ebay gesucht. Dann standen wir vor der nächsten Frage: Wo lagern wir das Material und wie bringen wir es zur Baustelle? Wir haben ein Lager angemietet und sind auf die Idee gekommen, Umzugsunternehmen anzufragen. Die sind dann mit uns hin- und hergefahren und haben für uns Materialien eingesammelt. Die Mitarbeiter sind handwerklich begabt, haben ein Auto und man kann sie auch kurzfristig anfragen. Das ging dann so weit, dass die auch uns angerufen und gesagt haben: „Wir räumen hier gerade was raus. Bevor wir es wegschmeißen: Wollt ihr das haben?“ Sie haben uns dann Bilder geschickt und wir haben gesagt, das und das nehmen wir.
Dabei kommt viel Material zusammen. Das muss man dokumentieren. Wir haben alles abfotografiert und in einem Onlinedokument Größen und Mengen markiert. Auf dieses Dokument hatten auch die Handwerker Zugriff, um zu wissen, welches Material wir noch suchen. Wir wollten aus den alten Materialien etwas Besonderes schaffen, das nicht wie Secondhand ausschaut. Da kommen unterschiedliche Farben, unterschiedliche Charaktere zusammen. Ich finde, das passt gut zum Impact Hub. Es ist eine neue Ästhetik, die für uns auch ein neues Zeitalter widerspiegelt. So haben wir für die Bauwende ein erstes Bild geschaffen.

Das Projekt hat unglaublich viel Spaß gemacht, wir haben viel gearbeitet. Danach zieht man Resümee und überlegt sich: Was ist jetzt eigentlich die Aufgabe einer Architektin? Müssen wir jetzt auch noch das Material suchen? Ich möchte das mit einem klaren Nein beantworten. Für uns aber war es wichtig, den Prozess zu verstehen. Was ist aufwendig, was nicht? Nach welchen Materialien sucht man und wie arbeitet man sie auf? Dennoch sehe ich die Materialbeschaffung nicht als unsere Aufgabe an und bin sehr froh, dass es Bauteilbörsen wie Concular und andere gibt. Ich hoffe, dass es in Zukunft auch durch die Bauteilpässe – noch leichter wird. Ich glaube auch, dass in Zukunft Hersteller ihre Materialien zurücknehmen werden.

Es war ein schöner Prozess, vom linearen zum zirkulären Bauprozess zu kommen. Für uns hat sich viel verändert: Wie wir entwerfen, wie wir über Materialien nachdenken, wie wir einen Entwurf starten. Ich möchte gerne alle dazu motivieren, zirkulär und nachhaltiger zu bauen. Es muss ja nicht alles auf einmal sein“.

LXSY Architekten ist ein Architekturbüro in Berlin, das 2015 von Kim Le Roux und Margit Sichrovsky gegründet wurde. Der Name des Büros ist eng mit dem Gedanken der Kreislaufwirtschaft verbunden, spätestens seit dem Bau des Coworking-Space im CRCLR Haus in Berlin. Dieser Innenausbau ist schon mehrfach ausgezeichnet und zuletzt für den DAM Preis 2024 nominiert worden.

10. Oktober 2023newroom

Martin Strele – Boden ist kostbar

Der fortschreitende Verlust von wichtigen Grünflächen führte in Vorarlberg vor mehr als zehn Jahren zur Gründung des Vereins Bodenfreiheit. Die Idee war, mit den Mitgliedsbeiträgen Flächen zu kaufen, um sie vor einer Bebauung zu schützen und landwirtschaftliche Nutzflächen zu erhalten. Martin Strele ist Mitgründer und Obmann des Vereins und erklärt im Gespräch, warum die Vereinsmitglieder Grünflächen oder Dienstbarkeiten an Flächen erwerben und was sie dann damit tun. Neben der Freihaltung der Grundstücke geht es ihnen auch um Themen der Biodiversität und um die Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung. Das Gespräch mit Martin Strele ist im Podcast Morgenbau in voller Länge anzuhören.

Der fortschreitende Verlust von wichtigen Grünflächen führte in Vorarlberg vor mehr als zehn Jahren zur Gründung des Vereins Bodenfreiheit. Die Idee war, mit den Mitgliedsbeiträgen Flächen zu kaufen, um sie vor einer Bebauung zu schützen und landwirtschaftliche Nutzflächen zu erhalten. Martin Strele ist Mitgründer und Obmann des Vereins und erklärt im Gespräch, warum die Vereinsmitglieder Grünflächen oder Dienstbarkeiten an Flächen erwerben und was sie dann damit tun. Neben der Freihaltung der Grundstücke geht es ihnen auch um Themen der Biodiversität und um die Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung. Das Gespräch mit Martin Strele ist im Podcast Morgenbau in voller Länge anzuhören.

„2011 haben wir den Verein Bodenfreiheit gegründet. Wir hatten damals das Gefühl, dass die Raumplanung in Vorarlberg ihren Namen nicht mehr verdient – auch wenn wir nicht genau wussten, was vom OGH über den Landtag bis hinunter zur Gemeindepolitik alles geschieht. Wir haben nur beobachtet, dass unsere Kinder nicht mehr so einfach auf die Wiese zum ‚Tschutten‘, zum Fußballspielen, gehen können, dass sie auf Kunstrasenplätze zurückgedrängt werden und dass im Vorarlberger Rheintal Freiflächen verloren gehen, weil jedes Jahr neue Häuser entstehen, scheinbar ungeplant. Unsere Anfangsidee war, Grundstücke zu kaufen, um sie freizuhalten. Wir dachten, wenn ganz viele Leute ein bisschen Geld zahlen, einen Mitgliedsbeitrag pro Monat, dann kommt genug Geld zusammen, um Grundstücke kaufen zu können.

Uns geht es nicht darum, viel Fläche zu besitzen, uns geht es darum, am konkreten Beispiel zu zeigen, welchen Wert Freifläche hat. Da es schwierig ist, Flächen zu bekommen, sind wir in Ludesch einen neuen Weg gegangen und haben von einem Landwirt auf zwei Hektar ein umfassendes Gehrecht erworben. Das ist im Grundbuch als Dienstbarkeit eingetragen und ermöglicht es uns, kreuz und quer über seine Wiesen zu gehen. Unser Vereinsziel ist ja das Erleben von Freifläche. Diese Fläche kann nun nicht mehr bebaut und versiegelt werden und bleibt der Landwirtschaft erhalten. In Ludesch sind die besten Böden Vorarlbergs – die Salatschüssel Vorarlbergs, hieß es früher. Der Landwirt bekommt dafür einen Einmalbetrag und weiß, dass die landwirtschaftliche Nutzfläche erhalten bleibt, auch wenn er einmal nicht mehr selbst darauf wirtschaftet.

Den Leuten ist inzwischen sehr bewusst geworden, wie zentral der Umgang mit Grund und Boden ist. Und ich traue mich zu behaupten, dass wir einen Beitrag dazu geleistet haben, dass dieses Thema in Vorarlberg jetzt auf der Agenda recht weit oben ist.

Unser Ziel muss sein, dass künftige Generationen immer noch in diesem Land vernünftig leben können, ohne dass sie auf Getreide aus Kasachstan angewiesen sind, und dass wir Flächen haben, wo unsere Kinder sich aufhalten können und nicht nur organisiert spielen dürfen. Vorarlberg hat so viel Bauland gewidmet, dass wir uns auf den bereits gewidmeten, aber noch nicht bebauten Grundstücken fast verdoppeln könnten.

Vorarlberg ist völlig zersiedelt, in großen Teilen einfach strukturlos. Mit dem wenigen Platz, den wir haben, müssen wir sehr stringente gesetzliche Rahmenbedingungen etablieren, damit unsere Siedlungsstrukturen in 50 Jahren anders aussehen. Es müssen auch Häuser verschwinden und Straßen zurückgebaut werden. Dazu braucht es Transparenz in Richtung der Bevölkerung. Ich spreche mich nicht dafür aus, großflächig Dinge zurückzunehmen. Es gibt aber einzelne Gebäude, mit deren Rückbau man viel bewirken könnte.

Konkret brauchen wir ein Moratorium für neue Widmungen, bis die bestehenden Widmungen aufgebraucht oder zurückgewidmet sind. Es braucht eine völlige Neufassung der Landes-Grün-Zone mit einer einzigen Regel: Die zukünftige Landes-Grün-Zone ist genau gleich groß wie die heutige, hat aber eine deutlich besseren Qualität. Und es braucht, glaube ich, ein neues Raumplanungsgesetz, das sich loslöst von seinen Ursprüngen der 1960er-Jahre. Das wären drei große ‚Lupfe‘, wie man bei uns sagt, die man angehen könnte. Ich habe auch das Gefühl, dass die jetzigen politischen Akteure das machen könnten.“

Der Vorarlberger Verein Bodenfreiheit arbeitet seit 2011 mit überraschenden Methoden daran, Raumplanung in die Mitte der Bevölkerung zu holen, Grünflächen vor einer Bebauung zu schützen und damit Naturräume und landwirtschaftliche Flächen zu erhalten.
Martin Strele ist Mitgründer und Obmann des Vereins Bodenfreiheit. Er selbst hat standortgerechten Landbau und ländliche Entwicklung in Wien studiert und ist Geschäftsführer des wissenschaftlichen Vereins Kairos. Gemeinsam mit neun anderen Organisationen gründete der Verein Bodenfreiheit vor kurzem den Verband „Haus am Katzenturm“. Auch diesem Dachverband von Umwelt- und Naturschutzorganisationen in Vorarlberg steht Martin Strele als Obmann vor.

25. Juli 2023newroom

gaupenraub+/- – Offen für alle

Seit 1999 führen Ulrike Schartner und Alexander Hagner das Wiener Architekturbüro gaupenraub+/- und engagieren sich seit vielen Jahren in der Obdachlosenhilfe. Gemeinsam mit dem Trägerverein Vinzenzgemeinschaft St. Stephan und Vinzenzgemeinschaft Eggenberg aus Graz entstanden dabei wegweisende Bauten. Im VinziRast mittendrin wohnen und arbeiten Studierende und ehemalige Obdachlose zusammen. Im VinziDorf in Wien wohnen alkoholkranke langzeitobdachlose Männer. Und die VinziRast am Land ist ein Landwirtschaftsbetrieb, in dem vormals obdachlose Menschen wohnen, arbeiten und dabei wieder „Boden unter den Füßen“ gewinnen können. gaupenraub+/- erschafft Orte der Begegnung – hybrid, integrativ und im Dienst des nötigen gesellschaftlichen und sozialen Wertewandels. Das Gespräch mit Ulrike Schartner und Alexander Hagner ist im Podcast Morgenbau in voller Länge anzuhören.

Seit 1999 führen Ulrike Schartner und Alexander Hagner das Wiener Architekturbüro gaupenraub+/- und engagieren sich seit vielen Jahren in der Obdachlosenhilfe. Gemeinsam mit dem Trägerverein Vinzenzgemeinschaft St. Stephan und Vinzenzgemeinschaft Eggenberg aus Graz entstanden dabei wegweisende Bauten. Im VinziRast mittendrin wohnen und arbeiten Studierende und ehemalige Obdachlose zusammen. Im VinziDorf in Wien wohnen alkoholkranke langzeitobdachlose Männer. Und die VinziRast am Land ist ein Landwirtschaftsbetrieb, in dem vormals obdachlose Menschen wohnen, arbeiten und dabei wieder „Boden unter den Füßen“ gewinnen können. gaupenraub+/- erschafft Orte der Begegnung – hybrid, integrativ und im Dienst des nötigen gesellschaftlichen und sozialen Wertewandels. Das Gespräch mit Ulrike Schartner und Alexander Hagner ist im Podcast Morgenbau in voller Länge anzuhören.

„Wir sind es gewohnt, dass sogenannte Sozialprojekte, ob für Menschen mit Fluchthintergrund, für Obdachlose oder Menschen mit einer Behinderung, in puncto Architektur auch ärmer daherkommen. Die Gestaltung trägt leider das Stigma, das diesen Menschen eingeschrieben ist, weiter. Wenn man aber die Architektur für Menschen, die nicht der Mehrheitsgesellschaft angehören, schöner macht, besser macht, einladender gestaltet, dann passiert plötzlich unheimlich viel. Das befördert die inklusive Gesellschaft enorm. Das ist unser Learning aus den letzten 20 Jahren.

Armut wird noch schlimmer durch fehlende Wertschätzung. Nur weil ich arm bin, heißt das ja noch lange nicht, dass ich weniger wertvoll bin. Über die Art und Weise, wie wir Architektur gestalten, können wir den Menschen Wertschätzung entgegenbringen und überhaupt Formen von Begegnung initiieren. Unser Appell ist: Je schlechter es jemandem geht, desto mehr müssen wir anderen, denen es besser geht, uns bemühen, hier das, was wir professionell machen, noch besser zu machen.

Bei unseren VinziRast-Projekten müssen wir eigentlich immer aus einer Not heraus versuchen, mit den Materialien umzugehen, die es entweder schon gibt oder die uns Sponsoren schenken. So auch bei VinziRast am Land. Hier arbeiten wir mit Permakultur, und dafür braucht man Mist und Hühner, die diesen Mist produzieren. Es war ein schöner Zufall, dass uns jemand einen Stadel geschenkt hat. Schüler und Schülerinnen der HTL Mödling, die uns auch schon im VinziDorf geholfen haben, haben den Stadel im Kamptal abgebaut und in Mayerling wieder aufgebaut. Es ist wunderbar, wenn man weiß, wie ein Stadel zusammengebaut wird. Doch die Schüler oder Schülerinnen, die hier mitgearbeitet haben, nehmen aus dem Projekt sicher auch einen anderen Zugang zu Obdachlosigkeit, zu sozialen Themen und zu Nachhaltigkeit mit.

Auch in Marburg bauen wir jetzt ein VinziDorf. Das Schöne an dem Projekt in Marburg ist, dass es von den Vereinen, von der Ehrenamtlichkeit weg- und zur Kommune hingeht. Es ist das erste Mal, dass nicht ein ehrenamtlicher Verein so etwas mit Spenden auf die Beine stellt, sondern die Kommune selbst. Die EU hat als Ziel deklariert, dass bis 2030 niemand mehr obdachlos sein soll. Daran glauben wir nicht. Aber ich denke, der Handlungsbedarf wird immer klarer. Durch verschiedene Krisen gibt es eine Gesellschaftsgruppe, die immer ärmer, und eine, die immer reicher wird. Hier müssen wir mehr machen. Der Blick zum Beispiel nach Los Angeles zeigt auch, was passiert, wenn man das verabsäumt. Es gibt aber jetzt ein Interesse, und das sehen wir positiv.“

1999 gründeten Alexander Hagner und Ulrike Schartner das Architekturbüro gaupenraub+/-. Alexander Hagner hat zudem seit 2016 eine Stiftungsprofessur „Soziales Bauen“ an der FH Kärnten inne. Ulrike Schartner lehrt immer wieder an verschiedenen Universitäten und ist im Sektionsvorstand der Kammer der ZiviltechnikerInnen der ArchitektInnen und IngenieurInnen für Wien, Niederösterreich und Burgenland im Bereich leistbares Wohnen tätig. Für ihre Bauten erhielten sie viele Auszeichnungen, zuletzt den Kulturpreis des Landes Niederösterreich 2022 in der Kategorie Architektur, eine Nominierung für den Hühnerstall beim Architekturpreis Constructive Alps und 2021 den Bauherrenpreis für das VinziDorf in Wien.

27. Juni 2023newroom

Elisabeth Endres – Wie wenig ist genug?

Elisabeth Endres ist Professorin für Gebäudetechnologie an der TU Braunschweig und leitet dort das Institut für Bauklimatik und Energie der Architektur. Im Ingenieurbüro Hausladen ist sie Mitglied der Geschäftsführung.
Eines ihrer Lieblingsprojekte ist, wie sie selbst sagt, die Sanierung des Eiermannbaus in Apolda. Der Industriebau in Thüringen wurde vom Architekten Egon Eiermann in den 1930er-Jahren erweitert und nun nach langem Leerstand von der IBA Thüringen reaktiviert. Die IBA Thüringen hat hierfür gemeinsam mit Elisabeth Endres ein Haus-im-Haus-Konzept entwickelt, bei dem Standard-Gewächshäuser als Bürozimmer dienen. Diese kleinen Einheiten sind individuell zu beheizen, die Etage selbst hat eine Grundtemperatur von etwa 15 Grad. Das erlaubt es, mit geringen Mitteln und wenigen Eingriffen in die Substanz das Haus wieder nutzbar zu machen. Im Gespräch erklärt Elisabeth Endres, warum es so wichtig ist, Gebäude zu entwickeln, die aus sich heraus ohne viel Technik gut funktionieren. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

Elisabeth Endres ist Professorin für Gebäudetechnologie an der TU Braunschweig und leitet dort das Institut für Bauklimatik und Energie der Architektur. Im Ingenieurbüro Hausladen ist sie Mitglied der Geschäftsführung.
Eines ihrer Lieblingsprojekte ist, wie sie selbst sagt, die Sanierung des Eiermannbaus in Apolda. Der Industriebau in Thüringen wurde vom Architekten Egon Eiermann in den 1930er-Jahren erweitert und nun nach langem Leerstand von der IBA Thüringen reaktiviert. Die IBA Thüringen hat hierfür gemeinsam mit Elisabeth Endres ein Haus-im-Haus-Konzept entwickelt, bei dem Standard-Gewächshäuser als Bürozimmer dienen. Diese kleinen Einheiten sind individuell zu beheizen, die Etage selbst hat eine Grundtemperatur von etwa 15 Grad. Das erlaubt es, mit geringen Mitteln und wenigen Eingriffen in die Substanz das Haus wieder nutzbar zu machen. Im Gespräch erklärt Elisabeth Endres, warum es so wichtig ist, Gebäude zu entwickeln, die aus sich heraus ohne viel Technik gut funktionieren. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

„Die IBA Thüringen hat uns gefragt, ob wir für den Eiermannbau in Apolda ein Konzept entwickeln können, mit dem man diesen leerstehenden Bau mit wenig Geld wieder in den Gebrauch führen kann. Uns ist relativ schnell klar geworden, dass man so wenig wie möglich machen sollte, um diesen schönen Raum zu erhalten. Wir haben mit dem Respekt vor diesem Gebäude gearbeitet und versucht, mit minimalen Eingriffen das Haus zu optimieren.
Grundsätzlich können wir uns so einem Haus auf zwei Wegen nähern: Wir können unsere Ansprüche an das Haus formulieren und dann schauen, wie wir das umsetzen können, oder wir schauen, was der Bestand leistet. Der zweite Weg, denke ich, ist im Bestand der sicherere.

Unser Credo war: Wie wenig ist genug? Ursprünglich wollten wir durch das Einstellen von beheizten Kuben, also über die Transmissions-Wärmeverluste, die ganze Etage heizen. Doch der wärmetechnische Standard des Altbestands war dafür zu schlecht. Also haben wir das Grundprinzip noch einmal umgedreht und geschaut, wie kalt oder wie warm es in dem Gebäude wird. Es gab bereits eine Gastherme.
Dabei sind 12 bis 15 Grad in der kältesten Woche herausgekommen. Das haben wir als Grundtemperatur für das Gebäude angenommen. In jedem Gewächshaus gibt es nur eine Infrarot-Heizung, die unter dem Schreibtisch eingebaut ist. Jeder kann selbst entscheiden, ob er wartet, bis der sehr kleine Raum sich durch die Nutzung aufgeheizt oder ob er sich den Luxus leistet, zehn Minuten lang elektrisch diesen Raum aufzuheizen.

Für mich fängt Lowtech da an, wo ich sehr geringe Lastgänge zum Heizen und Kühlen habe und über eine Fensterlüftung viele Bereiche des Gebäudes erreichen kann. Man wird keinen Konzertsaal ohne Lüftungstechnik bauen, auch kein Vorlesungssaal. Aber muss man jede Schulklasse mit einer Lüftungsanlage versehen? Da stelle ich ein großes Fragezeichen dahinter. Die Verantwortung für das eigene Klima, auch die Luftqualität, wird damit der Technik übergeben. Natürlich zieht es im Winter, wenn es draußen kalt ist, und das Fenster geöffnet wird, doch wie viel Anspruch auf Komfort und Abgabe von Verantwortung können wir uns als Menschen eigentlich noch leisten?
Es geht nicht darum, dass uns irgendeine Technik fehlt. Wir haben viel Technik. Wir haben einen Riesenkanon, aus dem wir wählen können. Es geht, denke ich, um unsere Haltung dazu und darum, das richtige Maß zu finden.
Wie kommen wir dahin, Gebäude zu entwickeln, die aus sich heraus sehr gut funktionieren und den Nutzer mit in die Verantwortung nehmen? Es schadet niemandem, ein Fenster manuell zu öffnen. Wenn wir jetzt Kinder in Schulen setzen, die komplett mechanisch gelüftet sind und in denen sie nichts mehr spüren können, stellt sich für mich auch die Frage: Wie geht es dann weiter im Leben?
Das Thema Schule bewegt mich sehr, deswegen bin ich auch immer wieder dankbar zu sehen, dass Konzepte wie Apolda funktionieren. Man sollte nicht den Anspruch formulieren „Viel hilft viel“, sondern „Wie wenig ist genug“, um diesen schönen Bestand wieder benutzen zu können. Wie wichtig nehmen wir uns als Menschen dabei? Das war der Leitspruch, mit dem Tobias Hag und Katja Fischer von der IBA Thüringen und wir vorzugehen versucht haben.“

Elisabeth Endres hat an der TU München Architektur studiert. Heute ist sie im Ingenieurbüro Hausladen in Kirchheim bei München Mitglied der Geschäftsführung. Das Büro erarbeitet ganzheitliche Gebäudekonzepte. Sie ist Professorin an der TU Braunschweig und beschäftigt sich dort mit der Schnittstelle von Architektur, Haustechnik und erneuerbarer Energie. Ihr Institut nennt sich Bauklimatik und Energie der Architektur.

30. Mai 2023newroom

Roger Boltshauser – Mit Lehm bauen

Der Schweizer Architekt Roger Boltshauser ist bekannt für seine Bauten mit Lehm. In Zusammenarbeit mit Studierenden hat er für das Ziegelei-Museum in Cham im Kanton Zug einen 9 Meter hohen Turm aus Stampflehm errichtet, den sogenannten Ofenturm. Der Bau ist Ausstellungsraum, Aussichtplattform und Brennofen zugleich. Und er ist das erste Gebäude, das in vorgespannter Lehmbauweise ausgeführt wurde. Boltshauser sieht in dieser Bauweise eine Möglichkeit, mit Lehm höhere und größere Gebäude zu errichten. Im Gespräch erklärt er, warum er das Material Lehm aus seiner Nische holen will und weshalb auch ein Lehmbau demontabel sein kann und warum er die Zukunft in Hybridkonstruktionen sieht. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

Der Schweizer Architekt Roger Boltshauser ist bekannt für seine Bauten mit Lehm. In Zusammenarbeit mit Studierenden hat er für das Ziegelei-Museum in Cham im Kanton Zug einen 9 Meter hohen Turm aus Stampflehm errichtet, den sogenannten Ofenturm. Der Bau ist Ausstellungsraum, Aussichtplattform und Brennofen zugleich. Und er ist das erste Gebäude, das in vorgespannter Lehmbauweise ausgeführt wurde. Boltshauser sieht in dieser Bauweise eine Möglichkeit, mit Lehm höhere und größere Gebäude zu errichten. Im Gespräch erklärt er, warum er das Material Lehm aus seiner Nische holen will und weshalb auch ein Lehmbau demontabel sein kann und warum er die Zukunft in Hybridkonstruktionen sieht. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

„Der Ofenturm ist für uns ein wichtiges Gebäude. Es bewegt sich an der Schnittstelle zwischen Lehre, Forschung und meiner eigenen Tätigkeit in meinem Büro. Das Projekt entstand im Rahmen meiner Gastprofessur an der TU München und wurde dann an der ETH Zürich weitergeführt.

Über hundert Studentinnen und Studenten haben daran mitgearbeitet – sei es, dass sie Pläne zeichneten, sei es mit der Weiterentwicklung der Konstruktion oder mit dem Stampfen der Lehmelemente. Der Turm ist das erste Gebäude, das als vorgespannter Lehmbau ausgeführt wurde. Die ersten Messungen zeigen, dass die Technik funktioniert. Das heißt, dass man mit Lehm auch in größeren Maßstäben erdbebensicher bauen kann und dass das Material damit auch für größere Strukturen und materialeffizienter eingesetzt werden kann. Mir geht es in meinen Arbeiten darum, den Baustoff Lehm aus seiner Nische zu holen.

Der Ofenturm ist zirkulär gedacht. Er ist demontierbar, und das muss er auch sein: Wir haben eine beschränkte Baubewilligung für zehn Jahre. Wenn man zirkulär denkt, denkt man in erster Linie an leichte und eher feine Materialen, man denkt vielleicht an Holz oder Stahl – aber nicht an Lehm. Das Durchbrechen dieser Denkmuster hat uns dann natürlich auch gestalterisch interessiert.

Die Blöcke sind vorfabriziert, gestampft auf Trägerplatten aus Holz, und wurden dann vor Ort aufeinandergeschichtet. Eigens entwickelte Spannseile setzen die Konstruktion unter Zug und werden in das Betonfundament eingespannt. Als oberer Abschluss und zur Aussteifung dient eine Holzkonstruktion. Wir haben berechnet, dass wir mit dieser Struktur bis zu 40 Meter hoch bauen könnten. Ohne Vorspannung wäre das unmöglich. Der Ofenturm etwa hätte ohne die vorgespannte Konstruktion statt 9 nur etwa 5 bis 6 Meter hoch sein können.

Mein Wunsch ist es, dass das Bauen mit Lehm normal wird und wir nicht mehr als Sonderlinge, Exoten oder experimentelle Architektinnen und Architekten angesehen werden. Die Fragen zum Thema Klima liegen ja heute auf dem Tisch. Man muss nur die CO2-Bilanz eines Lehmmauerwerks jener eines Beton- oder Backstein-Mauerwerks gegenüberstellen. Das heißt nicht, dass man Beton verteufeln muss, aber man sollte ihn effizienter einsetzen und mit anderen Materialien kombinieren. Es gibt noch immer Vorbehalte dem Baustoff Lehm gegenüber. Das ist mit ein Grund, weshalb wir noch nicht so viele Lehmbauten realisieren konnten – obwohl wir uns bereits seit mehr als zwanzig Jahren mit dem Thema befassen.

Ich will mit meinen Lehmbau-Strategien nicht sagen: Lasst uns nur noch mit Erde bauen! Ich glaube aber, dass wir künftig mit neuen hybriden Strukturen bauen müssen. Nicht alles, was in den letzten sechzig Jahren gebaut wurde, ist gut. Und darum ist mir wichtig, dass wir künftig mit weniger CO2-Emissionen bauen. Sicher kann Lehm dazu einen Beitrag leisten.“

Roger Boltshauser gründete 1996 das Büro Boltshauser Architekten in Zürich. Inzwischen gibt es einen Bürozweitsitz in München. Boltshauser forscht und lehrt seit Jahren zum Lehmbau. Derzeit ist er Gastdozent an der ETH Zürich. Seine Lehmprojekte – allen voran das Haus Rauch im österreichischen Schlins – wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Der Ofenturm für das Ziegelei-Museum in Cham bekam 2022 den „DETAIL-Award“ und den „ARC-Award“ in der Kategorie „Bildung und Gesundheit“.

16. Mai 2023newroom

SchloR – Als Gruppe gemeinwohlorientiert handeln

SchloR ist eine Gruppe von Menschen unterschiedlichsten Backgrounds, die in Wien-Simmering gemeinsam ein selbstverwaltetes Kultur-, Werkstätten- und Wohnprojekt auf die Beine stellen. Dafür kauften sie im Sommer 2019 ein ehemaliges Zirkustrainingsgelände, um als Teil von habiTaT, dem Mietshäuser Syndikat in Österreich, die Immobilie dem freien Markt zu entziehen und sie gemeinwohlorientiert weiterzuentwickeln und zu nutzen. Die bestehenden Gebäude wurden von der Architektin Gabu Heindl saniert, aufgestockt und um einen Wohntrakt erweitert. Dass hier so ökologisch wie möglich gebaut werden sollte, stand von Anfang an fest. Rainer Hackauf, Mitglied von SchloR, führte Anne Isopp über das Gelände. Mehr über das Projekt SchloR gibt es auch im Morgenbau-Podcast, Folge 9, zu hören.

SchloR ist eine Gruppe von Menschen unterschiedlichsten Backgrounds, die in Wien-Simmering gemeinsam ein selbstverwaltetes Kultur-, Werkstätten- und Wohnprojekt auf die Beine stellen. Dafür kauften sie im Sommer 2019 ein ehemaliges Zirkustrainingsgelände, um als Teil von habiTaT, dem Mietshäuser Syndikat in Österreich, die Immobilie dem freien Markt zu entziehen und sie gemeinwohlorientiert weiterzuentwickeln und zu nutzen. Die bestehenden Gebäude wurden von der Architektin Gabu Heindl saniert, aufgestockt und um einen Wohntrakt erweitert. Dass hier so ökologisch wie möglich gebaut werden sollte, stand von Anfang an fest. Rainer Hackauf, Mitglied von SchloR, führte Anne Isopp über das Gelände. Mehr über das Projekt SchloR gibt es auch im Morgenbau-Podcast, Folge 9, zu hören.

„Wir sind ein Teil von Habitat, dem Mietshäuser Syndikat in Österreich. Wir wollen Grundstücke der Spekulation entziehen, sodass sie nicht mehr verkauft werden können. Es gibt in Österreich inzwischen sechs Projekte mit eigenem Grundstück, vielleicht bald sieben. Im Prinzip besitzen alle alles mit. Jedes Projekt hat eine GmbH mit zwei Geschäftsführer*innen. Eine kommt von den Bewohner:innen und einer von der Dachorganisation.
Ich bin seit vier Jahren dabei. Als ich mich SchloR anschloss, gab es schon eine Kerngruppe. Diese hatte vier Jahre lang nach einem Grundstück oder Haus gesucht und nichts Leistbares gefunden. Schlussendlich verliebte sie sich hier in Wien-Simmering in eine Trainingshalle. Diese gehörte ursprünglich einer Großtischlerei und wurde später von einer Zirkusfirma übernommen. Die Halle ist dafür bekannt, dass man hier am Hochseil trainieren kann, und das sehr niedrigschwellig. Daneben steht ein Gebäude, das bereits mit Wohnungen und Ateliers aufgestockt wurde. Im Erdgeschoss gibt es Proberäume, Werkstätten und einen Veranstaltungsraum. Diese Räume stehen auch der Nachbarschaft zur Verfügung.

Hinter der Halle wird gerade ein zweigeschossiger Bau mit begehbarem Dach errichtet.
Wir bauen hier möglichst ökologisch, mit Holz, Zellulosedämmung und Lehmwänden, nur zum Bahndamm hin mussten wir eine Ziegelwand errichten. Außerdem versuchen wir alle Außenflächen zu entsiegeln. Das Grauwasser bereiten wir wieder auf, das Duschwasser wird für die Toilette genutzt. Auf das Dach der Halle kommt Photovoltaik.
Das ökologische Bauen war schon als Grundsatz definiert, als ich dazugestoßen bin. Wir versuchen auch, Baustoffe wiederzuverwenden wie zum Beispiel die Fenster des Altbaus.

Im Neubau wird es drei große Wohngemeinschaften geben mit jeweils vier bis sechs Personen auf einer Wohnfläche von jeweils 160 bis 180 Quadratmetern. Dazu gibt es noch Gemeinschaftsräume und einen kollektiven Garten. In einem Gewerbegebiet in Wohngemeinschaften zu wohnen, ist sehr ungewöhnlich. Im Gewerbegebiet darf man nur wohnen, wenn man auch einen Betrieb hat, und nur ein Drittel der Fläche darf hier zum Wohnen genutzt werden.

Nebenan befinden sich ein Fiakerstall und eine Kfz-Werkstätte. Gegenüber liegt das Fabrikgelände von Mautner Markhof. Unsere Architektin Gabu Heindl sagt, dass das Grundstück gut zu uns passt, da wir hier Arbeit und Wohnen zusammenbringen und dabei so viel Lärm machen können, wie wir wollen. Wir sind hier alle Mieterinnen und Mieter. Die Mieten werden nicht nach Quadratmetern berechnet, sondern solidarisch umverteilt. Den Grundstückskauf sowie den Umbau und Neubau finanzieren wir zu 50 Prozent über Direktkredite. Für die restlichen 50 Prozent wollten wir erst einen Bankkredit aufnehmen. Das war dann aber nicht notwendig, weil wir von der Stiftung Umverteilen zwei Millionen Euro bekommen haben.“

SchloR steht für „Schöner leben ohne Rendite“ oder auch „Schöner leben für alle“. Die Gruppe ist Teil von habiTaT, dem Mietshäuser Syndikat in Österreich. In Wien-Simmering bauen sie zusammen mit der Architektin Gabu Heindl ein selbstverwaltetes Kultur-, Werkstätten- und Wohnprojekt.

25. April 2023newroom

Almut Grüntuch-Ernst – Schwieriges Bauerbe

Die Berliner Architekten Grüntuch Ernst wandelten ein ehemaliges Frauengefängnis in Berlin-Charlottenburg in ein Hotel um. Während der NS-Zeit waren in diesem Gefängnis Widerstandskämpferinnen inhaftiert, viele von ihnen wurden hingerichtet. Aus einem beklemmenden, düsteren Ort schufen sie einen Ort des Ankommens und des Verweilens. Im Gespräch erzählt Almut Grüntuch-Ernst, die das Büro gemeinsam mit ihrem Mann Armand Grüntuch führt, warum wir uns auch mit schwierigen Bauten auseinandersetzen müssen und wie dies gelingen kann. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

Die Berliner Architekten Grüntuch Ernst wandelten ein ehemaliges Frauengefängnis in Berlin-Charlottenburg in ein Hotel um. Während der NS-Zeit waren in diesem Gefängnis Widerstandskämpferinnen inhaftiert, viele von ihnen wurden hingerichtet. Aus einem beklemmenden, düsteren Ort schufen sie einen Ort des Ankommens und des Verweilens. Im Gespräch erzählt Almut Grüntuch-Ernst, die das Büro gemeinsam mit ihrem Mann Armand Grüntuch führt, warum wir uns auch mit schwierigen Bauten auseinandersetzen müssen und wie dies gelingen kann. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

„1896 wurden das Strafgerichts- und das Vollzugsgebäude errichtet und bis 1985 als Gefängnis genutzt. Das Land Berlin beschloss, das Grundstück zu veräußern, ohne dass es einen Plan für die weitere Nutzung gab. Gemeinsam mit einem potenziellen Investor haben wir uns das Gelände angeguckt und überlegt, was man daraus machen könnte. Als wir zum ersten Mal hier waren, fanden wir einen wild überwachsenen, aber auch beklemmenden und vergessenen Ort mitten in der Stadt vor. Wir waren von diesem verwunschenen Areal angetan, während der Investor nach und nach das Interesse verlor. So haben wir letztlich selbst ein Angebot gemacht und das Grundstück mit den Gebäuden erworben. Daraufhin fing ein Prozess des dialogischen Umbauens an. Wir fragten uns: Wo stecken die Potenziale in diesem schwierigen Erbstück?

Als die beiden Gebäude, das Gericht und das Gefängnis, gebaut wurden, war Charlottenburg unabhängig und gehörte noch nicht zu Berlin. Es gibt ein Foto aus dem Archiv, auf dem die Häuser noch völlig frei stehen ohne direkte Nachbarn. Das heißt, in diesem Block im heutigen Berlin war es der erste Ort der Versiegelung für ein neues Stück Stadt. Dieses Wissen hat uns provoziert, genau hier mit der Entsiegelung zu beginnen. In unserer Branche müssen wir heute einen Sinneswandel wagen und Flächen in der Stadt anders betrachten, um die Vitalität und die Biodiversität in den Städten zu steigern.

Wir haben hier, anders als bei den meisten unserer architektonischen Projekte, sehr subtraktiv gearbeitet. Viel Material wurde entfernt, um aus den kleinen Isolationszellen größere, einladende Raumsequenzen zu erstellen. Man spürt noch genau, dass es ein Gefängnis war, wenn man an den Originaltüren vorbeigeht. Heute bewegt man sich mit einer anderen Leichtigkeit durch das Haus. Wir haben versucht, dem Beklemmenden etwas entgegenzusetzen, ohne alles mit einer neuen Idee zu überstrahlen.

In jeder Stadt gibt es ein gebautes Erbe. In manchen Häusern steckt bereits der Charme der Vergangenheit und der Umbau gestaltet sich einfach. Wir erben aber auch viele Gebäude, die kompliziert sind, auf der Materialebene, aufgrund der Raumkonfiguration oder wegen ihrer Geschichte. Mir ist es daher wichtig, auch den Studierenden bereits an der Uni zu vermitteln, dass sie aufmerksam durch die Stadt gehen und diese Potenziale, die vielleicht niemand sonst sieht, entdecken. Ich möchte sie ermuntern, dort anzusetzen, wo andere gar nicht erst hingucken.“

Almut Grüntuch-Ernst führt seit 1991 gemeinsam mit Armand Grüntuch das Architekturbüro Grüntuch Ernst. Sie sind international tätig. Für das Hotel Wilmina, den Umbau eines ehemaligen Frauengefängnisses in ein Hotel, wurden sie zuletzt mit dem deutschen Nachhaltigkeitspreis für Architektur ausgezeichnet. Almut Grüntuch-Ernst ist Professorin für Entwerfen und Gebäudelehre an der TU Braunschweig.

28. März 2023newroom

Mehr als nur Schalter. nextroom fragt Alfred Mölzer

Schon längst sind unsere Häuser digital steuerbar. Brauchen wir da überhaupt noch Schalter? Oder steuern wir in Zukunft das Licht nur mehr übers Handy? nextroom fragt Alfred Mölzer, Geschäftsführer der Gira Austria GmbH.

Schon längst sind unsere Häuser digital steuerbar. Brauchen wir da überhaupt noch Schalter? Oder steuern wir in Zukunft das Licht nur mehr übers Handy? nextroom fragt Alfred Mölzer, Geschäftsführer der Gira Austria GmbH.

An der Wand ein schwarzer Kippschalter von Gira. Wenige Zentimeter darüber hängt ein Touchpad, von dem sich verschiedene Lichtszenarien im Raum auswählen lassen, Sound als auch das Raumklima und die Jalousien einfach zu steuern sind.

„Wir bieten von der klassischen Steckdose und Schalter bis hin zu Smart-Home-Lösungen eine ganze Bandbreite an Produkten an“, erklärt Adolf Mölzer, Geschäftsführer der Gira Austria GmbH.

Gira ist ein deutsches mittelständisches Unternehmen mit Sitz in Radevormwald in Nordrhein-Westfalen. Produkte des 1905 gegründeten Traditionsunternehmen sind heute weltweit in mehr als 40 Ländern erhältlich. Die Österreichische Tochtergesellschaft Gira Austria GmbH hat ihren Sitz in Salzburg, in Wien präsentiert Gira seine Produkte unter anderem im Formdepot, einem Showroom in Wien-Ottakring.

Das Formdepot in Wien Ottakring ist ein Gebäude mit moderner Aufstockung und einem intelligenten Innenleben. Das ganze Haus ist mit dem KNX-Standard ausgestattet, dem heute weltweit wichtigsten Technologie-Standard der kabelgebundenen Bus-Systeme, den Gira seinerzeit mitentwickelt hat. Ein KNX-System im Gebäude eingebaut zu haben bedeutet, dass sämtliche Geräte das gleiche Übertragungsverfahren benutzen und Daten über eine gemeinsame Leitung austauschen und miteinander kommunizieren können. Die Vorteile für Endverbraucher:innen: KNX ist ein herstelleroffenes System, mehr als 500 Produzenten weltweit gehören dem Netzwerk bereits an – mit zurzeit über 8.000 integrierbaren intelligenten Produkten und zertifizierten KNX-Komponenten. Das garantiert etwa auch die so wichtige Kompatibilität für einer Vielzahl unterschiedlicher Produkte verschiedenen Hersteller im intelligenten Gebäude der Zukunft.

Bei der Dynamik der Entwicklung intelligenter Gebäudetechnik drängt sich die Frage auf, ob wir in Zukunft klassische Schalter für Licht-, Heizung- oder Jalousiesteuerung in Zukunft überhaupt noch brauchen werden? Alfred Mölzer: „Das ist eine sehr gute und wichtige Frage, die wir uns und der wir uns bei Gira natürlich stellen. Wir sind allerdings fest davon überzeugt, dass klassische Schalter noch viele Jahre nachgefragt und State of the Art bleiben – auch wenn neue Möglichkeiten, wie das Schalten über Sprachsteuerung oder smarte Endgeräte, in Zukunft parallel an Bedeutung gewinnen werden.“

Für die Herstellung der Schalter und Steckdosen werden zurzeit vor allem Kunststoffgranulate und Metalllegierungen benötigt. Gibt es eine Alternative zum Kunststoff? Alfred Mölzer: „Unsere Produkte müssen nicht nur höchsten technischen Standards gerecht werden, sondern zeichnen sich ja auch durch hohe Qualität, Sicherheit und einen langen Produktzyklus aus – da ist Kunststoff zurzeit einfach noch alternativlos.“

Ein Schalter ist Teil des Raumes. „Wenn man genau schaut, merkt man, dass er einen großen Einfluss auf den Gesamteindruck des Raumes hat“, sagt Mölzer. Deshalb lege man bei Gira auch so einen großen Wert auf die Gestaltung und die Haptik der sichtbaren Schaltelemente. Das im Hintergrund, im Verborgenen immer mehr intelligente Gebäudesteuerung hinzukommt, hat sich natürlich auch längst in die DNA des Unternehmens eingeschrieben.

21. März 2023newroom

Markus Schadenbauer – Innenstadt revitalisieren

Aus der verödeten Marktstraße in Hohenems ist eine lebendige Wohn- und Einkaufsstraße geworden. Diese Verwandlung geht vor allem auf das Engagement des privaten Projektentwicklers Markus Schadenbauer zurück. Ihm ist es gemeinsam mit der Stadt und der Bevölkerung gelungen, diese Kehrtwende einzuleiten, durch einen sorgsamen Umgang mit dem historischen Bestand und einem Verständnis für die Qualitäten moderner Architektur. Markus Schadenbauer erzählt, warum es für so eine Transformation immer eine Person vor Ort geben muss, die sich darum kümmert, und warum er viel Wert auf eigentümergeführte Ladenlokale legt. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

Aus der verödeten Marktstraße in Hohenems ist eine lebendige Wohn- und Einkaufsstraße geworden. Diese Verwandlung geht vor allem auf das Engagement des privaten Projektentwicklers Markus Schadenbauer zurück. Ihm ist es gemeinsam mit der Stadt und der Bevölkerung gelungen, diese Kehrtwende einzuleiten, durch einen sorgsamen Umgang mit dem historischen Bestand und einem Verständnis für die Qualitäten moderner Architektur. Markus Schadenbauer erzählt, warum es für so eine Transformation immer eine Person vor Ort geben muss, die sich darum kümmert, und warum er viel Wert auf eigentümergeführte Ladenlokale legt. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

„Zu der Zeit, als ich nach Hohenems gekommen bin, machte die Marktstraße einen sehr verfallenen Eindruck. Es gab kaum noch Geschäfte, die Fassaden waren heruntergekommen und nur mehr wenige Menschen lebten hier. Bis etwa 2010 fuhr der Schwerlastverkehr durch diese Straße. Stadt und Land entschieden sich dann für eine Innenstadtumfahrung – eine weitreichende Entscheidung. Nachdem die Stadtspange umgesetzt war, hat man dann erst recht gesehen, wie tot die Innenstadt, insbesondere die Marktstraße, ist.
Als das Bundesdenkmalamt die Marktstraße unter Ensembleschutz stellte, sorgte das unter den Hauseigentümern für noch mehr Aufregung. Sie hatten das Gefühl, dass jetzt hier gar nichts mehr passieren kann. Tatsächlich war das aber der Wendepunkt: Man wusste, die Häuser dürfen nicht abgerissen werden. Wir haben uns dann überlegt, wie wir die Marktstraße wiederbeleben können. Wir haben das als privates Unternehmen gemeinsam mit der Stadt und der Bevölkerung entwickelt.
Die Marktstraße weist durch ihre Typologie Qualitäten auf, die andere Städte nicht haben. Ich spreche hier speziell die geschlossene Bauweise mit den Innenhöfen und die Durchwegungen an, die in zweiter und dritter Bautiefe über die Jahre entstanden sind.
Ich glaube, ein wesentlicher Grund, warum Hohenems so populär wurde, ist, dass das Historische noch immer ablesbar und zugleich in einer annehmbaren Art und Weise in die Gegenwart transformiert ist. Dazu gehören auch die unterschiedlichen Fassaden, diese Vielfalt. Jedes Haus hat seinen eigenen Charakter und seine eigene Typologie. Im Rahmen der Sanierungen haben wir mit unterschiedlichen Architekten und Architektinnen zusammengearbeitet, um diese Differenzierung auch in der Gegenwart ablesbar zu machen. So wie der historische Baubestand muss auch die Nachverdichtung einen architektonischen Anspruch haben. Die Menschen sollen in Zukunft sagen, dass auch diese neuen Gebäude erhaltenswert sind, so wie wir es heute mit den um 1600 bis 1700 erbauten Häusern machen.
Wir haben uns darum bemüht, dass in der Marktstraße wieder Handel und Handwerk einziehen, in Kombination mit Wohnen, Dienstleistungen und einer generell hohen Aufenthaltsqualität. Wir wollten in der Straße keine klassischen Filialisten haben, sondern eigentümergeführte Ladenlokale. Wir wussten, nur wenn wir etwas Besonderes anbieten, dann kommen die Leute auch aus den Nachbarorten nach Hohenems.
Damit so eine Transformation gelingt, braucht es ein Gesicht vor Ort, man braucht einen Bezug zum Ort. Ich wohne und arbeite hier. Mir ist es nicht egal, wenn in der Marktstraße ein Geschäft schließt. Ich möchte auch nicht, dass es hier fünf Optiker oder drei Bioläden gibt. Wir wollen, dass es jedem einzelnen Geschäft gut geht. Oft mache ich am Morgen einen Spaziergang und gehe dann da und dort einen Kaffee trinken. Dabei erfahre ich wieder Dinge. Ich bin auch Ansprechpartner, wenn es mal nicht so gut geht. Wir haben eine Zeit, in der die Baukosten steigen. Ich glaube, dass die derzeitige Teuerung nachhaltig ist, weil wir uns verstärkt überlegen müssen, was wir erhalten und was wir abreißen.“

Markus Schadenbauer ist Geschäftsführer der Schadenbauer Projekt- und Quartierentwicklungs GmbH. Der gebürtige Bregenzerwälder lebt in Hohenems und wirkt seit vielen Jahren in enger Zusammenarbeit mit Stadt und Investoren federführend am Entwicklungsprozess der Innenstadt mit. 2022 wurde er für seine Verdienste um die Revitalisierungen im Jüdischen Viertel und der Marktstraße in Hohenems vom Bundesdenkmalamt mit der Denkmalschutzmedaille ausgezeichnet.

28. Februar 2023Anne Isopp
newroom

Flanders Architectural Review N°15. Alliances with the Real

Ein Blick nach Flandern, der sich lohnt: Ein Jahrbuch, das mit einer Auswahl an aktuellen Bauten in Kombination mit Bild- und Textessays einen zeitgenössischer Architekturdiskurs aufspannt.

Ein Blick nach Flandern, der sich lohnt: Ein Jahrbuch, das mit einer Auswahl an aktuellen Bauten in Kombination mit Bild- und Textessays einen zeitgenössischer Architekturdiskurs aufspannt.

Die Architektur in Flandern findet schon seit Jahren viel Beachtung. Ihr Zugang ist immer wieder unkonventionell, überraschend und das Ergebnis oft bewundernswert gut. Gerade hier scheinen Architekten und Architektinnen wie Seismographen das Alltägliche zu vermessen und ohne Zwang in etwas Neues zu verwandeln. Eine Auswahl der jüngsten realisierten Bauvorhaben findet sich in der im Dezember 2022 erschienenen 15. Ausgabe der sehr empfehlenswerten Flanders Architectural Review.
Auf dem Cover des Buchs ist die Detailansicht einer Schule in Gent zu sehen. Sie liegt im Stadterweiterungsgebietes Oude Dokken, für das OMA den Masterplan entwarf. Xaveer De Geyter Architects entwarfen ein Schulgebäude mit dazugehörigen Frei- und Sportflächen, das Raum für bis zu 200 Kinder bietet. Es nimmt etwa die Hälfte des Grundstücks ein und überzeugt im Inneren durch eine sehr ausgeklügelte, aufs Minimum reduzierte Durchwegung. In den oberen Geschossen befinden sich die Sporthallen, die auch von außen unabhängig vom Schulbetrieb erreicht und genutzt werden können. Das Übereinanderstapeln der Freiflächen ist rundum gelungen: Ganz oben liegt der Fußballplatz, darunter ineinander übergehende Terrassen, die als Schulhof genutzt und mit Treppen oder sich entlang von grünen Beeten schlängelnden Rampen verbunden sind. Von hier oben hat man, eingerahmt von der Stahlträgerstruktur, einen wunderbaren Blick in das stetig wachsende Genter Quartier.

Aber auch wer entlang der Rückseite der Schule am Kanal entlangspaziert, kann durch das mit Ranken bepflanzte Stahlgerüst auf den ebenerdigen Schulhof schauen. Es ist wie im Theater. Die Schulglocke läutet, wie auf Knopfdruck springen die Volksschulkinder über die breite Treppe hinunter zu den Rollern, den Bällen und dem Sandkasten, der sich wie in einer Höhle unter der Treppe erstreckt.

Das Schulgebäude ist eines der Projekte, die für die Flanders Architecural Review Nr. 15 ausgewählt wurden. Herausgeber des alle zwei Jahre erscheinenden Architekturbuchs ist das Flanders Architecture Institute, das für den Auswahlprozess keine Mühen scheut. 400 Projekte wurden dafür eingereicht. Die Jury traf eine Vorauswahl, die dann alle besichtigt wurden von immer mindestens zwei Jurymitgliedern. Schlussendlich wählte die Jury 50 Projekte für die Publikation aus.

Alle Projekte im Buch sind mit Text, Bildern und Plänen vorgestellt. Zehn Essays und zwei Fotoessays zu Themen, die den Projekten und der heutigen Zeit eingeschriebenen sind, ergänzen den Band. So geht Sofie de Caigny unter dem Titel „History and Architecture“ auf den Umgang mit denkmalgeschützten Gebäuden näher ein. Die Leiterin des VAI schreibt in dem Beitrag über drei historische Gebäude in Antwerpen, die kürzlich restauriert bzw. ausgebaut wurden: das Rathaus, das Königliche Museum für schöne Künste Antwerpen und die Burg Steen am Scheldeufer. Damit überschreitet die Publikation die so wichtige Grenze einer reinen Präsentation von Projekten hin zu einer Publikation der zeitgenössischen Architekturdiskussion.

newroom, Di., 2023.02.28



verknüpfte Publikationen
Flanders Architectural Review N°15. Alliances with the Real

28. Februar 2023newroom

LilIi Lička – Mehr Grün für alle

Die Wiener Landschaftsarchitektin LilIi Lička engagiert sich in Wien für die Entstehung eines neuen Parks, des Westbahnparks. Im Gespräch erklärt sie, warum das eine Jahrhundertchance für Wien ist, warum solche Parks prozesshaft entstehen sollten und warum in Vierteln mit wenig Grün mehr Bäume gepflanzt werden müssen.

Die Wiener Landschaftsarchitektin LilIi Lička engagiert sich in Wien für die Entstehung eines neuen Parks, des Westbahnparks. Im Gespräch erklärt sie, warum das eine Jahrhundertchance für Wien ist, warum solche Parks prozesshaft entstehen sollten und warum in Vierteln mit wenig Grün mehr Bäume gepflanzt werden müssen.

„In der Transformation des öffentlichen Raums vom primär als Verkehrsraum definierten Raum zu einem begrünten Aufenthalts- und Bewegungsraum liegt die eigentliche Anpassung an den Klimawandel. Es geht darum, bei Umgestaltungen darauf zu achten, dass der Versiegelungsgrad möglichst gering ist und der motorisierte Verkehr zurückgedrängt wird.

Die Idee zum Westbahnpark entstand aus einer gewissen Unzufriedenheit heraus. Wir haben suchten nach einem Ort, an dem sich die Utopie einer klimagerechten Stadt umsetzen lässt. Diese Suche brachte uns zum Westbahnhofareal.

Dabei geht es um die Transformation nicht des Bahn-, sondern des Transportareals neben den Bahngleisen. Das Erstaunliche ist, dass das Westbahnareal schon jetzt ein wichtiger Freiraum für die Menschen ist, ein geschützter 1,2 Kilometer langer Freiraum, der für Spaziergänge genutzt wird.

Das Areal zu bebauen, wie es die derzeitigen Pläne der Stadtplanung vorsehen, finden wir falsch. An dieser Stelle bietet sich eine einmalige Chance, eine Jahrhundertchance, in der dichten Stadt einen Klimaausgleich und damit auch eine Verbesserung der Grünraumgerechtigkeit zu schaffen. In ganz Wien gibt es keine vergleichbare Fläche mit einem solchen Freiraumpotenzial.
Wir haben begonnen, in dem Areal Führungen zu machen. Dabei blicken wir zurück auf das Jahr 2022. Dass mit der Vorstellungskraft, der Imagination oder, wie es Ulrike Marais sagt, mit der Mikroutopie eine Aktivierung stattfinden kann, hat sich hier bestätigt.
Wir sehen die fortschrittliche Gestaltung eines zeitgenössischen landschaftsarchitektonischen Werks, das sich auch mit der Zeit verändern kann. Man beginnt mit einer einfachen Veränderung, dem Schutz zur Bahn und dem Zugeständnis der Begehbarkeit und der Benutzbarkeit. Dann kann ein Schritt nach dem anderen erfolgen, so wie man das von Projekten im Ausland kennt, etwa vom Shoreline Park in Göteborg von le balto.

Jede Transformation erfordert Veränderungen auf mehreren Ebenen. Das sind Erkenntnisse der Vegetationskunde, der Konstruktion und der Materialien sowie rechtliche Rahmenbedingungen, vor allem aber zählt der politische Wille. Veränderungen auf all diesen Ebenen sind auch deshalb schwierig, weil wir mit einem anderen System arbeiten, als es diese Transformation erfordern würde. Dazu, wie die klimatische Anpassung besser gelingen kann, gibt es bereits zahlreiche Veröffentlichungen und Studien, an denen auch wir vom Institut für Landschaftsarchitektur mitgewirkt haben.“

Lilli Lička ist Landschaftsarchitektin in Wien (LL-L) und Professorin für Landschaftsarchitektur an der BOKU Wien. Darüber hinaus arbeitet sie als Konsulentin, Jurorin und Aktivistin mit den Schwerpunkten urbane Entwicklung, öffentlicher Freiraum, Parks und historische Gärten. Von 1991 bis 2016 war sie Partnerin bei koselička. Der Westbahnpark ist eine Idee von BLA, dem Büro für lustige Angelegenheiten. BLA gründete Lilli Lička gemeinsam mit dem Künstler Hannes Gröblacher und der Architektin Karoline Seywald.

14. Februar 2023newroom

Anja Rosen – Ein Ressourcenpass für jedes Gebäude

Anja Rosen ist Honorarprofessorin für zirkuläres Bauen an der Bergischen Universität Wuppertal. Im Rahmen ihrer Promotion erarbeitete sie den Urban Mining Index, ein Tool zur Bewertbarkeit von kreislauffähigem Bauen. In der Stadt Korbach in Nordhessen begleitete sie als Expertin ein Modellprojekt: Beim Rathausneubau nutzte man den Bestand als „urbane Mine“ und versuchte so, den Kreislauf zu schließen. Warum wir in Zukunft zirkulär bauen müssen und warum der Staat hier regulierend eingreifen soll, erzählt sie Anne Isopp.

Anja Rosen ist Honorarprofessorin für zirkuläres Bauen an der Bergischen Universität Wuppertal. Im Rahmen ihrer Promotion erarbeitete sie den Urban Mining Index, ein Tool zur Bewertbarkeit von kreislauffähigem Bauen. In der Stadt Korbach in Nordhessen begleitete sie als Expertin ein Modellprojekt: Beim Rathausneubau nutzte man den Bestand als „urbane Mine“ und versuchte so, den Kreislauf zu schließen. Warum wir in Zukunft zirkulär bauen müssen und warum der Staat hier regulierend eingreifen soll, erzählt sie Anne Isopp.

„Ich beschäftigte mich schon während meines Studiums mit ökologischem Bauen. Heute bin ich als Architektin beratend tätig für nachhaltiges Bauen, ein Großteil meiner Arbeit sind dabei Zertifizierungen. Dieses Jahr habe ich mich selbstständig gemacht mit der C5 GmbH, einem Fachplanungsbüro für nachhaltiges Bauen mit dem Schwerpunkt Zirkularität.

Noch spielt die Zirkularität in der Baupraxis kaum eine Rolle. Wir bauen immer noch mit Verbundstoffen, die nicht recyclingfähig sind, und legen kaum Wert auf die Demontierbarkeit der Konstruktion. Keiner denkt fünfzig oder hundert Jahre weiter. Doch bald werden uns die Rohstoffe ausgehen. Deshalb brauchen wir schon jetzt eine entsprechende Regulierung durch den Staat, die verhindert, dass weiterhin so viele Primärrohstoffe eingesetzt werden. Das könnte zum Beispiel eine Primärbaustoffsteuer sein. Mein Favorit ist aber die Verpflichtung, mit dem Bauantrag genaue Angaben zu machen, was im Gebäude verbaut ist.
Der Ressourcenpass für Gebäude soll in Deutschland ja im Laufe dieser Legislaturperiode eingeführt werden. Das hat sich die neue Ampelkoalition in den Koalitionsvertrag geschrieben. Man muss dann noch bewerten, was eingebaut wurde. Was bedeutet es, wenn ich so und so viele Kubikmeter Beton, Metall, Holz oder Kunststoff verbaue? Diese Bewertung kann man dann mit einer Sanktion verknüpfen. Man muss sich das Gebäude wie eine Pfandflasche vorstellen – ein Begriff von meiner Doktormutter Prof. Annette Hillebrandt. Man zahlt mit der Baugenehmigung ein Pfand ein. Die Höhe des Pfandes richtet sich danach, ob man ein Wertstofflager oder ein Abfalldepot dort errichtet. Man könnte es auch einfacher, ohne Geld deponieren zu müssen, über eine Eintragung ins Grundbuch machen.
Im Zuge meiner Doktorarbeit habe ich den Urban Mining Index entwickelt, ein Bewertungsinstrument, mit dem man die Zirkularität von Gebäuden über den gesamten Lebenszyklus messen und bewerten kann. Und da spielt eben nicht nur die Recyclingfähigkeit der Materialien eine Rolle, sondern auch die Demontabilität und der Rückbauaufwand.

In einem Modellprojekt, dem Rathaus Korbach, haben wir nun erstmals versucht, den Kreislauf zu schließen. Wir haben den Bestand vor Ort genutzt und die mineralischen Abbruchmaterialien stofflich recycelt. Es war das erste Mal, dass wir das tatsächlich bei einem Gebäude so gemacht haben: Bestehendes abgebrochen, ortsnah recycelt und direkt wieder für den Neubau eingesetzt. Das ist einmalig für Deutschland. Aber man muss auch sagen: Durch die Weiternutzung des Bestandes hat man die größten Chancen, Ressourcen zu sparen.“

Anja Rosen ist Honorarprofessorin für zirkuläres Bauen an der Bergischen Universität Wuppertal und gründete vor kurzem mit Frauke Kaven ein eigenes Büro, die C5 GmbH in Münster. Sie ist eine der Hauptautorinnen des Atlas Recycling, erschienen im Detail Verlag.
Am Rathaus in Korbach war sie maßgeblich beteiligt. Dieser Anbau an das historische Rathaus ist für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis Architektur 2023 nominiert.

31. Januar 2023newroom

Hermann Kaufmann – Know-how aufbauen

Der Vorarlberger Architekt Hermann Kaufmann ist ein Pionier des modernen Holzbaus. An der TU München war er bis zu seiner Emeritierung 2021 Professor für Holzbau und Entwerfen. Nach wie vor führt er in Schwarzach mit seinen Partnern das von ihm gegründete Büro HK Architekten. Bei jedem Gebäude versucht er, die Möglichkeiten des modernen Holzbaus aufs Neue auszuloten und Antworten im Bereich des nachhaltigen Bauens zu finden. In Bad Aibling hat er nun ein Parkhaus aus Holz gebaut. Im Gespräch erzählt er, wie es dazu kam und warum ihm der Boom im Holzbau auch Sorgen bereitet. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

Der Vorarlberger Architekt Hermann Kaufmann ist ein Pionier des modernen Holzbaus. An der TU München war er bis zu seiner Emeritierung 2021 Professor für Holzbau und Entwerfen. Nach wie vor führt er in Schwarzach mit seinen Partnern das von ihm gegründete Büro HK Architekten. Bei jedem Gebäude versucht er, die Möglichkeiten des modernen Holzbaus aufs Neue auszuloten und Antworten im Bereich des nachhaltigen Bauens zu finden. In Bad Aibling hat er nun ein Parkhaus aus Holz gebaut. Im Gespräch erzählt er, wie es dazu kam und warum ihm der Boom im Holzbau auch Sorgen bereitet. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

„Welches Material verwende ich, um etwas zu bauen? Ich werde immer beim Holz bleiben, denn die Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen ist das entscheidende Thema für die Dekarbonisierung des Bauens. Da hat es durchaus Sinn, auch ein Parkhaus aus Holz zu bauen statt aus Beton oder Stahl. In Bad Aibling haben wir das jetzt umgesetzt. Es ist eine einfache Konstruktion, große Brettschichtträger überspannen stützenfrei über 17 Meter die Einstellhalle. Die Verbindungen sind geschraubt oder gesteckt und können leicht wieder demontiert werden. Das heißt, das Bauwerk kann einfach wieder auseinandergebaut und wiederverwendet werden.

Es ist fast beängstigend, welche Hoffnungen heutzutage im Holz liegen. Da ist eine richtige Nachfragelawine losgetreten worden, getrieben von dem grünen Kapital, das derzeit in Hülle und Fülle vorhanden ist und für das man nachhaltige Anlagen sucht.
Da muss man sich heute wirklich fragen: Wer kann diese Dinge umsetzen, sowohl was die Ausführung betrifft als auch die Planung und die Ingenieurleistungen? Die anderen Baustoffe konnten hundert Jahre trainieren und haben eine kontinuierliche Entwicklung durchgemacht. Auch Planer und Ingenieure sind damit vertraut. Wie schafft man es, kurzfristig ein ausreichendes Know-how für Holzbau aufzubauen? Es wird nicht so schnell gehen, wie viele sich das vorstellen. Fehler sind vorprogrammiert, und es ist zu hoffen, dass sie die nach wie vor zarte Pflanze Holzbau nicht kaputt machen.

Ein nachhaltiges Gebäude muss eine Vielzahl an Kriterien erfüllen: Es sollte mit Materialien konstruiert sein, die einen geringen CO2-Footprint erzeugen. Es sollte so schlau gebaut sein, dass es für die Klimatisierung wenig CO2 ausstößt. Es sollte einfach gehalten sein, ohne eine übertriebene Technisierung. Und das Gebäude sollte so konzipiert sein, dass es einfach umgebaut oder rückgebaut werden kann. Der wichtigste Punkt aber ist dieser: Das Gebäude muss schön sein. Die meisten hässlichen Gebäude haben eine sehr kurze Lebensdauer und werden abgerissen, was ökologisch gesehen sehr negativ ist. Immer wichtiger wird auch das Thema der Vereinfachung im Bauen, des Rückbaus und des Bauens im Bestand. Wir renovieren gerade die Probstei St. Gerold und sanieren und erweitern ein Altersheim – zwei Projekte, die zeigen, dass gutes Bauen im Bestand sicher die wichtigste Aufgabe für die Zukunft ist.“

Hermann Kaufmann ist Architekt in Vorarlberg und war bis 2021 an der TU München Professor für Holzbau und Entwerfen. Als Sohn einer Zimmererfamilie setzte er sich schon sehr früh mit dem Baustoff Holz auseinander. Er studierte Architektur an der Universität Innsbruck und an der Technischen Universität Wien und gründete 1983 in Gemeinschaft mit Christian Lenz sein erstes Architekturbüro. Heute nennt sich sein Büro HK Architekten und hat seinen Sitz in Schwarzach. 2016 kuratierte Hermann Kaufmann mit Prof. Winfried Nerdinger die Ausstellung Bauen mit Holz – Wege in die Zukunft, die in München, Wien und Berlin gezeigt wurde. Seine Bauten bekamen zahlreiche internationale Auszeichnungen.

20. Dezember 2022newroom

Gabu Heindl – Ökologisch und sozial gedacht

Gabu Heindl ist Architektin und Stadtplanerin in Wien und seit Herbst 2022 Professorin an der Uni Kassel, wo sie derzeit einen neuen Lehrstuhl für Architektur, Stadt und Ökonomie aufbaut. Mit ihrem Büro GABU Heindl Architektur baut sie zurzeit in Wien an einem Industriestandort ein bestehendes Ensemble zu einem selbstverwalteten Kultur-, Werkstätten- und Wohnprojekt um. Die Gruppe, für die sie hier baut, nennt sich SchloR und ist Teil von habiTAT, einem Verein, der nach dem Modell des deutschen Mietshäuser Syndikats agiert. Gabu Heindl erzählt, warum SchloR echte Pionierarbeit leistet und warum wir intergenerational denken müssen. Das Gespräch ist in ganzer Länge im Podcast Morgenbau nachzuhören.

Gabu Heindl ist Architektin und Stadtplanerin in Wien und seit Herbst 2022 Professorin an der Uni Kassel, wo sie derzeit einen neuen Lehrstuhl für Architektur, Stadt und Ökonomie aufbaut. Mit ihrem Büro GABU Heindl Architektur baut sie zurzeit in Wien an einem Industriestandort ein bestehendes Ensemble zu einem selbstverwalteten Kultur-, Werkstätten- und Wohnprojekt um. Die Gruppe, für die sie hier baut, nennt sich SchloR und ist Teil von habiTAT, einem Verein, der nach dem Modell des deutschen Mietshäuser Syndikats agiert. Gabu Heindl erzählt, warum SchloR echte Pionierarbeit leistet und warum wir intergenerational denken müssen. Das Gespräch ist in ganzer Länge im Podcast Morgenbau nachzuhören.

„Ich bin Architektin, Stadtplanerin und Aktivistin. Ich finde Aktivistin beschreibt gut die Notwendigkeit, in der Architektur immer wieder auch eine Position mit denen und an der Seite von denen einzunehmen, die oft nicht beachtet werden. Das sind Menschen, die zum Beispiel wohnungslos sind. Ich arbeite viel mit solchen Initiativen zusammen. Ich möchte mich für eine andere, für eine gerechtere Stadt einsetzen, für ein Recht auf Stadt für alle. Da übernehmen Architektur und Stadtplanung eine wichtige Rolle.

Beim Bauprojekt SchloR habe ich ganz eindeutig die Rolle der Architektin. Die Auftraggeber*innenseite ist eine bunte Mischung an Menschen, die gemeinsam eine Art von Aktivismus verfolgen, indem sie ohne Profitorientierung selbstorganisiertes, selbstinitiiertes Wohnen und Arbeiten in der Stadt umsetzen wollen. Das Projekt heißt SchloR. SchloR steht für Schöner Leben ohne Raiffeisen, ohne Rendite, ohne Räumungen … und vieles mehr.

Man hört schon, dass es darum geht, nicht profitorientierte, nicht eigentumsorientierte Wohn- und Arbeitsräume zu errichten. Die Gruppe ist ein Teil von habiTAT, einem Verein, der hier Ähnliches aufbauen will wie das Mietshäuser Syndikat in Deutschland.

Das Grundstück, das die Gruppe erworben hat, liegt an einer Nebenstraße. In seinem Zentrum steht eine Halle, die bereits als Zirkushalle genutzt wurde und weiter zu einem Zirkuszentrum ausgebaut werden soll. Daneben gab es Werkstätten, die wir saniert und aufgestockt haben. Umbauen und Umnutzen, das sind ökologische Ziele der Gegenwart. Dann gibt es noch einen zweigeschoßigen Wohn- und Arbeitstrakt, den wir neu herstellen mussten. Hier bauen wir vorgefertigt aus Holz, Stroh und Lehm. Im Außenraum entsiegeln wir die derzeit asphaltierte Fläche und nutzen das Potenzial der Typologie des Geländes und dessen Beziehung zwischen Innen- und Außenraum: Es ist nämlich wie eine kleine Stadt in der Stadt.

Dieses Projekt ist durch Direktkredite finanziert, das heißt, es gibt – wie aber eigentlich bei allen Projekten, die wir ausführen – eine besondere Verantwortung für das Budget. Wo kann man einsparen und wo sollte man lieber nicht auf Qualität verzichten? Man würde vielleicht annehmen, dass die soziale, ästhetische und ökologische Frage da und dort auseinanderfallen. Gerade weil oft gesagt wird, dass sozialer Wohnbau nicht ökologisch sein kann, leisten Projekte wie SchloR hier tatsächlich Pionierarbeit. Denn wir kalkulieren selbstverständlich knapp, präzise und eng, streben dabei aber nach einer möglichst ökologischen Bauweise und errichten ein leiwandes Projekt.
Wie wir wissen, hat die soziale Frage immer auch eine ökologische Komponente. Mit wessen Sand bauen wir in Stahlbeton? Wo kommt der Stahl her? Auf wessen Kosten verbauen wir die Materialien, die bei uns vermeintlich günstig sind? Hier braucht es globale Solidarität und intergenerationales Denken. Wir müssen uns überlegen, wie wir der nächsten Generation eine Welt hinterlassen können, in der auch sie weiterhin gut leben kann.“

Gabu Heindl ist Architektin und Stadtplanerin aus Wien. Seit Herbst 2022 ist sie auch Professorin an der Uni Kassel. Hier baut sie einen neuen Lehrstuhl für Architektur, Städtebau und Ökonomie auf. 2022 erschien die Neuauflage ihres Buchs „Stadtkonflikte“ über radikale Demokratie in Architektur und Stadtplanung.

06. Dezember 2022newroom

Anne Niemann – Einfach umbauen

Anne Niemann forscht und lehrt im Bereich des Holzbaus und des energieeffizienten Planens und Bauens. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Entwerfen und Konstruieren an der TU München und hat seit Oktober eine Vertretungsprofessur an der Hochschule Augsburg inne. Sie ist Projektleiterin von wegweisenden Forschungsvorhaben wie „Einfach bauen“. Mit den von Florian Nagler errichteten Häusern in Bad Aibling wurden die Forschungsergebnisse in die Praxis übertragen. Anne Niemann erzählt, wie Theorie und Praxis sich zueinander verhalten und warum das Bauen anders bepreist werden muss. Das Statement holte Anne Isopp ein.

Anne Niemann forscht und lehrt im Bereich des Holzbaus und des energieeffizienten Planens und Bauens. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Entwerfen und Konstruieren an der TU München und hat seit Oktober eine Vertretungsprofessur an der Hochschule Augsburg inne. Sie ist Projektleiterin von wegweisenden Forschungsvorhaben wie „Einfach bauen“. Mit den von Florian Nagler errichteten Häusern in Bad Aibling wurden die Forschungsergebnisse in die Praxis übertragen. Anne Niemann erzählt, wie Theorie und Praxis sich zueinander verhalten und warum das Bauen anders bepreist werden muss. Das Statement holte Anne Isopp ein.

„Ich war bereits an mehreren Forschungen beteiligt, zuletzt an den drei Forschungsvorhaben ‚Einfach bauen‘ mit dem Fokus: Wie kann man besser, einfacher und nachhaltiger bauen? Der Begriff der Nachhaltigkeit ist ja überstrapaziert. Ich persönlich verstehe darunter ein kluges, angemessenes Bauen, das unsere Ressourcen schont und sich am Menschen orientiert. Oft werden auf Grundlage von Zahlen falsche Entscheidungen getroffen, ohne darüber nachzudenken, was sie für die Umwelt und vor allem für den Menschen bedeuten.

Wir machen die Erfahrung, dass sich die Vorzeichen gewaltig ändern, sobald man in die Realität geht, auf einen konkreten Bauplatz mit echten Menschen. Dann spielen die Nachkommastellen in den Berechnungen keine Rolle mehr. Ich führe gerade Befragungen in den drei Forschungshäusern in Bad Aibling durch. Wir messen die Übertemperaturgradstunden und den benötigten Heizenergiebedarf und befragen zeitgleich die BewohnerInnen. Wir wollen sehen, ob die Messwerte mit dem Wohlbefinden übereinstimmen, und stellen fest, dass der Nutzereinfluss enorm ist. Man kann die Häuser so gut dämmen, wie man möchte, wenn die NutzerInnen das Fenster offenstehen lassen, dann bringt das alles nichts.

Mit den drei Häusern in Bad Aibling haben wir unsere Forschung in die Realität gebracht. Das waren Neubauten. Im nächsten Schritt werden wir uns um den Bestand kümmern. Das Forschungsprojekt nennt sich ‚Einfach umbauen‘, und da geht es um kluge, robuste Sanierungskonzepte.

In der Lehre stelle ich fest, dass die Studierenden ein großes Interesse an Themen der Nachhaltigkeit haben. Die AbsolventInnen aber sind ernüchtert, wie wenig das Thema in der Praxis eine Rolle spielt. Wir predigen hier Holzbau, Lehmbau und Suffizienz, im Büro müssen sie dann aber Bauten mit Wärmeverbundsystem und Stahlbeton zeichnen.

Es muss sich also auf vielen Ebenen etwas ändern. Dazu gehört auch eine ordentliche Ausbildung und Weiterbildung. Von der Politik müssen andere Anreize kommen. Die Bauweisen, die in der Errichtung billig sind, sind es ja langfristig gesehen nicht. Das muss man anders bepreisen. Dann haben die ökologischen Bauweisen auch wirtschaftliche Chancen.“

Anne Niemann studierte Architektur in München und Madrid. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Entwerfen und Konstruieren der TU München. Hier ist sie Projektleiterin der drei Forschungsvorhaben „Einfach bauen“. Seit diesem Herbst hat sie eine Vertretungsprofessur an der Hochschule Augsburg in dem Studiengang Energieeffizientes Planen und Bauen inne.

22. November 2022newroom

Marc Matzken – Den Kreislauf schließen

Marc Matzken ist Architekt in Münster. Hier führt er gemeinsam mit Heiko Kampherbeek das Büro heimspiel architekten. In Korbach, einer nordhessischen Stadt, errichteten sie einen neuen Anbau an das historische Rathaus. Dafür wurde der bestehende Anbau abgebrochen, ortsnah recycelt und zu zwei Dritteln im Neubau wieder verwendet. Es ist ein Pionierbau des Urban-Mining-Prinzips. Wie es dazu kam und was er aus dem Projekt gelernt hat, darüber spricht Marc Matzken mit Anne Isopp.

Marc Matzken ist Architekt in Münster. Hier führt er gemeinsam mit Heiko Kampherbeek das Büro heimspiel architekten. In Korbach, einer nordhessischen Stadt, errichteten sie einen neuen Anbau an das historische Rathaus. Dafür wurde der bestehende Anbau abgebrochen, ortsnah recycelt und zu zwei Dritteln im Neubau wieder verwendet. Es ist ein Pionierbau des Urban-Mining-Prinzips. Wie es dazu kam und was er aus dem Projekt gelernt hat, darüber spricht Marc Matzken mit Anne Isopp.

„Korbach hat eine sehr kompakte Altstadt mit tollen Fachwerkbauten. Das mittelalterliche Rathaus steht an einem sehr hohen Punkt in der Stadt und hat einen markanten Treppengiebel. Es gab einen Anbau aus den 1970er Jahren, der das Ortsbild sehr störte. Wir gewannen den Wettbewerb für einen neuen Anbau an das Rathaus in Arbeitsgemeinschaft mit Christian Thomann von der agn Gruppe. Dabei orientierten wir uns am historischen Teil des Rathauses. Aus einem giebelständigen Gebäude am Platz wurde ein Gebäudekomplex mit drei Giebeln, was eine signifikante Silhouette entstehen ließ. Rückwärtig gibt es noch ein neues Langhaus als flankierendes Gebäude.
Der bestehende Anbau wurde abgerissen und zum Teil wieder im Neubau verbaut. Ursprünglich war das Thema Wiederverwendung der vorhandenen Ressource nicht Bestandteil der Auslobung gewesen. Wir gewannen mit einem Sichtbetongebäude. Doch als klar war, dass die vorhandene Ressource Beton in den Neubau einfließen sollte, überarbeiteten wir die Details unseres Entwurfs noch einmal unter folgenden Aspekten: Was steht uns als Baumaterial zur Verfügung? Wie müssen wir den Neubau planen, damit er auch wieder rückbaufähig ist?

Der Bestand wurde selektiv zurückgebaut, Decken wurden geöffnet, Verkleidungen entfernt, um die Qualitäten des Vorhandenen zu bewerten, die vorhandenen Massen herauszuziehen und zu schauen, in welche Bauteile sie wieder eingebracht werden können. So konnten zwei Drittel des Betons aus dem Altbau in den Neubau überführt werden: in die Bodenplatte, in die tragenden Bauteile und in die Sichtbetonfassade.

Wir hatten Glück, weil hier die richtigen Akteure zusammenkamen. Stefan Bublak, Fachbereichsleiter Bauen und Umwelt der Stadt Korbach, formulierte den Wunsch, den Vorgängerbau als Ressource zu nutzen. Anja Rosen, Honorarprofessorin an der Hochschule in Wuppertal, begleitete das Bauvorhaben wissenschaftlich. Sie hat sich viel mit dem Recycling von Baustoffen beschäftigt und ein Planungs-Tool, den Urban Mining Index, erstellt.

Heute würden wir die Bauaufgabe von vor fünf Jahren vielleicht anders begreifen. Auf das erdberührende Bauteil, das Sockelgeschoss, würden wir vielleicht einen Hybrid- oder Holzbau setzen. So machen wir es gerade bei einem anderen Rathaus. Das ist ein Prozess, der uns im Büro begleitet und der ja auch das Spannende an der heutigen Zeit ist. Genau wie die Gesellschaft dazulernt, lernen auch wir dazu.“

Marc Matzken ist Architekt in Münster. Hier führt er gemeinsam mit Heiko Kampherbeek das Büro heimspiel architekten. In Arbeitsgemeinschaft mit der agn Gruppe gewannen sie den Wettbewerb für den Rathausneubau in Korbach. Der Anbau an den historischen Bestand ist ein Pionierbau des Urban-Mining-Prinzips. Erstmals versuchte man hier in Deutschland, den Materialkreislauf zu schließen. Das Rathaus ist für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis Architektur nominiert.

25. Oktober 2022newroom

Barbara Buser – Bauteile wiederverwenden

Die Schweizer Architektin Barbara Buser ist Vorreiterin im Bauen mit vorhandenen Bauteilen. Schon in den 1990er Jahren gründete sie die erste Schweizer Bauteilbörse. Nun ging sie mit ihrem Baubüro in situ einen Schritt weiter: vom Sammeln, Aufbereiten und Vermitteln von Bauteilen hin zum Bauen mit überwiegend gebrauchten Bauteilen. Das Baubüro in situ errichtete mit dem K.118 einen Pionierbau in Winterthur. Dabei konnte es den CO2-Fussabdruck in der Erstellung um 60 Prozent gegenüber einem vergleichbaren konventionellen Neubau verringern. Für das Klima sei es noch immer das Beste, nichts abzureißen, sagt Barbara Buser. Am liebsten würde sie einen Baustopp auf Zeit verhängen, um nach Alternativen suchen zu können und die Bauwirtschaft von der Linearität in den Kreislauf zu bringen.

Die Schweizer Architektin Barbara Buser ist Vorreiterin im Bauen mit vorhandenen Bauteilen. Schon in den 1990er Jahren gründete sie die erste Schweizer Bauteilbörse. Nun ging sie mit ihrem Baubüro in situ einen Schritt weiter: vom Sammeln, Aufbereiten und Vermitteln von Bauteilen hin zum Bauen mit überwiegend gebrauchten Bauteilen. Das Baubüro in situ errichtete mit dem K.118 einen Pionierbau in Winterthur. Dabei konnte es den CO2-Fussabdruck in der Erstellung um 60 Prozent gegenüber einem vergleichbaren konventionellen Neubau verringern. Für das Klima sei es noch immer das Beste, nichts abzureißen, sagt Barbara Buser. Am liebsten würde sie einen Baustopp auf Zeit verhängen, um nach Alternativen suchen zu können und die Bauwirtschaft von der Linearität in den Kreislauf zu bringen.

„Ich habe zehn Jahre in Afrika gearbeitet. Als ich zurück in die Schweiz kam, konnte ich nicht mehr verstehen, warum hier so viel verschwendet wird. In Afrika habe ich gelernt, dass der Abfall des einen der Rohstoff für den anderen ist. So habe ich in den 1990er Jahren die erste Schweizer Bauteilbörse gegründet. Wir sind aber in den 20 Jahren seither nicht wirklich viel weitergekommen. Einzelne Bauteile – im Sinn von Antiquitäten – konnten wir retten. Vor etwa vier Jahren habe ich dann beschlossen, dass es jetzt einen Scale-up geben muss. Das Thema wird ja immer dringender: Wir müssen CO2 einsparen! Bestehendes weiterzuverwenden, zeigt dabei die größte Wirkung.

Wir haben ein Pilotprojekt durchgeführt. Das K.118 ist eine Aufstockung auf einen bestehenden Ziegelbau aus gebrauchten Bauteilen. Der bestehende Ziegelbau konnte nichts tragen, er ist nur Außenhülle. Daher haben wir in ihn ein neues Gebäude aus gebrauchten Bauteilen hineingestellt und oben drei Stockwerke herausschauen lassen. Die Bauherrschaft hatte zwei Bedingungen an uns gestellt: Das Gebäude aus gebrauchten Bauteilen darf nicht mehr kosten als ein Gebäude aus neuen Bauteilen und das Pilotprojekt muss wissenschaftlich begleitet werden. Beide Bedingungen waren Teil des Erfolgs. Wir haben zusammen mit der ZHAW, der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaft, die Kosten und die CO2-Emissionen untersucht und das Buch „Bauteile wiederverwenden“ herausgegeben.

Ich weiß, dass es eine Illusion ist, dass nun alle Architekt:innen nur noch mit gebrauchten Bauteilen bauen. Aber wir spüren, dass sich viele dafür interessieren. Wenn eine Stadt sich dazu verpflichtet, CO2 zu reduzieren, dann ist das Bauen mit vorhandenen Bauteilen ein Mittel, mit dem sie ganz schnell Erfolge feiern können. Das Beste ist natürlich immer noch, nicht abzureißen. Es gibt ja jetzt in Deutschland den Ruf nach einem Abriss-Moratorium. Ich unterstütze das in jeder Hinsicht. Man muss sich jetzt einfach einmal die Zeit nehmen, um Alternativen zu finden. Die Bauwirtschaft muss von der Linearität in den Kreislauf kommen. Alle müssen an dem Platz, an dem sie sind, versuchen, diesen Kreislauf zu schließen.“

Barbara Buser ist Architektin in Basel. In den 1990er Jahren gründete sie die erste Schweizer Bauteilbörse. Seitdem engagiert sie sich auf vielen Ebenen für nachhaltiges und kreislaufgerechtes Bauen. Sie ist Mitbegründerin des Baubüros in situ. In Winterthur hat in situ nun mit der Aufstockung K.118 ein Pionierprojekt für den Bau mit gebrauchten Bauteilen geschaffen. Dazu entstand auch ein Kompendium zum zirkulären Bauen mit dem Titel „Bauteile wiederverwenden“. Der Kopfbau K.118 wurde 2021 mit dem Global Gold Award der Holcim Awards for Sustainable Construction ausgezeichnet.

27. September 2022newroom

Florian Nagler – Architektur statt Technik

Florian Nagler ist Architekt in München und Professor an der TU München: Dort war er gemeinsam mit seinen Kollegen und Kolleginnen am Forschungsvorhaben „Einfach Bauen“ beteiligt. In Bad Aibling übersetzte er die theoretischen Ergebnisse des Forschungsprojekts „Einfach Bauen“ in gebaute Architektur. Er errichtete drei – auf den ersten Blick gleich aussehende – Häuser, verwendete aber für jedes von ihnen ein anderes Material. Sie zeigen, wie man in überzeugender Architektursprache einfacher bauen kann, mit weniger Technik und mit möglichst einschichtigen Bauteilen, ohne an Wohnkomfort einzubüßen. Anne Isopp sprach mit ihm über die Forschungshäuser und die Folgeprojekte. Das Gespräch ist in ganzer Länge im Podcast Morgenbau nachzuhören.

Florian Nagler ist Architekt in München und Professor an der TU München: Dort war er gemeinsam mit seinen Kollegen und Kolleginnen am Forschungsvorhaben „Einfach Bauen“ beteiligt. In Bad Aibling übersetzte er die theoretischen Ergebnisse des Forschungsprojekts „Einfach Bauen“ in gebaute Architektur. Er errichtete drei – auf den ersten Blick gleich aussehende – Häuser, verwendete aber für jedes von ihnen ein anderes Material. Sie zeigen, wie man in überzeugender Architektursprache einfacher bauen kann, mit weniger Technik und mit möglichst einschichtigen Bauteilen, ohne an Wohnkomfort einzubüßen. Anne Isopp sprach mit ihm über die Forschungshäuser und die Folgeprojekte. Das Gespräch ist in ganzer Länge im Podcast Morgenbau nachzuhören.

„Die Forschungshäuser in Bad Aibling sind aus drei verschiedenen Materialien gebaut. Die Idee war auszuprobieren, zunächst im Rahmen des Forschungsprojekts und dann im Rahmen des Bauprojekts, wie stark man das Bauen vereinfachen kann. Wir verwendeten dafür die drei Materialien, mit denen bei uns üblicherweise Häuser gebaut werden: Holz, Beton und Ziegel.

Viele von uns machen die Erfahrung, dass wir die Gebäude extrem mit Haustechnik ausstatten, dass sich in der Praxis aber all das, was wir technisch versprochen haben, gar nicht einstellt. Die Häuser schneiden in Gebrauch und Nutzung viel schlechter ab als ursprünglich errechnet. Dabei stecken wir enorm viel Geld und Raumvolumen hinein. Wir würden das Volumen, das wir für die Technik und Leitungsführung brauchen, lieber unseren Bewohner und Bewohnerinnen zur Verfügung stellen.

Wir fragen uns: Wie können wir die wesentlichen Elemente, die Architektur ausmachen, wieder in den Vordergrund stellen und zugleich die Technik reduzieren?
Unsere Hoffnung ist, dass sich aus diesen einfachen, robusten Häusern eine eigene Sprache ableiten lässt, die zeigt, wie wir angemessen mit unseren Ressourcen umgehen können. Mit diesen drei Häusern stehen wir ganz am Anfang dieser Entwicklung. Wir versuchen derzeit, die Erkenntnisse daraus in jedes unserer Projekte hineinzutragen und weiterzuentwickeln.

Ich glaube, dass das Interesse an den Häusern nicht so schnell verpuffen wird, schließlich stehen wir ja vor der großen Herausforderung, dem Klimawandel Paroli zu bieten und uns entsprechend für die Zukunft aufzustellen. Wir bauen gerade eine zweite Reihe von Forschungshäusern, auch in Bad Aibling, bei denen wir versuchen, den Einsatz von Beton auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Wir müssen insgesamt lernen, mit den Dingen sparsam umzugehen. Das ist das Allerwichtigste. Damit könnten wir, glaube ich, sehr viele unserer Probleme bewältigen. Und vielleicht bewirken solche Krisen wie die aktuelle, in der wir nicht wissen, ob im Winter ausreichend Gas in Deutschland zur Verfügung steht, dass wir uns ernsthaft damit beschäftigen, ob wir nicht auch mit weniger zurechtkommen.“

Florian Nagler führt in München das Architekturbüro Florian Nagler Architekten und ist an der TU München Professor am Lehrstuhl für Entwerfen und Konstruieren. Gemeinsam mit seinen Kollegen und Kolleginnen führte er an der TU München das Forschungsprojekt „Einfach Bauen“ durch. Die Forschungshäuser in Bad Aibling basieren auf den Erkenntnissen dieses Forschungsprojekts. Die Häuser wurden 2021 mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet.

13. September 2022newroom

Friedrich Pichler – Gemeinwirtschaftliches Handeln

Friedrich Pichler ist Bürgermeister der Stanz, einer Gemeinde im steirischen Mürztal. Die Gemeinde hat sich bereits baukulturell hervorgetan, indem sie den Ortskern revitalisierte. Der dabei neu errichtete Wohnbau mit Lebensmittelmarkt im Erdgeschoss war für den Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit nominiert. Nun ist Stanz auf dem Weg, eine energieautonome Gemeinde zu werden. Der Bürgermeister erzählt, warum ihm das Thema Energie so am Herzen liegt und wie er damit das Gemeinwesen stärken will. Das Statement fing Anne Isopp ein.

Friedrich Pichler ist Bürgermeister der Stanz, einer Gemeinde im steirischen Mürztal. Die Gemeinde hat sich bereits baukulturell hervorgetan, indem sie den Ortskern revitalisierte. Der dabei neu errichtete Wohnbau mit Lebensmittelmarkt im Erdgeschoss war für den Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit nominiert. Nun ist Stanz auf dem Weg, eine energieautonome Gemeinde zu werden. Der Bürgermeister erzählt, warum ihm das Thema Energie so am Herzen liegt und wie er damit das Gemeinwesen stärken will. Das Statement fing Anne Isopp ein.

„Die Stanz konnte sich als einzige Fusionsgemeinde im Zuge der steirischen Gemeindestrukturreform ihre Unabhängigkeit bewahren. Danach war die große Frage, was wir daraus machen. Wir haben ein Bürgerbeteiligungsverfahren gestartet und fünf Handlungsfelder herausgearbeitet. Dazu zählten die Stärkung des Ortszentrums und die Frage gemeinwirtschaftlicher Energieerzeugung auf kommunaler Ebene. Wir wollen nicht energieautark werden, davon halte ich nichts. Aber als Gemeinschaft autonom entscheiden zu können, mit welchen Energieträgern wir zukünftig klimagerecht handeln können, das ist interessant.

Eine Gemeinde muss Vorbild sein. Ich glaube, wenn man sich die Faktenlage anschaut, ist jedem klar, dass wir nicht so weiterwirtschaften können wie bisher. Wenn man etwas verändern will, braucht man Verbündete. In jeder Gemeinde gibt es nur einen sehr kleinen Anteil an Altruisten, die immer bereit sind, etwas für die Umwelt zu tun. Dann gibt es ein paar, die schon verstehen, warum man etwas tun sollte, aber oft auf die anderen warten, die auch etwas tun wollen. Der größte Teil der Bevölkerung ist an Änderungen nicht sehr interessiert, schon gar nicht, wenn das Geldbörserl darunter leidet.
Es ist ein Handwerk, diese Lethargie des Nichthandelns zu durchbrechen. Emotionen sind ein gutes Werkzeug dafür. Wenn die Leute erkennen, dass ihr Handeln einen unmittelbaren persönlichen Nutzen bringt, sind sie dabei. Kein Mensch ändert sich, weil mahnende ExpertInnen und naseweise PolitikerInnen ihm ein schlechtes Gewissen machen.

Wir wollen im Ort den Anteil der erneuerbaren Energien von derzeit 30 Prozent auf 100 Prozent erhöhen. Dazu haben wir die Energiegemeinschaft Stanzertal gegründet. Es ist wichtig, Dinge der Daseinsvorsorge gemeinschaftlich zu machen. In der Stanz werden wir Strom selbst produzieren, selbst verbrauchen und damit auch handeln. Wer seinen eigenen PV-Strom nicht braucht, verkauft diesen an seinen Nachbarn. Vollautomatisch, transparent und rechtsgültig. Wer viele kWh auf seinem Konto angespart hat, soll diese in Euros umwandeln können und die lokale Wirtschaft damit stärken. Das Werkzeug dazu heißt Token-Engineering, wir prüfen diese interessante Option gerade mit Unterstützung von Geldern der EU-Kommission.

Jene Stanzer:innen, die an der Energiegemeinschaft teilnehmen – inzwischen über 70 Haushalte – werden damit von den Ausschlägen intransparenter Märkte unabhängiger. Das meinen wir in der Stanz mit Energieautonomie. Wenn man gemeinsam an einer solchen Sache arbeitet, verschmelzen die Einzelinteressen zu Interessen einer Gruppe. Damit werden auch die Vorteile der Gruppe größer als die Summe der Einzelvorteile. Und damit entsteht so etwas wie gemeinwirtschaftliches Handeln, das in den letzten Jahrzehnten etwas unmodern geworden ist. Das stärkt bei den Leuten das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, gibt ein gutes Lebensgefühl und erzeugt jenen Optimismus, den wir so dringend brauchen, um Dinge zu verändern.“

Friedrich Pichler ist seit 2015 Bürgermeister der Gemeinde Stanz im steirischen Mürztal. Er trat mit der BürgerInneninitiative ‚Für eine lebenswerte Stanz‘ an. Die Stanz war lange Zeit von starker Abwanderung betroffen, doch diese Abwärtsbewegung konnte inzwischen gestoppt werden.

23. August 2022newroom

Heidi Pretterhofer – Stadt neu denken

Heidi Pretterhofer, Architektin in Wien und Mitglied im Kuratorium der IBA‘27 in Stuttgart, hält die Nachhaltigkeitsdebatte für eine der derzeit essenziellsten. Gemeinsam mit Michael Rieper hat sie den Club Hybrid in Graz initiiert. Mit diesem Experimentalbau wollen sie in einem städtischen Nebeneinander von Gewerbe, Religion, Bildung und Wohnen ein Miteinander schaffen. Pretterhofer ist überzeugt davon, dass Menschen, die eine Möglichkeit der Teilhabe haben, auch Verantwortung übernehmen. Das Gespräch ist in ganzer Länge im Podcast Morgenbau nachzuhören.

Heidi Pretterhofer, Architektin in Wien und Mitglied im Kuratorium der IBA‘27 in Stuttgart, hält die Nachhaltigkeitsdebatte für eine der derzeit essenziellsten. Gemeinsam mit Michael Rieper hat sie den Club Hybrid in Graz initiiert. Mit diesem Experimentalbau wollen sie in einem städtischen Nebeneinander von Gewerbe, Religion, Bildung und Wohnen ein Miteinander schaffen. Pretterhofer ist überzeugt davon, dass Menschen, die eine Möglichkeit der Teilhabe haben, auch Verantwortung übernehmen. Das Gespräch ist in ganzer Länge im Podcast Morgenbau nachzuhören.

Der Club Hybrid ist ein demonstrativer Bau im Süden von Graz. Er wurde im Rahmen des Grazer Kulturjahres 2020 errichtet und steht in einer Art Nebelzone, einem durchmischten Gebiet von Gewerbe, Versorgung, Wohnen und Schulen. Genau hier wollten wir einen öffentlichen Ort schaffen. Das Gebäude steht auf einer Plattform, wodurch eine überdachte Freifläche geschaffen wurde. Hier gibt es eine Kantine und ein barrierefreies WC, drum herum den Gastgarten, der in die Wiese endlos weitergeht. Auf der Plattform steht ein halbes Haus, zwei Freitreppen führen von der Ebene 0 herauf. Die ganze Architektur ist so konzipiert, dass sich Möglichkeitsräume auftun.

Unser Ansatz ist, nicht zu besitzen, sondern zu nutzen. Der Club Hybrid ist damit dezidiert ein Gegenpol zu den Immobilien-Entwicklungen, die wir aus den Städten kennen. Unsere Wunschvorstellung ist, dass unterschiedliche Interessengruppen den Club gemeinsam weiter bespielen als öffentlichen Ort zwischen den Bezirken Puntigam und Gries.

Es ist zu wenig, sich nur Dinge von der Politik oder von der Verwaltung zu wünschen. Die Beteilung ist eine Methode, etwas zu ändern: Wie hole ich die Menschen ab und wie kann ich sie in Planungsprozessen aktiv in die Mitverantwortung einführen? Wir müssen die Menschen teilhaben lassen – wirklich teilhaben im Sinne von Mitverantwortung, damit sie dann auch verstehen, warum sie nicht ihren Swimmingpool oder was auch immer unbedingt bauen sollten. Dabei verschwimmen die Rollen von Politik, Planern und Nutzerinnen, weil sie alle Teil dieses Planungsprozesses sind. Sobald ich meine Wünsche an jemanden anderen schicke, bin ich machtlos. Nachhaltiges Bauen ist eine der zentralsten Aufgaben für Architektinnen und Architekten. „Die Stadt der Zukunft ist schon gebaut“, sagt Andreas Hofer, Intendant und Geschäftsführer der IBA‘27. Es ist eine sehr kompakte Zusammenfassung von dem, was wir zu tun haben. Die Frage ist nun: Wie können wir die Stadt weiterbauen, umbauen und umstrukturieren?

Die Arbeiten von Heidi Pretterhofer bewegen sich an der Schnittstelle von Architektur, Urbanismus, Theorie und Kulturproduktion. Sie führt ihn Wien das Büro Pretterhofer Arquitectos. Parallel zu ihrer architektonischen Praxis ist sie Kuratorin, Herausgeberin und Verfasserin zahlreicher Ausstellungen und Publikation, die das Verhältnis zwischen urbanen

01. August 2022Anne Isopp
Der Standard

Visionäres, Geträumtes und Gebautes

Weißes Haar, dunkle Gesichtshaut, ein hellwaches, spaßiges Funkeln unter bleischweren Lidern. Zwischen feingliedrigen Fingern glost eine Zigarette“, so...

Weißes Haar, dunkle Gesichtshaut, ein hellwaches, spaßiges Funkeln unter bleischweren Lidern. Zwischen feingliedrigen Fingern glost eine Zigarette“, so...

Weißes Haar, dunkle Gesichtshaut, ein hellwaches, spaßiges Funkeln unter bleischweren Lidern. Zwischen feingliedrigen Fingern glost eine Zigarette“, so beschreibt die Kärntner Schriftstellerin Anna Baar den vor zehn Jahren verstorbenen Architekten Günther Domenig. Erstmals ist nun eine umfassende Retrospektive über das Werk des 1934 in Klagenfurt geborenen Architekten zu sehen.

In der zu der Ausstellung erschienenen Publikation nähert sich Anna Baar seinem Werk über die Person. Nachvollziehbar, gibt es doch wenige Architekten, deren Eigenwilligkeit und Widerspenstigkeit sich so in ihren Bauwerken widerspiegeln. Domenig war jemand, der polarisierte, dessen Werk andere weit über die Grenzen hinaus beeinflusste und der schon zu Lebzeiten zu den wichtigsten Architekten Österreichs zählte.

Lebendige Erinnerung

Bis Mitte Oktober ist die Retrospektive Günther Domenig: Dimen sio nal, auf vier Standorte verteilt, in Kärnten zu sehen: in Klagenfurt im Museum Moderner Kunst Kärnten (MMKK) und im Architektur Haus Kärnten sowie in zwei seiner Bauten, dem Steinhaus am Ossiacher See und am Ort der ehemaligen Landesausstellung, der Heft in Hüttenberg.

Das Kuratorenteam um Andreas Krištof von section.a und Raffaela Lackner vom Architektur Haus Kärnten will mit der Ausstellung das Werk Domenigs neu verorten und in die Jetztzeit holen. Auch sie wählen den Weg der vorsichtigen Annäherung, des respektvollen Sichherantastens. Besonders aufschlussreich ist der Besuch seiner Bauten am Ossiacher See und in Hüttenberg, die Ausstellungsort und Exponat zugleich sind.

Hier spürt man, dass es richtig ist, sich gerade jetzt mit der Person und dem Werk Domenigs zu beschäftigen. In einer Zeit, in der die Architekturproduktion mehr denn je von Zahlen und rationalen Überlegungen geprägt wird, sich mit einer Architektur zu beschäftigen, die körperlich berührt, die durchaus auch irritiert. Die Ausstellung kommt aber auch zum richtigen Zeitpunkt, weil sie seinen Bauten, allen voran dem Bau in Hüttenberg, das Überleben sichern kann.

Opus magnum Steinhaus

Am besten beginnt man mit der Ausstellungstour in Klagenfurt im MMKK, um sich einen Überblick über das Œuvre Günter Domenigs zu verschaffen. Das Herzstück der Ausstellung ist sicherlich das Arbeitsmodell des Steinhauses. Wie um den Ort und die Aussage zu verdichten, hat hier der Künstler Peter Sandbichler die Decken mit Kartonagen tiefer abgehängt, einzelne Schlitze lassen die eigentliche Höhe des Raumes nur erahnen.

Der zweite Standort der Ausstellung, das Architektur Haus Kärnten, widmet sich der nächsten Generation. Denn Domenig war nicht nur Vertreter der Grazer Schule, sondern auch Professor für Wohnbau und Entwerfen an der TU Graz.

Nach dem Besuch in Klagenfurt geht die Fahrt zu seinem Opus magnum, dem Steinhaus am Ossiacher See, an dem Domenig fast 30 Jahre lang baute. Es ist ein Laboratorium aus Beton, Stahl und Glas. Es ist ein Haus, das an steinige Felsen erinnert und das den Nutzer mit seiner räumlichen Kraft und Poesie in seinen Bann zieht.

Wurde der Bau anfänglich aus allen Werbeprospekten wegretuschiert, kann man bei einer heutigen Reise nach Ossiach beobachten, wie sich die öffentliche Wahrnehmung gewandelt hat und wie sehr die visuelle Kraft des Ortes zu unserer Zeit passt. Auch Modefotografen und Instagrammer inszenieren sich und andere an diesem bildstarken Ort.

Die letzte und zugleich abgelegenste Station der Ausstellungstour ist die Heft in Hüttenberg, wo 1995 die Kärntner Landesausstellung stattfand. Günther Domenig erweiterte dafür das stillgelegte Eisenhüttenwerk und schuf ein faszinierendes Spiel aus Transparenz und Masse, aus Alt und Neu.

Störrischer Charakterkopf

Nach dem Ende der Landesausstellung fand sich keine Nachnutzung, der Ort verfiel in einen Dornröschenschlaf und wurde erst jetzt für die Ausstellung Günther Domenig: Dimensional wiedereröffnet. Vorher schon ein kraftvoller Ort, ist hier nun durch die Überlagerung mit der Natur eine ganz besondere Atmosphäre entstanden.

Zehn Jahre sind eine kurze Zeit, und der Verstorbene ist in der Erinnerung seiner Wegbegleiter noch sehr lebendig, an Anekdoten über den störrischen Charakterkopf herrscht kein Mangel. Das Land Kärnten hat die breit angelegte Mehrfachausstellung großzügig unterstützt, das Geld floss zum Teil auch in die Instandsetzung der Bauten. So konnte sowohl das Steinhaus saniert als auch die Heft wieder für Besucher zugänglich gemacht werden.

Bleibt zu hoffen, dass sich nach der Ausstellungszeit für die Heft eine zu dem Ort passende Nutzung finden lässt. Hier ist sicherlich viel Kreativität gefragt. Für einen weiteren wichtigen Bau von Günther Domenig, die Z-Sparkasse in Wien-Favoriten, ist dies gelungen. Nach langem Leerstand ist in den Bau mit der auffälligen, sich über dem Eingang wie ein Maul aufwölbenden Metallfassade nun ein türkisches Restaurant eingezogen. Eine glückliche Entwicklung, scheint der Ort doch nun endlich von der multikulturellen Bewohnerschaft des zehnten Wiener Gemeindebezirks in Besitz genommen zu werden.

Nicht nur die visuelle, auch die visionäre Kraft von Domenigs Werk ist bis heute ungebrochen. Passend dazu schrieb Friedrich Achleitner über Günther Domenig: „Was an diesen Arbeiten vielleicht noch mehr beeindruckt, ist die umgekehrte Blickrichtung, die von der Utopie in die Realität führt, das Vermögen, Träume in einem Feld der Verwirklichung zu verankern.“

„Günther Domenig: Dimensional“, Museum Moderner Kunst Kärnten, Architektur Haus Kärnten, Domenig Steinhaus, Heft/Hüttenberg, bis 16 Oktober.

Der Standard, Mo., 2022.08.01

26. Juli 2022newroom

Johannes Zeininger – Energien bündeln

Architekt Johannes Zeininger spricht vom guten Leben in der Stadt: Dabei interessiert ihn die Frage der alternativen Energieversorgung ohne Gas und Öl ebenso wie das Zusammenleben in der Stadt des 21. Jahrhunderts. Wie beides aussehen kann, verdeutlichte er mit seinem Büro Zeininger Architekten in der Geblergasse anhand zweier Gründerzeitbauten beim Wiener Gürtel. Das Gespräch ist in ganzer Länge im Podcast Morgenbau nachzuhören.

Architekt Johannes Zeininger spricht vom guten Leben in der Stadt: Dabei interessiert ihn die Frage der alternativen Energieversorgung ohne Gas und Öl ebenso wie das Zusammenleben in der Stadt des 21. Jahrhunderts. Wie beides aussehen kann, verdeutlichte er mit seinem Büro Zeininger Architekten in der Geblergasse anhand zweier Gründerzeitbauten beim Wiener Gürtel. Das Gespräch ist in ganzer Länge im Podcast Morgenbau nachzuhören.

„Uns geht es um das gute Leben in der dichten Stadt im 21. Jahrhundert. Ein Aspekt davon ist eine CO2-freie Energieversorgung, die dezentral aus der Liegenschaft heraus gewonnen wird. Jede Art von Verbrennung erzeugt CO2, und das muss reduziert werden. Wir befassen uns schon seit Längerem damit, wie das möglich ist. Beim Smart Block Geblergasse konnten wir zum ersten Mal Geothermie als Massespeicher für einen Energietransfer vom Sommer in den Winter anwenden. Damit scheinen wir einen Nerv getroffen zu haben. Alle wollen jetzt wissen, wie das geht.

Die Gelegenheit dazu ergab sich schrittweise. Vor ein paar Jahren kauften wir ein Gebäude in der Geblergasse, das nahezu ein Abbruchhaus war, und wollten es wieder zeitgemäß nutzbar machen. Parallel dazu beschäftigten wir uns als Teil einer Forschungsgruppe mit der Weiterentwicklung der Gründerzeitstadt. Dazu gehörte auch der Vergleich von Gasheizungen mit alternativen Systemen. Wir wollten abseits der Fernwärme schrittweise ein dezentrales Anergienetz im Block aufbauen: ein Leitungsnetz, das im Gegensatz zur Fernwärme mit Niedertemperaturtechnik arbeitet und wesentlich weniger Energieverluste aufweist. Jede Liegenschaft speist die selbst gewonnene Energie in das gemeinsame Netz ein und nimmt heraus, was es braucht. Eine Voraussetzung dafür war jedoch eine liegenschaftsübergreifende Startzelle. Diese nahmen wir gemeinsam mit einem unserer Nachbarn in Angriff, der ebenfalls sein Haus sanieren wollte. Das Energienetz ist dabei bausteinartig erweiterbar – ein großer Vorteil, wenn es um die Bestandsstadt geht.

Neben dem Spezialthema Technik und Energie geht es uns aber vor allem um das gute Leben in der dichten Stadt. In der Fachwelt sprechen wir von der Stadt der kurzen Wege, in der man sehr viel fußläufig oder mit dem Rad erreichen kann. Ich glaube, diese beiden Häuser, so wie sie sich heute zeigen, bilden einen angemessenen Hintergrund für dieses gute Leben. Wir sprechen auch von der Notwendigkeit einer ‚neuen Nachbarschaft‘. Nach einer neoliberalen Phase, in der man gesagt hat: Ich schau, wo ich bleibe, und das andere interessiert mich nicht, kommen wir jetzt aufgrund der großen Zukunftsthemen, die auf uns sozial, klimatisch und politisch zukommen, wieder zu der Erkenntnis, dass die gemeinschaftlichen Interessen wichtig sind. Wie viele andere Kulturtechniken des Alltags müssen dafür die notwendigen Fähigkeiten für ein gelingendes Miteinander (wieder) erlernt werden. Architektur hat dabei eine große Aufgabe, weil sie den Hintergrund für dieses Interagieren schafft.“

Johannes Zeininger ist Architekt in Wien, er führt seit 1990 gemeinsam mit Angelika Zeininger das Büro Zeininger Architekten in Wien. Mit dem Weiterbauen in allen Maßstäben, mit Adaptierung und Transformation beschäftigen sie sich in ihrer theoretischen und praktischen Arbeit. Die Arbeit von drei Jahrzehnten wurde mit mehreren Fachpreisen ausgezeichnet. Für den Smart Block Geblergasse erhielten sie unter anderem 2021 den Staatspreis Architektur und Nachhaltigkeit. Bei diesem Projekt war es erstmals möglich, Bestandsgebäude bei der Adaptierung aus den eigenen Parzellen heraus mit Wärme, Warmwasser und sommerlicher Temperierung zu versorgen. Aktuell arbeiten sie in der Gruppe AnergieUrban an weiteren Forschungsprojekten, um herauszufinden, wie dieses alternative Energiesystem in einem größeren städtischen Kontext zum Einsatz kommen kann.

28. Juni 2022newroom

Alireza Javadian – Plattenwerkstoffe aus Abfall

Alireza Javadian forscht am KIT, dem Karlsruher Institut für Technologie, an neuen Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen. Zusammen mit seinen Kollegen und Kolleginnen entwickelte er das Bauprodukt NEWood, das aus Abfällen aus der Landwirtschaft und der Holzindustrie sowie einem Pilzmyzel als Bindemittel besteht. Dieses wurde bei der Sustainability Challenge 2022 der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltigkeit in der Kategorie Forschung nominiert. Alireza Javadian erzählt Anne Isopp, wie er auf die Idee kam und in welchem Stadium sich die Forschung befindet.

Alireza Javadian forscht am KIT, dem Karlsruher Institut für Technologie, an neuen Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen. Zusammen mit seinen Kollegen und Kolleginnen entwickelte er das Bauprodukt NEWood, das aus Abfällen aus der Landwirtschaft und der Holzindustrie sowie einem Pilzmyzel als Bindemittel besteht. Dieses wurde bei der Sustainability Challenge 2022 der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltigkeit in der Kategorie Forschung nominiert. Alireza Javadian erzählt Anne Isopp, wie er auf die Idee kam und in welchem Stadium sich die Forschung befindet.

„Wir interessieren uns für jene Baumaterialien, die eine Alternative zu den herkömmlichen darstellen. Ich glaube nicht, dass wir Beton ersetzen können. Er ist erschwinglich und weit verbreitet. Aber wir können Alternativen entwickeln – Materialien, die nicht aus der Erde gewonnen werden, wie Eisen, Sand und Kies, sondern aus erneuerbaren Ressourcen stammen.

Vor diesem Hintergrund haben wir NEWood entwickelt, ein hundertprozentig biobasiertes Material. Dazu recyceln wir Abfälle aus der Landwirtschaft und der Holzindustrie. Statt synthetischer Stoffe verwenden wir Pilzmyzele als Bindemittel. Wenn wir über Pilze sprechen, meinen wir nicht die Früchte, sondern das Myzel, das Wurzelgeflecht des Pilzes. Es kann auf allem wachsen, was organisch ist.
NEWood ähnelt in seinen Eigenschaften den MDF, den mitteldichten Faserplatten, ist jedoch viel nachhaltiger in der Herstellung. Das gilt auch im Vergleich mit Spanplatten, OSB oder Sperrholz. Unsere Vision ist es, eine Alternative zu diesen Materialien zu schaffen, die man in naher Zukunft auch im Baumarkt kaufen und als Heimwerkerprodukte verwenden kann. Noch befinden wir uns aber in einem frühen Stadium und suchen derzeit nach Partnern, um unsere Produktion auszuweiten.

Nicht nur in Europa, sondern auch in Asien fällt in der Landwirtschaft und in der Holzindustrie sehr viel Abfall an. Meistens wird dieser Abfall verbrannt, was eine Menge CO2-Emissionen verursacht. Darüber hinaus stammen 40 Prozent der CO2-Emissionen aus der Bauindustrie. Wir haben uns daher gefragt, wie wir – besonders in Entwicklungsländern wie Indonesien, Kambodscha, Thailand und den Philippinen – diese Abfälle nutzen können. Wir müssen nach nachhaltigeren Technologien und mehr erneuerbaren Materialien suchen, um diese Herausforderungen zu meistern. Derzeit erforschen wir verschiedene Möglichkeiten, um diese Abfallressourcen zu verwenden.

Wir würden gerne mehr erneuerbare Materialien in unserer Bauindustrie sehen. Bauunternehmer*innen, Bauherren und -frauen sowie Regierungsbehörden sollten diesen Übergang unterstützen. Das erfordert eine Menge Mut, Engagement und Ressourcen. Aber wenn alle mit an Bord sind, ist dieser Weg viel einfacher zu beschreiten. NEWood ist nur ein Beispiel. Es gibt viele verschiedene Innovationen auf der ganzen Welt, nicht nur in Deutschland, die in die reguläre Bauindustrie integriert werden können.“

Alireza Javadian promovierte an der ETH Zürich in Architektur und Bauwesen und erwarb in Singapur jeweils einen Master-Abschluss in Baumaterialien und Bauingenieurwesen. Javadian arbeitet derzeit an der Entwicklung nachhaltiger Materialien aus erneuerbaren Ressourcen wie Bambus, Holz, landwirtschaftlichen Abfällen und industriellen Nebenprodukten für Anwendungen in der Bauindustrie. Er ist Forschungsleiter am Lehrstuhl für Nachhaltiges Bauen mit Prof. Dirk Hebel am KIT in Deutschland sowie Co-Principal Investigator des Urban-Biocycle-Forschungsprojekts am Future Cities Laboratory of Singapore-ETH Centre in Singapur. Darüber hinaus ist er Mitgründer des Spin-off-Unternehmens Widuz, das die Forschungsergebnisse in Singapur und Europa weiter vermarkten soll.

15. Februar 2022newroom

Claudia Thiesen – Mehr als nur Wohnen

Die Architektin Claudia Thiesen war als Vorstandsmitglied der Schweizer Baugenossenschaft mehr als wohnen maßgeblich an der Entwicklung des Hunziker Areals in Zürich beteiligt. Anne Isopp holte das Statement ein.

Die Architektin Claudia Thiesen war als Vorstandsmitglied der Schweizer Baugenossenschaft mehr als wohnen maßgeblich an der Entwicklung des Hunziker Areals in Zürich beteiligt. Anne Isopp holte das Statement ein.

„Mehr als wohnen ist eine Wohnbaugenossenschaft, die von 55 Wohnbaugenossenschaften gegründet wurde. Ich wurde als Vorstandsmitglied der Genossenschaft Kraftwerk1 in den Vorstand der Genossenschaft mehr als wohnen gewählt und war damit Bauherrin beim Bau des Hunziker Areals.

Das Besondere am Hunziker Areal ist seine Größe und der Anspruch, nicht einfach nur Wohnraum zu bauen, sondern ein Stück Stadt. Eine Herausforderung bei diesem relativ großen Maßstab – 1.200 Personen wohnen und 150 arbeiten in dem Areal – war, das Projekt so zu organisieren, dass auch die Bewohnenden sich mit der Genossenschaft identifizieren und engagieren. Es ist ein lebendiges Stück Stadt geworden. Das Schöne an dem Weg dorthin war, dass alle Beteiligten von Anfang an bereit waren, dazuzulernen, gewisse Risiken einzugehen und Neues auszuprobieren.

Wir als Genossenschaft wollten die Stadt verändern und auch andere Themen als den Wohnraum beackern, wie Erdgeschossnutzungen und Quartierinfrastruktur und auch einen Beitrag leisten gegen den Klimawandel. In erster Linie geht es natürlich um langfristig bezahlbaren Wohnraum. Auch hier wollten wir uns von den klassischen Wohnformen lösen und innovative Wohnformen für große Haushalte und mehr gemeinschaftsfördernde Wohnräume entwickeln. Wir wollten aber auch im technischen Bereich Dinge infrage stellen. Wir bauen in der Schweiz und in Zürich sehr hochwertig, also sehr teuer. Aber brauchen wir wirklich so viel Technik und einen so hohen Ausbaustandard? Können wir Dinge vereinfachen? Ein Beispiel ist die Lüftung. In Zürich sind sehr viele Gebäude, die ökologisch nachhaltig gebaut sind, nach dem sogenannten Minergie-Label gebaut. Dieses Label schreibt vor, dass eine kontrollierte Lüftung eingebaut werden muss. Damit sind aber hohe Unterhaltskosten verbunden. Wir haben hier nach einfachen Lösungen gesucht, ohne große Einbußen in der Behaglichkeit.

Und dann gibt es natürlich auch noch das Thema Netto-Null, das wir 2008, als wir mit der Planung des Hunziker Areals begonnen haben, noch nicht so radikal im Fokus hatten. Wir müssen in Zukunft möglichst wenig Treibhausgase beim Bauen erzeugen, mehr in Kreisläufen wirtschaften und so bauen, dass wir die Materialien möglichst ohne großen Wertverlust wiederverwenden können. Diese Themen sind in den Medien sehr präsent, aber in der Realität haben wir noch sehr wenig Erfahrung. Ich denke, da müssen wir einen Schritt weiterkommen.“

Claudia Thiesen studierte Architektur an der Bauhaus Universität Weimar (D) und lebt seit 2001 in Zürich. Sie gilt als Expertin für partizipative Prozesse und innovative Wohnformen und engagiert sich in zahlreichen Genossenschaften.
Gemeinsam mit Sabine Wolf führt sie die Thiesen & Wolf GmbH, die Projektentwicklung und -steuerung für gemeinnützige Bauträger anbietet.

01. Februar 2022newroom

Werner Nussmüller – Ortskerne stärken

Werner Nussmüller versteht unter nachhaltigem Bauen vor allem den sorgsamen Umgang mit den bestehenden Ressourcen des Planeten. Anne Isopp holte das Statement ein.

Werner Nussmüller versteht unter nachhaltigem Bauen vor allem den sorgsamen Umgang mit den bestehenden Ressourcen des Planeten. Anne Isopp holte das Statement ein.

„Wir haben gemeinsam mit dem Soziologen Rainer Rosegger schon öfter an Ortskernrevitalisierungen gearbeitet. Die Erfahrung von Redesign Eisenerz, bei dem es um Maßnahmen gegen Schrumpfung ging, konnten wir in Studien über Rottenmann und Wildon und zuletzt in Stanz einbringen. Stanz im Mürztal ist eine Gemeinde, in der sich seit dreißig Jahren nichts Wesentliches verändert hat. Im Zentrum kam es, wie in allen anderen entlegenen Gemeinden dieser Größenordnung in der Steiermark, zu einer Abwanderung. Das führte zu viel Leerstand im Ortskern und einer geringeren Anzahl an Gasthäusern. Die junge Bevölkerung, die blieb, baute sich außerhalb des Ortskerns ihre Einfamilienhäuser. In Stanz bauten wir auf Initiative des Bürgermeisters direkt am Hauptplatz einen neuen Lebensmittelmarkt mit 16 darüberliegenden Wohnungen für Jungfamilien, Seniorinnen und Senioren. Wir sanierten das Gemeindeamt und bauten einen neuen Gemeindesaal als Mehrzwecksaal an. Uns war es wichtig, mit neuer Architektur ein neues Lebensgefühl in diesen Ort zu bringen. Man kann wieder einkaufen und das Geschäft geht fantastisch. Weil es so toll ist, kommen Leute aus dem sieben Kilometer entfernten Kindberg einkaufen. Es ist faszinierend, wie der Ort nun auflebt.

Ich bin überzeugt davon, dass nachhaltige Architektur argumentierbar ist. Es bleibt uns gar nichts anderes übrig. Wir müssen die endlosen Diskussionen über explodierende Baukosten beenden und endlich über Lebenszykluskosten sprechen. Nur wenn wir über einen Zeitraum von zwanzig bis fünfzig Jahren denken, können wir von Nachhaltigkeit sprechen. Doch genau das tun wir beim Bauen nicht. Warum uns das so schwerfällt in der Architektur? Das ist eine schwierige Frage. Es kommt auf der einen Seite auf das Umfeld, auf die Anforderungen der Auftraggeber an. Auf der anderen Seite glaube ich, dass uns unsere Eitelkeit daran hindert, langfristig zu handeln. Wir Architekten denken viel lieber daran, wie ein Gebäude aussieht, als daran, wie es sich in seinem ökologischen Umfeld präsentiert. Ich setze dabei große Hoffnung in die Jugend. Auch in der Steiermark geht die Entwicklung des Holzbaus in großen Schritten voran. Man muss allerdings zugeben, dass das teilweise Mode und nicht nur von Ökologie beeinflusst ist.

Wir beschäftigen uns gerade mit Fassadensystemen aus Holz als Alternative zum Vollwärmeschutz. Wie muss eine Fassade gebaut sein, damit man sie später ohne Weiteres wieder abnehmen und erneuern kann? Wie baut man ein Gebäude, damit es sich wieder demontieren lässt und seine Bauelemente neu verwendet werden können? In Stanz konnten wir diese nachhaltigen Elemente der Demontage noch nicht umsetzen, weil hier die Revitalisierung des Ortskerns mit Bürgerbeteiligung vorrangig war. Wenn man in einem Ortskern wie Stanz baut, geht es vor allem um die Einfügung in den Bestand.“

Werner Nussmüller ist Architekt in Graz. Hier gründete er nach der Zusammenarbeit mit Herfried Peyker und Nikolaus Schuster (Gruppe 3) in den 1990er Jahren gemeinsam mit seiner Frau Inge das Büro Nussmüller Architekten, das inzwischen von seinem Sohn Stefan Nussmüller geführt wird. Nussmüller Architekten begannen schon früh, mit Holz zu bauen. Zuletzt wurden ihre Holzwohnbauten in der Max-Mell-Allee in Graz und ihre Ortskernentwicklung in Stanz mit Preisen ausgezeichnet. Letztere war für den Österreichischen Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit nominiert.

18. Januar 2022newroom

Katharina Bayer – gemeinschaftlich nachhaltig

Katharina Bayer ist Expertin für partizipatives Bauen und Partnerin bei einszueins architektur. Von Beginn an ging es ihnen um ökologische und soziale Nachhaltigkeit. Anne Isopp holte das Statement ein.

Katharina Bayer ist Expertin für partizipatives Bauen und Partnerin bei einszueins architektur. Von Beginn an ging es ihnen um ökologische und soziale Nachhaltigkeit. Anne Isopp holte das Statement ein.

„Schon bei unserem ersten Baugruppenprojekt, dem Wohnprojekt Wien, haben wir uns Nachhaltigkeit zum Ziel gesetzt. Uns geht es dabei nicht nur darum, dass das Gebäude möglichst wenig Energie verbraucht und dass wir mit ökologischen Baustoffen bauen. Das sind ohnehin die Kernthemen des nachhaltigen Bauens. Es gibt darüber hinaus aber noch andere Dimensionen der Nachhaltigkeit.
Da ist die soziale und die ökonomische Nachhaltigkeit. Was bedeutet leistbares Wohnen? Das hat viel mit dem Standort zu tun, der Mobilität und den Möglichkeiten im Umfeld, den Bildungseinrichtungen und so weiter. Zusätzlich gibt es noch die kulturelle Dimension der Architektur, die mit dem Begriff der Baukultur verknüpft ist, bei der es darum geht, qualitative Räume zu bauen und diese gut in den Stadtraum einzufügen. Schönheit ist etwas, was noch zu wenig unter dem Begriff Nachhaltigkeit subsumiert wird. Doch wenn man sich überlegt, welche Dinge man gern behält, dann sind es ja die schönen Dinge, auf die man aufpasst, die man wertschätzt.

Einzellösungen für nachhaltiges Bauen gibt es bereits in allen Bereichen, jetzt müssen wir sie zusammen- und in einen Kreislauf bringen. Mir gefällt dazu die Kirschbaum-Analogie: In der Natur gibt es kein Zuviel, keine Verschwendung. Die Natur kennt keinen Abfall. Ein Kirschbaum hat Früchte, die man erntet, und Früchte, die auf den Boden fallen und diesen Baum wiederum nähren. In diesen Kreislauf müssen wir uns beim Bauen hineindenken. Das sind Bilder, die mich inspirieren und zum Nachdenken anregen. Wie aber kann man das umlegen auf ein Haus, auf ein Gebäude, einen Wohnbau?

Für unser Baugruppenprojekt würde das zum Beispiel bedeuten: Unsere Häuser sind immer in gemeinschaftlichem Eigentum. Sie bleiben immer im Besitz des Vereins, auch wenn die BewohnerInnen kommen und gehen. Das ist für mich eine Idee des nachhaltigen Denkens, bei der es darum geht, diesen Baum am Leben zu erhalten. Wenn man das auf die Baustoffe umlegt, muss man überlegen, was mit den Blättern passiert, die eine kürzere Lebensdauer haben als der Stamm.
Das Zweite ist, dass der Baum CO2 speichert und Sauerstoff generiert. Er produziert etwas für seine Umwelt. Das kann man wiederum darauf umlegen, dass ein Gebäude im besten Fall mehr Energie produziert, als es selbst verbraucht.

Um den Bestand klimafit zu machen, würde ich mir aus gegebenem Anlass wünschen, dass es nicht so viel Einzelförderungen gibt, sondern mehr Förderungen mit einer umfassenden Herangehensweise. Wir müssen die wirklich komplizierten Rahmenbedingungen ändern und nicht einzelne Feuerlöscher installieren.“

Katharina Bayer ist Architektin und führt gemeinsam mit Markus Zilker und Markus Pendlmayr das Büro einszueins architektur in Wien. Sie ist seit 2021 Juryvorsitzende des Staatspreises für Architektur und Nachhaltigkeit.

11. Dezember 2021Maik Novotny
Anne Isopp
Der Standard

Wahr, gut und schön

Gerade wurde der Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit verliehen. Die Preisträger und Nominierten sind Zeichen eines Paradigmenwechsels vom Neubau zum Umbau.

Gerade wurde der Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit verliehen. Die Preisträger und Nominierten sind Zeichen eines Paradigmenwechsels vom Neubau zum Umbau.

Das neue Bildungszentrum in Frastanz-Hofen schaut aus wie eine kleine Stadt. Lauter gleich anmutende Häuser mit Satteldach liegen versetzt zueinander und bilden dazwischenliegende begrünte Höfe. Für einen Ortsfremden sieht das alles wie neu gebaut aus. Der Ortskundige könnte auf den ersten Blick meinen, dass nur das alte Schulhaus neu gestrichen wurde. Tatsächlich stand hier schon immer eine Schule, die nun saniert und erweitert wurde. Es ist genau dieses Spiel aus Bekanntem und Unbekanntem, das den Schulbau so interessant macht. Am ungewöhnlichsten ist die Farbgebung: Von der Fassade über die Markisen bis hin zum Vorplatz ist alles in einen erdigen rot-braunen Farbton getaucht.

„Die Farbe polarisiert“, sagt Robert Hartmann, Bauamtsleiter der Marktgemeinde Frastanz. „Wir haben uns das getraut, weil wir finden, dass ein öffentliches Gebäude ruhig auffallen darf.“

Die Gemeinde wollte den Schulbau aus den 1950er-Jahren erhalten. Die Bausubstanz war gut, auch die Grundrisse mit den breiten Fluren und hohen Räume eigneten sich hervorragend für das neue Konzept, das die Pädagogen der Schule erarbeitet hatten. Doch die Ergebnisse des Architekturwettbewerbs waren ernüchternd. Die Jury bat vier der teilnehmenden Architektenteams um eine Überarbeitung, zwei von ihnen durften danach noch ein drittes Mal antreten. Pedevilla Architekten bekamen den Auftrag, ihr Entwurf ging am meisten auf den Bestand ein.

Rückblickend sagt Armin Pedevilla, der das Südtiroler Büro gemeinsam mit seinem Bruder Alexander führt: „Der mehrmalig geäußerte Wunsch des Bürgermeisters, das bestehende Schulhaus mit seinem Satteldach zu erhalten, lässt das Gebäude zu dem werden, was es heute ist. Anders gesagt: Das Umgesetzte spiegelt den Geist der beteiligten Menschen wider.“ Auch Pedevilla Architekten hatten am Anfang ein Haus mit Flachdach entworfen und erst im Zuge der Überarbeitung das Satteldach als Gestaltungselement für sich entdeckt. Warum diese Dachform eine so große Bedeutung hat, erkennt man vor Ort. Die Schule passt sich in Form und Höhe gut in die dörfliche Struktur ein. Die Dachform dient mit der Farbgebung als Wiederkennungsmerkmal.

Emotional nachhaltig

Vierhundert Volksschüler, achtzig Kindergarten- und vierzig Kleinkinder gehen hier täglich ein und aus. „Wir sind nach wie vor von der neuen Schule begeistert“, sagt der Bauamtsleiter. „Jedes Mal, wenn ich dort bin, sehe ich, wie glücklich die Lehrer und Eltern sind.“ Wenn man das Gebäude betritt, meint man, in eine eigene Welt einzutauchen. Die Räume strahlen ein tiefes Wohlbehagen aus.

Wie kann das sein? Die Wände sind mit einem rot-braunen Kalkputz überzogen, der Fußboden ist aus sägerauer Weißtanne, Türrahmen und Mobiliar aus hellem Holz und die Akustikdecke aus einfachen Holzfaserplatten. Große Fenster holen viel Licht ins Innere. Die Räume im Obergeschoss erstrecken sich bis unter die spitz zulaufenden Dachfirste. Man bekommt Lust, über die Oberflächen zu streichen. Es ist eine Schule der Raumwahrnehmung und Sinnesschärfung, und das ganz ohne Zwang.

„Wir konzipieren jedes Projekt mit dem Anspruch, dass dem fertigen Gebäude eine Kraft innewohnt, die uns das Gefühl gibt, es erhalten zu wollen, weil wir es wertschätzen und es uns emotional berührt. Das ist für uns Nachhaltigkeit“, sagt Armin Pedevilla. Einen wesentlichen Anteil an dieser Wohnzimmeratmosphäre hat auch die Schulmöblierung. Anstelle einer Standardmöblierung, wie man sie von vielen Schulen kennt, entwickelten die Architekten gemeinsam mit einem Vorarlberger Tischler Möbel aus Ahornholz. Tische und Stühle gibt es in drei Größen, sie sind robust und leicht, sodass auch die Kinder sie anheben und verschieben können.

Der Gemeinde und den Architekten ist es gemeinsam gelungen, den Bestand weiterzuentwickeln und dabei seine Identität zu bewahren. Alle, die hier früher in die Schule gegangen sind, können den alten Schulbau im neuen wiederkennen. Genau darum geht es beim Weiterbauen.

Der Standard, Sa., 2021.12.11

05. Dezember 2020Anne Isopp
Der Standard

Einfach robuster bauen

Drei Testhäuser in Deutschland – eines aus Beton, eines aus Holz und eines aus Ziegel – zeigen, wie man in Zukunft bauen sollte: ohne Styropor und Hightech, stattdessen dauerhaft und wohnlich.

Drei Testhäuser in Deutschland – eines aus Beton, eines aus Holz und eines aus Ziegel – zeigen, wie man in Zukunft bauen sollte: ohne Styropor und Hightech, stattdessen dauerhaft und wohnlich.

Drei gleiche Wohnhäuser stehen im bayrischen Bad Aibling, einer Kleinstadt in der Nähe von Rosenheim. Dreigeschoßig, mit Giebeldach darauf und jeweils drei Wohnungen darin. Die Häuser sehen aber nur auf den ersten Blick gleich aus. Beim genaueren Hinsehen erkennt man Unterschiede: im Material, in der Fassade und bei den Fenstern. Beim mittleren Haus sind die Fenster rechteckig, bei den anderen haben sie einen Bogen, jedoch mit unterschiedlichen Radien.

Wer macht denn so was? Der Münchner Architekt Florian Nagler. Er hat hier die Ergebnisse eines Forschungsprojekts der TU München zum Thema „Einfach bauen“ umgesetzt und drei miteinander vergleichbare Testhäuser aus drei Materialien gebaut. „Die Gebäude, die wir heute bauen, werden immer komplexer in ihren Anforderungen an Haustechnik und Bautechnik. Das sind hochgezüchtete Häuser, die sehr fehleranfällig sind“, sagt Nagler. „Wir brauchen Systeme, die robuster und langlebiger sind und nicht an den Nutzern vorbeigeplant wurden.“

Mit diesen drei Häusern wollen er und seine Kollegen von der TU München zeigen, wie man robuster bauen kann. Thomas Auer, Professor für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen, kann dies mit Zahlen belegen: „Eine Studie des Royal Institute of British Architects (RIBA) hat fast 60.000 Schulen in Europa untersucht und gezeigt, dass 95 Prozent der Gebäude nicht so funktionieren wie geplant. Das liegt an der Technik, der baulichen Komplexität und daran, dass zum Beispiel Sensoren nicht richtig angeschlossen sind oder nicht richtig messen. Und das akzeptieren wir“, sagt er kopfschüttelnd. Die Folgen dieser Komplexität sind eine hohe Fehlerquote in Planung und Ausführung sowie eine Überforderung von Bauherren und Nutzern.

Weniger fehleranfällig

Schon seit mehreren Jahren suchen Nagler und Auer gemeinsam mit anderen Professoren an der TU München und Partnern aus der Praxis eine Antwort auf die Frage, wie man bauen muss, damit Häuser länger halten. Nicht von ungefähr haben sie ihre Forschungsgruppe „Einfach bauen“ genannt. Sie sind davon überzeugt, dass die Häuser nur dann langlebiger sind, wenn diese mit weniger Technik auskommen und wenn die Wände nicht aus vielen verschiedenen Schichten, sondern aus möglichst einem Material bestehen.

Die Forschungsergebnisse konnten sie in Bad Aibling umsetzen. Wie Drillinge stehen die drei Häuser dort nebeneinander, ihre Außenwände bestehen aus jeweils einem einzigen Material: Eines ist aus Beton, eines aus Holz und eines aus Ziegel. Auf eine zusätzliche Dämmschicht konnte Nagler verzichten, da alle drei Materialien mithilfe von Lufteinschlüssen gut dämmen. Der Beton ist ein sehr leichtes und poröses Material, beim Hochlochziegel sind, wie der Name schon sagt, Löcher drin, und in die Massivholzplatten wurden Luftschlitze eingefräst. Die Häuser erreichen die gesetzlich geforderten Dämmwerte, aber keinen Niedrigenergiestandard und sind dennoch über den ganzen Lebenszyklus betrachtet nachhaltiger als viele Niedrigenergiehäuser, wie die Berechnungen der TU München ergeben.

Auch feine Unterschiede in den Fassaden ergeben sich aus der konstruktiven Einschränkung auf jeweils ein Material, die sich der Architekt im Hinblick auf das Forschungsprojekt selber auferlegte. Während man in die massive Holzplatte ohne weiteres gerade Fensteröffnungen einschneiden kann, benutzt man beim Bauen mit Beton und Ziegel normalerweise einen Sturz mit Stahleinlagen. Die Bogenform erlaubt es, darauf zu verzichten, der Radius ergibt sich durch die Anforderungen des jeweiligen Materials. Einfach war das nicht bei den Handwerkern durchzusetzen, erzählte Nagler, das handwerkliche Know-how dafür ist kaum mehr vorhanden. Das Einfache kann auch kompliziert sein.

Vorbild Lustenau

Zu diesem Forschungsprojekt inspiriert hat die Münchner übrigens ein Gebäude aus Österreich. In Lustenau baute Architekt Dietmar Eberle 2013 sein eigenes Bürogebäude: einen sechsgeschoßigen Kubus mit dem Namen 2226, bei dem er auf jegliche Lüftung, Kühlung und Heizung verzichtete. Er wählte 75 Zentimeter dicke Ziegelwände, um mit wenig Energie und wenig Technik auszukommen und ein lang haltbares Gebäude zu errichten.

Genau das war auch das Ziel in Bad Aibling. Die tief in der Laibung sitzenden Fenster zum Beispiel erlauben es, auf einen außenliegenden Sonnenschutz zu verzichten. Eine Heizung gibt es allerdings, und die Außenwände sind bei weitem nicht so dick wie die in Lustenau. Die Holzwand zum Beispiel hat lediglich eine Dicke von 30 cm und einen hervorragenden Dämmwert, schwärmt Nagler.

Doch mit der Dämmleistung der Außenwände alleine ist das einfache, robuste Bauen noch nicht absolviert, denn auch das Innenleben zählte. Über 2500 Raumvarianten wurden an der TU München im Hinblick auf Material, Raumhöhe, Raumgröße, Speichermasse und Fenstergröße durchgespielt. In diesen Simulationen zeigte sich, dass Raumkonfigurationen, wie aus den Gründerzeitbauten bekannt, optimal sind. Das heißt: gut proportionierte Räume mit einer Raumhöhe von mehr als drei Metern.

Diese Raumhöhe sei enorm wichtig für die Aufenthaltsqualität, die thermische Qualität und die Speichermasse, betonten Auer und Nagler bei einem gemeinsamen Vortrag an der TU Wien im November. „Über die Jahre hat das wirtschaftliche Diktat dazu geführt, dass die Räume niedriger geworden sind und damit die räumliche Qualität und der Komfort gelitten haben. Man hat lange versucht, diese Defizite über technische Systeme auszugleichen“, sagt Auer. Nun sei es an der Zeit, die Bauherren wieder vom Mehrwert hoher Räume zu überzeugen.

Fast archaisch

Das Erscheinungsbild der Häuser ist vom Duktus her eher simpel, man könnte auch sagen archaisch. So kann Architektur ausschauen, die zurück zu einer Einfachheit gefunden hat und langlebiger und nachweislich nachhaltiger ist. In München plant Florian Nagler übrigens bereits ein Folgeprojekt. Wieder sind es drei miteinander vergleichbare Bauten aus den drei Materialien Holz, Beton und Ziegel. Diesmal sollen die Häuser energieautark werden, weshalb die viergeschoßigen Studentenwohnheime besonders große Dächer bekommen, um ausreichend Platz für Fotovoltaikpaneele zu haben.

Auf die Frage, ob er sich als Architekt durch so eine reduzierte Bauweise nicht in seinen Gestaltungsmöglichkeiten eingeschränkt fühle, antwortet Florian Nagler: „Ganz im Gegenteil. Ich empfinde das als befreiend. Man kann sich auf das Wesentliche in der Architektur konzentrieren: auf die Proportion, die Räume im Inneren und die Position der Fenster. Aber natürlich sind die Spielregeln anders, und man muss eine neue Architektursprache finden.“

[ Anne Isopp ist freischaffende Architekturjournalistin und -publizistin. Von 2009 bis 2020 war sie Chefredakteurin des Holzbau-Magazins „Zuschnitt“. ]

Der Standard, Sa., 2020.12.05

26. März 2016Anne Isopp
Der Standard

Re­no­vie­ren mit Go­ril­la

Durch die ho­he Zu­wan­de­rung ist in den Städ­ten die Nach­fra­ge nach be­zahl­ba­rem Wohn­raum grö­ßer denn je. Wie aber kön­nen wir die Nach­fra­ge be­die­nen und gleich­zei­tig in­teg­ra­ti­ve bau­li­che Lö­sun­gen schaf­fen? Ein Sym­po­si­um in Mün­chen such­te da­rauf Ant­wor­ten.

Durch die ho­he Zu­wan­de­rung ist in den Städ­ten die Nach­fra­ge nach be­zahl­ba­rem Wohn­raum grö­ßer denn je. Wie aber kön­nen wir die Nach­fra­ge be­die­nen und gleich­zei­tig in­teg­ra­ti­ve bau­li­che Lö­sun­gen schaf­fen? Ein Sym­po­si­um in Mün­chen such­te da­rauf Ant­wor­ten.

Als Go­ril­las ver­klei­de­te Per­so­nen drin­gen in ein leers­te­hen­des Wohn­haus ein, lau­fen die Stie­gen hoch und ma­chen da­bei af­fe­nähn­li­che Lau­te. Ziel­stre­big be­tre­ten sie ei­ne der Woh­nun­gen und be­gin­nen dort auf­zu­räu­men und zu säu­bern. Sie rei­ßen al­te Fuß­bo­den­be­lä­ge raus, schlei­fen Fens­ter- und Tür­rah­men und strei­chen die Wän­de neu. Da­zu rappt ei­ne eben­falls als Go­ril­las ver­klei­de­te Band: „Ich glau­be, ihr reißt das Ding nicht ab, denn ir­gend­wie wirft das ein Scheiß­licht auf die Stadt! Wenn je­der merkt, es geht euch gar nicht ums Wohn­raum schaf­fen, son­dern eher ums Koh­le ma­chen.“

Tat­säch­lich hat­te die Stadt Mün­chen für die be­sag­te Im­mo­bi­lie im an­ge­sag­ten Gärt­ner­platz­vier­tel be­reits den Ab­riss­be­scheid aus­ge­stellt. Ins­ge­samt zwei leers­te­hen­de Wohn­häu­ser in der Mül­ler­stra­ße so­wie ei­ne Werks­tät­te im Hin­ter­hof die­ser Bau­ten soll­ten ei­nem In­ves­to­ren­neu­bau wei­chen. Ein Scheiß­licht auf die Stadt. Das Vi­deo mit den Go­ril­las, das der Stadt da­rauf­hin zu­ge­spielt wur­de, soll­te sie zum Ein­len­ken be­we­gen.

Zu se­hen war das Vi­deo zu­letzt vor zwei Wo­chen beim Mün­chner Sym­po­si­um „Flucht nach vor­ne“, zu der die Deut­sche Bun­des­stif­tung Bau­kul­tur und der Bund Deut­scher Ar­chi­tek­ten Bay­ern Ar­chi­tek­ten, Stadt­pla­ner und Po­li­ti­ker ein­ge­la­den hat­ten, um ge­mein­sam über das The­ma „Wo und wie sol­len Flücht­lin­ge woh­nen?“ zu dis­ku­tie­ren. Till Hof­mann, Chef des Mün­chner Lust­spiel­hau­ses und Mit­ini­ti­ator die­ser Gue­ril­la-Re­no­vie­rungs­ak­ti­on, er­zähl­te bei die­ser Ge­le­gen­heit, wie man mit der Ak­ti­on den Ab­riss der Häu­ser ver­hin­dern und da­mit für güns­ti­gen Wohn­raum kämp­fen wol­le.

Fik­ti­ve Im­mo­bi­lien­fir­ma

Ge­mein­sam mit dem Film­ema­cher Chris­ti­an Gan­zer und dem Jour­na­lis­ten Alex Rüh­le macht Till Hof­mann schon seit län­ge­rem mit der fik­ti­ven Im­mo­bi­lien­fir­ma „Gold­grund Im­mo­bi­lien“ auf Misss­tän­de auf dem Mün­chner Woh­nungs­markt auf­merk­sam. Bei der Woh­nungs­re­no­vie­rung wur­den sie von pro­mi­nen­ten Mün­chner Per­sön­lich­kei­ten un­ter­stützt – un­ter an­de­rem vom Fuß­bal­ler Meh­met Scholl, dem in­zwi­schen ver­stor­be­nen Ka­bar­et­tis­ten Die­ter Hil­de­brandt so­wie den bei­den Bands Sport­freun­de Stil­ler und Moop Ma­ma.

Tat­säch­lich führ­te das Vi­deo zu ei­ner De­bat­te um den städ­ti­schen Um­gang mit Leers­tand – und letz­tend­lich auch da­zu, dass die Stadt Mün­chen den Ab­riss­be­scheid zu­rück­zog und ge­mein­sam mit den Ak­ti­vis­ten ein Kon­zept für den Stand­ort ent­wi­ckel­te. Das war 2013.

Im Jän­ner die­sen Jah­res ha­ben die Ini­ti­ato­ren, die für das Pro­jekt mitt­ler­wei­le ei­ne So­zi­al­ge­nos­sen­schaft mit dem Na­men „Bel­le­vue di Mo­na­co“ grün­de­ten, die Ein­wil­li­gung der Stadt Mün­chen be­kom­men, die drei Häu­ser in der Mül­ler­stra­ße in Erb­bau­recht auf 40 Jah­re zu be­trei­ben. Nun be­gin­nen sie mit den Sa­nie­rungs­ar­bei­ten: Woh­nun­gen für jun­ge Flücht­lin­ge, für Fa­mi­li­en mit Fluch­thin­ter­grund so­wie ein Be­geg­nungs- und Ver­an­stal­tungs­zen­trum.

Beim Sym­po­si­um „Flucht nach vor­ne“ wur­den auch an­de­re vor­bild­haf­te Bau­pro­jek­te vor­ge­stellt, wie et­wa das „Vin­zi­Rast mit­ten­drin“ in Wien, ein Wohn­haus für ehe­ma­li­ge Ob­dach­lo­se und Stu­den­ten nach Plä­nen des Ar­chi­tek­tur­bü­ros gau­pen­raub +/–, so­wie ei­ne tem­po­rä­re Bre­mer Con­tai­ner­sied­lung der Ar­chi­tek­ten Feld­schnie­ders + Kis­ters. Die Vor­trä­ge und Dis­kuss­io­nen lie­ßen je­doch er­ken­nen, dass es längst nicht mehr da­rum geht, tem­po­rä­ren Wohn­raum für Flücht­lin­ge zu schaf­fen, son­dern um be­zahl­ba­ren Wohn­raum für al­le. Ge­ra­de in den Bal­lungs­zen­tren ist die Nach­fra­ge enorm. Lan­ge Zeit hat man in den deut­schen Groß­städ­ten die Au­gen da­vor ver­schlos­sen und auf die Leers­tän­de im Os­ten des Lan­des ver­wie­sen. Jetzt aber ist die Woh­nungs­not wie ein Bu­me­rang in die west­deut­schen Städ­te zu­rück­ge­kehrt.

Auch Mün­chen muss­te er­ken­nen, dass ihr der­zei­ti­ges Wohn­bau­pro­gramm nicht aus­rei­chen wird, der Nach­fra­ge nach leist­ba­rem Wohn­raum ge­recht zu wer­den, und star­te­te jüngst ein zu­sätz­li­ches Wohn­bau­pro­gramm un­ter dem Na­men „Woh­nen für al­le“. Bis 2019 will die Stadt in die­sem Rah­men zu den be­reits ge­plan­ten Wohn­bau­ten zu­sätz­li­che 3000 Woh­nun­gen er­rich­ten, 1000 da­von so­gar bis En­de des Jah­res. Ein gro­ßes Pro­blem sind – wie so meist – die feh­len­den Grund­stü­cke.

Woh­nen auf Stel­zen

„Wir ha­ben sämt­li­che Stadt­vier­tel nach mög­li­chen Bau­plät­zen durch­kämmt“, er­zähl­te Stadt­bau­rä­tin Eli­sa­beth Merk. „Denn wer fün­dig wer­den will, muss die Stadt auch un­ter neu­en Blick­win­keln be­trach­ten.“ Das er­ste Bau­pro­jekt im Zei­chen des neu­en Mün­chner Wohn­bau­pro­gramms ist dem­nach ein Haus auf Stel­zen. Nach­dem das Ge­bäu­de über dem Park­platz am Dan­te­bad er­rich­tet wird, sol­len da­durch nur „we­ni­ge Stell­plät­ze für die Stän­der und Trep­pen ver­lo­ren ge­hen“, wie es in ei­ner Mel­dung aus dem Mün­chner Rat­haus heißt.

Die grö­ße­ren, noch frei­en Grund­stü­cke lie­gen am Stadt­rand. Doch die Angst vor Ghet­toi­sie­rung ist in den gro­ßen Wohn­sied­lun­gen und Tra­ban­ten ei­ne gro­ße – zu Recht, meint Jür­gen Fried­richs. Seit Jahr­zehn­ten schon be­schäf­tigt sich der deut­sche So­zio­lo­ge mit städ­ti­schen Ar­muts­ge­bie­ten. Ak­tu­ell forscht er zum The­ma Flücht­lings­un­ter­brin­gung. Für Flücht­lin­ge brau­che man kei­ne oh­ne­hin schon be­nach­tei­lig­ten Vier­tel, son­dern ei­ne klein­räu­mi­ge Un­ter­brin­gung, sagt er. „Wenn der An­teil in ei­nem Wohn­vier­tel zehn Pro­zent über­steigt, dann ist mit Kon­flik­ten zu rech­nen.“

Fried­richs emp­fiehlt da­her das Prin­zip des „Pep­per-Pott­ings“. Dies ist ein stadt­so­zio­lo­gi­scher Fach­aus­druck, der für die rich­ti­ge Durch­mi­schung von Ei­gen­tums­woh­nun­gen und Woh­nun­gen für Ein­kom­mens­schwa­che in ei­ner Stra­ße steht – wie eben die rich­ti­ge Mi­schung von Pfef­fer­kör­nern auf ei­nem Ge­richt.

Im Gärt­ner­platz­vier­tel wer­den durch das Pro­jekt Bel­le­vue di Mo­na­co 14 Woh­nun­gen ge­schaf­fen. Bei dem drin­gen­den Be­darf an be­zahl­ba­ren Woh­nun­gen mu­tet das wie ein Trop­fen auf den hei­ßen Stein an. Und doch ist das Pro­jekt ein wich­ti­ger Bei­trag zur so­zia­len Durch­mi­schung in der Mül­ler­stra­ße. Ein paar Schrit­te wei­ter nur be­fin­det sich hier mit dem 2013 fer­tig­ge­stell­ten „The Se­ven“ ei­ne der lu­xu­riö­ses­ten Wohn­im­mo­bi­lien Mün­chens. 20 Mil­lio­nen Eu­ro sol­len al­lein für das Pent­hou­se be­zahlt wor­den sein.

24 Mil­lio­nen Eu­ro für nichts

„Im Vor­feld un­se­rer Gue­ril­la-Re­no­vie­rungs­ak­ti­on ha­ben wir in der Mül­ler­stra­ße ein fik­ti­ves Im­mo­bi­lien­pro­jekt ent­wi­ckelt und in ei­ner der Im­mo­bi­lien­such­ma­schi­nen ver­öf­fent­licht“, sagt Till Hof­mann von Bel­le­vue di Mo­na­co. „Die ober­ste Woh­nung ha­ben wir für 24 Mil­lio­nen an­ge­bo­ten. Für die ha­ben wir die meis­ten An­fra­gen be­kom­men.“

Durch Nut­zung der vor­hand­enen Leers­tän­de wird man die städ­ti­sche Woh­nungs­not kaum lin­dern kön­nen. Den­noch liegt in die­ser vor­hand­enen Bau­struk­tur ein Po­ten­zi­al für in­no­va­ti­ve und in­teg­ra­ti­ve Nut­zun­gen. Zwei in­ter­na­tio­nal viel be­ach­te­te Bei­spie­le gibt es in Ös­ter­reich ja schon: das Vin­zi­Rast mit­ten­drin und Mag­das Ho­tel im Wie­ner Pra­ter. Wir brau­chen mehr da­von.

Der Standard, Sa., 2016.03.26

23. November 2012Anne Isopp
Der Standard

Matador für große Menschen

Der kürzlich eröffnete achtgeschoßige Holzturm „Life Cycle Tower One“ in Dornbirn ist Prototyp für ein neues nachhaltiges Bausystem im Wohn- und Bürobau

Der kürzlich eröffnete achtgeschoßige Holzturm „Life Cycle Tower One“ in Dornbirn ist Prototyp für ein neues nachhaltiges Bausystem im Wohn- und Bürobau

Immer wieder wird in der Architektur mit dem Hinweis auf das höchste oder größte Gebäude geworben. Zwar sind Höhe und Größe allein noch lange keine Qualitätskriterien, doch der LCT One in Dornbirn, der letzten Montag feierlich eröffnet wurde, ist ein gutes Beispiel dafür, wie man mit Superlativen zu Neuem gelangen kann. Die Abkürzung steht für Life Cycle Tower, also Lebenszyklusturm, und der achtgeschoßige Bürobau darf sich offiziell das höchste Holz-Hybridhaus in Österreich nennen.

Turmes kleiner Bruder

Der aus Holz und Beton errichtete Arbeitsturm ist Resultat einer jahrelangen Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Die erste Machbarkeitsstudie namens „acht plus, vielgeschoßiger Holzbau im urbanen Raum“, vorgestellt im November 2008, stammt von den beiden Architekten Michael Schluder und Peter Krabbe. Sie untersuchten darin die konstruktiven Möglichkeiten im Holzbau und kamen zu dem Schluss, dass man theoretisch bis zu 20 Stockwerke hoch in Holz bauen könnte.

Zur baulichen Realisierung gelangte schließlich ein achtgeschoßiger, kleiner Bruder in Passivhausqualität. Die Planung stammt vom Vorarlberger Architekten und unermüdlichen Holzverfechter Hermann Kaufmann, der die Entwicklung des ressourcenschonenden Holzbaus in Österreich schon seit Jahren antreibt. Auftraggeberin und Nutzerin des Gebäudes ist die Firma Cree, hinter der das Vorarlberger Bauunternehmen Rhomberg steht. Die Baukosten betragen nach Auskunft des Bauherrn vier Millionen Euro.

Ökologischer Fußabdruck

Der LCT One befindet sich auf dem ehemaligen Textilareal im Süden Dornbirns. Seine äußere Erscheinung ist bestimmt durch die schimmernde Aluminiumverkleidung sowie durch die vielen schmalen Fenster, die sich gleichmäßig über das Haus ziehen. Das Bemerkenswerte an diesem Turm ist aber nicht unbedingt die stringente Gestaltung. Es ist viel mehr die bautechnische Innovation, die sich dahinter versteckt. Mit acht Stockwerken überschreitet der Turm bei weitem eine in Österreich übliche Höhenbegrenzung für den Holzbau und verdeutlicht damit, dass Holzhaus und Hochhaus nicht unbedingt ein Widerspruch sein müssen.

Hinter dem Namen Life Cycle Tower steht der Gedanke des ökologischen Fußabdrucks eines Gebäudes. Die Bauwirtschaft verbraucht rund 40 Prozent des gesamten österreichischen Energie- und Ressourcenverbrauchs. Das ist enorm. Hubert Rhomberg, Bauherr des LCT One, ist davon überzeugt, dass Ressourceneffizienz im 21. Jahrhundert zu einer wirtschaftlichen Notwendigkeit werden wird: „Wir hatten die Vision, eine nachhaltige Baulösung für den urbanen Raum zu entwickeln, die den Ressourceneinsatz reduziert und die Chance bietet, die Bauwirtschaft auch international massiv zu verändern.“ Rhomberg setzt bei der Verwirklichung seiner Vision auf zwei Karten: Einsatz der nachwachsenden Ressource Holz und Industrialisierung des Fertigungsprozesses.

Holz in die Stadt

Das passt gut zum Trend, denn der Anteil an Bauvorhaben, die in Holzbauweise ausgeführt werden, steigt in Österreich kontinuierlich an. Während er 1998 noch bei einem Viertel aller bewilligungspflichtigen Bauvorhaben lag, stieg er bis 2008 auf 40 Prozent an. Der größte Anteil davon liegt im ländlichen Wohnbau, und da vor allem im Einfamilienhausbau. Mit seiner Firma Cree will Rhomberg nun auch in den städtischen Bereich vordringen.

Die Realisierung der hölzernen Vision warf viele Fragen auf: Wie kann ein Tragsystem aussehen, das es erlaubt, mit Holz in die Höhe zu bauen? Wie kann man in diesem Bereich einen hohen Vorfertigungsgrad entwickeln? Und vor allem: Wie kann man die mit der Höhe eines Gebäudes zunehmenden Brandschutzanforderungen erfüllen, ohne dabei - wie sonst üblich - die gesamte Holzkonstruktion hinter Gipskartonschichten zu verstecken?

Ehrlichkeit statt Reinheit

Und tatsächlich: In den Büroetagen des LCT One ist die tragende Holzkonstruktion sichtbar. Sie prägt den Charakter der Innenräume und verleiht ihnen eine warme, freundliche Atmosphäre. Eine Seltenheit. Denn während es in einigen Ländern wie etwa Großbritannien reicht, einen entsprechenden Brandwiderstand vorzuweisen, ist die Bauordnung in Österreich viel restriktiver. Hierzulande wird nach Baustoffen unterschieden: Die Brandschutzrichtlinien in einem Holzhaus sind weitaus strenger als in einem Gebäude aus Stahl oder Beton.

Dass man in Dornbirn die Erlaubnis für acht Geschoße bekam, liegt vor allem darin begründet, dass man sich hier nicht für einen reinen Holzbau entschied, sondern für eine sogenannte Hybridbauweise, also für eine Kombination aus tragenden Holzelementen und einer verstärkenden Betonstruktur in der Gebäudemitte. Es scheint in den letzten Jahren ein Umdenken in der Welt des Holzbaus gegeben zu haben: Es geht nicht mehr um die Reinheit von Material und Konstruktion, sondern um einen ehrlichen und sinnvollen Einsatz der Ressourcen: Dort, wo das eine Material schwach ist, nimmt man ein anderes zuhilfe.

Bauen im Baukastensystem

Eine weitere Vorgabe an die Entwickler des Bausystems war, einen möglichst hohen Vorfertigungsgrad zu erreichen. Für den LCT One wurden alle Decken- und Wandelemente vorfabriziert. Auf der Baustelle mussten die einzelnen Elemente wie beim Matador-Baukastensystem nur noch ineinandergesteckt werden. Erst wurden die Außenwände aufgestellt, dann die Stützen und schließlich die Deckenelemente. Das erste Geschoß war innerhalb von nur einem Tag wetterdicht. So wuchs der Bau Stock für Stock in die Höhe. Am Ende wurde die Fassadenverkleidung aus Aluminiumblech montiert.

Was wird sich mit dem Bau des Life Cycle Towers in Österreich verändern? Hermann Kaufmann, lapidar: „Das ist wie beim Skifahren. Je steiler du fährst, desto mutiger wirst du.“ Der LCT One ist ein Prototyp für Holz-Hybridsysteme. Noch höhere und noch größere Bauten sollen folgen.

Der Standard, Fr., 2012.11.23



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Life Cycle Tower

15. Dezember 2010Anne Isopp
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Immer unter Spannung

Ein Ei ist rund. Zumindest, wenn man es von oben betrachtet. Das heißt aber noch lange nicht, dass ein Eiermuseum auch auf einem runden Grundriss beruhen muss. Das Museum für die Eiersammlung des Wander Bertoni jedenfalls ist quadratisch. Und das ist gut so.

Ein Ei ist rund. Zumindest, wenn man es von oben betrachtet. Das heißt aber noch lange nicht, dass ein Eiermuseum auch auf einem runden Grundriss beruhen muss. Das Museum für die Eiersammlung des Wander Bertoni jedenfalls ist quadratisch. Und das ist gut so.

Seit seinem zwanzigsten Lebensjahr sammelt der österreichische Künstler Eier. An die 4.000 Stück hat er inzwischen beisammen: große und kleine, steinerne, gläserne, metallene und solche aus Porzellan. Nicht in Kartons wollten er und seine Frau Waltraud die Sammlung ihren Nachkommen überlassen, sondern in einem würdigen Rahmen. So entstand die Idee zum Eiermuseum.

Die Architekten gaupenraub haben viel Zeit investiert, um dem Ort, den Wünschen des Bauherrn sowie den Ausstellungsobjekten gerecht zu werden. Allein der Ort, an dem das Eiermuseum steht, ist etwas Besonderes: 1965 erwarb Wander Bertoni inmitten von Weingärten in Winden am Neusiedlersee eine leer stehende Wassermühle mit angrenzendem Wohnhaus und Scheune. Nach und nach restaurierte und adaptierte er liebevoll alle Gebäude. 2001 ließ er sich von dem befreundeten Architekten Johannes Spalt einen Ausstellungspavillon gleich neben seiner Werkstatt errichten. Kurz darauf entstand die Idee, auch für die Eiersammlung ein Gebäude zu schaffen. Der inzwischen verstorbene Johannes Spalt zeichnete damals auf einer Papierserviette auf, welche Art von Gebäude er sich vorstellte: einen runden, zweigeschossigen Pavillon.

Er schlug Wander Bertoni vor, die Aufgabe seinen ehemaligen Schülern Alexander Hagner und Ulrike Schartner vom Wiener Büro gaupenraub zu übertragen. Diese befreiten sich ziemlich schnell von der Skizze ihres Lehrers und konnten den Bauherrn von einer eigenständigen, für den Ort und die Aufgabe adäquaten architektonischen Lösung überzeugen. Der Neubau ist nun quadratisch und zweigeschossig. Das Erdgeschoss ist vollkommen verglast und fungiert als Vitrine. Zwei schräg gestellte Stahlstützen und eine Stahltreppe sowie in der Fassadenebene angeordnete Zugstangen tragen das Obergeschoss samt Dach. Dieses ist fensterlos, in den oberen Ausstellungsraum dringt indirektes Licht lediglich über die Schrägverglasung, die die Erdgeschossfassade mit dem weit auskragenden Dachaufsatz verbindet.

Wo sonst Schwingungen in einer Deckenkonstruktion normal sind, waren diese hier aufgrund der fragilen Ausstellungsobjekte absolut unerwünscht. Wenn man aber eine quadratische Decke auf drei Stützen oder eben wie hier auf zwei Stützen und eine Treppe stellt, dann gibt es immer mindestens eine Ecke, die weit auskragt. Um auch diese nun frei von Schwingungen zu bekommen, hätte man die tragende Konstruktion um einiges dicker machen oder doch auf Außenstützen zurückgreifen müssen. Beides aber wollten die Architekten auf keinen Fall. Die Lösung, die sie mit Peter Bauer vom Statikbüro werkraum wien entwickelten, erscheint im Nachhinein simpel, doch steckt ein intensiver Planungsprozess dahinter: Die gesamte Stahlkonstruktion ist vorverformt und wird erst mithilfe von Zugstangen in der Fassadenebene in die horizontale Lage gebracht. Die Konstruktion steht damit immer unter der zu erwartenden Maximallast, und wer darauf geht, entlastet das Gebäude. Auf der Suche nach einer materialgerechten Konstruktion mit zugleich schlanken Querschnitten führte der Weg die beteiligten Planer nicht nur zu einer Mischkonstruktion aus Holz und Stahl, sondern auch zur Vorspannung: Deren Vorteil ist, so Bauer, dass man die Materialquerschnitte ausnutzen kann und eine hundertprozentige Materialminimierung bei gleichzeitig geringstmöglichen Verformungen hat. Doch Vorspannung bedeutet eben auch immer einen großen Planungsaufwand.

Die Stahlkonstruktion wurde an jedem Punkt etwas überhöht errichtet und mithilfe der Stahlstangen in die richtige Position gebracht. Die Dachkonstruktion aus Holz bringt bei gleichzeitig geringem Gewicht die nötige Randaussteifung der Plattform in das System. Die Architekten und der Statiker wollten diese zuerst als Fachwerk errichten, doch dem hinzugezogenen Zimmermann war die Vorstellung, eine Fachwerkkonstruktion vorzuverformen, nicht geheuer. Denn diese hätte nicht nur vertikal entsprechend der Stahlplattform vorverformt, son- dern auch leicht versetzt aufgestellt werden müssen, da sich die Decke unter Vorspannung auch horizontal verdreht. Deshalb schlug er eine Brettsperrholzkonstruktion für die Dachschrägen vor und eine klassische Sparrenkonstruktion als Abschluss.

„Wenn man einem Gebäude zuhören und darauf eingehen will, was es braucht, dann heißt das auch, dass man bereit ist, sehr viel mehr Planungszeit hineinzustecken“, sagt Peter Bauer. „Das unterscheidet dieses Konzept von einem traditionellen Weg, bei dem man Abkürzungen gehen kann, weil man es schon öfters gemacht hat.“ Der Aufwand hat sich gelohnt: Einen besseren Aufbewahrungsort für seine Objekte als dieses präzise geformte Schmuckkästchen kann man sich als Sammler gar nicht wünschen.

zuschnitt, Mi., 2010.12.15



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Zuschnitt 40 Holz und Stahl

15. Dezember 2010Anne Isopp
zuschnitt

Hybridkonstruktionen

Stahl als Verbindungsmittel, Hybridträger, Hybrides flächiges Modul, Gebäudehybrid

Stahl als Verbindungsmittel, Hybridträger, Hybrides flächiges Modul, Gebäudehybrid

Der heutige Holzbau ist ohne Stahl als Verbindungsmittel kaum denkbar. Nägel, Schrauben, Bolzen mit und ohne Stahlblechformteile gehören zu den gängigen Holzverbindungen. Beim Besucherzentrum der KZ-Gedenkstätte in Dachau tragen Stützen aus grau lasierter, sägerauer Douglasie eine 40 cm starke Dachscheibe aus Beton. Speziell entwickelte, verstellbare Stahlteile erlauben den aus herstellungstechnischen Gründen notwendigen Einbau der Stützen nach dem Betonieren der Dachscheibe. Der gleiche Stahlteil konnte sowohl bei den geraden als auch den schräg gestellten Stützen eingesetzt werden. Der Verstellmechanismus erlaubt es zudem, die teilweise der Witterung ausgesetzten Stützen jederzeit auszuwechseln.

Hybridträger

Eine logische und sehr gängige Kombination von Holz und Stahl sind Hybridträger, bei denen Holz auf Druck und Stahl auf Zug beansprucht wird. Dies kann ein Fachwerkträger aus Holz sein, der mit Zugstangen aus Stahl komplettiert, oder ein Holzträger, der mit Stahl unterspannt wird.

Das Dach der Reithalle der Propstei St. Gerold wird von unterspannten Hauptträgern, auf welchen die Brettschalung ohne weitere Pfettenlage direkt aufliegt, getragen. Die Unterspannungen aus Rundstahl sind in doppeltem Raster angeordnet. Im Knickpunkt eines jeden Zugbandes laufen sechs räumliche Streben zusammen, die auch die „Luftstützung“ der Brettschichtholzbinder im Halbraster ermöglichen.

Hybrides flächiges Modul

Nach dem Prinzip der Spantenbauweise bei Flugzeugtragflächen werden Brettschichtholzträger und Stahlträger miteinander verbunden und verkleidet. Es entstehen integrale und multifunktionale Elemente, die zugleich tragen, aussteifen, Raum bilden und verkleiden.

Das Tribünendach des Bodenseestadions in Bregenz besteht aus zwölf hybriden Elementen. Diese setzen sich aus Brettschichtholzrippen zusammen, die zuvor linsenförmig zugeschnitten, mit Querholmen aus Profilstahl versehen und dann mit Holzwerkstoffplatten verleimt wurden. Diese einzelnen Dachelemente liegen auf der eigentlichen Tragstruktur aus Stahl nur an jeweils vier Punkten auf.

Gebäudehybrid

Der Holzbau hat sich mittlerweile vom Stab zur Fläche entwickelt. Dies lädt zu Mischkonstruktionen ein, bei denen der Stahl trägt und das Holz hüllt bzw. mitträgt. Das Hugo Boss Competence Center im Schweizer Coldrerio ist ein solcher Gebäudehybrid. Hier wirken Holz, Stahl und Beton im Verbund: Auf den hea-Träger ist eine 12 cm dicke Brettstapeldecke aufgelegt, darüber wurde eine 12 cm starke Betonschicht gegossen, die mit dem Stahl und dem Holz im Verbund wirkt. Um den Schubverbund zwischen Holz und Beton sicherzustellen, wurden vorher in regelmäßigen Abständen Stahlbleche in die Holzelemente eingeschlitzt.

zuschnitt, Mi., 2010.12.15



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04. Dezember 2010Anne Isopp
Der Standard

Auf Tuchfühlung gehen

Oft ist der Weg zu einem neuen Amtshaus lang und beschwerlich. Für zwei oberösterreichische Gemeinden hat sich die Mühe aber gelohnt.

Oft ist der Weg zu einem neuen Amtshaus lang und beschwerlich. Für zwei oberösterreichische Gemeinden hat sich die Mühe aber gelohnt.

In Oberösterreich spricht man dieser Tage viel vom neuen Amtshaus in Ottensheim. Einige Umwege hat man gehen müssen, um zu dieser überzeugenden Lösung zu kommen: Ein unter Denkmalschutz stehender Eckbau wurde um einen Anbau ergänzt. Die weiße Putzfassade verbindet Alt und Neu zu einem harmonischen Ganzen, nur die fehlenden Gesimse und die viel größeren Fensteröffnungen unterscheiden den Anbau vom Haupthaus.

Alle Beteiligten, von der Bürgermeisterin über die Gemeindebewohner bis hin zu den Planern sind stolz darauf. Er ist einer von sechs Bauten, die am 12. November mit dem österreichischen Bauherrenpreis ausgezeichnet worden sind - der Preis wird von der Zentralvereinigung der Architekt-Innen Österreichs jährlich an Bauherren vergeben, die sich in besonderer Weise um die Baukultur verdient gemacht haben. Dass eine Gemeinde ihre Bauherrenrolle ernst nimmt, hat auch viel mit dem Selbstverständnis der Bürgermeisterin von Ottensheim, Ulrike Böker, zu tun. Sie ist überzeugt, dass es „eine Unkultur“ sei, die Verantwortung für solche wichtigen Projekte abzugeben. „Nur wenn wir hautnah dabei sind, dann sind die Entscheidung und das Resultat authentisch.“

Ruhig und zurückhaltend wirkt die weiße Fassade des neuen Amtshauses. Sie verrät nichts von der bewegten Zeit, die hinter ihr liegt. Die Bürgermeisterin dagegen erzählt gerne davon: Immerhin ist ihr politischer Werdegang sehr eng mit dem des Amtshauses verbunden. Lange hatte man sich in Ottensheim darum bemüht, an dem jetzigen Standort einen Neubau zu errichten. Das Denkmalamt aber ließ das Gebäude unter Schutz stellen. Bewegung kam in die Sache, als der Gemeinderat das Amtshaus 1997 an den Ortsrand verlegen wollte. Doch wie soll ein Ortskern belebt werden, wenn selbst das Gemeindeamt nicht mehr am Hauptplatz ansässig ist? Eine Gruppe engagierter Ottensheimer - darunter auch Böker - sprach sich in einem offenen Brief gegen den Umzug aus. Sie fanden viele Befürworter, gründeten eine Bürgerliste und zogen 1997 mit 20 Prozent in den Gemeinderat ein.

Vom Anbegin der sieben Jahre an, seit denen Böker nun Bürgermeisterin von Ottensheim ist, war das Amtshaus am Hauptplatz ein wichtiger Punkt auf ihrer Agenda. Das denkmalgeschützte Eckhaus sollte saniert, an die Bedürfnisse eines Gemeindeamtes adaptiert und um einen Anbau für den Gemeindesaal ergänzt werden. Die Gemeinde schrieb einen offenen Wettbewerb aus.

Architekten des Büros SUE aus Wien überzeugten die Jury mit ihrer Idee, den Saal nicht an den Bestand anzubauen, sondern ihn mitten auf den Hauptplatz über einer Tiefgarageneinfahrt zu platzieren. Sie hatten das Ansinnen der Gemeinde, ein offenes Amtshaus zu bekommen, sehr ernst genommen. Doch genau dagegen regte sich der Widerstand der Bevölkerung. „Es war eine meiner härtesten Zeiten als Bürgermeisterin“, erinnert sich Böker an die Tage, an denen das Siegerprojekt vorgestellt wurde und in aller Munde war. Die Architekten von SUE ließen sich durch die anfängliche Skepsis der Bevölkerung aber nicht entmutigen und arbeiteten einen Alternativvorschlag aus; der Grundstein für das heutige Gebäude gelegt. Christian Ambos, Michael Anhammer und Harald Höller von SUE haben mit großer Sensibilität das Haupthaus saniert, um einen Anbau ergänzt und zugleich viel Sorgfalt darauf verwendet dem neuen Gemeindezentrum die gewünschte Offenheit zu verleihen.

Lediglich ein paar Stufen trennen den Bürgersteig vom Gemeindesaal und vice versa. Nicht nur der Gemeinderat, auch Vereine und Privatpersonen können den Saal für Veranstaltungen oder Hochzeiten nützen. Die vier Meter lange Glasfassade lässt sich fast zur Gänze zurückschieben. Bei schönem Wetter, so erzählt Böker, halten Fußgänger an, setzten sich auf die Stufen und schauen zu. An solchen Tagen fließt der öffentliche Raum gleichsam in den Saal hinein und findet dann, quer durch eine ebenfalls verschiebbare Glasfront, Fortsetzung in den idyllischen Arkadenhof. Die Ottensheimer sind zu Recht stolz auf das neue Haus. Nach der Hauptplatzgestaltung durch Boris Podrecca im Jahr 2001 ist das neue Amtshaus ein weiteres sichtbares Bekenntnis der Gemeinde zur Baukultur.

25 Kilometer von Ottensheim entfernt liegt Wallern an der Trattnach, eine wachsende Gemeinde, die von ihrer Nähe zu Wels und Eferding sowie Bad Schallerbach profitiert. Auch hier hat man sich viele Jahre um den Bau eines Veranstaltungszentrums bemüht. Ein Jahr nach seiner Fertigstellung ist es zu einem neuen Wahrzeichen geworden. Auf dem Weg zum Hauptplatz fährt man direkt an dem golden glänzenden Gebäude vorbei. Die Architekten Schneider & Lengauer haben in Wallern bewusst den Kontrast gesucht. Der Bauplatz war so beengt, dass er so weit wie möglich ausgenutzt werden musste, erzählt Lengauer. Dadurch kommt die weit in den Straßenraum auskragende Form zustande: Durch das ausladende Obergeschoß und einen Erker konnten die Architekten zusätzlichen Raum für das Obergeschoß gewinnen. Dem Foyer merkt man die beengten Verhältnisse an, der eigentliche Saal aber kann bis zu 400 Leute fassen.

Belichtet wird der Saal über straßenseitige und ins Dach eingelassene Fensterbänder. Der Erker im Obergeschoß ist zu einem beliebten Aufenthaltsbereich in den Pausen geworden. Fast intim sind die Ausblicke, die man auf die gegenüberliegenden Wohnhäuser hat. Ursprünglich wollte der Gemeinderat von Wallern gemeinsam mit einem Privaten einen Veranstaltungssaal in Kombination mit einem bestehenden Gasthaus errichten. Die Baupläne und Verträge waren schon fertig, da scheiterte das Vorhaben an den vorzulegenden Sicherheiten der Privatperson. Zu eben dieser Zeit stand auch das traditionsreiche Gasthaus Schaich mitten im Ortskern zum Verkauf. "Man muss froh sein, wenn man ein funktionierendes Gasthaus im Ort hat, sagt Amtsleiter Rudolf Stich, „zwei Gasthäuser können nur schwer bei uns bestehen.“ So entschied man sich, das Gasthaus Schaich zu kaufen und um einen Veranstaltungssaal zu ergänzen, den Wettbewerb gewannen Schneider & Lengauer. Die goldene Fassade war natürlich das meistdiskutierte Thema: Das Gebäude sollte auch nach außen hin signalisieren, dass es etwas Besonderes für den Ort ist. Der Gemeinderat vertraute den Architekten. „Ein Architekt kann eben nur so gut sein, wie es der Bauherr zulässt“, sagt Erich Legnauer. „Wir spüren, dass das Klima für Baukultur in Oberösterreich langsam besser wird. Die Kommunen trauen sich wieder mehr zu.“

Der Standard, Sa., 2010.12.04



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14. August 2010Anne Isopp
Der Standard

Macht Platz für öffentliches Grün

Im Juni wurde der neu gestaltete Yppenplatz der Bevölkerung übergeben. Ein Lokalaugenschein in Wien-Ottakring über das Leben im öffentlichen Raum.

Im Juni wurde der neu gestaltete Yppenplatz der Bevölkerung übergeben. Ein Lokalaugenschein in Wien-Ottakring über das Leben im öffentlichen Raum.

Über den Platz rollt ein gelber Tennisball. Ein schwarzer Hund fliegt ihm hinterher, schnappt ihn und will weiterspielen. Auf den Bänken im Schatten des Marktamtes hat sich ein Vater mit zwei Söhnen niedergelassen, dann eine Gruppe behinderter Männer mit ihren Betreuern. Der Hund macht keine Unterschiede - Hauptsache, das Gegenüber spielt mit. Es ist Vormittag und noch wenig los auf dem Yppenplatz in Wien-Otta-kring. Man hört das Rauschen der Blätter und Kinderstimmen. Vor knapp zwei Monaten, Mitte Juni, wurde der neugestaltete Yppenplatz feierlich der Bevölkerung übergeben.

„Der Platz war in die Jahre gekommen, der Nutzungsdruck ist enorm“, sagt Anita Voraberger, Vorsitzende des Umweltausschusses Ottakring und Mediensprecherin der Umweltstadträtin Ulli Sima. In Ottakring gibt es in der Nähe vom Gürtel kaum öffentliche Plätze; die Bebauung ist sehr dicht und damit der Bedarf nach Freiräumen und öffentlichem Grün groß. Wenn täglich viele Menschen auf so einem Platz zusammenkommen, dann nennt man das „einen hohen Nutzungsdruck“, und der habe eine Neugestaltung notwendig gemacht. Die Entscheidung, den Platz neu zu gestalten, hat der Bezirk getroffen. Den Entwurf und die Umsetzung haben dann die Wiener Stadtgärten, kurz MA 42, übernommen. Die Summe von 600.000 Euro wurde zu 50 Prozent von der EU kofinanziert.

Nicht alle waren und sind davon überzeugt, dass der Platz überhaupt eine neue Gestalt brauchte. Für die einen hat er gut funktioniert, für die anderen war er nur eine „Betonwüste“. Der Wunsch nach mehr Grün und mehr Schatten war aber bereits vor zehn Jahren einer der Hauptwünsche der Bevölkerung. Damals ging ein einjähriges Bürgerbeteiligungsverfahren der Neugestaltung durch die Landschaftsarchitekten Ursula Kose und Lilli Licka voraus. Doch da der Platz sich auf einem Luftschutzbunker aus dem Zweiten Weltkrieg befindet, wachsen die Bäume nicht so schnell und so hoch, wie gewünscht. Die Bäume, die vor zehn Jahren gepflanzt wurden, stecken noch in den Kinderschuhen. Nicht wenige von ihnen mussten nun ersetzt werden, da ihre Rinde von Hund und Mensch zu sehr beschädigt worden war.

„Wir haben dem quadratischen Platz eine lockere Form gegeben, ihn modernisiert und freundlicher gestaltet“, erzählt der Projektverantwortliche Stefan Streicher von der MA 42. Mandelförmige Hochbeete und eine Stahlpergola, an der Blauregen und Trompetenwinde hochranken sollen, gestalten nun die Platzmitte. Betonmauern umranden die Beete und dienen als Sitzfläche. Der Kinderspielplatz wurde mit neuen Spielgeräten und mit Kies statt mit Rindenmulch bestückt. An den Rändern des Platzes stehen Tische mit Bänken und sogenannte Wellenliegen, die sich laut Streicher auch schon in anderen Parks bewährt haben. Das Herzstück des Platzes aber ist - zumindest aus Jugendperspektive - der Fußballkäfig mit dem angrenzenden Basketball- und Volleyballplatz.

„Mir gefällt der Platz“, sagt Vessela Petrova. Sie wohnt in der Nähe und war diese Woche schon viermal mit ihren Söhnen hier. Die beiden laufen in Badehosen über einen ebenfalls mandelförmig hervorgehobenen Bodenbelag und warten darauf, dass endlich wieder Wasser herausspritzt. Mal ist es ein Strahl, mal zwei und mal drei, oft aber auch keiner. „Er ist viel schön als vorher“, sagt die Frau, „aber er wird nicht so bleiben“, fürchtet sie. Die Leute schätzten den Platz nicht. Wirklich beurteilen können, wird man das erst nach einiger Zeit - das sagt auch Florian Brand von der Gebietsbetreuung Ottakring. „Bei schönem Wetter ist der Platz immer voll, jetzt sowie vorher.“ Die Meinungen über den Platz sind unterschiedlich, das weiß die Gebietsbetreuung am besten. Dort laden viele Beschwerden und Wünsche ab. In den Planungsprozess aber seien sie diesmal nicht mit eingebunden gewesen. Trotzdem ist Brand froh, dass Geld in den öffentlichen Raum investiert wurde. Werden es die Rankpflanzen schaffen, wo schon die Baumstämme so beschädigt wurden, dass sie abgestorben sind? Wie werden die Hochbeete in ein paar Jahren ausschauen? Wie wird es den Bodenbelägen und den Sitzgelegenheiten gehen? Auch mit dem Schatten ist es so eine Sache: Pergola und Blumenbeete sorgen zwar für sichtbar mehr Grün, aber nicht unbedingt für mehr Beschattung der Sitzgelegenheiten.

Wie viel Freiraum ist notwendig?

Am Nachmittag und am frühen Abend ist hier eindeutig am meisten los. Nach und nach füllen sich Fußball-, Kinderspielplatz, auch alle Tische und Bänke, die ein wenig Schatten versprechen. Dort spielt eine Gruppe Männer Karten. Am Nachbartisch sitzen die Frauen, die Kinder pendeln zwischen Platzmitte, Kinderspielplatz und Müttern hin und her. „Früher war das wie eine große Bühne“, erinnert sich Regina Nitschke von den Wiener Kinderfreunden. Sie ist für die Parkbetreuung in Ottakring zuständig, mit der sie Kinder von sechs bis 13 Jahren ansprechen. Sie war gemeinsam mit der mobilen Jugendarbeit Back on Stage, die sich um die Jugendlichen kümmern, in den Planungsprozess eingebunden. „Es gab viel freie Fläche und wenige Sitzgelegenheiten.“ Vor allem die Mädchen hätten sich mehr Rückzugsmöglichkeiten gewünscht. Nitschke ist zufrieden mit der Neugestaltung. Vorher haben die Jugendlichen irgendwo gespielt, jetzt sei es klarer definiert.

Wie viel Planung braucht ein öffentlicher Platz? Wie viele Nutzungsmöglichkeiten sollten vorgegeben, und wie viel Freiraum den Benutzern geboten werden? Ein schwieriges Thema. Landschaftsarchitektin Kose: „Je mehr ein Platz kann, desto besser ist er für die unterschiedlichen Gruppen zu bespielen“. Damit ist die jetzige Gestaltung sicherlich der genaue Gegenentwurf zu dem von Koselicka von vor zehn Jahren. „In bin seit zehn Jahren hier auf dem Platz“, sagt der 19-jährige Yunus. Er findet es war früher besser. Die Jugendlichen haben sich ein Netz über dem Fußballkäfig gewünscht und bekommen. Die versprochenen Fußballtore gibt es noch immer nicht, und das ärgert sie. „Der Rest des Platzes interessiert mich wenig“, sagt er. Ein bisschen „bobo“ sei alles geworden, meint sein Freund.

Um der Gentrifizierung des Viertels gerecht zu werden, wollte man den Platz „schicker“ machen. „Aber was will der Platz sein?“, fragt sich Architektin Silvia Forlati, die wie so viele gerne am Samstagvormittag auf den Brunnenmarkt kommt. „Der Yppenplatz ist ein spannender Ort, der Entwurf aber spiegelt das nicht wider. Mir kommt das wie Kosmetik vor“, kritisiert sie.

In Wien fehle es an Tradition und an Sensibilität, einen Platz zu gestalten, sagt auch Boris Podrecca. Der Wiener Architekt liebt es, Plätze zu gestalten, weil er Menschen zusammenführen will. „Ein Platz ist das Passpartout, in dem unsere Handlungen stattfinden“, er denkt dabei an eine präzise formulierte Gestalt, an schöne Texturen und erfrischende Wasserelemente. Dann können Plätze die Interaktion fördern und stellen damit ein Gegenmodell zu Chat-rooms dar.

Für eine funktionierende Gesellschaft sind Platzgestaltungen ein Thema, über das differenzierter nachgedacht werden muss. Gelegenheit zum Diskutieren und Nachdenken gibt es etwa im November beim Architektursymposium im Architekturzentrum Wien zum Thema „Urban Public Space“.

Der Standard, Sa., 2010.08.14

14. Juli 2010Anne Isopp
zuschnitt

Brettschichtholz sucht Stahlstütze

Der irische Regierungspalast Leinster House in Dublin ist umgeben von einem hohen Zaun. Gleich dahinter, von der Straße aus fast unsichtbar, stehen zwei...

Der irische Regierungspalast Leinster House in Dublin ist umgeben von einem hohen Zaun. Gleich dahinter, von der Straße aus fast unsichtbar, stehen zwei...

Der irische Regierungspalast Leinster House in Dublin ist umgeben von einem hohen Zaun. Gleich dahinter, von der Straße aus fast unsichtbar, stehen zwei gläserne Pavillons – jeweils rechts und links vom Haupteingang. Der kleinere Siopa Pavilion von 2008 dient der Nahversorgung der Parlamentsmitglieder mit Zeitungen und Lebensmitteln, der größere Leinster Pavilion von 2001 ist der eigentliche Eingangspavillon. Hier finden die Sicherheitskontrollen aller ein- und ausgehenden Personen statt und hier werden die Besuchergruppen in Empfang genommen. Die besondere Herausforderung für die Architekten Bucholz McEvoy war – gerade im Hinblick auf das historisch bedeutende Leinster House, die Pavillons so transparent wie möglich zu gestalten. Dabei griffen sie nicht auf eine reine Stahl-Glas-Konstruktion zurück, sondern wählten eine Materialkombination aus Holz, Stahl und Glas. Die Glashaut und die zarten Stützen gewährleisten den ungehinderten Blick auf Leinster House.

Die Architekten positionierten beide Pavillons so, dass sie genau unter prächtigen Platanen zu stehen kommen und die hölzernen Dachtragwerke in direktem Dialog mit den sich darüber ausbreitenden Baumkronen stehen.

Von oben betrachtet sieht die Dachkonstruktion des Leinster Pavilion aus wie ein Scherengitter, nur mit dem Unterschied, dass die Diagonalen nicht in einer Ebene liegen. Lediglich in den mittleren Kreuzungspunkten sind sie miteinander verschränkt, am Rande kommen sie über- beziehungsweise nebeneinander zu liegen.

»Das Dach ist keine Aneinanderreihung von sich kreuzenden Balken«, betont der verantwortliche Ingenieur Niccolò Baldassini vom in Paris ansässigen Ingenieurbüro RFR. »Es ist ein Gitterfachwerk, das seine Kräfte ausschließlich in die rückwärtigen Stützen ableitet.« Die vorderen, parkseitigen Stützen dienen lediglich dem Abtragen des Eigengewichts und der auf die Glashaut wirkenden Windlasten. Für die mittleren Kreuzungspunkte leimte man in einem ersten Arbeitsschritt Zweier- und Dreierschichten zusammen, kerbte dann die Träger entsprechend ein, um in einem letzten Schritt die restlichen Schichten für die Brettschichtholzträger von 40 mal 13 cm anzuleimen.

Der Siopa Pavilion spricht eine ähnliche formale Sprache. Er ist jedoch von der Konstruktion her einfacher. Die lastabtragenden Stahlstützen stehen mittig unter den Dachbalken. Die zarten Stützen entlang des Zaunes übernehmen ebenfalls nur das Abtragen des Eigengewichts und der auf die Glashaut wirkenden Windlasten. Die Balken sind an den Endpunkten mithilfe unsichtbarer Vollgewindeschrauben miteinander verbunden. Diese Schrauben kamen ebenfalls zur Verstärkung der minimalen Auflagerflächen im Bereich der Stahlstützen zum Einsatz. Die Herausforderung für die ausführende Firma bestand nicht nur in der Forderung nach minimalen Anschlussflächen und unsichtbaren Verbindungsmitteln, auch die aus optischen Gründen erforderliche Beschaffung einer absolut astfreien Lärche erwies sich als sehr schwierig und führte zu einem hohen Ausschuss in der Fertigung.

zuschnitt, Mi., 2010.07.14



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Siopa Pavilion

16. März 2010Anne Isopp
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Von wegen passiv!

Es regnet schon seit den Morgenstunden und scheint nicht aufhören zu wollen. Natürlich können die Kinder an solchen Tagen nicht hinaus in den Garten gehen....

Es regnet schon seit den Morgenstunden und scheint nicht aufhören zu wollen. Natürlich können die Kinder an solchen Tagen nicht hinaus in den Garten gehen....

Es regnet schon seit den Morgenstunden und scheint nicht aufhören zu wollen. Natürlich können die Kinder an solchen Tagen nicht hinaus in den Garten gehen. Dafür dürfen sie den breiten Mittelgang mit ihren Dreirädern rauf und runter fahren. Der neue Kindergarten am Tivoli hat auffallend viel Platz und auffallend viele Fensterflächen. Sind die Kinder gerade nicht ins Spiel vertieft, stehen sie sehr gerne an den raumhohen Fensterscheiben und beobachten, was auf der Straße passiert. Doch wo man rausschauen kann, kann man auch reinschauen. Für die Kindergartenpädagoginnen war diese Transparenz zu Beginn ungewohnt – ebenso wie die Tatsache, von nun an in einem reinen Holzbau zu arbeiten. Gerne erzählt die Kindergartenleiterin Judith Singer-Bassetti von dem Aha-Erlebnis der Eltern: „Alle, die zum ersten Mal hier hereinkommen, sind begeistert von dem Geruch.“

Tivoli ist ein neuer Stadtteil in Innsbruck auf dem Areal des gleichnamigen alten Stadions. Architekt Helmut Reitter hat hier, gleich neben dem Freibad, einen Kindergarten mit Hort und ein Jugendzentrum errichtet. Der Kindergarten, ein lang gestreckter Pavillon, der sich im Bereich des Hortes zu einem zweigeschossigen Baukörper faltet, ist ein reiner Holzbau. Das Jugendzentrum, ein kubischer zweigeschossiger Bau, ist hingegen in Massivbauweise errichtet. „Schon beim Wettbewerb ist uns die Materialwahl schlüssig vorgekommen“, sagt Reitter. Dafür habe es keine funktionale, sondern eher eine emotionale, atmosphärische Begründung gegeben. Der Kindergarten ist ein Holzriegelbau mit tragenden Innenwänden und Decken aus Brettsperrholz sowie Innensäulen und Unterzügen aus Brettschichtholz. Außen ist der Baukörper mit einer verdeckt befestigten Eichenfassade und im Bereich der Attika mit dunkelbraunen Hochdruck Schichtstoffplatten (hpl-Platten) verkleidet.

Passivhausstandard Ursprünglich als Niedrigenergiehaus entworfen, wurde es schließlich doch in Passivhausstandard ausgeführt. Dies bedeutete dickere Dämmstärken, passivhaustaugliche Fenster, eine kleinere Wärmepumpe sowie höhere Ansprüche an die Anschlussdetails. Beim Sockelpunkt zum Beispiel, so erzählt die hinzugezogene Passivhausspezialistin Christina Krimbacher, musste nun die Dämmung unter die Bodenplatte gezogen werden, um eine lückenlos geschlossene Hülle zu garantieren. Weiters kam es auf eine winddichte und luftdichte Hülle an. Die Wände bestehen aus einer Holzriegelkonstruktion, die mit Zellulose ausgeblasen ist. Nach innen hin sind auf diese eine osb-Platte mit Dampfbremse, eine Installationsebene mit Hanfdämmung und eine Dreischichtplatte aufgebracht, nach außen hin folgen der tragenden Konstruktion eine Holzweichfaserplatte, ein Windpapier und die Eichenbretter der Fassade, die auf eine horizontale Lattung von hinten aufgeschraubt sind.

Alle vier Gruppenräume sind nach Westen orientiert, hin zu einem überdachten Außenspielbereich. Zwischen den Gruppenräumen liegen kleinere Einheiten, die in den Mittelgang hineinverschoben sind, sodass dieser zusätzlich belichtet wird und terrassenseitig kleine geschützte Atrien entstehen. Bewegungsraum, Ruheräume, Essbereich und Nebenräume liegen im Osten. Ein breiter, über Lichtkuppeln mit Tageslicht belichteter Mittelgang verbindet die beiden Bereiche. Der Boden ist aus Eiche, die Wände sind aus Lärche und die Decken mit Weißtannen-Akustikpaneelen verkleidet. Um die unterschiedlichen Holzarten aufeinander abzustimmen, wurden die Wände weiß lasiert und der Boden weiß geölt.

Die Bauzeit betrug genau ein Jahr, von September 2007 bis September 2008. Seit anderthalb Jahren ist der Kindergarten nun in Betrieb. „Hier werden alle Sinne gestreichelt“, sagt die Kindergartenleiterin und meint damit nicht nur die natürliche Atmosphäre, sondern auch die angenehme Raumluft. Denn Kinder und Holz haben mehr als nur eine emotional begründete Gemeinsamkeit. Beide mögen trockene Luft nicht besonders. Ein CO2-Fühler regelt den Frischluftzustrom und sorgt für ein optimales Raumklima.

zuschnitt, Di., 2010.03.16



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zuschnitt 37 Im Kindergarten

16. März 2010Anne Isopp
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Passgenau

In Österreich gibt es zu wenige Kinderbetreuungsplätze. Dies bedeutet für die nächsten Jahre, dass viele Kindergärten neu gebaut, bestehende Einrichtungen...

In Österreich gibt es zu wenige Kinderbetreuungsplätze. Dies bedeutet für die nächsten Jahre, dass viele Kindergärten neu gebaut, bestehende Einrichtungen...

In Österreich gibt es zu wenige Kinderbetreuungsplätze. Dies bedeutet für die nächsten Jahre, dass viele Kindergärten neu gebaut, bestehende Einrichtungen erweitert und Gebäude adaptiert werden müssen. Gerade Letzteres ist schon heute in Städten die Hauptbauaufgabe, wenn es um die Schaffung neuer Plätze geht. Wir haben uns drei Beispiele angesehen: in Wien, Innsbruck und Berlin.

Holz schafft Raum

„Das geforderte Raumprogramm hätten wir hier nie untergebracht, wenn wir nicht mit Ebenen gearbeitet hätten“, erzählen Franz Ryznar und Roswitha Siegl von aap.architekten in Wien. In die ehemalige Hofküche im Schloss Schönbrunn, einem 5,10 Meter hohen Gewölberaum, haben sie für die Wiener Kinderfreunde einen viergruppigen Kindergarten eingebaut. Während Kinder es lieben, einen Raum zu erklettern und ihn aus verschiedenen Perspektiven zu erfahren, sind Emporen bei Erwachsenen nicht immer gerne gesehen. Das Erklimmen von niedrigen Emporen kann für Pädagoginnen und Reinigungspersonal mühselig sein. Doch in diesem Fall war allen Beteiligten klar, dass das Projekt nur durchführbar ist, wenn man im Raum mehrere Ebenen schafft. Anders als beim Neubau konnten Flächen ab 2,40 Meter Raumhöhe voll angerechnet werden.

Die Architekten schufen ineinander verschachtelte Räume mit unterschiedlich hohen Ebenen und nahmen damit dem Raum die Strenge. Aus hellem Finnbirkensperrholz sind Emporen, Möbel und die Wände, in die Schränke integriert sind. Dies schafft eine heimelige, warme Atmosphäre. Gerne hätten die Architekten auch Holz am Fußboden gesehen, konnten den Betreiber jedoch nicht vom Linoleum abbringen.

Die Kosten für einen Einbau in eine bestehende Gebäudestruktur schätzt Franz Ryznar auf 800,– bis 2.000,– €/m2, je nachdem ob in die Struktur eingegriffen werden muss oder nicht. Die Bauherren würden den Kostenaufwand aber fast immer unterschätzen. „Im Zusammenspiel der Normen, Kosten, Brandschutz- und Sicherheitsvorschriften kann man sich kaum noch bewegen“, beklagt der Architekt das immer enger werdende Korsett, wenn es um den Bau von Kindergärten geht. Wo vor ein paar Jahren noch offene Garderoben im Eingangsbereich gern gesehen waren, ist dies aus brandschutztechnischen Gründen heute in Wien nicht mehr möglich. Sie müssen in abgeschlossenen Räumen liegen, am besten hinter Brandschutztüren, die die Kinder kaum mehr aufbekommen.

Holz sucht Farbe

Ganz andere Bedingungen hatten die Architekten Froetscher Lichtenwagner beim Einbau eines Kindergartens und Hortes im centrum.odorf in Innsbruck. Im Obergeschoss des lang gestreckten Baukörpers stand hierfür eine Fläche von 2.000 m² zur Verfügung. Eingestellte farbige Boxen in Leichtbauweise beherbergen die Gruppen, Flur und Garderobe bilden ein offenes Raumkontinuum. Am Übergang zum Schülerhort befinden sich die gemeinsam genutzten Bereiche wie Küche, Speisesaal und Bewegungsraum. Die Architekten sprechen von einer Stadt in der Stadt: Die Gruppenräume sind die Häuser, die Flure und Garderoben die Straßen und Plätze. „Wir beschränkten uns darauf, die Materialien zu definieren – bewegliche Möbel aus Sperrholz, mit Birke furniert – und einzelne wichtige Elemente wie Baumhaus und Raupe zu konzipieren“, beschreiben die Architekten ihre Herangehensweise. (1) Der Fußboden ist aus Eiche. Die Raupe, ein 30 Meter langes Sitzobjekt im Eingangsbereich des Kindergartens, besteht aus mdf-Platten, die mit einem rutschfesten Zweikomponentenlack behandelt wurden. Jeder der vier Gruppenräume hat sein eigenes Baumhaus, ein Klettergerüst, das in die Trennwand integriert und von beiden Seiten zugänglich ist. Auch die Baumhäuser sind aus mit Birke furniertem Sperrholz, aber farbig lackiert.

Holz braucht Fantasie

Was aber tun, wenn so gut wie kein Budget vorhanden ist? Dann muss auf einfache Mittel zurückgegriffen werden. So wie beim Taka-Tuka-Land in Berlin, einem Kindergarten, der in einem provisorischen Holzständerbau untergebracht ist. Der Bauherr wollte eigentlich nur die Fassade sanieren. Doch das vorhandene Budget von 90.000 Euro wäre viel zu gering gewesen, um dem Wunsch nach einer neuen Holzfassade nachzukommen, erzählt Architektin Susanne Hofmann von den Baupiloten.

So schlug die Architektengruppe vor, die Fassade nur dort zu sanieren, wo notwendig, und das restliche Geld in die Neugestaltung des Innenraumes zu stecken. Die geputzten Holzplatten der Fassade wurden nur dort abgeschnitten, wo sie verfault waren, neu gestrichen und mit einem Spritzschutz von unten angearbeitet. Die Attika und einzelne Platten mussten ganz ausgetauscht werden. Neue große Fenster bringen viel mehr Licht ins Innere, neue Podeste und Einbauschränke aus Furniersperrholz ein frischeres Ambiente. Besonders das Klettergerüst an der Fassade bereitet den Kindern viel Freude. Von innen können sie über ein Fenster in das Gerüst und nach draußen klettern.

Die Baupiloten sind eine wechselnde Gruppe von Studierenden, die unter der Anleitung von Susanne Hofmann Projekte planen und realisieren. Die Entwürfe basieren immer auf Partizipation mit den späteren Nutzern. Auch in diesem Fall wurden die Kinder von Anfang an in den Entwurfsprozess eingebunden.

Auf die Frage, ob sie ein Material bevorzuge, antwortet Susanne Hofmann: „Können sie sich die Welt von Pippi Langstrumpf in Metall vorstellen?“ Der Statiker habe ihnen ein Metallgerüst vorgeschlagen. Sie aber entschieden sich für einfache Holzdreiecke aus grün lasiertem Eichenholz, die zu einem Raumtragwerk zusammengeschraubt und mit weichen Kissen aus gelben lkw-Planen ausgepolstert wurden.

zuschnitt, Di., 2010.03.16



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15. Dezember 2008Anne Isopp
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Natur geschichtet

Schloss Lackenbach im Burgenland ist seit dem 17. Jh. im Besitz der Familie Esterházy. Heute beherbergt das Renaissanceschloss einen Konzert- und Veranstaltungssaal...

Schloss Lackenbach im Burgenland ist seit dem 17. Jh. im Besitz der Familie Esterházy. Heute beherbergt das Renaissanceschloss einen Konzert- und Veranstaltungssaal...

Schloss Lackenbach im Burgenland ist seit dem 17. Jh. im Besitz der Familie Esterházy. Heute beherbergt das Renaissanceschloss einen Konzert- und Veranstaltungssaal und ein kleines Naturmuseum. Ganz keck hat sich nun ein moderner Eingangspavillon mit Kassa, Café, Toiletten und Lagerräumen vor das altehrwürdige Ensemble geschoben. Schon auf dem Weg vom Parkplatz zum Schloss fällt der Blick auf den eingeschossigen, rundum verglasten Bau. Meist ist von diesem nicht viel zu erkennen, denn durch die spiegelnde Fassade ist er eins mit dem ihn umgebenden Park. Ein andermal vermischt sich die Spiegelung mit dem, was hinter der Glasscheibe zu sehen ist, und nur in seltenen Fällen tritt sie so weit zurück, dass man eine Holzstruktur wahrnehmen kann.

Es scheint ein ständiger Dialog zu sein, den der Bau mit seiner Umgebung führt, und erst von Nahem erkennt man, dass die Glasfassade nicht durchgehend transparent ist und die Scheiben mit einem dunklen Holzfurnier hinterlegt sind. Genau ein Jahr blieb für Planung und Ausführung des Gebäudes in Holzskelettbauweise, das sich dadurch auch in seiner Konstruktion deutlich vom Bestand absetzt. Für den Werkstoff Holz sprach nicht nur, dass die Esterhazys zu den größten Waldbesitzern Österreichs zählen, sondern auch die kurze Bauzeit. Im Grundriss ist der Pavillon ein Rechteck, in das kleine Höfe eingeschnitten sind, um den lang gestreckten Bau kleinteiliger wirken zu lassen. Im Inneren ist er mit dunkel gebeizten Eichendielen ausgekleidet und auch nach außen hin wollten die Architekten das Holz sichtbar machen. Zuerst wurde an eine durchgehende Glasfassade mit dahinterliegenden Holzboxen gedacht, was sich jedoch als problematisch erwies. Nun ist das Holz in die Glaselemente integriert – eine für diese Situation ideale Konstruktion, wie die Architekten finden. Die Glaselemente sind wie Isolierglasscheiben aufgebaut, nur dass zwischen den Scheiben kein Hohlraum, sondern eine mit Furnier bezogene Platte ist. Gerne hätten die Architekten auch dafür Eiche genommen. Doch die Firma wollte die Farbbeständigkeit des Eichenfurniers nicht garantieren, sodass die Wahl schlussendlich auf Wenge fiel. Durch die Spiegelungen ist die Holzoberfläche aber ohnehin kaum isoliert wahrzunehmen.

zuschnitt, Mo., 2008.12.15



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LAC - Veranstaltungsgebäude Schloss Lackenbach



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16. September 2008Eva Guttmann
Anne Isopp
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Brettsperrholz

Vor fast dreißig Jahren tauchte das Wort erstmals – wenn auch in anderem Zusammenhang als heute gebräuchlich – in der Fachliteratur auf. Zwanzig Jahre...

Vor fast dreißig Jahren tauchte das Wort erstmals – wenn auch in anderem Zusammenhang als heute gebräuchlich – in der Fachliteratur auf. Zwanzig Jahre...

Vor fast dreißig Jahren tauchte das Wort erstmals – wenn auch in anderem Zusammenhang als heute gebräuchlich – in der Fachliteratur auf. Zwanzig Jahre später, nämlich 1998, wurden sowohl in Deutschland als auch in Österreich die ersten bauaufsichtlichen Zulassungen für jene flächigen, lastabtragenden, mehrschichtigen Massivholzplatten vergeben, die heute v. a. unter dem Namen Brettsperrholz (BSP) bekannt sind.

Das Produkt selbst war nicht neu: Tischlerplatten, Sperrholzplatten, Furnierschichtholz – sie alle funktionieren nach dem gleichen Prinzip. Neu war die Dimension, in der die Platten produziert wurden und die sie als tragende Elemente erst verwendbar machte. Die Idee kam ursprünglich aus den Sägebetrieben, die eine Möglichkeit suchten, aus der sogenannten »Seitenware« – die aufgrund der Dimension oder Qualität etwa zur Herstellung von stabförmigen Holzwerkstoffen wie Brettschichtholz (BSH) nicht verwendet werden kann – ein hochwertiges Produkt zu kreieren. Inzwischen ist BSP seit zehn Jahren auf dem Markt und stellt in Form der Holzmassivbauweise eine wichtige Ergänzung zum »herkömmlichen« Holzbau dar.
Platten basteln

Brettsperrholz besteht üblicherweise aus drei bis sieben kreuzweise miteinander verklebten Nadelholz-Brettlagen, deren Einzelbretter der Länge nach mit Keilzinken kraftschlüssig verbunden sind. Es wird in Industrie- oder in Sichtqualität angeboten. Je nach Produktionsweise werden zuerst Einschichtplatten erzeugt, indem die einzelnen Bretter an ihren Schmalseiten miteinander verleimt und die so entstandenen Brettlagen zu Mehrschichtplatten »gestapelt« werden. Andere Hersteller legen die einzelnen Holzlamellen ohne Schmalseitenverklebung nebeneinander und leimen Lage für Lage übereinander. Über die Vor- und Nachteile der Schmalseitenverklebung gibt es geteilte Meinungen. Ein Hauptargument dafür ist die Winddichtigkeit des Produkts, ein Argument dagegen die möglicherweise größere Schwindrissbildung, was bei Sichtoberflächen ohne zusätzlich aufgebrachte Sichtlage eine Rolle spielen kann. Gesichert ist allerdings, dass Platten ohne Schmalseitenverleimung keine schlechteren Trageigenschaften haben als solche mit.
Die guten ins Töpfchen, die schlechten auch

Für BSP wird üblicherweise Holz der Festigkeitsklasse S10 gemäß ÖNorm din 4074 verwendet, lediglich ca. 10% entsprechen der Festigkeitsklasse S7. Bei Holzmerkmalen wie Ästen werden die Bretter in der Produktion gekappt und mittels Keilzinkung bis zur gewünschten Länge addiert. Normalerweise kommt die Seitenware in die Mittellage(n) der BSP-Platte, während die Decklagen aus optisch hochwertigeren Brettern hergestellt werden. Gibt es hohe visuelle Anforderungen, dann bieten manche Hersteller Platten mit eigens aufgebrachten Sichtlagen an.
Was BSP kann – und was nicht

Durch die kreuzweise Verleimung der einzelnen Brettlagen wird aus dem gerichteten Werkstoff Holz ein Material mit Platten- bzw. Scheibenwirkung, das als Wand, Decke und Dach, aber auch für Bodenplatten von Brücken o. Ä. eingesetzt werden kann. Ein wesentlicher Vorteil ist die Maßhaltigkeit des Produkts. Die absperrende Wirkung der Verleimung gewährleistet eine hohe Formstabilität, genaue Schwind- bzw. Quellmaße werden produktspezifisch von den einzelnen Herstellern angegeben, wobei die jeweiligen Werte zwischen 0,01% und 0,025% in Längs- bzw. Querrichtung pro geändertem Prozent Holzfeuchte liegen. Weiters lassen sich bei entsprechender Verbindungstechnik aus Brettsperrholz Gebäude von hoher Steifigkeit errichten, eine Eigenschaft, die auch in Hinblick auf erdbebensicheres Bauen, wie es in Italien oder Japan Thema ist, viel Potenzial beinhaltet.

Je nachdem, ob ein Wand- oder ein Deckenelement hergestellt wird, sind (außer im Fall spezieller statischer Anforderungen) die Querlagen bzw. die Längslagen an den Außenseiten der Platten. Die industrielle Produktion von BSP ermöglicht einen besonders hohen Vorfertigungsgrad bis hin zum Abbund mit bereits eingefrästen Fenster- und Türöffnungen, wobei alle Fertigungsschritte von Anfang an computergesteuert ablaufen und kaum Eingriffe in der Herstellung erfordern. Großes Augenmerk kommt der Logistik beim Verladen der fertigen Elemente zu, deren Reihenfolge beim Montieren unbedingt berücksichtigt werden muss.

BSP eignet sich für Konstruktionen in den Nutzungsklassen 1 und 2* mit vorwiegend ruhenden Verkehrslasten, nicht jedoch an bewitterten Stellen. Daher ist bei Einsatz im Freien unbedingt auf sorgfältigen konstruktiven Holzschutz zu achten, da andernfalls die Tragfähigkeit der Elemente nicht gewährleistet ist.
Die nächsten zehn Jahre

Wohnbauten, Geschossbauten, öffentliche Bauten, Industrie- und Hallenbauten sind ideale Bauaufgaben für die Verwendung von BSP. Steigende Nachfrage im In- und Ausland und neue Anbieter gestalten derzeit den Markt, wobei diese sowohl in Österreich als auch in Deutschland, den beiden wichtigsten Herstellerländern, bisher nur über firmenspezifische Einzelzulassungen verfügen, was eine gewisse Unübersichtlichkeit für Architektinnen und Fachplaner zur Folge hat. Daher gibt es aktuelle Bestrebungen, entsprechende Regelwerke zu schaffen, um – ähnlich wie beim Brettschichtholz – verbindliche Standards festzulegen und das Brettsperrholz zu einem auch hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen eindeutig definierten Produkt zu machen.

* Nutzungsklassen 1 bzw. 2: Feuchtegehalt in den Baustoffen, der einer Temperatur von 20°C und einer relativen Luftfeuchte der umgebenden Luft entspricht, die nur für einige Wochen pro Jahr einen Wert von 65% bzw. 85% übersteigt, wobei eine mittlere Gleichgewichtsfeuchte von 12% bzw. 20% in den meisten Nadelhölzern nicht überschritten wird.

zuschnitt, Di., 2008.09.16



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16. Juni 2008Anne Isopp
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Energiestandards

Bereits heute fordern viele Länder einen Mindest-Energiestandard für Neu-, Um- und Zubauten. Doch die gebaute Umwelt muss noch umweltfreundlicher werden – da sind sich alle einig. Die Wege, die die Länder beschreiten, verlaufen aber sehr unterschiedlich. Neben einem anvisierten »Haus der Zukunft« schaffen immer mehr Länder mithilfe einer ökologischen Gebäudezertifizierung Anreize. Acht Stationen einer Reise.

Bereits heute fordern viele Länder einen Mindest-Energiestandard für Neu-, Um- und Zubauten. Doch die gebaute Umwelt muss noch umweltfreundlicher werden – da sind sich alle einig. Die Wege, die die Länder beschreiten, verlaufen aber sehr unterschiedlich. Neben einem anvisierten »Haus der Zukunft« schaffen immer mehr Länder mithilfe einer ökologischen Gebäudezertifizierung Anreize. Acht Stationen einer Reise.

Bereits heute fordern viele Länder einen Mindest-Energiestandard für Neu-, Um- und Zubauten. Doch die gebaute Umwelt muss noch umweltfreundlicher werden – da sind sich alle einig. Die Wege, die die Länder beschreiten, verlaufen aber sehr unterschiedlich. Neben einem anvisierten »Haus der Zukunft« schaffen immer mehr Länder mithilfe einer ökologischen Gebäudezertifizierung Anreize. Acht Stationen einer Reise.

Europäische Union

Ab 2011 soll der Passivhausstandard für Neubauten bindend sein. Wie unterschiedlich die Umsetzung in den einzelnen Ländern ausfallen kann, verdeutlicht schon heute der Energieausweis. Er ist ein erster Versuch einer verpflichtenden Gebäudezertifizierung und es gibt ihn inzwischen in allen eu-Staaten. Während in Österreich in diesem Gebäudepass der erforderliche Energiebedarf für die Raumwärme festgehalten wird, fragen andere Länder den Primärenergiebedarf oder den CO2-Ausstoß eines Gebäudes ab. Ein direkter Vergleich der Energiestandards ist aber allein schon aufgrund der unterschiedlichen klimatischen Verhältnisse schwierig.

Deutschland

In Deutschland gilt das Passivhaus als das Haus der Zukunft. Eine weiterführende Variante wurde von Architekt Rolf Disch entwickelt und in Form einer ganzen Siedlung auch schon realisiert. Das Plusenergiehaus erzeugt mehr Energie als es verbraucht, allerdings wird seine volkswirtschaftliche Sinnhaftigkeit von manchen infrage gestellt. Deutschland arbeitet derzeit an einem dynamischen Zertifizierungssystem nach dem US-Vorbild von LEED.

* www.plusenergiehaus.de

Großbritannien
Das Ziel der britischen Regierung lautet »Zero Carbon Home«. Der durch den Energieverbrauch eines gesamten Hauses verursachte CO2-Ausstoß soll netto gleich Null sein. Ab 2016 ist dieser Standard für alle Neubauten verpflichtend. Neu errichtete Öko-Städte sollen schon heute zeigen, wie es geht. Die erste CO2-freie Kleinstadt steht kurz vor Baubeginn. Als erstes Land mit Gebäudezertifizierung ist Großbritannien Vorreiter und breeam (Building Research Establishment Environmental Assessment Method) hat immer noch Vorbildfunktion. Bewertet wird mithilfe eines Punktesystems. Beurteilt werden der Planungs- und Bauablauf, der Energie- und Ressourceneinsatz, die Raumluftqualität, die eingesetzten Materialien sowie der Flächenverbrauch. Die Endbewertung lautet ausgezeichnet, sehr gut, gut oder durchschnittlich.

* www.zerocarbonbritain.com
* www.bream.org

Italien

Die Marke KlimaHaus in Italien ist Gebäudestandard und Zertifizierung zugleich. In Form einer am Gebäude angebrachten Plakette kann man darauf hinweisen. Gemessen und beurteilt wird der Heizenergiebedarf. Beim KlimaHaus Gold liegt der Heizenergiebedarf unter 10 kWh/m2a, beim KlimaHaus A unter 30 und beim KlimaHaus B unter 50.

* www.klimahausagentur.it

Japan

Das japanische Gebäudebewertungssystem nennt sich casbee. Es basiert auf dem Prinzip von breeam und leed. Um den Planern und Bauherren schon zu Beginn einer Planung Sicherheit zu geben, gibt es casbee nicht nur für die Kategorien Neubauten, bestehende Bauten und Renovierungen, sondern auch für die Entwurfsphase.

* www.ibec.or.jp/casbee/english/index.htm

Österreich
Während das Niedrigenergiehaus einen Jahresheizwärmebedarf unter 50 kWh/m2 hat, darf dieser bei einem Passivhaus 15 kWh/m2 (nach Berechnung des Passivhausinstituts Darmstadt) bzw. 10 kWh/m2 (nach dem Österreichischen Institut für Bautechnik) nicht überschreiten. Neben diesen beiden Standards sollen nun vermehrt Null- bzw. Plusenergiehäuser thematisiert werden, wobei die Meinungen auseinandergehen, ob es sinnvoller ist, weitere Standards einzuführen, bevor das Passivhaus endgültig etabliert ist. Die drei gängigsten, heimischen Gebäudezertifizierungssysteme tq, ibo-Ökopass und Klima:aktiv, werden derzeit harmonisiert. tqb wird dann für Total Quality Building stehen und soll internationalen Standards entsprechen. Der Energieausweis ist seit 1. Jänner 2008 auch in Österreich für alle Häuser, die nach 2006 errichtet oder maßgeblich verändert wurden, verpflichtend. Ältere Bauten haben noch bis Ende des Jahres Schonfrist.

Schweiz

Das Passivhaus der Schweiz nennt sich Minergie. Ähnlich wie in Italien steht dieser Markenname für einen Standard und eine Zertifizierung. Neben dem Grundstandard Minergie, der für Wohnbauten einen maximalen jährlichen Energiebedarf für Heizung, Lüftung und Warmwasser von 38 kWh/m2 fordert, darf Minergie-P maximal 30 kWh/m2 verbrauchen und muss zusätzliche Anforderungen wie Luftdichtigkeit der Gebäudehülle und Effizienzklasse A bei den Haushaltsgeräten erfüllen. Minergie-eco ist eine Ergänzung zum Minergie- beziehungsweise Minergie-P-Standard und stellt zusätzliche Anforderungen an eine ökologische Bauweise und gute Tageslichtnutzung.

* www.minergie.ch

USA

Die Umweltzertifizierung aus den usa geht viel weiter als der europäische Energiepass. Das leed Zertifikat (Leadership in Energy and Environmental Design) dokumentiert nicht nur Energieeinsparungen. In einem dynamischen Punktesystem wird von einer nachhaltigen Landschaftsplanung, dem Material- und Ressourcenhaushalt, der Raumluftqualität, dem Wasserhaushalt, erhöhter Energieeffizienz bis hin zu einem verbesserten Planungs- und Bauprozess alles bewertet. Obwohl leed jünger ist als »Green Globe« und »Energie Star«, zwei weitere us-Bewertungssysteme, hat es weltweit Beachtung gefunden.

* www.usgbc.org/leed
* www.greenglobe21.com
* www.energystar.gov

zuschnitt, Mo., 2008.06.16



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zuschnitt 30 Holz bauen Energie sparen

08. Mai 2008Anne Isopp
Der Standard

Bauen mit den Zwängen des Tourismus

Architektursensibilität während einer Fahrt über den Wörthersee

Architektursensibilität während einer Fahrt über den Wörthersee

Klagenfurt - Es sind eher die kleinen Bauaufgaben, die in Kärnten auf der Tagesordnung stehen: Einfamilienhäuser, Bootshütten, Supermärkte. Umso mehr Aufmerksamkeit erfordern dann die großen Projekte. Das größte und aufregendste ist momentan das Wörtherseestadion. Die 32.000 Besucher fassende Arena soll nach der Europameisterschaft höchstwahrscheinlich auf 12.000 Sitzplätze zurückgebaut werden.

Im Zuge der Architekturtage können Groß und Klein nicht nur das Wörtherseestadion besichtigen, es gibt eine ganze Reihe von Gebäuden in Klagenfurt und Umgebung zu sehen. Das eigentliche Highlight sei jedoch eine Dampfschifffahrt über den Wörthersee, sagt Astrid Meyer, die diesjährige Organisatorin der Architekturtage Kärnten. „Es geht um die Bebauung am See, es geht um die Zukunft und die Entwicklung der Region“, umreißt sie das Ziel der Fahrt.

Sprechen über den See

Mittels Impulsvorträgen und Diskussionen soll die Schifffahrt zu einem Perspektivewechsel anregen. Bis zu 300 Personen haben Platz. Gerade am Ufer des Wörthersees wird der Zwiespalt zwischen der Schönheit der Natur und den Anforderungen des Tourismus immer wieder deutlich. Beispielsweise wurde direkt am Veldener Seeufer eine Wand errichtet. Den Gästen des Schlosshotels bietet sie mehr Privatsphäre beim Baden, den Flanierenden verwehrt sie den Blick auf den See.

Abgesehen von der berühmten Wörthersee-Architektur sind viele Bauten entlang des Seeufers nicht wirklich rühmliche Zeugnisse Kärntner Baukultur. Erst jüngst musste genau hinter der idyllisch gelegenen Kirche Maria Wörth ein Waldstück dem Bau einer Apartmentanlage weichen. Das Postkartenmotiv ist damit unwiderruflich verloren. „Wirtschaftlicher Bedarf und Erhaltung des Lebensraumes sind eben sehr widerstreitende Aspekte“, sagt Mayer. Die Schifffahrt soll das deutlich machen und zum Nachdenken anregen.

Der Standard, Do., 2008.05.08

09. Dezember 2006Anne Isopp
Der Standard

Darf ich Ihren Energieausweis sehen?

Sanierung ist ein Stiefkind der Bauwirtschaft. Dabei gäbe es in Österreich genug Handlungsbedarf - allein im Bereich der energetischen Sanierung. Experten hoffen auf ein Umdenken durch den in Kürze verpflichtenden Energieausweis für Gebäude.

Sanierung ist ein Stiefkind der Bauwirtschaft. Dabei gäbe es in Österreich genug Handlungsbedarf - allein im Bereich der energetischen Sanierung. Experten hoffen auf ein Umdenken durch den in Kürze verpflichtenden Energieausweis für Gebäude.

Beim Kauf eines Kühlschrankes sollte man auf einen geringen Stromverbrauch achten. Dies schont nicht nur die Umwelt, sondern reduziert auch die laufenden Betriebskosten. Klassifizierungen helfen dem Konsumenten bei der richtigen Wahl. Das, was sich bei Haushaltsgeräten schon vor einigen Jahren durchgesetzt hat, soll nun auch für Gebäude folgen. Ab Anfang 2008 ist der Energieausweis für Neubauten verpflichtend, ab Anfang 2009 dann auch für Bestandsgebäude. Experten hoffen, dass Mieter und Käufer dann nur noch zu Wohnungen greifen, die die definierten Qualitätskriterien erfüllen.

„Alle, die in unsanierten Häusern leben, müssen sich darüber im Klaren sein, dass ihre Wohnungen in zehn Jahren nicht mehr zu verkaufen sein werden“, droht Thomas Malloth, Obmann des Fachverbandes der Immobilientreuhänder. Seit der Einführung der Energie-Effizienzklasse sind Haushaltsgeräte mit schlechter Wertung quasi vom Markt verschwunden. Sollte der Energieausweis für Gebäude ähnliche Wirkung zeigen, dann müsste der Sanierungsmarkt in Bälde boomen. Vorerst nimmt der Sanierungsanteil mit 1,37 Milliarden Euro nur knapp zehn Prozent der österreichischen Gesamtbauproduktion ein. Allein für die Umsetzung des Kioto-Protokolls wird es notwendig sein, die Sanierungsrate von derzeit rund ein Prozent des gesamten Bestandes auf mindestens zwei anzuheben. Ein besonderes Augenmerk soll dabei auf Eigenheime gelegt werden.

Lieber gleich tief . . .

Gerade bei Dienstleistungsgebäuden mangelt es an energieeffizienten Bauweisen. Bauherren legen meist ein größeres Augenmerk auf die Investitions- als auf die späteren Betriebskosten. Dabei machen die Investitionskosten nur 20 bis 25 Prozent der gesamten Kosten aus, die im Laufe eines Gebäudelebens relevant werden. Der große Brocken entsteht erst nach Fertigstellung durch Betrieb und Instandhaltung.

Werner Kreilinger von dem auf Bauherrenberatung spezialisierten Unternehmen Bene Consulting betrachtet mit seinen Kunden daher nicht nur die Investitionskosten, sondern die gesamten Lebenszykluskosten für ein geplantes Objekt. „Wir rechnen dem Kunden aus, was es ihn Jahr für Jahr kosten wird, und sagen ihm, dass er lieber vorn etwas mehr Geld in die Hand nehmen soll.“ Die Zusatzkosten werde er schnell wieder einholen können.

„Die gängige Bauweise von Bürogebäuden ist durch Glas-architektur und den Bedarf an hoher Flexibilität geprägt“, sagt Margot Grim von ecofacility, „großflächige Glasfassaden ohne Berücksichtigung eines effizienten, außen liegenden Verschattungssystems führen dazu, dass der Wärmebedarf im Winter und der Kühlbedarf im Sommer immens steigen.“ Da durch eine vorausschauende Planung die Betriebskosten deutlich reduziert werden können, unterstützt das klima:aktiv-Programm ecofacility Bauherren und Planer in der Planungs- und Umsetzungsphase.

. . . in die Tasche greifen

Das Firmengebäude der Drexel und Weiss GmbH, ein Gewerbebau aus den 60er-Jahren, ist ein gern genanntes Beispiel: Vor Kurzem wurde es saniert und weist nun Passivhausstandard auf. Die Energiekennzahlen konnten dabei von 200 auf zehn kWh pro Quadratmeter und Jahr runtergeschraubt werden. Das Projekt wurde mit dem Österreichischen Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit 2006 ausgezeichnet.

Ein weiteres vorbildliches Sanierungsbeispiel stammt aus Salzburg. Architekt Michael Strobl baute in Zusammenarbeit mit Trauner Architekten sowie Bach Architekten ein Gebäude aus den 60er-Jahren um. Die Zentrale der Bausparkasse Wüstenrot AG wurde mit neuer Dämmung und neuer Glashaut überzogen, gleichzeitig wurden alle Fenster ausgetauscht. Fazit: 60 Prozent Energieersparnis. Um auch die Kühlkosten zu reduzieren und blendfreie Arbeitsplätze zu garantieren, ist das Gebäude von einem Streckmetallgewebe umhüllt. Von jedem Raum aus kann man die außenliegenden Gitter nach oben oder unten fahren.

40 verschiedene Firmen waren mit der Ausführung des Baus beschäftigt. Genau dies ist ein weiteres Argument für Sanierungen: Laut Johannes Lahofer, Bundesinnungsmeister des Baugewerbes, schafft eine Milliarde Euro in der Sanierung mindestens 20.000 Arbeitsplätze.

Der Standard, Sa., 2006.12.09

25. November 2006Anne Isopp
Der Standard

Dünne Luft

Je abgeschiedener ein Objekt ist, desto schwieriger wird das Bauen. Die Idylle einer Berghütte bringt nicht nur einen größeren Planungsaufwand mit sich, sondern auch einen weiten Transportweg. Das macht das Bauen in den Bergen extrem teuer.

Je abgeschiedener ein Objekt ist, desto schwieriger wird das Bauen. Die Idylle einer Berghütte bringt nicht nur einen größeren Planungsaufwand mit sich, sondern auch einen weiten Transportweg. Das macht das Bauen in den Bergen extrem teuer.

Architekten lieben das Abenteuer. Und das manchmal schon zu Studienzeiten: Die derzeit im Wiener Architekturzentrum gezeigten „9 Projekte für Johannesburg“ haben Studenten heimischer und deutscher Universitäten in den dortigen Townships realisiert. Für sie war dieses Baupraktikum eine Erfahrung unter extremen Bedingungen: Sie mussten in einem fremden Land innerhalb einer sehr kurzen Bauzeit und noch dazu mit den vor Ort vorhandenen Materialien ein kommunales Gebäude errichten.

Aber auch hier zu Lande findet man Baustellen, die mit normalen Maßstäben nicht zu messen sind. Man denke nur an die vielen Almhütten, die in absoluter Abgeschiedenheit liegen und nur zu Fuß, mit der Seilbahn oder dem Hubschrauber erreichbar sind. „Mit dem normalen Baugeschehen ist das nicht zu vergleichen. Das Projekt muss haargenau durchgeplant werden, denn während der Bauphase sind Änderungen nicht möglich“, erklärt Fritz Oettl von pos architekten, „wenn plötzlich ein Teil fehlt, dann kann man nicht einfach zum nächsten Baumarkt fahren.“

Derartige Erfahrungen hat er vor allem beim Bau einer Berghütte auf dem Hochschwab sammeln können. Das so genannte Schiestlhaus, eine Schutzhütte des Österreichischen Touristenklubs, das in der Arbeitsgemeinschaft solar4alpin (Rezac-Stieldorf-Oettl-Treberspurg) entstand, sorgte aufgrund ihrer Passivtechnologie für großes Aufsehen. Sie ist eine der wenigen Neubauten in solch luftiger Höhe. „Neubauten gibt es in diesen Höhenlagen kaum“, bestätigt Peter Kapelari vom Österreichischen Alpenverein. Meist handle es sich dabei um Sanierungs-, Umbau- oder Erweiterungsmaßnahmen.

Luxusgut Beton

Gemeinsam mit seinem deutschen Pendant unterhält der Österreichische Alpenverein insgesamt 514 Schutzhütten in den österreichischen Bergen. Um diese alpine Infrastruktur zu erhalten, werden jährlich 16,4 Millionen Euro ausgegeben. Baumaßnahmen in diesen Extremlagen sind laut Kapelari um das Zweieinhalbfache teurer als im Flachland. Das Teuerste dabei ist der Massivbau: Bei Betonierarbeiten müsse man die üblichen Preise sogar mit 40 multiplizieren.

Das neue Schiestlhaus ist oberirdisch fast ausschließlich aus Holz konstruiert. Doch beim Keller gab es kein Entkommen, er musste betoniert werden. Kübel für Kübel wurde der gemischte Beton per Hubschrauber nach oben geflogen. Auch sonst wurde der Luftweg zum Transport von Material und Personen oft genutzt - insgesamt flog man die 1500-mal. „Die größte Schwierigkeit ist das Wetter“, sagt Christian Wolfert vom Architekturbüro Treberspurg & Partner Architekten. Immer wieder verhinderten entweder Sicht- oder Windverhältnisse bereits geplante Flüge. Auf die Materiallieferungen musste dann eben gewartet werden, die Handwerker stiegen in der Zwischenzeit zu Fuß zu ihrer Arbeitsstätte hinauf. Immerhin ein zweistündiger Marsch.

Kurze Bausaison

Derzeit bauen pos architekten weitere Berghütten - nicht in Österreich, aber in Montenegro. Für einen Nationalpark entwickelte man einen Basistyp, von dem fürs Erste fünf Stück realisiert wurden. In diesem Fall werden die Einzelteile des Skelettbaus im Tal vorbereitet und dann nach oben gebracht. Zwei Hütten stehen bereits im Rohbau. Da im Gebirge nur kurze Bauzeiten möglich sind - meist von Mai bis Oktober - wird mit dem Innenausbau erst im kommenden Frühjahr begonnen. Für die Zwischenzeit sind sie winterfest gemacht.

Doch auch nach Fertigstellung ist eine Berghütte niemals völlig autark. In regelmäßigen Abständen müssen Dinge zu- oder abgeführt werden. Hat man das Abwasser früher einfach im Boden versickern lassen, ist dies aufgrund des Wasserschutzgesetzes in vielen Fällen nicht mehr möglich. Die meisten Objekte des Alpenvereins sind daher mit einer biologischen Abwasseranlage ausgestattet.

In Tirol kommt seit vier Jahren erschwerend das Tiroler Feldschutzgesetz hinzu. Demnach darf der Klärschlamm, der aus solchen Abwasserentsorgungsanlagen stammt, nur im Bereich von Ödland aufgebracht werden. Sobald die Flächen landwirtschaftlich genutzt werden, muss dieser ins Tal abtransportiert werden und dort entsorgt werden. Hubschrauberflüge stehen allein deshalb immer wieder an der Tagesordnung.

Der Standard, Sa., 2006.11.25

14. Oktober 2006Anne Isopp
Der Standard

Architektur als Lebensmittel

Die Tiroler Lebensmittelkette MPREIS arbeitet schon seit vielen Jahren mit Architekten zusammen. Doch auch andere Handelsketten kehren dem tristen Einheitslook den Rücken. Denn wer den Überlebenskampf gewinnen will, muss auch auf die Architekturkarte setzen.

Die Tiroler Lebensmittelkette MPREIS arbeitet schon seit vielen Jahren mit Architekten zusammen. Doch auch andere Handelsketten kehren dem tristen Einheitslook den Rücken. Denn wer den Überlebenskampf gewinnen will, muss auch auf die Architekturkarte setzen.

Knackige Salate und leuchtende Karotten werden im besten Lichte in Szene gesetzt, duftender Käse wird zu nationalen Grüppchen drapiert, pralle Äpfel drängen sich zum sündigen Kauf auf. Das Auge isst nicht nur mit - es kauft auch mit ein. Von monoton gestapelten Waren kann in vielen Lebensmittelmärkten keine Rede mehr sein, der Kunde von heute will zum Geldausgeben regelrecht animiert werden. Viele Anbieter wissen dem mittlerweile zu entsprechen. „Die Herausforderung besteht darin, den Kunden nicht nur eine attraktive Produktauswahl, sondern auch ein räumliches Erlebnis zu bieten“, erklärt Hansjörg Mölk, Geschäftsführer der einzigartigen Tiroler Lebensmittelkette MPREIS.

Seit einigen Jahren bereits arbeitet sein Unternehmen bei Neubauten mit Architekten zusammen. Sein Ziel ist es, Räume zu schaffen, in denen sich der Kunde wohl fühlt und gerne einkaufen geht. Jede Filiale von MPREIS sieht anders aus, mit jedem neu gebauten Geschäft stellt man sich neuen Herausforderungen. „Supermärkte sind die am meisten besuchten öffentlichen Räume. Es ist nicht gleichgültig, wie sie aussehen“, so Mölk. Diese buchstäblich Gewinn bringende Herangehensweise ist Ende der Achtzigerjahre aus einer Freundschaft zwischen dem Geschäftsführer und einem Architekten entstanden. Für das Unternehmen ist der moderne architektonische Auftritt inzwischen zu einem unverwechselbaren Markenzeichen geworden.

Mehr als nur ein Logo

Lange Jahre haben Lebensmittelketten auf die simple Kiste gesetzt. Die öden Einkaufstempel prägen Stadt und Land. Ein markantes Vordach und der jeweilige XXL-Schriftzug sind meist die einzigen Elemente, die den einen von dem anderen unterscheidet. Doch in der Zwischenzeit haben auch andere große Lebensmittelketten erkannt, dass das äußere Erscheinungsbild stets ein Spiegelbild ihres Unternehmens ist. Zunehmend werden für den Bau ihrer Märkte renommierte Architekten engagiert.

„Wir sind ein modernes Unternehmen und wollen dies auch in den Gebäuden darstellen“, sagt Nicole Berkmann, Pressesprecherin der Handelskette Spar. Vor einigen Jahren habe ein Umdenken stattgefunden, erzählt sie - seitdem lege man Wert auf gute Architektur. Der jüngste Eurospar in Bregenz stammt zum Beispiel vom Vorarlberger Architektenteam Dietrich|Untertrifaller. Ein sich über die gesamte Eingangsfront erstreckendes Garagentor sticht hier ins Au-ge. Während der Ladenöffnungszeiten wird es nach oben über die Dachkante hin-ausgeschoben und macht den Bau von Weitem sichtbar. Nach Ladenschluss wird es wieder heruntergelassen.

Die Rewe-Gruppe arbeitet bei Um- und Neubauten ebenfalls mit Architekten zusammen. Auch sie wollen dem Kunden ein unvergessliches Raumerlebnis bieten. Der Kunde soll sich im Supermarkt wohl fühlen, soll sich darin gerne aufhalten, soll jederzeit wieder kommen wollen. Im Gegensatz zu Spar oder MPREIS gibt Rewe den Architekten aber viel genauere Vorgaben, was das jeweilige Corporate Design betrifft.

Billa-Sackerl als Ikone

Jeder Merkur-Markt muss außen und innen die Farben Grün und Weiß tragen, bei Billa hingegen sind in der Fassadengestaltung die Farben Rot und Gelb erwünscht. Im niederösterreichischen Wöllersdorf hat man es mit dem Wiedererkennungseffekt sehr genau genommen. Hier ist das berühmt-berüchtigte Billa-Sackerl auf Hausgröße aufgeblasen und schmückt unverkennbar das Eingangsgebäude.

Während manche auf die überbordende Farbkarte setzen, konzentriert sich Spar auf dezentere Architekturelemente wie etwa auf den Schriftzug mit dem immer wiederkehrenden roten Eingangstor, das den Kunden in den Markt lotsen soll. Ingrid Huter, Kommunikationssprecherin von MPREIS kontert: „Es braucht nicht einmal mehr das Logo!“ Denn auch wenn jeder Markt anders aussehe, gebe es einen sehr hohen Wiedererkennungswert.

Früher haben sich die Lebensmittelketten einem einheitlichen Architektur-Code unterworfen, heute streben die meisten ein pluralistisches Erscheinungsbild an. Die Corporate Identity wird in den unterschiedlichsten Architektur-sprachen vermittelt - und die Kunden haben es begriffen: „Schon während der Bauphase wissen die Tiroler, dass es ein MPREIS wird.“

Der Standard, Sa., 2006.10.14

16. September 2006Anne Isopp
Der Standard

Der Wuchtel hinterher

Ein erfolgreicher Bürostandort braucht einen U-Bahn-Anschluss. Bis zur Europameisterschaft 2008 wird in Wien die U2 bis zum Stadion verlängert – das sportliche Großereignis wird damit zum Motor für die Standortentwicklung. Und die Bürobauten sprießen und wachsen.

Ein erfolgreicher Bürostandort braucht einen U-Bahn-Anschluss. Bis zur Europameisterschaft 2008 wird in Wien die U2 bis zum Stadion verlängert – das sportliche Großereignis wird damit zum Motor für die Standortentwicklung. Und die Bürobauten sprießen und wachsen.

„Keine Stöckelschuhe bitte“ – so lautete die Einschränkung, die auf der Einladung zur 75- Jahr-Feier des Wiener Ernst- Happel-Stadions stand. Ausnahmsweise durfte man genau dort stehen, sitzen oder liegen, wo sonst nur die Fußballspieler hinkommen, ja sogar ein Picknick auf heiligem Rasen war gestattet. Bis zum nächsten Fußballspiel und erst recht bis zur Europameisterschaft 2008 wird sich der Rasen längst erholt haben.

Die Vorbereitungen für das sportliche Großereignis in zwei Jahren laufen auf Hochtouren. An den österreichischen Austragungsorten Salzburg und Innsbruck werden derzeit die Stadien aufgestockt, in Klagenfurt wird gar ein neues errichtet. In Wien dagegen sind keine großen Umbaumaßnahmen erforderlich; das Ernst-Happel-Stadion muss lediglich adaptiert werden. Die Stadt nutze die EM 2008 vor allem, umstädtebauliche Entwicklungen im Umfeld des Stadions voranzutreiben, wie zum Beispiel die Verlängerung der U-Bahn-Linie U2, erklärt der Wiener Planungsstadtrat Rudolf Schicker. In unmittelbarer Nähe der Fußballarena entstehen ein Einkaufszentrum, das auf Sport spezialisierte „Stadion Center“, und ein neues Büro viertel mit zwei Bürobauten und einem Hotel.

„Großereignisse sind Motoren für Stadtentwicklung“, sagt Monika Meyer-Künzel, Leiterin des Institutes für ökologische Raumentwicklung in Leipzig – selbst wenn eine Bewerbung für die Olympischen Spiele letztendlich doch nicht positiv ausgeht, wie das in Leipzig der Fall gewesen ist. Meyer-Künzel hat sich mit dem Einfluss von Großereignissen auf die Stadtplanung auseinandergesetzt. „Bei Kooperationen geht der Entscheidungsprozess viel schneller, da alles auf ein bestimmtes Ziel gerichtet ist“, sagt sie.

Bis zum Anpfiff der Fußball- Europameisterschaft soll die Verlängerung der U2 eröffnet sein, im so genannten „Viertel Zwei“ sollen dann zumindest die äußeren Gebäudehüllen fix und fertig stehen. Man möchte sich ja im besten Licht präsentieren, wenn die Aufmerksamkeit von Millionen TV-Zuschauern auf Wien gerichtet ist.

Außen hui, innen leer

Am liebsten hätte man hier gleich ein lebendiges Büroviertel präsentiert, doch der zukünftige Mieter, die OMV, wird seine neue Konzernzentrale erst 2009 beziehen können. Allein das Hotel und das Stadion-Center werden während der EM2008 schon in Betrieb sein. Detail am Rande: Aus Sicherheitsgründen sind Baustellen während der Meisterschaften im Umfeld der Sportstätte verboten. Die herumliegenden Baumaterialien könnten ja als Wurfgeschoße missbraucht werden.

Zwei neue Bürobauten machen noch keinen neuen Bürostandort aus, erklärt Andreas Ridder, Geschäftsführer von CB Richard Ellis Österreich, einem international tätigen Immobiliendienstleister. Der Trend liegt in der Clusterbildung: „Man zieht dort hin, wo andere gute Unternehmen sich schon angesiedelt haben“, weiß Ridder. Die nach wie vor beliebteste Bürolagen in Wien ist die Innenstadt, gefolgt von der Donau-City. An dritter Stelle indemvonCBRichard Ellis erstellten Ranking steht Erdberg/Gasometer.

Doch auch das „Viertel Zwei“ hat einiges, was für eine erfolgreiche Lage spricht: „Ein Bürobau ohne U-Bahn funktioniert nicht“, so Ridder. Ein rentabler Standort brauche eine U- oder eine gute S-Bahn- Verbindung, weiters eine nicht zu große Distanz zur Innenstadt und zum Flughafen, eine gute Infrastrukturmit Geschäften und Restaurants und natürlich eine gewisse Form von Attraktivität.

Vermietungen steigen

Im ersten Halbjahr 2006 konnte bei Wiener Bürovermietungen ein neuer Rekord verzeichnet werden. Getragen wird dieses Plus von Großanmietungen wie etwa durch die OMV im „Vierteil Zwei“ – hier handelt es sich um stolze 44.000 Quadratmeter Bürofläche. Und natürlich gebe es Potenzial für weitere Bürobauten, sagt Sabine Ullrich von der für dieses Quartier verantwortlichen IC Projektentwicklung GmbH. Schließlich möchte man sich im Zuge der bevorstehenden Europameisterschaften im besten Licht präsentieren. Fazit: Je mehr Hüllen herumstehen, desto besser, und vermietet sind sie überhaupt am besten.

Der Standard, Sa., 2006.09.16

19. August 2006Anne Isopp
Der Standard

Das Wohnen ist vor der Tür

Der Sommer ist für viele die Zeit des zweiten Wohnsitzes am Land. Doch heute will man keine heimeligen Stuben mehr und keine kleinen Fenster, sondern Wohnräume, die sich ganz und gar der schönen Landschaft widmen. Denn im Ferienhaus, da zählt nur eins: das Drumherum.

Der Sommer ist für viele die Zeit des zweiten Wohnsitzes am Land. Doch heute will man keine heimeligen Stuben mehr und keine kleinen Fenster, sondern Wohnräume, die sich ganz und gar der schönen Landschaft widmen. Denn im Ferienhaus, da zählt nur eins: das Drumherum.

Wie soll ein Ferienhaus aussehen? Le Corbusier entwarf für sich und seine Frau eine schlichte, einfache Holzhütte. Sie steht in Roquebrune direkt an der Côte d'Azur. Auf gerade mal 16 Quadratmetern Grundfläche brachte der berühmt-berüchtigte französische Architekt alle notwendigen Funktionen unter Dach und Fach: einen Klapptisch, zwei Hocker, die gleichzeitig Aufbewahrungskästen sind, eine Zimmerdecke, hinter der sich ebenfalls Stauraum verbirgt, eine Toilette und eine Liege. Auf eine Küche verzichtete er ganz, da das Ehepaar sich im Café nebenan verpflegte.

Für Corbusier ging es um die Frage: Wie verbinde ich die eindrucksvolle Landschaft mit der Architektur? Und seine Antwort war so einfach wie verblüffend: Hier lebe ich im Freien - also brauche ich nur eine kleine, schlichte Behausung.

Die Ferienhäuser made in Austria sind meist wesentlich großzügiger konzipiert. Und doch haben sie einiges gemeinsam mit Le Corbusiers Hütte: In ihrem Inneren sind sie auf die wesentlichsten Funktionen beschränkt. Neben einem großen Aufenthaltsraum findet man - ganz anders als beim klassischen Einfamilienhaus - meist nur kleine Schlafzimmer und das obligatorische Bad. Der eigentliche Aufenthaltsraum ist auf das Genießen der umliegenden Natur ausgerichtet.

„Jetzt ist es drinnen wie draußen und draußen wie drinnen“, schwärmt die Bauherrin des Hauses Salgenreuthe. Mitten im Bregenzerwald hat sie gemeinsam mit ihrer Schwester einige Hektar Land geerbt und dazu ein Ferienhaus aus den 70er-Jahren. Das Haus war für die beiden Familien zu klein und hatte zudem „viel zu kleine Fenster“, um die wunderschöne Natur genießen zu können.

Bernardo Bader, ein junger Architekt aus dem Ort, erweiterte den Bestand um das erlaubte Drittel und packte Alt und Neu in ein frisches Holzkleid aus Lärchenlatten ein. Im Bestand sind drei Schlafzimmer für bis zu sechs Personen und zwei Badezimmer untergebracht. Neu ist der große Wohnraum mit Küche, Essplatz und Wohnbereich. Raumhohe Glasflächen, die teilweise zur Seite geschoben werden können, bieten den erwünschten Ausblick auf die Landschaft.

Kiste in der Schräge

Das Besondere an dem Haus ist, dass es wie ein Solitär mitten auf einer leicht abschüssigen Wiese steht und weit und breit weder eine Straße noch ein Auto zu sehen ist. Auch das ist ein Verdienst des Architekten. „Ich habe nie verstanden, dass man das Auto neben das Haus stellen muss“, erzählt er. Heute führt für das kurze Be- und Entladen ein Schotterrasen zum Haus Salgenreuthe. Die Autos werden danach etwa 80 Meter vom Haus entfernt abgestellt. Dies bedarf natürlich einer gewissen Disziplin. Doch die beiden Familien haben sich inzwischen daran gewöhnt.

Beim Bau des Haus Salgenreuthe haben die Bauherren darauf geachtet, dass überwiegend Handwerker aus der Gegend beschäftigt wurden. Ganz anders bei den beiden Ferienhäusern in Bocksdorf im Burgenland: Zwei befreundete Familien engagierten die Wiener Architekten ARTEC für den Bau ihres neuen Feriendomizils.

Obwohl sich die Wünsche der beiden Familien voneinander unterschieden und die jeweiligen Grundstücke unterschiedlicher nicht sein konnten, haben die Architekten für das Haus B und das Haus S eine ähnliche Konstruktion entwickeln können. Das sparte Zeit und Kosten. Die Konstruktion wurde so weit wie möglich von einer Vorarlberger Holzfirma vorgefertigt. Das eine Haus steht auf einer Hügelkuppe und scheint über der Wiese zu schweben. Das andere liegt mitten am Hang und ist an einen kleinen Altbau angegliedert.

Alt spricht mit Neu

Damit die Bauherren von einem erhöhten Standpunkt aus den Ausblick genießen können, wurde das bestehende Ziegeldach entfernt und durch eine Dachterrasse ersetzt. So spricht also das Alte mit dem Neuen. Nicht nur in der Konstruktion, auch in der Raumaufteilung ähneln sich die zwei Bauten. Beide verfügen über einen großen, verglasten Wohnbereich und eine umlaufende Terrasse, die von jedem Raum des Hauses betreten werden kann. Die Priorität des ferialen Wohnens ist letztlich wie bei Le Corbusier ausgefallen: Was zählt, ist das Drumherum.

Der Standard, Sa., 2006.08.19

10. Juni 2006Anne Isopp
Der Standard

Räume für Wohnen und Pflege

Schon 2020 wird jeder vierte Österreicher älter als 60 Jahre sein. Innovative Modelle sind nötig, um die damit verbundenen Wohnungs- und Pflegefragen zu lösen. Nur eine von vielen Varianten werden Alters- und Pflegeheime sein, aber auch sie brauchen neue Zugänge.

Schon 2020 wird jeder vierte Österreicher älter als 60 Jahre sein. Innovative Modelle sind nötig, um die damit verbundenen Wohnungs- und Pflegefragen zu lösen. Nur eine von vielen Varianten werden Alters- und Pflegeheime sein, aber auch sie brauchen neue Zugänge.

Vor dem Eingang verabschiedet sich eine alte Dame. „Bis zum nächsten Sonntag“, sagt sie zu ihrem Besucher und winkt dem abfahrenden Auto nach. Dann dreht sie, auf ihre Gehhilfe gestützt, noch eine Runde um das Haus. Am Rande von Steinfeld, einer Ortschaft im Kärntner Drautal, steht ein dreigeschoßiger Baukörper frei in einem Park. Die beiden oberen Geschoße springen zu allen Seiten über dem Erdgeschoß hervor. „So entsteht ein überdachter Bereich rund um das Haus“, sagt Heimleiterin Sabine Haslacher, „und da sind die alten Leute oft und gern unterwegs“. Entworfen hat das Alters- und Pflegeheim der Grazer Architekt Dietger Wissounig. Er wollte eine Wohnatmosphäre schaffen, wie sie ihm selber angenehm sei, erklärt er. Deshalb habe das Haus einen Hotel-, ja fast einen Spa-Charakter bekommen.

„Medizinische Pflege allein - das reicht schon lange nicht mehr aus“, sagt Franz Kolland. „Die Leute wollen wohnen.“ Der Professor für Soziologie unterrichtet an der Universität Wien und beschäftigt sich unter anderem mit Lebensstilen und Wohnbedürfnissen alter Menschen. Medizinische Pflege allein „wird vielleicht von den Angehörigen als ausreichend empfunden“, räumt er ein, „aber nicht von den alten Menschen selbst“.

Die meisten Leute ziehen erst ins Altersheim, wenn sie kaum mehr gehen können, weiß Architekt Wissounig. „Dann müssen sie ihr gewohntes Milieu und ihre gewohnte, landschaftliche Umgebung verlassen.“ Das kompakte rechteckige Gebäude in Steinfeld hat er so orientiert, dass man von innen zu allen vier Himmelsrichtungen hinausschauen und den vertrauten Ausblick wiederfinden kann.

Von außen wirkt der Bau schlicht und kompakt, im Inneren entfaltet er seine räumliche Vielfalt. In jedem der oberen Stockwerke gibt es ebenfalls einen Rundgang entlang der Zimmer, Gemeinschaftsräume und Terrassen zur einen Seite und einem innen liegenden, dreigeschoßigen Wintergarten zur gegenüberliegenden Seite. Vor allem für Demenzkranke sei es wichtig, so der Architekt, die Übersicht immer zu behalten.

Rundum durchdacht

Das Alters- und Pflegeheim in Steinfeld ist nicht nur ein „außerordentlich gut durchdachter“ Bau, wie ihn schon die Wettbewerbsjury lobte, er erfüllt auch die geforderten ökologischen Kriterien: Er ist bis auf das Erdgeschoß ein reiner Holzbau und als Niedrigenergiehaus konzipiert.

Neben Alters- und Pflegeheimen gibt es erst wenige andere Wohnformen für alte Menschen wie zum Beispiel Wohngemeinschaften, mobile Hausbetreuungen oder das betreute Wohnen. „Das Thema der Hochaltrigkeit gibt es erst seit 20-30 Jahren“, sagt der Soziologe Kolland, „wir haben also wenig Erfahrung damit.“ In Zukunft werden sich daher noch viel mehr Wohnvarianten herausbilden müssen.

Denn die bestehenden sind oft zu kurz gedacht: Das betreute oder betreubare Wohnen etwa, eine Kombination von gemieteten Wohnungen und verschiedenen Serviceleistungen, bezeichnet Franz Kolland als eine Übergangssituation: „Wenn die Menschen pflegebedürftig werden, müssen sie erneut umziehen. Das ist eine große Belastung für sie.“ Er fordert flexiblere Strukturen der Gebäude.

Genau damit hat sich erst kürzlich die Abteilung Facility Management der Hochschule Wädenswil in der Schweiz beschäftigt. Mit dem Ziel, ein flexibles Wohnmodell zu entwickeln, in dem die Bewohner auch beim Eintreten des Pflegefalls nicht umziehen müssen, simulierte man die Entwicklung des Wohnens im Alter. Die Parameter für die Simulation - wann wird jemand pflegebedürftig, verliert seinen Partner oder ändert sein Raumbedürfnis - entnahm man der Statistik. Das dabei entstandene Modell soll nun in die Realität umgesetzt werden.

Allzu strikte Bauregeln

Auch Josefine Mair, Geschäftsführerin von „Caritas für Betreuung und Pflege“, fordert eine größere Vielfalt an Wohnformen: „Wir brauchen Wahlmöglichkeiten.“ Sie spricht von den zu strikten Regeln für den Bau von Alters-und Pflegeheimen, die diese Vielfalt nicht zulassen, und fordert Lockerungen. Um für dieses Thema zu sensibilisieren, veranstaltet die Caritas am 28. und 29. September einen Kongress in der FH Linz unter dem Titel „Wohnen im Alter - Bauen fürs Alter“.

Der Standard, Sa., 2006.06.10



verknüpfte Bauwerke
Altenheim Steinfeld

13. Mai 2006Anne Isopp
Der Standard

Hongkong meets Heustadel

Immer mehr landwirtschaftliche Nutzgebäude stehen leer, viele dürfen wegen des Ortsbild- schutzes nicht abgerissen werden. Eine will- kommene Herausforderung für Architekten, die Scheunen und Ställe zu Wohnhäusern umzu- bauen. Ein Paradebeispiel steht im Tiroler Lans.

Immer mehr landwirtschaftliche Nutzgebäude stehen leer, viele dürfen wegen des Ortsbild- schutzes nicht abgerissen werden. Eine will- kommene Herausforderung für Architekten, die Scheunen und Ställe zu Wohnhäusern umzu- bauen. Ein Paradebeispiel steht im Tiroler Lans.

Eigentlich sollte das leer stehende Tennengebäude abgerissen werden. Der Bauherr wollte einen Neubau. Doch die Gemeinde Lans bei Innsbruck lehnte dieses Vorhaben ab - das Ensemble Bauernhaus und Stall musste erhalten bleiben, da es einen markanten Punkt in der Landschaft darstellt. Man einigte sich darauf, den Stall zu einer Wohnung umzubauen. Im Nachhinein für alle die beste Lösung, auch für den Bauherrn Christian Rhomberg: „In meiner Kindheit war der Stadl unser Spielreich, mit magischem Lichteinfall zwischen den Bretterfugen, Astlöchern und Lucken.“ Ein Stück von diesem besonderen Reiz konnte Architekt Martin Scharfetter wieder zum Leben erwecken.

In Österreich stehen viele landwirtschaftliche Nutzgebäude leer. Befinden sich die Ställe, Scheunen oder Mühlen in Schutzzonen, ist ein Abriss nicht möglich. Zunehmend suchen ihre Eigentümer daher in Zusammenarbeit mit Architekten nach Lösungen für Neunutzungen. Diese Bauaufgabe verlangt nach innovativen Ansätzen - für viele Architekten eine gern gesehene Herausforderung.

Eine Umnutzung ist freilich nicht immer unproblematisch. Ist der Bauernhof nebenan in Betrieb, kann dies zu nachbarschaftlichen Konflikten führen: „Wenn der Bauer mit der Gülle rein- und rausfährt, ist das eine Tätigkeit, die nicht dem Wohnen entspricht“, warnt Hans Kordina, Raumplaner in Niederösterreich. Er sieht dennoch in Umnutzungen eine Chance, den Überhang an leer stehenden Stallgebäuden zu verringern, Siedlungsstrukturen aufrechtzuerhalten und Ressourcen zu nutzen.

Zusammen mit dem Österreichischen Kuratorium für Landtechnik und Landentwicklung hat er vor zwei Jahren eine Studie zur „Um- und Neunutzung landwirtschaftlicher Gebäude“ erarbeitet. Daraus könne man zwar keine generelle Empfehlung ableiten, sagt Kordina, aber auf Folgendes sei zugunsten des ungetrübten Wohngenusses immer zu achten: „Teilbarkeit des Grundstückes, getrennte Einfahrt, eigener Garten und Abschirmung gegen den Nachbarn“. Im Wege stehen können rechtliche Bestimmungen, wie der Fall Fiona Swarovski/ Karl-Heinz Grasser und der Bauernhof in Kitzbühel zeigt.

Schachtelhaus am See

Das leer stehende Tennengebäude in Lans ist seit Langem in Familienbesitz. Es gehört zu einem Paarhof und liegt an einem Badesee. Wie eine Schachtelkonstruktion hat Architekt Martin Scharfetter ein neues Haus in die alte Scheune hineingestellt. Der Neubau steht auf dem massiven, halb in den Hang eingegrabenen Untergeschoß des ehemaligen Stalles. Es ist in Fachwerkbauweise errichtet, mit dunkel gestrichenem Holz verkleidet und um einiges kleiner als der Bestand. Dadurch entstehen große Freiräume zwischen der inneren und der äußeren Hülle.

Diese Zwischenräume nutzt der Architekt als Terrassenräume, die „man sonst gar nicht bauen kann, weil man das nicht finanzieren kann“, so Scharfetter. „Vom Kinderzimmer aus kann man ebenerdig auf die Terrasse rausgehen, es ist damit in der Übergangszeit doppelt so groß. Die Kinder schlafen im Sommer draußen.“

Während der Bauzeit blieb die Bestandshülle unangetastet, so konnte man auch im Winter ungehindert weiterbauen. Erst nachdem der Neubau fertig war, wurde das Dach neu gedeckt und die Fassade bearbeitet. Gemeinsam haben Architekt und Bauherr dann von innen nach außen bestimmt, welche der genagelten Bretter der Stallfassade entfernt werden - „je nach Atmosphäre, Licht, Einblicken und Ausblicken“. Die hölzerne, nun durchlöcherte alte Hülle dient als Regenschirm, Sonnen- und Sichtschutz.

Tatami mit Tradition

Die innere Raumgestaltung mit Tatami-Matten stellt eine ungewöhnliche Kombination von ostasiatischer Wohnkultur und traditioneller Bauweise dar. Eine Mischung, die von der familiären Bindung des Bauherren - der mit seiner Familie etwa die Hälfte des Jahres in Hongkong lebt - zu China sowie zu Tirol herrührt. „Es freut mich jedes Mal“, sagt Christian Rhomberg, „wenn ich irgendwo im Haus sitze und mich daran erinnern kann, dass ich hier als Kind mein Pony fütterte, frisches Gras über eine Futterrutsche in den Kuhstall warf oder vom Heustock unterm Dachgiebel auf den Graswagen sprang.“

Der Standard, Sa., 2006.05.13

15. April 2006Anne Isopp
Der Standard

Dem Nachbarn so nah

Seit Schrebergärten in Wien ganzjährig bewohnt werden dürfen, entstehen immer mehr von Architekten geplante Kleingartenwohnhäuser. Auch in anderen Städten finden Bauherren Geschmack am Minihaus aus Architektenhand. Schönes Beispiel: Onkel Freds Hütte in Steyr.

Seit Schrebergärten in Wien ganzjährig bewohnt werden dürfen, entstehen immer mehr von Architekten geplante Kleingartenwohnhäuser. Auch in anderen Städten finden Bauherren Geschmack am Minihaus aus Architektenhand. Schönes Beispiel: Onkel Freds Hütte in Steyr.

So sieht Luxus aus: In einem eigenen Haus mit Garten wohnen, viel Grün drum herum und eine U-Bahn-Station in der Nähe. Die Vor- und Nachteile von Stadt und Land gegeneinander abzuwägen - das steht für viele, spätestens wenn Kinder da sind, auf dem Programm. Die Wiener Kleingärten bieten hier einen guten Kompromiss: Die 32.000 Schrebergärten, die es in Wien gibt, bilden einen grünen Gürtel um die Stadt. Sie sind zentral gelegen und haben gleichzeitig etwas von einer ländlichen Idylle. Von der einen oder anderen Parzelle hat man zudem einen herrlichen Blick auf die Stadt. Seit in Wien das ganzjährige Wohnen in diesen Oasen erlaubt ist, haben viele das Sommerhaus zu ihrer Dauerresidenz gemacht: Bereits mehr als 20.000 Kleingärten wurden für ganzjähriges Wohnen umgewidmet.

Um die Umwidmung müssen sich die Siedlungen kümmern - Voraussetzung sind Infrastrukturmaßnahmen wie Kanalanschluss und Winterwasserleitung. Aber auch dann gelten einschränkende Baubestimmungen. Laut Wiener Kleingartengesetz dürfen die in Kleingärten errichteten Gebäude 50 Quadratmeter Grundfläche, eine durchschnittliche Fassadenhöhe von 5,5 Metern und eine Kubatur von 250 Kubikmetern nicht überschreiten. Das sind zumindest 15 Quadratmeter mehr als zu Zeiten der reinen Sommernutzung.

Enges Planungskorsett

Immer mehr der neu errichteten Objekte beruhen dabei auf Architektenplanungen. Vor allem junge Architekten nehmen sich dieser ungewöhnlichen Bauaufgabe an. Die strengen Auflagen scheinen ihre Fantasie zu beflügeln: Innerhalb des engen Korsetts entwickeln sie raffinierte Raumlösungen.

Ist ein Haus fertig gestellt, kommen oft Folgeaufträge. Denn zum einen sind die Bauaktivitäten seit der Novellierung des Kleingartengesetzes enorm. Zum anderen gilt im Schrebergarten nach wie vor: Es wird genau beobachtet, was in der Nachbarschaft passiert.

„In der Kleingartensiedlung ist alles sehr nah“, weiß auch Architekt Gernot Hertl. Deshalb habe er bei dem von ihm geplanten Kleingartenhaus in Steyr die Ausblicke sehr genau gewählt. „Onkel Freds Hütte“ ist ein Holzhaus mit nur wenigen Öffnungen. Der Namen kommt nicht von ungefähr: Der Bauherr ist wirklich der Onkel des Architekten, und der Bau hat in seiner Kompaktheit und Materialität auch etwas von einer Hütte.

Der Unterschied zu Wiener Kleingärten: Das Haus darf nicht als Hauptwohnsitz genutzt werden und die bebaute Fläche 35 Quadratmeter nicht überschreiten. Dazu kam, dass der Bauherr ein Passivhaus wünschte, was dickere Wandstärken mit sich brachte und die Nutzfläche schrumpfte.

„In Japan hat ein Hotelzimmer zehn Quadratmeter inklusive Badezimmer“, erzählt Alfred Hertl, der Herr der Hütte. Etwa die Hälfte des Jahres ist er beruflich im asiatischen Raum unterwegs und das Leben auf kleinstem Raum gewöhnt. Zudem ist Minimalismus für ihn eine Form der Lebenseinstellung.

Wohnen in der Wanne

Das Haus ist in eine Wanne aus Beton gestellt, die um 1,2 Meter in den Boden versenkt wurde. „Sie dient dazu, den imaginären Wohnraum zu vergrößern“, sagt Gernot Hertl. Der Wohnraum definiert sich nicht über die Gebäudehülle, sondern über die Wanne, die den Terrassenbereich räumlich mit einfasst. Über eine Treppe läuft diese in den eigentlichen Garten aus.

Ein weiterer Kunstgriff des Architekten, jede Form der Einengung zu vermeiden, ist die Decke im Wohnraum, die vor der Glasfassade nach oben verspringt und damit den Ausblick vergrößert. Eine Treppe im Inneren verbindet die beiden Geschoße und trennt zugleich die rückwärtig liegende Küche und das Bad vom Wohn- und Schlafraum ab.

Da Hertl die Parzelle nur gepachtet hat, kann man das Haus aus Holzfertigteilwänden bei Bedarf leicht wieder abbauen. Vorerst aber genießt der Bauherr im Sommer sein Gartenreich und im Winter die ihn umgebende Ruhe.

In Wien ist die Winterruhe in den Schrebergärten längst passé: Immer weniger Siedler nutzen ihre Grundstücke lediglich in den Sommermonaten. Und da man die Parzellen, sobald sie umgewidmet sind, käuflich erwerben kann, ist auch das Miteinander, das vorher durch die Vereinszugehörigkeit geprägt war, ein weniger enges.

Der Standard, Sa., 2006.04.15



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Onkel Freds Hütte

18. Dezember 2005Anne Isopp
zuschnitt

Mehrfamilienaus in Wien-Nussdorf

Nussdorf zählt zu den besseren Wohnadressen der Hauptstadt. Hier in der Nussberggasse, am Fuße des Kahlenbergs, steht eine alte Villa neben der anderen....

Nussdorf zählt zu den besseren Wohnadressen der Hauptstadt. Hier in der Nussberggasse, am Fuße des Kahlenbergs, steht eine alte Villa neben der anderen....

Nussdorf zählt zu den besseren Wohnadressen der Hauptstadt. Hier in der Nussberggasse, am Fuße des Kahlenbergs, steht eine alte Villa neben der anderen. Seit ein paar Monaten aber hat sich ein Fremdkörper in das homogene Gefüge eingeschlichen: Ein warm leuchtender Holzbau steht inmitten der herrschaftlichen Steinbauten. Die Rede ist von Haus Sigmund, einem vom Grazer Architekten Hubert Rieß entworfenen Wohngebäude. Auf einem massiven Stahlbetonsockel, der sich tief ins Gelände hineinschiebt und die Autostellplätze birgt, sind 20 Holzmodule über- und nebeneinander gestapelt. Sie bilden zwei parallele Riegel, der vordere zwei- und der hintere dreigeschossig, in denen sechs Wohnungen untergebracht sind. Trotz der schlichten und zurückhaltenden äußeren Gestalt zeigt der Bau eine erstaunlich starke Präsenz in dieser Wohngegend – dank der in seiner Farbe und Materialität einladenden horizontalen Eichenholzverschalung, die das äußere Erscheinungsbild prägt. Er habe immer wieder Autofahrer beobachtet, erzählt Rieß, die langsam und neugierig an dem Haus vorbeifuhren. Der Grazer Architekt ist überzeugt, dass Holz die Kraft hat, Menschen anzusprechen; vorausgesetzt – so räumt er ein – es ist entsprechend gut verarbeitet. So wie ihm dies beim Haus Sigmund gelungen ist.

Dabei kam der Wunsch, hier an diesem Ort in Holz zu bauen, von den Bauherren, da sie sowohl die optischen als auch die haptischen Qualitäten des Materials als ansprechend und wohltuend schätzen. Das Ehepaar Sigmund besaß neben ihrem Haus in der Nussberggasse ein freistehendes Grundstück. Es bat den Architekten Rieß, ein Konzept für ein Mehrparteienhaus zu erarbeiten, das die Fläche optimal ausnützt und – das war das wichtigste Anliegen – nicht die Aussicht aus den benachbarten Giebelfenstern verstellt. Es dauerte sieben Jahre, bis man sich in allen Punkten geeinigt hatte und die 10,4×4,3 Meter großen Holzmodule, die komplett mit Fenster, Dämmung, Sanitär- und Elektroeinrichtung im Werk vorgefertigt wurden, auf einem Lkw zur Baustelle geliefert werden konnten. Die Vorteile der gewählten Modulbauweise aber liegen auf der Hand: Sie ermöglicht eine extrem kurze Bauzeit – was dem Wunsch der Bauherren nach einer geringen Belästigung der Anrainer entsprach. Zudem ist der Bau sofort bezugsfertig.

Eine Konzeptänderung innerhalb der langen Planungszeit aber darf nicht unerwähnt bleiben: Anstelle der zur Straße hin geplanten, ebenerdigen Ordinationen und Büros befinden sich hier nun zwei Wohnungen. Vier weitere erstrecken sich über das erste und zweite Obergeschoss. So ist aus der ursprünglich als Reihenhaus geplanten Anlage ein Geschosswohnbau geworden. Damit kamen auch andere baurechtliche Gesetze zur Geltung: Die Behörde forderte nun eine Fassade in B1, schwer brennbar. Anstelle der oft verwendeten Lärche musste für die Verschalung die teurere Eiche zum Einsatz kommen. Der mehrgeschossige, ebenfalls von Hubert Rieß in Holzbauweise errichtete Wohnbau in der Spöttelgasse in Wien-Floridsdorf, musste genau aus diesen Gründen, so der Architekt, verputzt werden.

zuschnitt, So., 2005.12.18



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Haus Sigmund



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27. Oktober 2005Anne Isopp
Salzburger Nachrichten

Der Raum-Pionier

Die „Raumkonstruktionen“ des Russen Alexander M. Rodtschenko sind in einer kleinen, feinen Ausstellung im Wiener Museum für Angewandte Kunst zu sehen.

Die „Raumkonstruktionen“ des Russen Alexander M. Rodtschenko sind in einer kleinen, feinen Ausstellung im Wiener Museum für Angewandte Kunst zu sehen.

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12. Oktober 2005Anne Isopp
Salzburger Nachrichten

Rialto am Donaukanal

Ein spektakuläres Städtebauprojekt stellten Unternehmer Michael Satke und Architekt Gregor Eichinger am Montag in Wien vor: Im Bereich des Schwedenplatzes...

Ein spektakuläres Städtebauprojekt stellten Unternehmer Michael Satke und Architekt Gregor Eichinger am Montag in Wien vor: Im Bereich des Schwedenplatzes...

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06. Oktober 2005Anne Isopp
Salzburger Nachrichten

Buntes Bild mit Rahmen

Nach 18 Jahren in einem Dauerprovisorium übersiedelt die ARGEkultur in ein neues Zuhause. Heute, Donnerstag, wird die neue Kulturwerkstatt eröffnet.

Nach 18 Jahren in einem Dauerprovisorium übersiedelt die ARGEkultur in ein neues Zuhause. Heute, Donnerstag, wird die neue Kulturwerkstatt eröffnet.

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22. September 2005Anne Isopp
Salzburger Nachrichten

Moderne Weinbaukunst

Pünktlich zur Weinlese: Das Wiener Architekturzentrum zeigt österreichische und internationale Beispiele moderner Baukunst aufehrwürdigen Weingütern.

Pünktlich zur Weinlese: Das Wiener Architekturzentrum zeigt österreichische und internationale Beispiele moderner Baukunst aufehrwürdigen Weingütern.

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17. September 2005Anne Isopp
Salzburger Nachrichten

Endstation Wiesn-Rausch

Ausnüchterungszelle und Kinderfundbüro: Das Münchner Oktoberfest hat eine neue Servicezentrale. Geplant hat den Kupferbau der Berliner Volker Staab.

Ausnüchterungszelle und Kinderfundbüro: Das Münchner Oktoberfest hat eine neue Servicezentrale. Geplant hat den Kupferbau der Berliner Volker Staab.

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Service Zentrum Theresienwiese

28. Juli 2005Anne Isopp
Salzburger Nachrichten

Leicht wie Seifenblasen

Die Pinakothek der Moderne in München ehrt Frei Otto, den Konstrukteur des Daches im Olympiastadion, mit einer umfassenden Werkschau zum 80. Geburtstag.

Die Pinakothek der Moderne in München ehrt Frei Otto, den Konstrukteur des Daches im Olympiastadion, mit einer umfassenden Werkschau zum 80. Geburtstag.

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13. Juli 2005Anne Isopp
Salzburger Nachrichten

Identität in Stein und Glas

Eine eindrucksvolle Ausstellung im Jüdischen Museum in Wien begibt sich auf die Suche nach jüdischer Identität in der modernen Architektur.

Eine eindrucksvolle Ausstellung im Jüdischen Museum in Wien begibt sich auf die Suche nach jüdischer Identität in der modernen Architektur.

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09. Juli 2005Anne Isopp
Salzburger Nachrichten

Stadt aus Energie

Für das Wiener Museum für Angewandte Kunst hat der US-Architekt Lebbeus Woods die Zukunft Wiens skizziert: Sein Projekt will das Energie-system der Stadt aufwirbeln.

Für das Wiener Museum für Angewandte Kunst hat der US-Architekt Lebbeus Woods die Zukunft Wiens skizziert: Sein Projekt will das Energie-system der Stadt aufwirbeln.

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30. Juni 2005Anne Isopp
Salzburger Nachrichten

Wunderland Vorarlberg

Warum gibt es im westlichsten Bundesland Österreichs so viel und so aufregende Architektur? Im Wiener Architekturzentrum wird dies nun erklärt.

Warum gibt es im westlichsten Bundesland Österreichs so viel und so aufregende Architektur? Im Wiener Architekturzentrum wird dies nun erklärt.

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21. Juni 2005Anne Isopp
Salzburger Nachrichten

„Stützen sind total sinnlos“

Coop Himmelb(l)au gelten als Österreichs wichtigster Architekturexport. In München sind derzeit zwei ihrer prestigeträchtigen Gebäude im Bau.

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Akademie der Bildenden Künste - Erweiterungsbau
BMW-Welt München

20. April 2005Anne Isopp
Salzburger Nachrichten

Kühne Hüllen voller Kraft

In Rotterdam gibt die Ausstellung „No. 250“ einen beeindruckenden Einblick ins Werk der international renommierten Architekten Herzog & de Meuron.

In Rotterdam gibt die Ausstellung „No. 250“ einen beeindruckenden Einblick ins Werk der international renommierten Architekten Herzog & de Meuron.

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Herzog & de Meuron

05. April 2005Anne Isopp
Salzburger Nachrichten

Die Metamorphosen des Frosches

Sinn für Poesie: Das Grazer Architektenteam „Splitterwerk“ - Vortrag in Salzburg am 6. April

Sinn für Poesie: Das Grazer Architektenteam „Splitterwerk“ - Vortrag in Salzburg am 6. April

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SPLITTERWERK

04. März 2005Anne Isopp
Salzburger Nachrichten

Nachwirkungen eines Unbekannten

Mehr Mitbestimmung in der Architektur: In Wien wird das Gesamtwerk von Ottokar Uhl gezeigt

Mehr Mitbestimmung in der Architektur: In Wien wird das Gesamtwerk von Ottokar Uhl gezeigt

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15. Dezember 2004Anne Isopp
Salzburger Nachrichten

Die Sinne anrühren

Das Museum für Angewandte Kunst in Wien präsentiert in einer umfassenden Retrospektive das Werk des US-Architekten und Theoretikers Peter Eisenman.

Das Museum für Angewandte Kunst in Wien präsentiert in einer umfassenden Retrospektive das Werk des US-Architekten und Theoretikers Peter Eisenman.

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28. September 2004Anne Isopp
Salzburger Nachrichten

Ein Spiel mit Oberflächen

Pinzgauer Architekt Rüdiger Lainer: Ausstellung in Berlin, Vortrag in Salzburg

Pinzgauer Architekt Rüdiger Lainer: Ausstellung in Berlin, Vortrag in Salzburg

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28. August 2004Anne Isopp
Salzburger Nachrichten

Schein-Bauten

Die Ausstellung „Reserve der Form“ im Wiener Künstlerhaus beschäftigt sich mit dem Phänomen des ersten und zweiten Blicks in Design und Architektur.

Die Ausstellung „Reserve der Form“ im Wiener Künstlerhaus beschäftigt sich mit dem Phänomen des ersten und zweiten Blicks in Design und Architektur.

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17. August 2004Anne Isopp
Salzburger Nachrichten

Eine Bühne für das Leben bauen

„Querkraft“ gehören zu den Architektenteams aus Österreich, die heuer auf der Biennale in Venedig zu sehen sein werden

„Querkraft“ gehören zu den Architektenteams aus Österreich, die heuer auf der Biennale in Venedig zu sehen sein werden

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querkraft architekten

Profil

Architekturstudium in Graz und Delft
Seit 1999 Arbeit als Architektin in Hamburg
Seit 2005 freie Architekturjournalistin in Wien
2009 – 2020 Chefredakteurin der Zeitschrift Zuschnitt
Seit 2022 Podcasterin: www.morgenbau.at

Lehrtätigkeit

2024 MSA Münster

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